Viel und lange wurde zuletzt über Breel Embolo geredet. Den 19jährigen Schweizer Offensivspieler, den Rangnick gern geholt hätte, an dem man nun aber offiziell wegen zu viel Hickhack und fehlender Entscheidungslinie auf Seiten des Spielers und seiner Berater das Interesse verloren hat oder haben soll.
Eine Verpflichtung des Talents nicht unter 20 Millionen Euro vor drei, vier Wochen, als es das erste Mal heiß zu werden schien, wäre aus Leipziger Sicht ein echter Statementtransfer gewesen. Ein Signal vor allem an andere Spieler, dass man ein Verein ist, der auf dem Transfermarkt auch nach den größeren Talentehappen schnappen kann und entsprechend ein interessanter, weil perspektivreicher Ort für die Karriereentwicklung ist.
Untergegangen ist im Embolo-ja-nein-vielleicht-Spielchen fast schon Naby Keita, der gestern offiziell als RB-Neuzugang Nummer 4 bekanntgegeben wurde. Dabei ist der Nationalspieler Guineas der absolute Königstransfer. Weil er eine seit längerem bei RB Leipzig bestehende Kaderlücke mit viel Qualität ausfüllt und so tatsächlich das Niveau der Mannschaft auf eine neue Ebene heben kann.
Was bei einem Breel Embolo bei vielen guten Konkurrenten auf seiner Position potenziell nicht ganz so auffällig gewesen wäre. Sprich, die Nichtverpflichtung von Embolo tut der Kaderplanung nicht extrem weh. Die Verpflichtung von Keita hingegen bringt den Kader mit einem Schlag extrem weit voran.
Naby Keita kam vor zwei Jahren aus der zweiten Liga Frankreichs zu Red Bull Salzburg. Für vergleichsweise schmales Geld von bis zu zwei Millionen Euro. Ein fast schon klassischer Rangnick-Transfer. Jung, talentiert und aus einer Liga, die ein wenig unter dem Radar fliegt.
19 Jahre jung war Keita, als er in Salzburg ankam. Was ihn nicht daran hinderte, in Österreich sofort sehr viel Spielzeit abzubekommen. Sein Weg in Salzburg war bilderbuchhaft und dürfte genau dem entsprochen haben, was ihm Rangnick bei seiner Verpflichtung aufgemalt hatte. In einer höheren Liga mit ein paar internationalen Spieleinsprengseln Spielzeit und Erfahrungen sammeln. Langsam mehr und mehr Verantwortung übernehmen und dann den Schritt in eine größere Liga machen.
Das ging in den letzten zwei Jahren komplett auf. Einer guten ersten Saison folgte vor allem eine überragende Hinrunde 2015/2016, in der Keita in 18 Ligaspielen 14 Torbeteiligungen (darunter acht Tore) vorweisen konnte und zum dominanten Spieler und Kopf des Salzburger Teams wurde. Dass Keita nach der Winterpause nicht mehr ganz so dominant war, lag vor allem an einer Malaria-Erkrankung, die ihn den Rückrundenstart verpassen ließ und in der Folge auch noch negativ auf das Wohlbefinden Einfluss nahm.
Naby Keita ist ein zentraler Mittelfeldspieler, der prinzipiell von Sechs bis Zehn alle Positionen spielen kann, sich allerdings auf offensiveren Positionen wohler fühlt. Ideal ist er vermutlich Richtung Acht besetzt, von wo aus er seine Dynamik gegen und mit dem Ball, seine Geschwindigkeit und seine Fähigkeiten im Eins gegen Eins am gewinnbringendsten einsetzen kann.
Mit diesen Qualitäten ist Keita bei RB Leipzig quasi konkurrenzlos. Diego Demme käme dem wohl aktuell noch am nächsten. Aber bei allem Lob für seine überragende Rückrunde 2015/2016 fehlt ihm genau die Dynamik am gegnerischen Strafraum, die ein Keita einbringt. Dominik Kaiser wäre auf der Position auch ein Konkurrent, wurde in der abgelaufenen Spielzeit aber zumeist als äußerer Zehner eingesetzt.
Mit Keita schließt sich also eine Kaderlücke, weil er in den Raum zwischen Sechser und gegnerischem Strafraum die Dynamik und den Zug zum Tor einbringt, die bisher im Kader nicht vorhanden war. Und die bspw. auch ein Joshua Kimmich früher nicht hatte, der eher Ballverteiler war (was Keita nicht ist), aber beim Ziehen zum Strafraum oft ungefährlich blieb.
Keita ist in der Lage, am gegnerischen Strafraum Situationen für sich selbst zu kreieren, aber auch seine Mitspieler gut einzusetzen. Und er hat sogar einen strammen Schuss, der von jenseits der Strafraumgrenze gefährlich ist. Auch dies ja etwas, was in den letzten Jahren abgesehen von Kaiser im zentralen Mittelfeld eine fehlende Qualität war.
