Am Anfang war der Name

Ganz ehrlich: Ich bin froh, dass RB Leipzig nicht Red Bull Leipzig heißt/ heißen darf. Gar nicht mal unbedingt, weil ein Red Bull Leipzig gegen VW Wolfsburg oder SAP Hoffenheim unerträglich wäre. (Schließlich hat man sich im Basketball auch an das Spiel Telekom Baskets Bonn gegen Opel Skyliners Frankfurt gewöhnt.) Nein, weil RasenBallsport Leipzig der bestmögliche aller für den Red-Bull-Ableger in Leipzig denkbaren Namen ist. Sicher, Rote Brause Leipzig hätte mir aufgrund seiner grandiosen Selbstironie auch gut gefallen, aber das wäre für eine Firma im Red Bull-Maßstab wohl des Guten ein wenig zu viel gewesen.

RasenBallsport ist die bereits im Titel manifestierte Distanzierung von der Unterklassigkeit, das auf den Punkt gebrachte Grundprinzip des immer-etwas-besser-sein-wollens, welches sein Äquivalent dann im Unterhalt einer mindestens Drittligamannschaft in der fünftklassigen Oberliga Nordost findet. RasenBallsport ist eine grandiose Metapher für fußballerische Aktivitäten und klingt nicht nach Grätschen, Beißen, Rennen, sondern nach Hacke, Spitze, Einszweidrei, klingt nach Real Madrid oder Bayern München und nicht nach Borea Dresden oder Schott Jena. Der Titel RasenBallsport übernimmt von den assoziativ naheliegenden Sportarten Cricket und Golf die Gediegenheit und leichte Noblesse und haucht damit dem Fußball und dem Fußballgucken konnotativ ein völlig neues (verheißungsvolles) Leben ein. In diesem Sinne ist RasenBallsport das Glücksversprechen für den wenig glückserfahrenen, durchschnittlichen Leipziger Nachwendefußballfan, ist RasenBallsport die Verheißung auf eine schöne Zukunft und darauf, dass sich der 10-Euro-Hartplastesitz in eine gefühlte VIP-Loge verwandelt.

Der Name RasenBallsport verspricht Unterhaltung, noble Schönheit und die Chance, sich als konsumierender Zuschauer gleichzeitig distanziert-kritisch, aber auch zugewandt-schwelgerisch zu verhalten. Wer sich dem RasenBallsport und eben nicht dem Fußballclub verspricht, muss nicht in ewiger Treue, ganz und gar authentisch und ehrlich, in guten wie in schlechten Zeiten zu seinen traditionellen Wurzeln – eben seinem Verein – stehen, sondern geht eine Verbindung ein, in der man sich selbst als oft wankelmütiges Individuum erkennen und jederzeit seine Unterstützung der RasenBallsportler aufkündigen und wieder aufnehmen kann. RasenBallsport-Fan zu sein, bedeutet sich von der heiligen Fan-Scholle, die bei anderen Chemie, Lok, Dynamo und wie auch immer heißt, lösen zu dürfen, ohne dass man sich des Hochverrats schuldig macht. Sich dem RasenBallsport zuzuwenden, bedeutet somit potenziell, sich dem Fußball ausschließlich in seiner taktischen und ästhetischen Schönheit zuzuwenden, ohne dem Druck des permanenten Bekennens oder eigeninitiativem Stadionumbaus ausgesetzt zu sein. RasenBallsport verspricht in diesem Sinne eine wunderbare Erweiterung des Spektrums von konsumptiven Freizeitaktivitäten, die sich nicht nur in Kino- und Konzertbesuchen erschöpfen.

Der Name RasenBallsport vermittelt zudem die leicht elitäre Arroganz, die Felix Magath in Perfektion beherrscht (vll. finden ja beide mal zu zusammen in mittlerer Zukunft) und auf Fußballvereinsebene in Deutschland wohl nur vom FC Bayern wirklich gelebt wird. Erst diese leichte Arroganz macht fußballerische Unternehmungen endgültig interessant und ‚sexy’, zumindest solange sie Erfolg haben. Ohne Erfolg hingegen wirkt Arroganz – auch wenn sie leichtfüßig daherkommt – schnell peinlich. Deshalb und weil ich mich auf ein Leipziger Bayern mit all seinen großen Dramen, Spielen und Geschichten freue, wünsche ich den RasenBallsportlern und ihren Förderern viel Erfolg und hoffe auf ihren Mut zur weltgewandten, nicht kleingeistigen Unterhaltung und damit zu einer praktischen Hommage an den Namen RasenBallsport.

4 Gedanken zu „Am Anfang war der Name“

  1. “Der Titel RasenBallsport übernimmt von den assoziativ naheliegenden Sportarten Cricket und Golf die Gediegenheit und leichte Noblesse und haucht damit dem Fußball und dem Fußballgucken konnotativ ein völlig neues (verheißungsvolles) Leben ein. ”

    einfach nur schön geschrieben!

  2. Das hat man nun davon, wenn der Autor so lange Urlaub macht, daß man so alte Artikel liest.

    Wie geil ist das denn Bitte?!?!?!
    07.03.2010
    Und so einige Dinge hat der einzig wahre Rasenballsport auch geliefert.
    Verrückt!

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