Das erste Testspiel der Saison. Sportlich meist eher bedeutungslos, aber immer auch irgendwie ein wichtiger Termin, weil es halt der Beginn von etwas neuem, spannendem ist. Ein bisschen schade, dass man in diesem Sommer so gar keine Testspiele in Leipzig (oder alternativ Markranstädt) veranstaltet, nicht mal irgendeinen Trainingskick gegen einen lokalen Achtligisten.
Auf der anderen Seite hat es den netten Nebeneffekt der Umlandpflege, wenn man wie letztes Jahr in Frankfurt (Oder) (ok, das ist schon sehr weiteres Umland) oder wie in diesem Jahr in Dessau startet. Reichlich 7.000 Zuschauer zeugen davon, dass dieses Konzept voll aufgegangen ist. Es war ein sehr angenehmer und passender Rahmen für diesen Aufgalopp in die Saison.
Darin verdeutlicht sich auch die noch mal rasante Entwicklung in den letzten zwei Jahren. 2015 waren zum Auftakt in die Saison beim ersten Testkick damals in Herzberg gegen den Berliner AK gerade mal knapp 1.000 Leute in einer Stadt, die sich kaum dafür interessierte, vor Ort (was auch hübsch, aber eben eine völlig andere Nummer war) und begutachteten die ersten RB-Schritte von Willi Orban und Davie Selke.
Vor vier Jahren waren gerade mal 4.000 Menschen nach Dessau gekommen, um sich die Benefizpartie zwischen Bundesligist Hertha BSC und Drittligist RB anzuschauen. Das Testspiel beim SV Dessau 05 im Winter der Saison 2010/2011 unter Tomas Oral dürfte auf einem Kunstrasenplatz sogar fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden haben.
Der neue Champions-League-Teilnehmer hat sein Publikum inzwischen gefunden. Und gerade in kleineren Städten im Osten, das ist ja ein schon länger und seit der Regionalliga zu beobachtendes Phänomen, freut man sich vielerorts sehr wohl über diesen Leuchtturm und schmückt sich sehr gern mit entsprechenden Testbegegnungen, die langsam zu kleineren Volksfesten mutieren. So wird es dann wohl kommende Woche auch in Meuselwitz laufen, wo RB am 18.07. auf den schon länger durchaus nicht unfreundschaftlich verbundenen Regionalligisten trifft.
Zuvor stand allerdings der Aufgalopp beim Sechstligisten SV Dessau 05 auf dem Programm. Das ist natürlich in keiner Hinsicht ein auch nur irgendwie aussagekräftiger Test, weil dazu die Kräfteverhältnisse zwischen den Teams von Natur aus viel zu unterschiedlich sind. Wenn man diese Begegnung als für irgendetwas relevant ansehen will, dann dafür, dass man nun endgültig weiß, dass man in der ersten Runde des DFB-Pokal gegen Sechstligist Dorfmerkingen praktisch nicht ausscheiden kann. Aber das wusste man eigentlich auch schon vorher.
Dass ein solcher Test zwischen Sechstligist und Erstligist kaum Aussagekraft hat, liegt vor allem an den völlig unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen. Sprich, die RasenBallsportler konnten viele Situationen durch Physis und Geschwindigkeit lösen, die sie so in der Bundesliga nicht in gleicher Form lösen können, weil der Gegner einfach nicht so langsam und im Zweikampfverhalten unterlegen ist. Das ist gar nicht negativ in Bezug auf den SV Dessau 05 gemeint, die dieses Spiel mit viel Engagement und Lust und Laune bestritten. Aber es ist einfach ein Fakt, dass manch positive Aktion von RB Leipzig nicht Folge von überragendem Fußball, sondern von völlig unterschiedlichen Voraussetzungen in Bezug auf die Physis war.
Das ist auch nicht schlimm. Denn dieses erste Testspiel war, wie so viele erste Testspiele zuvor auch, eben nur ein Aufgalopp aus dem vollen Training heraus. Eine weitere Trainingseinheit mit Ball und Gegner, bei der es darum geht, sich ein bisschen zu bewegen, Tore zu erzielen und sich langsam wieder an das Niveau heranzutasten, das man für die Bundesliga brauchen wird.
