RasenBallsport Leipzig vs. Türkiyemspor Berlin 1:1

Einen Punkt mit nach Hause zu nehmen, hatten sich die Berliner Gäste vorgenommen. Einen Punkt nahmen sie völlig verdient mit nach Haus. Und trotzdem machte der erste Regionalligaauftritt von RasenBallsport Leipzig Lust auf mehr. Und das lag nicht unbedingt am Spiel der RasenBallsportler, sondern eher am überraschend schönen zuschauertechnischen Ambiente. 4000 Besucher hatte selbst ich vor dem Spiel nicht erwartet und dank nur halb geöffneter Gerade waren die zur Verfügung stehenden Plätze sehr gut gefüllt und von Zeit zu Zeit hatte man das Gefühl, dass auch der Funke vom Grün auf die Ränge und zurück überspringen könnte. Wenn da nicht die insgesamt wenig berauschende Leistung der 11 respektive 14 auserwählten RasenBallsportler gewesen wäre, die offensichtlich wie die meisten Zuschauer davon ausgingen, dass man das Spiel schon irgendwie schaukeln, sprich gewinnen würde.

Wenn man das Spiel positiv nehmen will, dann könnte man sagen, dass RB Leipzig nun genauso viel Punkte, Tore und Gegentore auf dem Konto hat, wie zum selben Zeitpunkt der Vorsaison. Wie die Vorsaison anschließend Fahrt aufnahm und endete dürfte den meisten noch in Erinnerung sein. Wenn man das Spiel negativ nehmen will, dann haben sich in den 90 Minuten mehr Baustellen gezeigt als Zuschauern und sportlicher Leitung lieb sein dürften. Wobei nach meiner bescheidenen Meinung das spieltaktische Grundgerüst noch keinerlei positive Wirkung gezeigt hat. Mit einem offensiven 4-4-2 will Tomas Oral offenbar die Gegner beeindrucken. Offensive Außenpositionen und eine offensive Mittelfeldausrichtung sollen Druck aufbauen. Heraus kam dabei vor allem, dass das System bei Ballverlust sehr anfällig ist. Insgesamt war der Spielaufbau viel zu aufgeregt, die Idee über die Außen Druck aufzubauen und die zwei Stürmer zu versorgen, wurde viel zu selten umgesetzt. Nicht umsonst erzielte ausgerechnet der 19jährige Lewerenz den Ausgleich als er, sich von der rechten Seite lösend, zur Mitte zog und von dort wundervoll vollendete. Neben den ineffektiven Außen fungierten die zentralen Mittelfeldspieler Geißler und insbesondere Rost als unsichere Ballverteiler, sodass viele Angriffe im Aus oder in den Beinen der grundsoliden und massiven Gästeabwehr landeten.

Was insgesamt nicht heißt, dass es Zeit wäre, den Stab über Orals Taktik zu brechen, sondern insgesamt nur heißt, dass das Team offenbar noch ein bisschen Zeit braucht, den taktischen Vorgaben Leben einzuhauchen. Was auch heißt, dass da die letzten Testspiele gegen Hochkaräter ein wenig die Augen verkleistert haben in Bezug auf den derzeitigen Leistungsstand von RasenBallsport Leipzig. Aber – um niemandem Unrecht zu tun – Tomas Oral hatte bereits vor dem Spiel darauf hingewiesen, dass er mit den Testspielleistungen gegen Schalke und Hertha gar nicht so zufrieden war wie die Öffentlichkeit. Nichtsdestotrotz bleibt die Frage, inwieweit Orals offensives System funktioniert. Timo Rost spielt bei Ballbesitz einen sehr offensiven 6er. Tom Geißler ist als zweiter zentraler Mittelfeldspieler permanent an allen Ecken des Spielfelds unterwegs. Und die jeweiligen Außenspieler Müller/ Frahn und Ismaili/ Lewerenz sind auch permanent auf Offensivachse. Bei Ballverlust gibt es dementsprechend sehr viele Räume für den Gegner (wobei witzig ist, dass das Gegentor nicht etwa deswegen, sondern wegen eines Abwehrschnitzers bei einem Standard fiel). Timo Rost ist in solchen Fällen viel zu weit weg von den Innenverteidigern, welche wiederum oft Richtung Flügel aushelfen müssen, weil dort noch die Außenverteidiger fehlen. Gegen Türkiyemspor ging das noch vergleichsweise gut, auch wenn die Gäste 2,3 sehr gute Einschussmöglichkeiten hatten, gegen abgezocktere Gäste, die sich über jede 1:1-Situation gegen Innenverteidiger freuen, hätte sich auch niemand über eine 1:3-Niederlage beschweren dürfen. Andererseits hätte eine halbwegs konsequente Chancenverwertung auch zu einem 3:1 für RB Leipzig führen können.