Will man es in Systemen denken, dann könnte Keita den zweiten, offensiver denkenden Sechser spielen oder vor allem einen von zwei Achtern vor einem alleinigen Sechser oder auch einen Zehner. Lediglich einen alleinigen Sechser Keita wird man wohl eher nicht zu sehen kriegen.
In Hasenhüttls Spielidee dürfte Keita die zentrale Rolle einnehmen, die ein Pascal Groß in Ingolstadt hatte. Selbst wenn sie als Typen nicht so richtig vergleichbar sind, wird auch Keita die Rolle zufallen, der Unterschiedsspieler zu sein, der Schlüsselpässe spielt und Schlüsselsituationen kreiert. Auch Groß spielte, so wie man es von Keita in Leipzig erwarten kann, in Ingolstadt vor allem als Achter und als Zehner.
Mit Keita hat RB Leipzig im Herzen des Spielfelds nun einen Kopf, der mit seinen Qualitäten, die schon jetzt für einen Verein mit europäischen Ansprüchen gereicht hätten, auch in der Bundesliga für Aufsehen sorgen kann. Ein Kopf, der die anderen Offensivspieler (mit Sabitzer und Bruno spielte er sogar schon zusammen) mitnehmen und auch besser aussehen lassen kann.
Interessant wird nur sein, ob ein Keita mit seinen 21 Jahren auch vom Kopf her schon so weit ist, ein Bundesligateam fußballerisch zu tragen. Bisher gab es wenig Anlass, daran zu zweifeln, aber der Schritt in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit dürfte noch mal ein großer sein.
Der Schritt in eine Topliga mit viel medialer Aufmerksamkeit war aber jetzt dran. Trotz seiner erst 21 Jahre war für Naby Keita in Österreich das Ende der Fahnenstange erreicht. Bei allem Respekt vor der Liga und Salzburgs Ambitionen, wenn man in diesem Alter schon Fußballer des Jahres 2015 in Guinea und Fußballer der Saison in der österreichischen Bundesliga wird, dann muss man auch den nächsten Schritt machen.
Ob der dann unbedingt RB Leipzig heißen muss oder nicht auch ein Team hätte sein können, das schon europäisch spielt, muss der Spieler entscheiden. Von der Idee her, mit RB Leipzig mitzuwachsen und den nächsten Schritt zu machen, ist es auf jeden Fall absolut nachvollziehbar und logisch.
Für vier Jahre hat Naby Keita in Leipzig unterschrieben. Das ist der Zeitraum, in dem er den nächsten sportlichen Schritt gemacht haben will. Wenn er sich weiter so entwickelt wie in den letzten zwei Jahren, werden in spätestens zwei, drei Jahren die Interessenten mit größeren europäischen Ambitionen, von denen es schon jetzt einige Anfragen gegeben haben soll, Schlange stehen. Aber diese Frage bleibt ja sowieso eine interessante. Inwieweit Leipzig auf Dauer auch Strahlkraft nicht nur für das Talentalter ausüben, sondern darüber hinaus auch ins beste Fußballalter strahlen und entsprechend Spieler halten kann.
Wenn man alles zusammennimmt, dann gibt es beim Transfer von Naby Keita in der Voraussicht keinerlei Haar, sondern nur ganz viel leckere Einlage in der Suppe. Keita passt als Spielertyp und von den Positionen her, die er spielen kann, wie die Faust aufs Auge in den Kader von RB Leipzig. Er hat Talent und ist entwicklungsfähig, aber ist auch schon jetzt auf einem Stand, in der Bundesliga zu einer tragenden Figur zu werden. Bisher (und vermutlich wird das so bleiben) der wichtigste Transfer des Sommers.
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Randbemerkung: Nicht ganz so positiv sieht man die Dinge naturgemäß in Salzburg, wo manch einer im Umfeld das Gefühl hat, dass man nur Spieler für Leipzig produziert und man selber davon nichts hat. Wobei das bei einem Spieler wie Naby Keita auch ein wenig ungerecht ist. Denn ein Talent seiner Klasse hätte seinen nächsten Schritt so oder so machen müssen. Ob er dann am Ende nach Leipzig wechselt oder in die Premier League, macht für Salzburg wenig Unterschied. Weil w wie weg nun mal w wie weg ist.
Lediglich hinsichtlich der Ablösesumme hätte es für Salzburg vielleicht einen kleinen Unterschied gemacht, weil man bei einem Club mit europäischem Anspruch sicherlich mehr Geld hätte herausschlagen können als die vom Kicker kolportierten 15 Millionen Euro, die Leipzig überweist. Wohl tatsächlich überweist, weil man den Geldfluss schon allein deswegen nachweisen muss, um einem Verband wie der UEFA vielleicht mal irgendwann zu zeigen, dass man ja unabhängig von der Salzburger Schwester ist. Intern spielt die Ablösesumme wohl keine große Rolle, weil es für die Gesamtetatplanung von Red Bull in Sachen Fußball keine große Rolle spielen dürfte, inwieweit da 15 Millionen Euro von A nach B wandern.
