Wenn man so über die Saison drüber schaut, dann fällt es bei RB Leipzig schwer, einen Spieler auszumachen, der eine außerordentlich prägende Rolle gespielt hat. Hatte man letzte Saison mit Keita, Werner und Forsberg gleich drei Akteure, die in ihrer je eigenen Weise herausragende Akteure waren, hatte man diese Saison viele Spieler, die mal gut mal weniger gut unterwegs waren.
Emil Forsberg steht da ein wenig paradigmatisch für die wechselhafte Saison von RB Leipzig. Zu Beginn der Saison krank und entsprechend ein wenig schwer in die Spielzeit gestartet. Rund um die Winterpause die seltsame und langwierige Bauchmuskelverletzung. Dazu schien sich der Schwede außerordentlich schwer damit zu tun, sich in die Rotation hineinzufinden und dort seinen Spielrhythmus zu finden. Und nun steht als irgendwie krönender Abschluss der Saison eine rote Karte, die ihn die letzten drei Spiele fehlen lässt.
Wenn man die Kicker-Gerüchte dazu nimmt, dass der Verein durchaus bereit sein könnte, Forsberg abzugeben (was man aber erstmal abwarten sollte), dann wäre das ein denkbar unschöner Abschied eines Spielers, der in der vergangenen Spielzeit teilweise absurd großartige Sachen auf den Rasen gezaubert hat. Beim Auswärtsspiel in Freiburg dürfte Forsberg 2016/2017 auf dem Höhepunkt seines RB-Schaffens gewesen sein.
In der aktuellen Spielzeit war es dann bei weitem nicht mehr der Forsberg der letzten Saison. Gerade in Sachen Torbeteiligungen ging seine Effizizienz wieder auf das eher überschaubare Niveau der Zweitligaspielzeiten zurück. Was auch damit zu tun haben dürfte, dass die Gegner nach dem letzten Jahr natürlich einen besonderen Fokus darauf haben, Forsberg zu verteidigen und seine Räume einzuengen.
Dabei ist er aber immer noch in vielen Situation, auch in der Rückrunde dieser Saison, einer mit besonderen Fähigkeiten. Es gibt bei RB Leipzig keinen anderen Akteur, der mit dem Rücken zum gegnerischen Tor im Mittelfeld Bälle so verarbeiten kann wie Forsberg. Wie er es immer wieder schafft, Bälle mit dem ersten Kontakt mitzunehmen und sich ohne Ballverlust in eine Position zu bringen, in der er das Spiel und das gegnerische Tor vor sich hat, ist weiterhin grandios. Auch gegen Hoffenheim zuletzt konnte man das einige Male trotz Zerren und Ziehen der Gegner immer wieder beobachten.
31 von 35 Pflichtspielen, davon 28 von Beginn an, absolvierte Emil Forsberg letzte Saison noch für RB Leipzig. Auch nur 33 Pflichtspiele sind es am Ende in dieser Saison. Von allerdings 48 möglichen. Und nur 24 mal lief er in der Startelf auf. Entsprechend ist die Spielzeit gegenüber der Vorsaison sogar um mehr als 200 Minuten, also knapp fünf Halbzeiten, gesunken. Was auch gut verdeutlicht, dass die Saison für Forsberg eine durchwachsene gewesen sein muss.
65 Minuten bekam er in der Bundesliga im Schnitt, nur unwesentlich mehr in allen Wettbewerben zusammen. Deutlich weniger als vergleichbare Spieler wie Keita, Demme, Kampl oder Sabitzer. Wenn wir das Wort Spielrhtyhtmus von oben nehmen, dann trug die wechselhafte Einsatzzeit sicherlich nicht sonderlich positiv dazu bei.
- 2016/2017: 31 Pflichtspiele, 28 von Beginn an, 78 Minuten im Schnitt
- 2017/2018: 33 Pflichtpspiele, 24 von Beginn an, 67 Minuten im Schnitt
In der Bundesliga (der Vergleich nur von Bundesligadaten erfolgt wegen der besseren Vergleichbarkeit) war Emil Forsberg diese Saison nur fünfmal per Tor oder Assist an einem Treffer beteiligt. Alle 274 Minuten bekam er entsprechend einen Scorerpunkt zugeschrieben. Letzte Saison kam er noch auf 30 Scorerpunkte und 78 Minuten pro Tor oder Vorlage. Auch wenn man da noch rausrechnet, dass die Standards diese Saison wesentlich schwächer wurden, bleibt da noch eine ordentliche Differenz für torgefährliche Aktionen aus dem Spiel heraus.
- 2016/2017: 8 Tore, 22 Vorlagen, 78 Minuten pro Scorerpunkt
- 2017/2018: 2 Tore, 3 Vorlagen, 274 Minuten pro Scorerpunkt
Relativ stabil geblieben ist dagegen die Beteiligung an Toren per zweitem Pass vor dem Erfolg, also quasi die Vorvorlage. Alle 260 Minuten spielte Emil Forsberg letzte Saison den vorletzten Pass. Diese Saison gelang ihm dies alle 273 Minuten. Bei generell eher abnehmender Offensivgefahr des Teams. Das spricht durchaus dafür, dass Forsberg in einer tieferen Rolle von seiner Wichtigkeit für das Team wenig an Qualität eingebüßt hat. In Bremen spielte er so zuletzt einen überraschend guten Achter statt wie gewohnt den Zehner. Nur in direkter Tornähe kommen seine Qualitäten nicht mehr so entscheidend zum tragen.
- 2016/2017: alle 260 Minuten ein vorletzer Pass zum Tor
- 2017/2018: alle 273 Minuten ein vorletzer Pass zum Tor
Das zeigt sich auch in seiner persönlichen Torschussbilanz. 36 Torschüsse hatte Emil Forsberg, um gerade mal zwei Tore zu erzielen. Seine 18 Schüsse pro Tor werden nur von Marcel Sabitzer und Kevin Kampl übertroffen, die sogar 20 Schüsse für jedes seiner drei bzw. 25 Schüsse für ein Tor brauchten. Allerdings war eines der Forsberg-Tore auch noch ein Elfmeter, sodass er für den anderen Treffer mal lockere 35 Schüsse brauchte. Auch das tendenziell eher Quoten, die man aus seiner frühen Zweitligazeit bei RB kannte, als seine Schüsse selten das gegnerische Tor trafen.
Lediglich jeder vierte Forsberg-Schuss wurde auch so abgefeuert, dass der Torhüter überhaupt eingreifen musste. Lediglich Stefan Ilsanker hatte eine noch schlechtere Streuung und zielte bei nur jedem fünften Abschluss so, dass der Ball auch auf das Tor ging. Man könnte noch nicht mal behaupten, dass das bei Forsberg daran läge, dass er halt viele Fernschüsse nimmt. Denn 42% seiner Torabschlüsse kommen von innerhalb des Strafraums. Abgesehen von Bruma hat kein anderer RB-Spieler, der auf Zehn, Acht oder Sechs spielt eine höhere Quote von Abschlüssen innerhalb des Strafraums.
Auch hier gilt, dass Forsbergs Rolle im Vergleich zur Vorsaison sich etwas vom Strafraum weg verlagert hat. 2016/2017 kamen noch 55% seiner insgesamt 49 Torschüsse von innerhalb des Strafraums. Sehr ordentliche 43 Prozent gingen auch auf das Tor des Gegners und gingen nicht daneben oder wurden abgeblockt. Jeder sechste Schuss war damals drin. Sprich, Forsberg schießt nicht mehr ganz so viel wie letzte Saison und aus nicht mehr ganz so guten Positionen, aber seine Effizienz in dieser Saison ist gerade im Vergleich mit den Mitspielern einfach schlecht.
- 2016/2017: 49 Torschüsse, 55% von innerhalb des Strafraums, 43% auf das Tor, 6 Schüsse pro Tor
- 2017/2018: 36 Schüsse, 42% von innerhalb des Strafraums, 25% auf das Tor, 18 Schüsse pro Tor
Für eine etwas tiefere Rolle sprechen auch Forsbergs Laufdaten. Knapp 16 Sprints pro 90 Minuten sind noch mal zwei weniger als letzte Saison. Zum Vergleich: ein Bruma, der Forsbergs Rolle auf der linken Zehn auch spielte, kommt (als natürlich völlig anderer Spielertyp mit anderen taktischen Rollen) auf knapp 29 Sprints pro 90 Minuten. Insgesamt lief Forsberg aber sogar 100 Meter mehr pro 90 Minuten als in der Vorsaison, was ein wenig überrascht, weil die Mannschaft generell im Vergleich zur Vorsaison (wegen Mehrfachbelastung und anderen taktischen Herangehensweisen) weniger läuft. Mit etwas mehr als elf Kilometern pro 90 Minuten liegt er aber immer noch recht deutlich hinter Spielern wie Sabitzer, Kampl oder Bruma. Der allerbeste Anläufer war Forsberg nie. Auch das spricht für eine etwas tiefere Rolle, in der man eher Passwege zustellt, als permanent ansprinten zu müssen.
- 2016/2017: 17,7 Sprints pro 90 Minuten, 10,9 km pro 90 Minuten
- 2017/2018:15,9 Sprints pro 90 Minuten, 11,0 km pro 90 Minuten
Dass Forsberg nicht gerade der prototypische RB-Balljäger und Balleroberer ist, zeigt sich auch in der Statistik der erkämpften Bälle. 2,5 eroberte Bälle pro 90 Minuten liegen eher auf dem Niveau eines Stürmers (der naturgemäß nicht so oft in Balleroberungssituationen kommt). Im Vergleich zu Sabitzer, Bruma, Kampl und Co sind das dann aber schon teilweise bis zu drei Balleroberungen weniger pro 90 Minuten.
Dabei ist Forsberg zweikampftechnisch gar nicht so schlecht wie man vielleicht vermuten würde. Gerade im Vergleich mit Sabitzer, der rechts ja eine ähnliche Position spielt wie links Forsberg. Fast drei Zweikämpfe mehr zieht Forsberg pro 90 Minuten. Fast sechs Prozent besser ist die Quote gewonnener Duelle. Gerade die Qualitäten in der Offensive und Ballbehauptung dürften sich in dieser Statistik niederschlagen.
Und diese Qualitäten bestehen eben zentral in der Ballführung. 54% aller Dribblings gewinnt Emil Forsberg. Die höchste Quote aller RB-Spieler, die mindestens 20 Dribblings absolviert haben. Eine sehr gute Quote angesichts der sehr offensiven Position mit wenigen Räumen und Defensivspielern, die genau darauf angesetzt sind, erfolgreiche Dribblings zu verhindern. Forsberg dribbelt bei weitem nicht so viel wie Bruma oder Keita, aber eben auch ein wenig mehr mit Köpfchen und auch nicht zwangsläufig mit dem Ziel, auch noch am dritten vorbeizudribbeln, um dann schießen zu können, sondern den vorhandenen Platz zu nutzen, um einen Mitspieler mitzunehmen.
- Bruma: 143 Dribblings, 8,3 Dribblings/ 90 Minuten, 42% erfolgreiche Dribblings
- Naby Keita: 127 Dribblings, 6,4 Dribblings/ 90 Minuten, 50% erfolgreiche Dribblings
- Timo Werner: 83 Dribblings, 3,4 Dribblings/ 90 Minuten, 25% erfolgreiche Dribblings
- Emil Forsberg: 70 Dribblings, 4,6 Dribblings/ 90 Minuten, 54% erfolgreiche Dribblings
- Jean-Kevin Augustin: 64 Dribblings, 5,3 Dribblings/ 90 Minuten, 28% erfolgreichee Dribblings
- (Ademola Lookman: 22 Dribblings, 5,5 Dribblings/ 90 Minuten, 41% erfolgreiche Dribblings)
Die Passquote von Forsberg ist mit 80 Prozent für die Position und die eher riskanteren Pässe in die Tiefe ordentlich, aber nicht überragend. Bruma hat da eine 81 stehen, spielt aber nach abgebrochenen Dribblings auch eher nach hinten als mit Risiko in die Spitze. Marcel Sabitzer kommt auf gerade mal 73%.
Mit der Position von Emil Forsberg und der Interpretation der Rolle als Gestalter ist auch verbunden, dass der Schwede eher überdurchschnittlich viele Bälle verliert. 4,3 sind es pro 90 Minuten. Womit er ziemlich exakt zwischen den anderen Dribblern Keita und Bruma (4,5 und 4,0) liegt.
Insgesamt kann man aufgrund der Daten festhalten, dass Emil Forsberg in seiner Rolle bei RB Leipzig in eine tiefere Position gerutscht ist, von wo aus ihm die Effizienz vor dem gegnerischen Tor eher fehlt. Das dürfte aber auch damit zu tun haben, dass RB in der Bundesliga wesentlich mehr auf Ballbesitz getrimmt ist als noch in der vergangenen Saison, was Forsbergs Rolle automatisch ein Stück von der Zehn weg Richtung Acht verschiebt. Schon immer war er ja derjenige der beiden Zehner, der eine etwas zentralere und gestaltendere Rolle einnahm, während ein Spieler wie Sabitzer näher an der gegnerischen Abwehrkette als Anspielstation agiert und Bruma der Powerdribbler die Linie und den Strafraum entlang ist.
Forsberg ist eher derjenige, der rund um die Mittellinie mit guter Ballverarbeitung auch mal einen Gegner stehen lässt und dann den entstehenden Raum bespielt. In diesen Szenen zeigt der Schwede immer noch eine Qualität, die einfach überragend ist. Ob er das auch nächste Saison und nach einer vielleicht guten WM noch in Leipzig zeigt, bleibt unklar. Schade wäre es, wenn man künftig auf die Forsbergsche Eleganz, die er an guten Tagen hat und die einem Team wie RB bei der Spielentwicklung gerade gegen defensivstarke Gegner gut tut, im Stadion verzichten müsste.
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Daten: eigene Aggregate basierend auf whoscored.com, bundesliga.de. Passstatistigen von squawka.com.
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Ich sage mal Danke für den Blog und nicht: Thanks for everything ;-)
Ein wirklich gebrauchtes Jahr für den MVP der letzen Saison.
Erst nicht gut reingekommen und dann war er auf dem aufsteigenden Ast, zack die Verletzung. Und dann muss er sich an die Spielumstellung gewöhnen, dazu die Belastungssteuerung und als man wie in der 1. Hz gegen Hoffe sein Potential erkennen kann, war die Saison nach 5 Minuten in Hz 2 vorbei.
Na mal schauen, was dann im Sommer (nicht) passiert.
Forsberg ist ein Spieler, der unserer jungen Mannschaft ein Gesicht geben kann. Für mich ist er mit seinem Können, seinem Auftreten, seiner Art der ideale zukünftige Kapitän, wenn er denn in Leipzig bleibt. Und für eine junge Familie ist Leipzig nicht der schlechteste Ort.