Da war es dann also, das letzte Testspiel vor dem Pflichtspielstart. Es sollte, so war es vor ein paar Wochen mal geplant, ein Spiel gegen einen attraktiven Gegner möglichst in der Red Bull Arena werden. Es wurde letztlich ein Spiel gegen einen tschechischen Drittligisten in Grimma. Das hatte auf dem einen oder anderen (Online-)Kommunikationskanal leicht unfriedliche Anhänger auf den Plan gerufen.
Sportlich gesehen darf man zumindest festhalten, dass dieses Testspiel gegen Česká Lípa kein echter Härtetest für den Pflichtspielauftakt war. Dafür war das Niveau der Gäste einfach nicht ausreichend. In Sachen Fanfreundlichkeit ist das Verschieben des Spiels nach Grimma auch ein ziemlich unfreundlicher Akt gewesen. Für einen Test gegen einen wenig attraktiven Gegner nach Grimma zu trudeln, dort 7 Euro zu löhnen und anschließend wieder zurück zu trudeln, ist bei einem Spiel, das man sich auch recht locker am Cottweg hätte vorstellen können, zumindest gewöhnungsbedürftig. Und könnte erklären, warum nur offiziell 380 Zuschauer (ich hätte eher ein paar weniger geschätzt) und damit nur halb so viele wie zum Test gegen Teplice vor kurzem (auch in Grimma) den Weg zum Spiel fanden.
Letztlich lag das Problem aber natürlich in der Ankündigung eines attraktiven Testspiels in Leipzig als Höhepunkt und Abschluss der Testspielserie. Dass die später erfolgten Aussagen, dass es wohl doch nicht so attraktiv werden würde, von der Medienlandschaft nicht mehr in dem Maße verbreitet wurden wie die Nachricht von einem Top-Testspiel, kann man dem Verein nicht vorwerfen. Trotzdem sollte man in den letzten zwei Jahren doch die Lektion gelernt haben, dass man über Testspiele erst redet, wenn sie zu 100% feststehen.
Sei es wie es sei, ich persönlich brauche in Testspielen keine hochdekorierten Mannschaften, deren Stars dann mit müden Beinen ein bisschen zum genauso müden Kicken kommen. Von daher war mir auch der Test von RB Leipzig gegen Česká Lípa insgesamt recht. Trotzdem stellt sich nach der Vorbereitung die berechtigte Frage, welchen sportlichen Wert die 10 Testspiele (und damit meine ich noch nicht mal die Ergebnisse, sondern tatsächlich Lern- und Trainingseffekte) haben, bei denen zwischen acht und neun der Gegner (je nachdem, ob man Goslar dazu zählen will oder nicht) sportlich nicht auf Augenhöhe agieren konnten. Lediglich Großaspach bleibt als Test übrig, in dem es scharf zu Sache ging. Und dieses Spiel endete 0:0, wurde also als einziges von RB Leipzig nicht gewonnen.
Die spektakulärste Nachricht zum Test von RB Leipzig gegen Česká Lípa gab es bereits vor dem Anpfiff, als klar wurde, dass der beste Mannschaftsteil der letzten Saison, nämlich Müller und Röttger nicht spielte und dafür Koronkiewicz und Heidinger aufliefen. Unter der Maßgabe, dass da gestern die vermutete Stammelf (mit kleineren Änderungsmöglichkeiten) auflaufen sollte, war das schon ein Ausrufezeichen.
Zumal die offizielle Website des Vereins nach dem Spiel nebulös davon sprach, Müller und mit ihm Karikari hätten “planmäßig” also nicht wegen einer Verletzung pausiert. Was heißen könnte, dass ihre körperliche Belastung dosiert werden sollte oder dass sie in diesem Spiel quasi die Tribünenhocker simulierten, die es ja auch bei Pflichtspielen geben wird. Wie gestern in Grimma werden auch nächste Woche gegen Union II nämlich nur 18 Spieler im Kader stehen können.
Röttger durfte immerhin auf der Bank Platz nehmen und spielte die letzten 20 Minuten. Für ihn lief auf rechts von Beginn an Sebastian Heidinger auf und machte seine Sache insgesamt sehr gut (nicht nur beim 1:0). Wäre ich Trainer, ich tendierte trotzdem zu Timo Röttger. Er ist einfach der komplettere rechte Flügelspieler. Mal sehen, wer nächste Woche beginnen darf.