Und dafür war auch der Test in Dessau gut. Man hat versucht, den Ball laufen zu lassen, auch wenn manchmal der tiefe Ball nicht in der Selbstverständlichkeit kam, wie man das von RB Leipzig sonst kennt. Dafür gab es vor allem in der ersten Halbzeit viele gute Spielöffnungen über Pässe auf die Außenbahnen, wo vor allem Klostermann rechts und Yilmaz links auffällig agierten.
Positiv, dass man über 90 Minuten keine einzige Torchance oder eine Art Torschuss des SV Dessau 05 zuließ. Selbst gegen einen Sechstligisten ist das nicht selbstverständlich. Aber bei den zwei, drei möglichen Kontersituationen der Gastgeber waren die RB-Verteidiger eben auch einfach schneller.
Folge der kompletten Dominanz der RasenBallsportler in einem Spiel, das sich quasi komplett in der Dessauer Hälfte abspielte, waren viele, viele Szenen am und im Strafraum der Gastgeber. Positiv dabei, dass man sich durchaus immer wieder in gute Positionen spielte. Negativ in der ersten Halbzeit, dass man dann im Strafraum oft nicht die Übersicht für den entscheidenden letzten Pass hatte.
In der zweiten Halbzeit dann war vor allem die Chancenverwertung ein deutliches Manko. Dass die Nachwuchsakteure Ludewig und Abouchabaka beide ohne Tor vom Platz gingen, war fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Auch Kühn hätte mehr als sein eines Tor erzielen können. Aber Daniel Zschiesche hielt nach der Pause Ball um Ball und wurde schließlich bei seiner Auswechslung mit Standing Ovations vom gesamten Stadion und mit Gesängen aus der Gästekurve verabschiedet. Ja, Zschiesche hat gut gehalten und seine Story war bei diesem Testspiel durchaus eine besondere, aber man hat ihn zeitweise auch ziemlich berühmt geschossen.
Bei der fehlenden Effektivität im Torabschluss muss man natürlich auch bedenken, dass mit Werner und Poulsen die beiden Stammstürmer der Vorsaison noch fehlten. Und auch die offensivstarken und torgefährlichen Forsberg, Keita und Bruma sind noch nicht wieder in den Testspielbetrieb eingestiegen. Poulsen, Forsberg und Keita sollten ab kommende Woche langsam wieder dabei sein.
Die Abwesenheit vieler Offensivkräfte wurde vor allem durch den Einsatz von Nachwuchsakteuren kompensiert. Dass mit Ludewig, Abouchabaka und Kühn drei der vier Offensivpositionen nach der Pause mit Nachwuchsspielern besetzt wurden, ist natürlich auch mit einem, Talent hin oder her, Qualitätsverlust im Team verbunden. Wenn dann Oliver Burke die Position Nummer 4 besetzt und weiter ein bisschen im bekannten Burke-Modus unterwegs ist, dann sind die Dinge eben wie sie sind.
Neben den Offensivkräften (bzw. offensivstarken Kräften) Poulsen, Bruma, Forsberg, Werner und Keita fehlten auch noch Mvogo und Gulacsi als Torhüter und Demme und Laimer in der Mittelfeldzentrale. Das macht ungefähr sechs Stammspieler im kommenden Bundesliga-Kader, die im ersten Test fehlten. Auch von der Seite her ist das Testspiel keines mit allzu hoher sportlicher Relevanz gewesen.
Schön, dass Lukas Klostermann nach zehn Monaten sein Comeback bei RB Leipzig zumindest in einem Testspiel feiern konnte. Man konnte schon viel sehen, was ihn bis zu seinem Kreuzbandriss letzten September so stark und zu einem Kandidaten für die Nationalelf gemacht hatte. Man sah aber auch noch ein paar Probleme im Timing und bei Aktionen im Strafraum. Aber mit Klostermann hat man auf jeden Fall wieder eine Topoption hinten rechts. Weswegen Bernardo, der zuletzt etwas überraschend im Kicker erklärt hatte, seine Lieblingsposition sei die Innenverteidigung, wohl künftig Herausforderer Nummer 1 für Halstenberg links hinten ist.
