Archiv der Kategorie: Brachialrethorik

Hurensohn

Ich kann mich an eine Zeit kurz nach der Wende erinnern, als man sich im Rahmen der Berufsausbildung gegenseitig als “Banane” bezeichnete und das als Beleidigung meinte. “Ey, du Banane”. Das war vermutlich als Schmähung (wie man heutzutage offenbar sagt) schon damals so skurril wie es heute klingt (vielleicht lag die Betonung aber auch auf ‘ey’ und ‘du’ und bekamen die Dinge dadurch ihren total bösen Klang^^).

Nicht ganz so skurril, aber ähnlich ist es bei der Beschimpfung “Hurensohn”, bei der man sich fragen kann, welche Eigenschaften genau das Wort eigentlich hat, damit man es als Beschimpfung verwendet (und ja, mir ist bewusst, dass das Wort vielerorts von Getroffenen als Beleidigung empfunden wird). Der Sohn einer Frau zu sein, die ihren Körper verkauft (oder auch nicht verkauft, sondern einfach nur viel Sex hat oder ein Kind vaterlos großzieht; die Konnotationen sind da vermutlich unterschiedlich), ist jetzt nicht unbedingt etwas, was ein Makel wäre. Zumal nicht in einer Gesellschaft, in der jeder irgendwas von seinem Körper verkauft, um damit Geld zu verdienen und Alltag zu bestreiten.

Trotzdem benutzt man Hurensohn bzw. Sohn einer Hure in Fußballstadien (und nicht nur dort) gern als Beschimpfung. Seltsamerweise nicht Sohn eines Försters. Oder Sohn eines Bibliothekars. Oder Sohn eines Profifußballers. Oder Sohn eines TV-Junkies. Oder was auch immer man an Berufen oder Freizeitbeschäftigungen finden mag. Nein, es ist der Hurensohn, der irgendwie als besonders treffend und beleidigend empfunden wird. Warum auch immer.

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Bullenseuche

Die Gegengerade schützt sich vor der Bullenseuche.

So stand es in großen Lettern am Montag beim Spiel des Karlsruher SC gegen RB Leipzig vor der Gegengerade pünktlich zum Einlaufen der Mannschaft geschrieben. Im Hintergrund trugen dann Karlsruher Anhänger auf der Tribüne einen Mundschutz, um sich vor der ausgerufenen Seuche zu schützen. Was wohl ausdrücken sollte, dass man sich von der entsprechenden Infektion nicht anstecken lassen wird.

Es ist natürlich legitim, wenn man sich von einer bestimmten Ausdrucksform moderner Kultur nicht begeistert zeigt und nicht infizieren lassen will. Aber letztlich ist es mit der Seuchen-Metapher nicht viel anders als bei den Heuschrecken und den Ungeziefern, denn im Kern wird damit ein Bild entworfen, bei dem etwas grundgesundes von etwas befallen wird, das (wie bei Krankheiten und Ungeziefer üblich) bekämpft und vernichtet gehört.

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Limonaden-Hitler

Satire darf ja bekanntlich alles. Wenn man dies ernst nimmt, dann darf sie eben auch doof sein. In einem Beweis in diese Richtung versucht sich der Kabarettist und Wahl-Leipziger Mathias Tretter, der in der vergangenen Woche in einer Sendung bei WDR5 [broken Link] folgenden Vergleich einstreute:

..der Chef der Firma Red Bull, Gerhard Mateschitz, von manchen auch liebevoll ‘Limonadenhitler’ genannt..

Womit Tretter nebenbei zeigt, dass Humor eben auch ohne vernünftige inhaltliche Grundlage funktioniert. Irgendwas mit Hitler geht grundsätzlich immer. Auf der Bühne legt man dann noch passend zwei Finger über die Oberlippe und die Lacher kommen ganz von allein. Ob der Name Gerhard in diesem konkreten Fall auch einen (hahaha, wie lustig) humoristischen Hintergrund hat oder schlicht nur ebenso falsch ist wie der Rest, ist nicht überliefert.

