Eine der großen Überraschungen der ersten RasenBallsport-Saison ist sicher die Personalie des Trainers. Kaum einer hätte beim Bekanntwerden der Red-Bull-Pläne für den Einstieg in den Leipziger Fußball im letzten Sommer gedacht, dass der Cheftrainer des SSV Markranstädt zukünftig als Cheftrainer von RB Leipzig auftreten darf. Und doch, irgendwie ist es der richtige Trainer zur richtigen Zeit.
Vogels Vita umfasste bisher den VfB Pössneck, den VfC Plauen und den Chemnitzer FC, also – nun ja, gar nicht bös gemeint – tiefe fußballerische Provinz. Pössneck führte er 2002 in die damals viertklassige Oberliga und mit Plauen klopfte er 2004 an die Tür zur damals drittklassigen Regionalliga, ohne dass diese sich geöffnet hätte. Für die Station Chemnitz gibt es hingegen keinen ‘Erfolg’ zu vermelden. Nach gerade mal einem Jahr wurde er mit viel Schimpf nach einer 0:1-Auswärtsschlappe beim Schlusslicht Sangerhausen und einer gefährdeten Regionalliga-Qualifikation (Viertklassigkeit) vom Hof und später nach Markranstädt gejagt, wo er das Leipziger Vorortteam ein paar Monate relativ erfolgreich durch die Oberliga scheuchte.
Alles in allem, gerade in Bezug auf Erfolg und Misserfolg viel Licht und viel Schatten in Vogels Fußballtrainer-Laufbahn, jedenfalls keine Karriere, aus der sich logisch ableiten ließe, dass man eine der Hauptrollen bei einem Verein mit (fernem) Bundesligaziel spielen muss. Und sowieso waren im Sommer 2009 fast alle unisono der Meinung, dass Red Bull eigenes Personal und somit auch einen eigenen Trainer bei RB Leipzig installieren werde. Doch offenbar fand Tino Vogel bei seinen Ausflügen in die Red-Bull-Zentrale die richtigen Worte und sah sich plötzlich in der luxuriösen Situation, eine Quasi-Profitruppe trainieren zu dürfen.
Ein dreiviertel Jahr später ist Vogels Team 6 Spieltage vor dem Saisonende der Aufstieg in die Regionalliga nicht mehr zu nehmen. Allein diese Tatsache – nachdem am Anfang der Saison noch Stimmen laut wurden, die vor dem Misserfolg warnten – spricht für den Trainer Vogel. Er hat es geschafft aus einer Mannschaft voller ehemaliger Bundesligaspieler und solcher, die sich von der Qualität her als solche sehen, ein Team zu bauen, welches sich in der ‘Schweineliga’ NOFV-Oberliga Süd locker durchsetzen konnte.
Basis des Erfolgs ist das Vogelsche Prinzip der Spielkontrolle, sprich die wichtigste Qualität der Mannschaft ist ihre Fähigkeit, den Gegner nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Immer wieder betont Tino Vogel in Interviews nach Spielen, dass die Mannschaft nichts zugelassen habe und setzt somit seinen ganz eigenen Fokus. Bei dieser destruktiven Spielkontrolle ist der kreative Offensivgeist, den sich die Zuschauer und neutralen Beobachter oft wünschen, etwas hinten herunter gefallen. Großartige Spiele mit Offensivfeuerwerk waren genaugenommen keine (zumindest nicht über 90 Minuten) zu beobachten, was den einen oder anderen Kritiker auf den Plan lief. Doch, in diesem wie in den meisten anderen Fußballfällen gibt der Erfolg nun mal recht und von einem derart überlegenen Durchmarsch musste man vor der Saison nicht unbedingt ausgehen.
Für die Zukunft resultieren aus dem Spielprinzip Vogels trotzdem Fragen. In der Defensive geordnet zu stehen und offensiv mit Routine und Athletik die notwendigen Tore zu schießen, reicht für die 5.Liga. Inwieweit diese Spielweise für die Regionalliga und die wahrscheinlich härtesten Konkurrenten im Kampf um den nächsten Aufstieg aus Chemnitz, Halle, Kiel, Lübeck, Wolfsburg und Hamburg reicht, ist fraglich. Für diese Gegner, die die defensive Ordnung auch im Schlaf beherrschen, bedarf es vermutlich eines durchschlagskräftigeren Offensivsystems als es derzeit bei RasenBallsport Leipzig gespielt wird. Ob Tino Vogel in der Lage ist, dies einer Mannschaft beizubringen, muss sich erst noch zeigen.
Und ein weiteres Problem tut sich für die Zukunft auf: Vogel ist lediglich im Besitz der A-Lizenz, könnte also RB Leipzig nur noch in der Regionalliga betreuen, es sei denn er macht nebenbei den Fußballlehrer-Schein. Ob man sich von verantwortlicher Seite bei Red Bull darauf einlässt, dass Tino Vogel nebenher einen weiteren Trainerschein macht, kann getrost bezweifelt werden. Die meisten Experimente mit Trainer, die nebenbei eine Trainerausbildung machen und deshalb nicht permanent beim Team sein können, sind schief gegangen. Sprich, nach der nächsten Saison müsste – im besten Fall des Aufstiegs in die dritte Liga – ein neuer Trainer her.
Mit solch einer Situation in die Regionalliga-Saison zu gehen, erscheint eine mittelprächtige Variante, die sehr viel Unruhe in sich birgt. Von daher wäre es sogar denkbar, dass Vogel mit Ablauf der diesjährigen Oberliga-Saison ins zweite Glied rückt und z.B. die zweite Mannschaft betreut (in welcher Liga auch immer) und für die erste Mannschaft ein Trainer verpflichtet wird, der RasenBallsport Leipzig tatsächlich in den Profifußball führen kann/ darf.
Trotzdem war und ist Tino Vogel tatsächlich der richtige Trainer für RB Leipzig in der Oberliga. Das zeigt sich auch in seinem professionellen Auftreten, durch das er in der Öffentlichkeit gerade nach dem Abgang von Präsi Sadlo im Januar als Chef des Leipziger RasenBallsport-Projekts erschien. Wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich die Entscheidung pro oder kontra Vogel (im Moment sieht es ja sehr nach pro aus) nicht treffen müssen. Entscheidet man sich für ihn und die nächste Saison startet suboptimal gibt es Unruhe, was die sportliche Leistung sicher nicht positiv beeinflusst. Entscheidet man sich gegen ihn und der neue Mann hat wenig Erfolg wird es erst recht ungemütlich.
Die eigentliche Grundregel lautet ja ‘never change a winning team’, aber ich persönlich finde den Makel des fehlenden Fußballlehrer-Scheins einen erheblichen (wenn auch den einzigen relevanten) Makel. Fraglich also, ob man auch noch nach der nächsten Saison schreiben würde, dass Vogel der richtige Trainer zur richtigen Zeit war.