Die Defensivabteilung von RB Leipzig ist bereits komplett im Training und kämpft schon um die Plätze. Schmitz, Klostermann, Bernardo und Halstenberg kämpfen auf den defensiven Außenpositionen. Konaté ergänzt derweil das Trio Orban, Upamecano und Compper in der Innenverteidigung. Ilsanker schwebt dabei als Allrounder über den acht Spielern.
Neu im Defensivbereich, der nominell von vielen in der vergangenen Saison als Schwachstelle angesehen wurde, ist nur der 18-jährige Franzose Ibrahima Konaté. Der von seiner ganzen Physis und Spielweise her von Dayot Upamecano nur schwerlich zu unterscheiden, aber noch ein Stück größer ist. Auch bei ein, zwei Nukan-Gedächtnisspieleröffnungen konnte man den Unterschied zu Upamecano sehen, aber insgesamt wartet da ein ähnlich robuster Innenverteidiger mit Mut zur gepflegten Spieleröffnung, der auf seinen Feinschliff wartet, wie Upamecano einer ist.
Die vielen fehlenden Spieler vor der Defensivabteilung sorgten dafür, dass gleich sieben Nachwuchsspieler beim Testspiel eingesetzt wurden. Wenn man denn Palacios mitzählen will. Da er in der offiziellen Kaderplanung von 20 (Feldspielern) + 4 (Nachwuchsakteuren) immer zu den +4 gehörte, darf man den 22-jährigen da auch dazuzählen. In Dessau zeigte Palacios am Ball einige gute Dinge, aber gerade im Vergleich zu Neuzugang Jean-Kevin Augustin, der mit Ballsicherheit, Geschwindigkeit und gutem Torabschluss (aka Hattrick im ersten Spiel) überzeugte, zeigt sich dann aber eben auch deutlich, wo die Grenzen von Palacios sind.
Neben Palacios waren auch Elias Abouchabaka und Nicolas Kühn als Spieler, die zu den +4 gehören beim Test mit dabei. 2000er-Jahrgang. Also der jüngere U19-Jahrgang der kommenden Saison. Spieler, die mit ihren 17 Jahren noch keine Profiverträge haben (können). Beiden sah man sowohl die Qualitäten als auch ihre erst 17 Jahre an. Beide (und vor allem Abouchabaka) bringen sehr viel fußballerische Qualitäten mit. Ob das dann auch für den nächsten Schritt, also die Bundesliga, reicht, wird man sehen. Das kommende Jahr mit Training bei den Profis und Spielen bei der U19 kann ihnen auf jeden Fall nicht schaden für ihre Entwicklung.
Mit dabei aus dem 2000er-Jahrgang waren auch Kilian Ludewig und Erik Majetschak. Auch beides U17-Nationalspieler Deutschlands. Beides mögliche Optionen für den letzten Platz bei den +4 der Nachwuchsspieler, die bei den Profis mittrainieren sollen. Majetschak spielte auf der Sechs eine unaufgeregte Partie, in der es ihm aber vor allem darum zu gehen schien, erst mal keine Fehler zu machen. Ludewig machte rechts viel Betrieb, hatte aber viel Pech beim Abschluss, was er irgendwann selbst nicht so recht fassen konnte.
Neben den 2000er-Perspektiv-Nachwuchsspielern wurden zuletzt auch vier 1999er-U19-Jahrgänge mit Profiverträgen ausgestattet, um die Local-Player-Regelung (vier Spieler braucht jeder Verein, die zwischen 15 und 21 für mindestens drei Jahre im eigenen Klub ausgebildet wurden) zu erfüllen. Von diesen vier Akteuren waren mit Marc Dauter und Mert Yilmaz zwei Spieler auf dem Platz (Kilian Senkbeil und Dominic Minz fehlten). Yilmaz war sehr aktiv und bereitete das 2:0 mit viel Übersicht schön vor. Dauter war auf der Sechs die unauffälligere Version von Majetschak. Wie die Perspektiven der vier Spieler sind, ist aktuell völlig unklar. Stärker an die Profis angeschlossen als Dauter, Yilmaz, Senkbeil und Minz bleiben Kühn und Abouchabaka und vielleicht auch Majetschak oder Ludewig.