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Heuschrecke

Alle Fankurven von Hamburg bis München werden sehr deutlich machen, was sie von einem roten Bullen halten, der in Wahrheit eine Heuschrecke ist. (Christoph Ruf in einem Blogbeitrag für das Neue Deutschland [broken Link])

Lange nichts mehr für die Blog-Beschimpfungsrubrik namens Brachialrhetorik geschrieben. Dank Christoph Ruf soll das heute mal wieder anders werden, denn dieser legt publikumsgerecht den Begriff ‘Heuschrecken’ als Bezeichung für RB Leipzig auf. Publikumsgerecht, weil man in einem Medium wie dem Neuen Deutschland mit einem solchen Begriff quasi gemeinschaftliches Bescheidwissen signalisiert, sich quasi begrifflich mit dem Rezipienten gemein macht. Unter gänzlich kritischer Attitüde versteht sich.

Es gab vor einigen Jahren ausgelöst vom damaligen SPD-Vorsitzenden Müntefering die Heuschreckendebatte, in der es um das Wirtschaftsgebahren von Investoren ging. Eine ziemlich populistische Veranstaltung, in der vor allem böse ausländische Firmen dafür verantwortlich gemacht wurden, über die gute alte, heimische Wirtschaft herzufallen, sie abzufressen und dann fallen zu lassen.

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Ungeziefer

Bisher wurden in dieser brachialrhetorischen Rubrik eher Leichtgewichte behandelt. Bei allem subjektiven Kopfschütteln über die Inhalte und Denkfiguren, die sich hinter den grenzdebilen Figuren und den korrumpierten Opportunisten verstecken, werden darin nicht die Grenzen des fußballbezogenen, tolerierbaren Geschmacks überschritten, was sich auch darin begründet, dass sich in den Begrifflichkeiten eine rhetorische Kreativität ausdrückt, die jenseits des Inhalts noch Spaß macht und aus der man zumindest ablesen könnte, dass hier diejenigen, die (ab)qualifiziert werden sollen als (wenn auch uniforme) Menschen wahrgenommen werden.

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Grenzdebile Figuren

Das hier wird glaube ich meine neue Lieblingsrubrik: Beschimpfungen bzw. Brachialrethorik geschliffenerer oder ungeschliffenerer Art. Es geht natürlich nicht allgemein um Beschimpfungen, sondern mit Vorliebe um solche, die Anhängern von RasenBallsport Leipzig entgegengebracht werden. Falls dem geneigten Leser/ der geneigten Leserin weitere (möglichst knackige) Beschimpfungen über den Weg laufen, möge er/ sie mir diese mitteilen und ich überlege mir, ob ich die Beschimpfung in mein persönliches best of aufnehme.

Beginnen wir mit etwas locker-leichtem aus einem Kommentar in diesem Blog: grenzdebile Figuren. Bei Grenzdebilität geht es offenbar – glaubt man dem Duden – um nicht zureichende Intelligenz; das Synonymwörterbuch bringt es pointierter mit ‘hirnlos, verblödet, saudumm’ auf den beschimpfenden Punkt. Eine Figur bezeichnet gemeinhin vor allem etwas Äußeres, also irgendeine Gestalt. Weniger ist eine Figur also ein menschliches Wesen mit Willen und Zielen als vielmehr irgendein Ding, das wie eine Figur beim Schach quasi willenlos geführt wird. Der RB-Fan als völlig willenloser Doofi, das ist also die Message der Beschimpfung. Ach, ich weiß immer nicht so recht, warum man willenlos und hirnlos sein soll, wenn man sich ganz bewusst und begründbar für den Besuch von Spielen eines bestimmten Fußballvereins entscheidet.

Fazit: grenzdebile Figuren ist die linguistisch höherwertige Variante von blödes Schwein; klingt nicht nur besser, sondern hinterlässt auch ein leichtes Gefühl (wenn auch nur kurz) von beschimpft worden sein beim Rezipienten. Prädikat: obere Mittelklasse.