Blieben noch die letzten drei offenen Kaderfragen in der zentralen Achse. In der Innenverteidigung schnappte sich Tim Sebastian in der Generalprobe den zweiten Innenverteidigerposten neben Fabian Franke, im zentralen Mittelfeld startete Henrik Ernst neben Dominik Kaiser und im Angriff griff Alexander Zorniger auf Stefan Kutschke zurück. Gerade letzteres überraschte mich, würde man doch logisch eher einen Stürmer wie Kammlott oder Wallner neben Frahn erwarten. Man muss aber aus der praktischen Anschauung zugeben, dass sich Kutschke diesen Platz aktuell mehr als verdient hat. Vom Torabschluss über die Torvorbereitung und das Flügelspiel bis hin zum Pressing, Stefan Kutschke ist aktuell wohl der kompletteste aller vier Stürmer. Respekt.
Die anderen sechs Plätze schienen schon vor dem Spiel klar zu sein. Coltorti, Franke, Judt, Kaiser, Rockenbach und Frahn sind wohl Namen, die man im Normalfall in so ziemlich jedem Spiel vor dem Anpfiff wird rufen können. Damit hätte man zumindest schon mal ein Gerüst.
Kadertechnisch vielleicht noch von Interesse, dass Paul Schinke diesmal nicht als Linksverteidiger, sondern als Rockenbach-Ersatz für vorne links eingewechselt wurde. Was sicherlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass mit Tom Nattermann jener Spieler verletzungsbedingt (fast) die komplette Hinrunde ausfällt, der dort zuletzt als Backup aufgelaufen war.
Das Spiel selbst war nicht ganz so spannend wie die Kaderentscheidungen. Die erste Halbzeit war insgesamt eine recht zähe Angelegenheit, bei der RB Leipzig trotzdem einige sehr gute Möglichkeiten hatte und ausließ. Am erstaunlichsten die vergebene Chance von Daniel Frahn, der kurz nach Anpfiff mustergültig von Stefan Kutschke bedient wurde, aber am leeren Tor bzw. Pfosten scheiterte.
Schön dann das 1:0, das die Folge einer desöfteren zu beobachtenden Variante war. Judt spielt als Linksverteidiger aus dem Halbfeld eine Flanke die sich zum Tor dreht. Und Rechtsaußen Heidinger kreuzt quer zum Strafraum und sorgt so für Verwirrung und kann eventuell in den Ball spritzen. In der 24. Minute konnte er erfolgreich und sogar mit Torfolge, als er den Judt-Ball freistehend mitnimmt, den Keeper ausspielt und einnetzt.
Die erste Halbzeit zeichnete sich sicher nicht durch Wunderdinge oder ein Kreativfeuerwerk aus. Aber sie zeigte eine wichtige Qualität der Mannschaft. Dass sie ruhig bleibt und ruhig weiterspielt, auch wenn nicht jeder Pass ankommt und dann doch – manchmal wie aus dem Nichts – drei, vier Situationen sehr gut ausspielt und so zu Chancen und eben auch mal zu einem Tor kommt. Und ein Tor reicht ja, solange man den Gegner defensiv unter Kontrolle hat. Wobei in Bezug auf diesen Teil die tschechischen Gäste kein Maßstab gewesen sein dürften.
Die erste Halbzeit war jedenfalls auch ein deutliches Signal, welch ein weiter Weg noch vor RB Leipzig, Zorniger und seinen Spielern liegt. Vielfach, dass das Nachschieben, Pressen oder in die richtige Position laufen erst auf Zuruf von außerhalb oder innerhalb des Spielfeldes erfolgte. Und erst auf Zuruf zu agieren, heißt immer auch, möglicherweise entscheidende ein, zwei Sekunden verstreichen zu lassen, in denen der Gegner die ungeordnete Situation auf dem Platz ausnutzen kann. Und auch offensiv wurden viele Bälle erst auf Signal, Handzeichen oder Zuruf gespielt, sodass vieles schlicht zu langsam war und an den defensiv zumindest ordentlichen Gästen scheiterte.