Wenig sagen lässt sich über die RB-Torhüter in diesem ersten Test. Zum einen hatten sie außer den Ball holen nichts zu tun. Zum anderen standen mit Coltorti und Talent Köhn zwei im Tor, die im Normalfall hinter Gulacsi und Mvogo in der kommenden Saison kaum bis keine Einsätze kriegen werden.
Dominik Kaiser zeigte sich zudem sehr engagiert und bereit zum Kampf um einen Platz im Team bzw. um mehr Spielzeit als in der Rückrunde der Vorsaison. Stefan Ilsanker war in der ersten Halbzeit der Kopf des Teams. Marcel Sabitzer ist weiterhin nicht unbedingt der absolute Testspieltyp. Marcel Halstenberg bliebt wie Benno Schmitz bemüht, aber oft auch glücklos. Bernardo agierte sicher, aber ohne ganz große (abgesehen vom Tor) Offensivakzente. Und die Herren Orban, Upamecano und Compper bemühten sich zusammen mit Konaté, den Ball immer wieder planvoll nach vorn zu befördern.
Neu auf den Ärmeln bei RB Leipzig, die man seit dieser Saison selbst vermarkten darf, war die CG-Gruppe beim Test in Dessau. Eine sehr unterschiedlich beleumundete Immobilienfirma auch mit Sitz in Leipzig und Loge bei RB Leipzig. Und zudem jene Firma, die bei Inter Leipzig unterstützend aktiv ist und dem Verein offenbar ein Stadion am alten Postbahnhof hinstellen will. Vielleicht ist so ein Verein in der Stadt, zu dem man über Bande (bzw. nun auch über Ärmelwerbung) ganz gute Kontakte hat, nach dem Abschied von der RB-U23 ja doch noch mal irgendwann ganz nützlich. Bisher gab es da ja keinerlei Querverbindungen.
Wie auch immer, der erste Aufgalopp von RB Leipzig in die neue Saison war mit dem Spiel beim SV Dessau 05 ordentlich, wenngleich auch was das Spiel im gegnerischen Strafraum angeht sehr ausbaufähig. Angesichts der Besetzung der Mannschaft und vieler fehlender Spieler ist diese Analyse aber auch nicht sonderlich aussagekräftig. Denn so wie in Dessau werden die RB-Offensivreihen wohl schon kommende Woche in Meuselwitz nicht mehr besetzt sein. Aber alles ist im Fluss und die ersten 90 Minuten der Saison waren ein launiges Vergnügen mit launigem Stadionsprecher und vielen Zuschauern bei perfektem Wetter. Was will man mehr für den Start in die Saison.
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Tore: 0:1 Heisig (23/ET), 0:2 Augustin (26.), 0:3 Augustin (32.), 0:4 Augustin (43.), 0:5 Bernardo (55.), 0:6 Kühn (78.), 0:7 Kaiser (83.)
Aufstellung 1.Hälfte: Coltorti – Klostermann, Orban, Upamecano, Halstenberg – Ilsanker, Majetschak – Sabitzer, Yilmaz – Palacios, Augustin
Aufstellung 2.Hälfte: Köhn – Schmitz, Konaté, Compper, Bernardo – Kaiser, Dauter – Abouchabaka, Ludewig – Kühn, Burke
Zuschauer: 7.124 (in Dessau)
Links: RBL-Bericht
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Testspieltorschützen 2017/2018
Augustin – 3; Bernardo, Kühn, Kaiser – je 1; Eigentore – 1
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Testspieleinsatzzeiten 2017/2018
- Coltorti – 45 Minuten
- Klostermann – 45 Minuten
- Orban – 45 Minuten
- Upamecano – 45 Minuten
- Halstenberg – 45 Minuten
- Ilsanker – 45 Minuten
- Majetschak – 45 Minuten
- Sabitzer – 45 Minuten
- Yilmaz – 45 Minuten
- Palacios – 45 Minuten
- Augustin – 45 Minuten
- Köhn – 45 Minuten
- Schmitz – 45 Minuten
- Konaté – 45 Minuten
- Compper – 45 Minuten
- Bernardo – 45 Minuten
- Dauter – 45 Minuten
- Kaiser – 45 Minuten
- Ludewig – 45 Minuten
- Abouchabaka – 45 Minuten
- Kühn – 45 Minuten
- Burke – 45 Minuten
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