Das erste Testspiel der Saison. Sportlich gesehen nicht gerade das spektakulärste Ereignis, weil mitten in einem Lauftrainingslager angesetzt und ohne die EM-Starter Forsberg, Ilsanker, Sabitzer und Gulacsi absolviert der Erkenntnisgewinn gering bleibt und das ganze eher als bessere Laufeinheit mit Ball durchgeht. Aber eben auch der Start in die Spielzeit. Und da jedem Anfang bekanntermaßen ein Zauber innewohnt (soviel zum Pathos), ist dieses erste Testspiel der Saison wie in den Jahren zuvor dann eben doch ein besonderes gewesen.
Zumal auch noch ein neuer Trainer am Spielfeldrand stand und (mal abgesehen von der Spielphilosophie) gewohnte Abläufe und Hierarchien in so einem Fall immer ein wenig in Frage stehen bzw. sich das Mannschaftsgefüge ein Stückweit neu finden muss und sich alle Spieler schon mal frühzeitig ins Gespräch bringen wollen. Und so schon im ersten Testspiel trotz schwerer Trainingslagerbeine erstaunlich viel Schwung und Dynamik drin war.
Zumindest bis ungefähr zur 75. Minute. Danach war ein wenig die Luft raus und plätscherte die Partie bis zum Schlusspfiff vor sich hin. Was angesichts des standesgemäßen Spielstandes von 10:0 auch nicht weiter verwundern konnte. Sich aber doch von manchem Testspiel der letzten Saison abhob, als RB Leipzig gegen unterklassige Gegner in den letzten Minuten noch mal richtig Gas gab, weil die RB-Besetzung der zweiten Hälfte irgendeine gesetzte Challenge gegen die Besetzung der ersten Hälfte gewinnen wollte.
Ergebnisse von Testspielen sind nie sonderlich aussagekräftig, aber einen kleinen Fingerzeig darf man durchaus darin sehen, dass RB Leipzig gegen einen (eigentlich sportlich abgestiegenen, aber durch Neubrandenburger Insolvenz geretteten) Fünftligisten mal eben mit 10:0 gewann. Vor allem das Spiel nach Ballverlusten aka Gegenpressing war für den aktuellen Stand der Vorbereitung schon mehr als ordentlich. Über 90 Minuten ließ man so keine relevante Torchance der Gastgeber, die maximal zwei, drei Mal im Ansatz gefährlich am Strafraum auftauchten, zu, während man selbst diverse Großchancen ausließ, mit denen man das Ergebnis auch durchaus noch auf irgendwas um ein 15:0 hätte ausbauen können.
Aufgelaufen war RB Leipzig in Frankfurt (Oder) von der Grundformation her im bekannten 4-2-2-2 (wie immer gilt, dass es auf dem Platz nie so starr zugeht, wie die Zahlen suggerieren) anstelle eines 4-1-2-2-1, das man unter Hasenhüttl auch hätte erwarten können. Mit relativ wenigen Besetzungsüberraschungen. Gipson eine Halbzeit als Sechser einzusetzen, war eher der Personalsituation nach den Ausfällen von Demme und Jung (beide sicherheitshalber geschont) geschuldet als großes Besetzungsexperiment. Klostermann rechts hinten kann man als kleinen Fingerzeig verstehen in der Frage, ob er innen oder außen verteidigen soll, muss man aber auch nicht. Und Schmitz links hinten war wohl auch eher dem Jung-Ausfall geschuldet.
Von den Neuzugängen konnten in der ersten Halbzeit vor allem Timo Werner und Naby Keita überzeugen, während Benno Schmitz auch wegen der Art des Spiels eher unauffällig blieb. Timo Werner beeindruckte mit Schnelligkeit, Technik, viel Zug zum Tor, gutem Abschluss und Blick für den Nebenmann. In einer sowieso schon gut besetzten Offensive kann er noch mal für einen ordentlichen Qualitätssprung sorgen. Schnörkellos und brandgefährlich. Vom Typ her einem Sabitzer nicht unähnlich und als zweite, flexible Spitze sehr gut aufgehoben, wenn man denn mit zwei Spitzen spielt.
Ein Naby Keita war derweil vielleicht nicht ganz so auffällig, zeigte aber auch schon, warum er in der Bundesliga für RB Leipzig ein Unterschiedsspieler sein könnte. Von seinen Mitspielern bereits als zentrale Mittelfeldfigur akzeptiert und gesucht, brachte er sich gut ins Passspiel ein (auch wenn ihm dabei ein paar Fehler unterliefen) und zeigte gelegentlich und vor allem bei seinem Tor zum 4:0, welche Dynamik er Richtung Tor haben kann. Kein schlechter Beginn für den Neuzugang, der als zweiter Sechser etwas offensiver als Nebenmann Gipson agierte und immer wieder Richtung Acht rutschte, wo er wohl die größte Qualität haben dürfte.