In der zweiten Halbzeit organisierte Rockenbach zunächst einmal mit einem schweren Fehler im Mittelfeld den Gästen die dicke Ausgleichschance (was ein wenig an die vergangene Spielzeit erinnerte), die sie freistehend vor dem Tor aus 11 Metern aber vergaben und mit schwachem Abschluss am aufmerksamen Coltorti scheiterten.
Der Rest der zweiten Halbzeit war dann Einbahnstraßenfußball gegen immer mehr abbauende Gäste. Einige feine Kombinationen, an denen mehrheitlich die rechte Seite und die Mitte beteiligt waren, führten zu einigen feinen Torgelegenheiten und zu einigen ganz feinen Toren. Auffällig auch, dass mit zunehmender Spielzeit auch immer stärker versucht wurde, Pässe durch die Mitte in die Nahtstelle der Abwehr zu spielen und so den Gegner zu überwinden. Das habe ich in den letzten zwei Jahren RB Leipzig ähnlich selten gesehen wie funktionierendes Konterspiel. In der Folge eines dieser feiner Pässe erzielte Timo Röttger fast schon von halblinks nach Vorarbeit von Dominik Kaiser mit strammen Linksschuss von der Strafraumgrenze auch das 6:0.
Was eine weitere häufig eingestreute Variante im Spiel von RB Leipzig offenbarte, denn vor allem Rockenbach und Röttger verließen häufig ihre Außenpositionen, um sich in der Spielfeldmitte, fast schon als Stürmer bzw. als Zehner am Spiel zu beteiligen und als zusätzliche zentrale Anspielstelle zur Verfügung zu stehen. Was insbesondere dann ein probates Mittel ist, wenn der jeweilige Außenverteidiger mit aufgerückt ist oder einer der Stürmer nach außen rückt und das Spiel so weiter breit macht. Insgesamt zieht dadurch jedenfalls ein hohes Maß an Varianz in das Spiel der RasenBallsportler ein.
Diese Varianz macht Mut und sie zeigt auch, dass der Weg von RB Leipzig spieltaktisch richtig ist. Trotzdem hat mich der Test gegen Česká Lípa eher auf den Boden geholt, weil er eben auch gezeigt hat, wie weit der Weg noch ist, bis man behaupten kann, dass man das neue Spielsystem beherrscht. Bis dahin kann RB Leipzig aber immerhin darauf zurückgreifen, dass man bereits jetzt defensiv kompakt und weitgehend zuverlässig arbeitet und jederzeit zum entscheidenden Offensivpunch ansetzen kann. Ein klein wenig Sorgen hinterlassen aber die zwei Defensivaussetzer (Rockenbach, Koronkiewicz) gegen Česká Lípa, die jedoch nicht zu Toren, sondern nur zu einer Großchance und einem vergebenen Elfer kurz vor Schluss führten, bei mir schon.
Fazit: RB Leipzig besiegt Česká Lípa auch in der Höhe verdient. Verteidigten die Gäste in der ersten Hälfte noch mindestens auf sehr gutem Oberliganiveau, kam in der zweiten Hälfte fast nichts mehr. Weswegen die Generalprobe vor dem Pflichtspielstart auch definitiv kein Härtetest war. Aktuell fiele es mir schwer zu sagen, wo RB Leipzig leistungsmäßig gerade steht. Aus meiner Sicht ist vom Fehlstart über den zähen Stotterstart bis hin zum befreienden Traumstart in der Regionalliga alles möglich. Auch gegen Union Berlin II in einer Woche. Gut, dass es endlich losgeht.
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Tore: 1:0 Heidinger (24.), 2:0 Frahn (48.), 3:0 Frahn (50.), 4:0 Ernst (65.), 5:0 Kutschke (68.), 6:0 Röttger (79.).
Aufstellung: Coltorti – Koronkiewicz, Sebastian (80. Hoheneder), Franke (80. Hoffmann), Judt – Heidinger (70. Röttger), Kaiser (80. Schulz), Ernst, Rockenbach (70. Schinke) – Kutschke(70. Kammlott) , Frahn (80. Wallner)
Zuschauer: 380
Links: RBL-Bericht [broken Link], FK-Arsenal-Bericht (Google-Übersetzer)
Zumindest die Härteverträglichkeit wurde gut getestet…
Aber selbst in dem Punkt dürfte die Regionalliga noch das eine oder andere zuzusetzen haben..