Bleibt insgesamt viel Luft nach oben. Bleibt insgesamt aber auch eine willige RasenBallsport-Mannschaft, die gerade in ihrer Offensivgenauigkeit sicher noch wachsen wird. Und es bleibt ein gutes, meist fachkundiges Publikum, das das Team jederzeit unterstützt hat und selbst in den schlechten Phasen des Spiel nicht anfing zu pfeifen. Mein absolutes don’t in dem Zusammenhang: Sprechchöre wie ‚Wir wollen Euch kämpfen sehen‘. Puh, da schüttelt es mich immer.

Randnotiz 1: Tomas Oral schickte seine komplette Bank bereits nach 15 Minuten zum warm machen, holte sie allerdings 10 Minuten später wieder zurück auf die Bank.

Randnotiz 2: Steven Lewerenz leistete sich in der zweiten Halbzeit einen kleinen, emotionalen Aussetzer als er dem Schiedsrichter den Ball vor die Füße warf und Gelb sah. Noch bevor das Spiel weiterlaufen konnte, sah er sich schon auf der Bank wieder. Blödes Ende für den jungen Mann, der bei einer Schusschance in Hälfte 2 nah am Führungstreffer , an seinem zweiten Tor und am Spieler des Tages war.

Randnotiz 3: Von Salzburg behauptet man ja immer, dass die Anhänger dort mit lauter Musik malträtiert werden. In Leipzig fährt man das gegenteilige Konzept. Wenn der Stadionsprecher spricht, müssen die Zuschauer schon sehr leise sein, um etwas zu verstehen. Ausbaufähig.

Randnotiz 4: Nicht eingewechselt wurden Ingo Hertzsch, Patrick Bick und Alexander Laas. Alles Spieler mit Drittliga-Format. Das dürfte für den weiteren Saison-Verlauf noch viel Unruhe-Potenzial haben.

Randnotiz 5: eine kleine Gruppe, die sich als Anhänger des Roten Stern Leipzig zu erkennen gab, forderte vom DFB aufzuwachen und 2012 eine Regionalliga-Reform durchzuführen. Womit sie sich vermutlich auf das Problem mit den 2.Mannschaften bezogen. Warum dies ausgerechnet für das Sterne-Umfeld ein Problem darstellt, das es beim Saisonauftakt von RB Leipzig zu thematisieren galt, blieb ein wenig schleierhaft.

Lichtblicke:

  • Das Publikum: siehe oben
  • Shaban Ismaili: machte einen sehr agilen und sicheren Eindruck als rechter Verteidiger.

Schattenblicke:

  • Timo Rost: viele Ballverluste; wenig Bindung zur Innenverteidigung.
  • Nico Frommer: der sonst so ballsichere Stürmer verzettelte sich oft in Zweikämpfen, kam nicht recht ins Spiel und wurde zu Recht gegen den wesentlich agileren Kutschke ausgewechselt.
  • Daniel Frahn: wirkt auf der linken Seite etwas fehlbesetzt; konnte dort nicht wirklich Druck aufbauen; wenn er gefährlich wurde, dann wenn er sich Richtung Mitte bewegte; bei einer Riesenchance ohne Glück im Abschluss.
  • Die Umsetzung der taktischen Vorgaben: siehe oben.

Links: RBL-Bericht [broken Link], Türkiyemspor-Bericht [broken Link], MDR-Bericht [broken Link]

3 Gedanken zu „RasenBallsport Leipzig vs. Türkiyemspor Berlin 1:1“

  1. Randnotiz 3 habe ich komplett anders erlebt. Im Fanblock musste man die Stimme schon deutlich heben, um gegen die Musik vorm Spiel anzukommen. Der Stadionsprecher hingegen war laut und deutlich zu vernehmen. Randnotiz wäre in dem Falle eher, dass er bei der Mannschaftsaufstellung unseren Kapitän unterschlagen hat.

    Ansonsten gute Analyse, insbesondere die Anfälligkeit bei Ballverlusten. Das dürfte bei offensiv- und konterstärkeren Mannschaften in der Tat zu Problemen führen.

  2. Hi,

    der Rote Stern ist der Rote Stern aus Berlin und die unterstützen uns regelmäßig als Fans, natürlich ahben sie auch Freunde bei den Sternen aus Leipzig, die sie dann mit besuchten.

    Also ne Aktion für den Rausschmiss der II. aus der Regio und für Türkiyem.

  3. @mahmut: Danke für die Info. Hatte nur einen RSL-Aufdruck gesehen, deswegen kam ich auf die Leipziger Sterne. Sorum macht das ganze dann auch mehr Sinn.

    @Rene: was wiederum zeigt, dass die Akustik in der Schüssel grottig ist. Wenn man in Block B oberhalb der Sitzreihen steht, kriegt man vom Stadionsprecher tatsächlich fast nichts mit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert