Das letzte Spiel einer Saison ist immer auch ein wenig das Ende einer Reise. Eine Reise, auf die man sich freut und von der man anfangs nie so richtig weiß, wohin sie einen führt. Eine Reise auch, die unterwegs oft unerwartete Zwischenstopps und Umleitungen, aber gleichzeitig auch in unterschiedlichem Ausmaß Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Genau diese Mischung aus Irrungen, Wirrungen und Genuss begeht man mit dem letzten Spieltag. Mal glücklich, mal traurig, fast immer mit einer guten Portion Sentimentalität.
Gestern bei den Stuttgarter Kickers konnte der gemeine RB-Anhänger trotz Lizenz-Hickhacks ein völlig entspanntes und freudiges Ende einer fast makellosen Saison-Reise feiern. Was dann reichlich 1.000 von ihnen live vor Ort auch machten. Sich, die Mannschaft und das insgesamt schöne Fußballleben im Allgemeinen feiern.
Zu feiern gab es nicht nur eine erfolgreiche Saison, sondern zum Abschluss auch einen Sieg. Der in manchem Aspekt Teile der Rückrunde widerspiegelte. Insbesondere die gnadenlose Effektivität vor dem Tor erinnerte an einige Spiele der letzten Wochen, in denen man nicht immer zauberte, aber auf seine Chancen lauerte, diese dann nutzte und so einigen Kontrahenten, gerade in Auswärtsspielen den Zahn zog.
Und so war es auch gestern, als man die Stuttgarter Kickers viel in das Spiel investieren ließ, sodass sich die Gastgeber ein optisches Übergewicht und auch ein Chancenplus erspielen konnten. Und als bei den Kickers das erste Zappeln etwas nachließ, schlugen Timo Röttger und Yussuf Poulsen zweimal zu und sorgten zur Pause für einen Spielstand, der vor allem der Effektivität der Teams gerecht wurde.
Ins Spiel gegangen war RB Leipzig mit einer auf mehreren Positionen veränderten Aufstellung. Die wohl auch noch mal Spieler honorieren sollte, die zuletzt hinten an standen, aber eben zum Team gehörten und im Saisonverlauf auf die eine oder andere Art und Weise zum Aufstieg beitrugen.
Wie ein Benjamin Bellot, der nach Coltortis Verletzung ein würdiger Vertreter war. Oder ein Tobias Willers, der im Saisonverlauf wegen roten Karten zweimal seinen Stammplatz verlor, aber auch als Ersatzspieler immer hochgradig motiviert blieb und der Mannschaft als Antreiber von außen half.
Auch ein Matthias Morys, im Sturm zuletzt komplett chancenlos, bekam noch mal seinen Einsatz von Beginn an. Und der finnische Winterneuzugang Mikko Sumusalo, der noch nicht wirklich integriert wirkt, durfte als Versprechen auf die Zukunft zum ersten Mal in einem Ligaspiel zusammen mit der Mannschaft aufs Spielfeld laufen.
Nicht von Beginn an, aber immerhin mit Beginn der zweiten Halbzeit konnte sich auch der wie Morys in der Rückrunde etwas untergegangene Denis Thomalla noch mal zeigen. Und machte seine Sache ziemlich gut.
Bleibt nicht zu vergessen, dass Timo Röttger in seinem letzten, emotionalen Auftritt für RB Leipzig noch mal von Beginn spielte und das Team sogar als Kapitän aufs Feld führte, zwischendurch am Rande eines Platzverweises wandelte, sich dann aber in diesem für ihn besonderen Spiel mit dem Treffer zum 1:0 von RB Leipzig auf passende Art und Weise und später noch mit der Uffta verabschiedete.
Nach der Feierwoche in Mallorca und mit den vielen Umstellungen wirkten die RasenBallsportler lange nicht ganz so präsent wie gewohnt. Sodass es die Stuttgarter Kickers immer mal wieder über die Flügel versuchen durften. Nicht nur, aber auch deswegen waren die Gastgeber einige Male nah dran am Führungstreffer. Soriano auf die Latte, Badiane knapp vorbei, Baumgärtel mit schönem Fernschuss knapp am Winkel vorbei. Die Chancen waren durchaus gut. Doch das Tor machte schließlich Timo Röttger mit der ersten gefährlichen Toraktion. Abgefälscht ins Tor getrudelt. Nicht immer ist Fußball zu 100% gerecht.
Kurz darauf ärgerte sich schon wieder Soriano lautstark darüber, dass sein Schuss frei vor dem Tor vergleichsweise deutlich am langen Pfosten vorbeiging. Aber lange blieb nicht Zeit, darüber nachdenken, denn Yussuf Poulsen verwandelte auf der anderen Seite einen Kaiser-Pass eiskalt zum 2:0. Mögliches Abseits hin oder her.
Mit dem Abpfiff der ersten Halbzeit sprintete dann Tobias Willers vom Feld. Und kam nach der Pause nicht wieder. Mit Übelkeit und Erbrechen erklärte man den vollen Körpereinsatz beim Verlassen des Platzes später.
Die zweite Halbzeit war dann eine extreme Variante der ersten Halbzeit. Die ersten 15, 20 Minuten hatte RB eigentlich im Griff und machte das zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbare 3:0, nach dem nur noch zwei Treffer zur Meisterschaft fehlten. Der Rest des Spiels ging dann jedoch chancentechnisch komplett nach Stuttgart. Was die Angreifer der Kickers insgesamt in den zweiten 45 Minuten aber aus Nahdistanz am Tor vorbei bugsierten, hatte irgendwann etwas von Slapstick. Sehr gute Chancen frei vor Bellot, die für fünf oder sechs Tore hätten reichen sollen. Und letztlich sprang doch nur der mehr als verdiente Ehrentreffer in der Schlussminute heraus, nach dem dann auch bald Schluss war.
Die Feierlaune ließen sich die Gastgeber davon nicht vermiesen. Warum auch, nach Abstiegskampf in der Hinrunde spielte man eine großartige Rückrunde und wurde letztlich noch sehr guter Achter. Zusätzlich die Qualifikation für den DFB-Pokal, die Kickers konnten mit der Saison insgesamt mehr als zufrieden sein.
Zufrieden waren auch die RasenBallsportler mit dem Sieg im letzten Spiel der Saison, der angesichts des Chancenverhältnisses vielleicht etwas glücklich, aber angesichts der Effektivität auch verdient war. Und auch etwas erstaunen durfte angesichts der Defensivexperimente in der zweiten Halbzeit. Zuerst rutschte Jung auf die Innenverteidigerposition, weil die Innenverteidiger Franke und Sebastian nicht mal im Kader standen und Willers ersetzt werden musste.
Nach Sumusalos Auswechslung hatte RB Leipzig dann vier nominelle Stürmer auf dem Platz, von denen Matthias Morys für ein paar Minuten auf den Außenverteidigerposten ging. Diego Demme beendete dieses Experiment, eine enorm offensive Aufstellung blieb es nominell trotzdem. Auch deswegen nicht ganz verwunderlich, dass die Gastgeber zu einigen guten Torgelegenheiten kamen. Aber das spielte ab einem bestimmten Zeitpunkt, als man eh nicht mehr mit einem Kickers-Tor rechnete, auch keine Rolle mehr.
Fazit: RB Leipzig mit dem perfekten Schlusspunkt unter eine bis auf kleinere Ausrutscher perfekte Saison, die aufgrund der Entwicklung, die das Team als fußballerischer Gesamtverbund im Verlaufe der Runde nahm, im letztlich verdienten und hart erarbeiteten Aufstieg endete. Der Rest war dann Feiern. Erst auf dem Platz und dann im Sonderzug zurück nach Leipzig. Und ab Montag haben die RasenBallsportler für mehr als fünf Wochen frei. Für einige der erste richtige Urlaub seit zwei Jahren. Den hat man sich verdient.
Randbemerkung 1: Timo Röttger war sicherlich die bestimmende Person des Spiels von RB Leipzig bei den Stuttgarter Kickers. Aufgrund seines feststehenden Abschieds wurde der Publikumsliebling erst von den Fans besonders gefeiert und später auch von der Mannschaft zur Fankurve getragen. Es sind solche Bilder, die zeigen, dass die Mannschaft gut funktioniert. Die Bilder zeigen aber auch die besondere Rolle, die Timo Röttger im Mannschaftskreis und für RB Leipzig generell gespielt hat. Realistisch betrachtet war Röttger in dieser Saison nicht mehr die prägende Persönlichkeit auf dem Feld. Und trotzdem bleiben vor allem seine erste Halbserie unter Pacult, sein Auftritt beim 4:1 in Magdeburg und viele Aktionen mehr in Erinnerung. Röttger ist im RB-Kader immer so etwas wie der Straßenfußballer gewesen und das kam gut an, auch wenn es zuletzt nicht mehr so richtig effektiv war. Man darf Timo Röttger als Spieler vermissen, auch wenn sein Abschied sportlich angesichts der wartenden zweiten Liga mehr als nachvollziehbar ist. Man darf vor allem danke sagen für die vielen schönen Momente des Wühlens, Dribbelns und Schießens jenseits der taktischen Zwänge. Mach es gut Metzger und viel Glück in der weiteren Karriere.
Randbemerkung 2: Klar, es wäre natürlich eine hübsche Pointe gewesen, wenn RB Leipzig die Saison sogar noch als Meister beendet hätte. Aber durch den Heimsieg gegen Unterhaching konnte sich Heidenheim mit drei Toren Vorsprung gerade noch über die Ziellinie retten. Völlig verdient retten, denn insgesamt war der 1.FC Heidenheim das beste, weil konstanteste und abgeklärteste Team der Liga, das den Meistertitel als Lohn für jahrelange, kontinuierliche Arbeit bis zum Aufstieg völlig verdient hat. Deshalb an dieser Stelle herzliche Glückwünsche an den Meister und viel Glück in der zweiten Liga. Wir sehen uns dort wieder und das ist sicher nicht das schlechteste, was passieren konnte.
Randbemerkung 3: Wo es Gewinner gibt, gibt es auch immer Verlierer. Die, die es am schlimmsten erwischt, sind die Absteiger. Auch wenn es nach den letzten Jahren ein Wunder wäre, wenn sich die Absteiger nach der endgültigen Lizenzerteilung und entsprechenden Entzügen nicht noch mal verändern würden. Besonders bitter erwischt es Saarbrücken, weil dieser Abstieg komplett unerwartet kam und bei letztlich 11 Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz und fünf Punkten auf den Vorletzten mehr als verdient war. Schade drum, aber so viel, wie man dort im Laufe der Saison in der Führung des Vereins und beim magathesken Kaderumbau falsch gemacht hat, darf man sich auch nicht wunder. Ist trotzdem zu wünschen, dass man in Saarbrücken wieder auf die Beine und bald zurück kommt.
Der zweite Absteiger Burghausen ist letztlich auch an eigenen Fehlern, Unruhe im Verein und zu wenig sportlicher Substanz gescheitert. Und in Elversberg ist wohl das normalste der Welt passiert, da jener Verein abstieg, der auch vor der Saison auf vielen Zetteln gestanden hatte. Auch wenn man sich lange ganz passabel wehrte. Für Burghausen wird es wohl schwer, in absehbarer Zukunft wieder zurück in die dritte Liga zu kommen. In Elversberg stehen die Chancen dank Geldgeber schon besser.
Lichtblicke: Heute noch mal als Fanboy-Rubrik Yussuf Poulsen gewidmet. Der sicher, wie der Rest der Mannschaft, kein überragendes Spiel gemacht hat. Aber wieder mal gezeigt hat, gerade im Vergleich mit Sturmpartner Morys, was für Qualitäten er mit seiner großartigen Mischung aus robustem Zweikämpfer in Luftduellen, schnellem Flügelflitzer, Vorbereiter und torgefährlichem Stürmer hat. Und diesmal war er noch dazu effektiv und macht zwei schöne Tore. Ich bleib dabei, wenn dieser Poulsen nächste Saison seinen nächsten Schritt machen sollte, werden wir einen großartigen Zweitligastürmer sehen.
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Tore: 0:1 Röttger (35.), 0:2 Poulsen (44.), 0:3 Poulsen (69.), 1:3 Badiane (90.)
Aufstellung: Bellot – Heidinger, Hoheneder, Willers (46. Thomalla), Sumusalo (69. Frahn) – Röttger, Demme, Kimmich (34. Jung) – Kaiser – Morys, Poulsen
Zuschauer: 5.800 (davon 1.000 Gästefans)
Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Liveticker, MDR-Bericht [broken Link], SVK-Bericht, Kicker-Bericht
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Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche
Was ist los hier, meine Damen. Kaum ist die Saison vorbei, wird sich weder bedankt noch kommentiert?! ;)
Noch einmal einen letzten Dank für diesen letzten 3. Liga Spielbericht!
VG aus HH
Nachdem ich mich aus dem initialen Ärger über das DFL-Drama langsam wieder ein wenig rausgezogen habe, hier auch noch einmal von mir ein Dank für die gute Berichterstattung, die vielen beleuchteten Aspekte an den Rändern der Kernthemen und die leidenschaftliche und trotzdem objektive Darstellung aller Themen.
Im Vertrauen darauf, dass DM seine LVZ-Attacke mittels Erfüllungsgehilfen G. Schäfer platziert hat um dann am Ende via Wolter und Konsorten den Kompromiss zu finden. Im Sinne einer guten Kaderplanung und Saisonvorbereitung wünsche ich uns allen, dass der Gerichtsweg vermieden werden kann.
Wir sehen uns in der 2. Liga!!!
Na, nach dem Abstieg von Dynamo Dresden (und Energie Cottbus) wird doch die DFL (resp. DFB) sich jetzt hoffentlich wohl noch weniger trauen, RB aus der 2. Liga zu verbannen. Sonst ist der ganze Bereich der 1. und 2. Liga bald wie bis 1990 wieder eine totale Westveranstaltung. Dagegen ist jetzt die Hilfe aus Salzburg dringend nötig!