Das wichtigste Ereignis des Tages spielte sich derweil in der zweiten Halbzeit ab und betraf Terrence Boyd, der nach mehr als eineinhalb Jahren Verletzungszeit erstmals wieder für RB Leipzig auflief. Kleiner Gänsehautmoment. Frischebackener Vater, die lange Verletzungszeit überwunden (dreimal auf Holz klopfen), zur Zeit läuft es für den 25jährigen. Klar, dass man Boyd die lange Abwesenheit anmerkte und jedesmal, wenn er auf dem Boden lag, stockte ein wenig der Atem, aber es war schön, ihn endlich wieder Fußball spielen sehen zu dürfen. Was macht es da schon, dass Boyd nur eins statt möglicher fünf Treffer erzielte. Worüber er sich selbst gut sichtbar am meisten ärgerte.
Auffällig in der zweiten Halbzeit vielleicht noch Youngster Felix Beiersdorf. Gar nicht so sehr, weil er ein überragendes Spiel gemacht hätte. Der Auftritt war insgesamt in Ordnung für ein 17jähriges Talent. Auffällig war vor allem, wie oft Beiersdorf selbstbewusst den Ball forderte und immer wieder Aktionen kreieren wollte und den Abschluss suchte. Lohn war das schöne Tor zum 9:0, das ihm Terrence Boyd höchstselbst aufgelegt hatte. Die Grenze zwischen übertriebener Egozentrik bzw. Selbstüberschätzung und Selbstbewusstsein ist vermutlich eine fließende, aber es ist sicherlich für ein heranwachsendes Talent nicht die schlechteste Eigenschaft, wenn er bei den Profis gleich mal Gestalter und nicht Mitläufer sein will. Bei der Masse an gut ausgebildeten Spielern, die aus den Nachwuchsleistungszentren herauskommen, kann dieser Charakterzug am Ende durchaus den Unterschied auf dem Karriereweg machen. Wenn man den Ich-Bezug nicht komplett überstrapaziert.
Von der Jugendfraktion bekamen auch Vitaly Janelt (frisch mit Profivertrag ausgerüstet) und Sören Reddemann Spielzeiten. Bei U23-Spieler Reddemann darf man das eher als Übergangsangebot in der Innenverteidigung verstehen, bis der noch zu erwartende Defensivneuzugang gefunden wurde. Bei Janelt dürften diese Testspielminuten eher permanenterer Natur werden. Beide spielten ordentliche, aber unauffällige Partien.
Interessant vielleicht noch, dass sich auch ein Zsolt Kalmár zeigen durfte, dem man nach seiner Rückkehr von der Leihe zum FSV Frankfurt eigentlich kaum noch Chancen im Bundesligakader von RB Leipzig gibt. Im Test beim 1.FC Frankfurt (Oder) zeigte sich Kalmár bemüht, aber auch mit altbekannten Problemen. Viel Spiel in die Breite, manchmal zu kompliziert im Spiel in die Spitze, manchmal zu langsam in der Entscheidungsfindung. Kalmár bleibt ein durchaus nicht kleines Talent, das allerdings auch noch sehr viel lernen muss. Dazu käme er wohl wesentlich besser bei einem Club irgendwo in der zweiten oder dritten Liga. Für viel Bundesligaspielzeit ist es bei dem Ungarn noch zu früh. Zumal in Leipzig bei der großen Konkurrenz auf seiner Position.
Abseits des Feldes überzeugte das Testspiel beim 1.FC Frankfurt (Oder) durch freundliche Gastgeber, die sich in Form des Stadionsprechers immer wieder für diesen Test und die unkomplizierte Abwicklung bedankten. Bundesliga in Frankfurt, das zog immerhin reichlich 3.000 Zuschauer (unter ihnen auch einige Berliner und auch diverse Anhänger RB Leipzig sonst nicht so zugeneigter Vereine) an und war durchaus ein kleiner Baustein in der Imagepflege von RB Leipzig auch ein Stück abseits des eigenen Umlands.
Vor dem Spiel hatte RB Leipzig mit seiner Manpower dafür gesorgt, dass der Platz in einem für Oberligaverhältnisse sehr guten Zustand war. Wofür man auf Heimseite auch sehr dankbar war, da solche Platzpflege im historischen Rund mit allerlei Baufälligkeit sonst nicht zum Standard gehört. Absurderweise torpedierten ein paar Deppen die Idee von Testspiel, Rasenpflege und gutem Vereinsverhältnis, indem sie Schrauben auf dem Platz platzierten, weswegen das Spielfeld vor dem Anpfiff von Kleingruppen noch mal intensiv auf Gegenstände abgesucht wurde. Man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ein Spieler in so eine Schraube oder einen anderen Gegenstand hineingerutscht wäre. Schon bescheuert, was bei manchen Leute so als Meinungsäußerung durchgeht und eigentlich versuchte Körperverletzung ist.
Sei es drum, es war an einem guten Tag nur eine kleine Randepisode, die man auch schnell wieder vergessen kann. Denn am Ende des Tages bleibt ein gutes Testspiel mit engagierten RB-Spielern, die ihre Aufgabe trotz Lauftrainingslager erstaunlich engagiert und dynamisch angingen, vor allem gegen den Ball ihre Stärken zeigten und auch mit dem Ball einiges gut anschaubares anzufangen wussten. Nur in der Chancenverwertung war man nicht durchgängig konsequent und hochklassig (Selke trotz seiner drei Tore, Boyd, Bruno). Aber das ist zu diesem Zeitpunkt der Vorbereitung auch eher vernachlässigbar. Der Aufgalopp in die Saison ist gemacht. Nun rückt die Bundesliga mit jedem Tag näher und wird immer realer werden..
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Tore: 0:1 Werner (5.), 0:2 Selke (16.), 0:3 Werner (25.), 0:4 Keita (37.), 0:5 Selke (41.), 0:6 Selke (43./ HE), 0:7 Weiss-Moritz (48./ ET), 0:8 Boyd (53.), 0:9 Beiersdorf (71.), 0:10 Bruno (78.)
Aufstellung 1.Hälfte: Coltorti – Klostermann, Reddemann, Nukan, Schmitz – Gipson, Keita – Kaiser, Kalmár – Werner, Selke
Aufstellung 2.Hälfte: Müller – Gispon, Orban, Compper, Halstenberg – Khedira, Janelt – Bruno, Beiersdorf – Poulsen, Boyd
Nicht dabei: Jung, Demme (beide angeschlagen), Gulacsi, Sabitzer, Ilsanker, Forsberg (alle EM-Fahrer noch nicht in der Vorbereitung), Fechner (U19-EM), Touré, Damari (krank)
Zuschauer: 3.420
Links: RBL-Bericht
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Testspieltorschützen 2016/2017
Selke – 3, Werner – 2, Keita, Boyd, Bruno, Beiersdorf – je 1
Testspieleinsatzzeiten
- Gipson – 90 Minuten
- Coltorti – 45 Minuten
- Müller – 45 Minuten
- Klostermann – 45 Minuten
- Reddemann – 45 Minuten
- Nukan – 45 Minuten
- Schmitz – 45 Minuten
- Keita – 45 Minuten
- Kaiser – 45 Minuten
- Kalmár – 45 Minuten
- Werner – 45 Minuten
- Selke – 45 Minuten
- Compper – 45 Minuten
- Orban – 45 Minuten
- Halstenberg – 45 Minuten
- Khedira – 45 Minuten
- Janelt – 45 Minuten
- Bruno – 45 Minuten
- Beiersdorf – 45 Minuten
- Poulsen – 45 Minuten
- Boyd – 45 Minuten
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Bilder: © GEPA pictures/ Roger Petzsche
Da isser wieder!
Also der Blogautor und! der erste Spieltagsblog des Bundesligisten Rasenballsport Leipzig!!
Liest sich (außer der letzte Absatz) wirklich gut, dafür das sie mitten Lauftrainigslager sind. Was ich so gesehen habe, waren da wieder gut bis sehr gute Ansätze dabei (Tor von Keita+Lupfer Selke)
Und natürlich: Terrence Boyd!!!
Was freue ich mich für ihn!!
Falls ich darf, hier die Tore+Highlights vom Spiel:
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Für Timo Werner ist Ralph Hasenhüttl ein guter Coach zum günstigen Zeitpunkt. Im Pressing waren ihm von seinen Stuttgarter Kollegen Ginczek u Harnik überlegen, während technisch TW die feinere Klinge schwingt. Aber nun mit Pressing-Trainer Hasenhüttl holt er in dieser Kategorie bestimmt schnell auf.
Nicht nur wegen seiner Jugend ein guter Transfer, sondern insbesondere weil er sich bestimmt gut mit Poulsen und Selke ergänzt. Ich bin gespannt auf seine erste Saison als Bulle.
Hab es auch verfolgt und konnte da einiges an Potenzial sehen. Bleibt abzuwarten, wie die Mannschaft weiter zusammenfindet. Freue mich auf die Saison!