Da werden Spieler einfach verschoben. Das ist doch ein Wettbewerbsvorteil. Wird dann meist als Kritik vorgebracht. Ganz so als würde man in einer Welt mit Spielern mit Karriereplänen und Beratern mit Eigeninteressen Spieler tatsächlich gegen ihren Willen von A nach B verschieben können. Die Herren Mané, Kampl und Ramalho stehen dafür, dass es auch für einen Ralf Rangnick nicht so einfach ist, Spielern die Perspektive RB Leipzig schmackhaft zu machen. Wobei es früher Zweitligaperspektive war. Mit Erstligaperspektive fällt es einem wie Keita dann offenbar doch leichter, an Rangnicks Karrierezeichnungen Gefallen zu finden.
Letztlich bleibt der entscheidende Vorteil der Beziehungen zwischen Salzburg und Leipzig der, dass man eine gemeinsame sportliche Philosophie und ähnliche Spielertypen scouten und entwickeln kann. Wobei die Verzahnung zwischen den Clubs seit Rangnicks Abschied in Salzburg etwas weniger eng geworden zu sein scheint und man gespannt sein darf, inwieweit den Salzburger Bemühungen auch künftig noch Spieler entspringen, die für Leipzig interessant sind. Keita ist ja noch (genau wie Schmitz) einer, den Rangnick selbst nach Salzburg geholt hat. Diese Gruppe an Spielern wird in Salzburg immer kleiner.
In letzter Konsequenz hätte man in Salzburg natürlich wohl schlechte Karten, sich gegen einen Transfer zu wehren, wenn ein Spieler dort weg will und Rangnick ihn will. Auch wenn das nicht der entscheidende Synergievorteil ist und Spieler von Keitas Niveau sowieso bei entsprechender Entwicklung aus Österreich weg wollen, beruht darauf der Unmut in Salzburg gegenüber Leipzig.
Es gilt diesbezüglich immer noch das, was schon vor einem Jahr rund um den Ilsanker-Wechsel galt, dass in Salzburg schon ein wenig die Frage steht, was das eigene Selbstverständnis ist und ob man nur Durchlauferhitzer für Talente sein will, die im Schnitt nicht länger als zwei Jahre bleiben oder ob man daneben auch ein Grundgerüst an Spielern haben will, die die Identität des Vereins jenseits der des Ausbildungsvereins auch über einen längeren Zeitraum prägen können.
Dass junge Spieler und große Talente aus Salzburg wegwollen, wird sich aber nicht ändern. Ist ja beim FC Basel, auf den im Umfeld ob seiner europäischen Erfolge immer mal sehnsüchtig geblickt wird. Ein Breel Embolo ist selbst mit 19 und selbst von einem regelmäßigem Meister und Champions-League-Teilnehmer wie Basel nicht zu halten, wenn er in einer Topliga den nächsten Schritt machen will. Dann ist halt nur noch die Frage, wohin das Talent wechselt und was man mit den Einnahmen gutes anstellen kann.
Das muss man aber dann halt auch als Teil der Realitäten akzeptieren. Wenn man in Salzburg allerdings den Vertrag mit Keita noch im Frühjahr bis 2021 (lief vorher eigentlich schon bis 2019) verlängert (was zu der skurrilen Situation führt, dass er nun in Leipzig einen kürzeren Vertrag hat, als er vorher in Salzburg hatte) und man für die eigenen Fans öffentlich das ‘Nein, wir lassen Keita nicht im Sommer nach Leipzig gehen, weil wir ja gerade erst seinen Vertrag verlängert haben’-Spiel spielt, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Anhänger sich ein wenig veräppelt fühlen, wenn am Ende doch das Erwartbare passiert und der Spieler wechselt.
Ich war mir, nach verschiedenen Aussagen von Embolo, eigentlich sicherer als bei Naby, dass er kommen würde. Und jetzt dreht sich alles. Embolo kommt nicht und Keïta wird uns verstärken. Für mich der wichtigere und “bessere” Transfer. Hab mir schonmal ne 433 Variante aufgemalt und die liest sich so schlecht nicht. Halstenberg, Orban, Compper, Klostermann, Forsberg, Keïta, Sabitzer, Werner, Selke, Poulsen
@Rene:
Das werden wir so nie zu sehen bekommen! Außnahme – bei einem Rückstand die letzten 10 Minuten.
Meine Variante:
——–Ilsanker——
—-Keita—-Kaiser–
Sabitzer–Poulsen–Forsberg
@rotebrauseblogger:
liest sich alles sehr gut und wir dürfen gespannt sein, wie sich der Königstransfer in der Buli schlagen wird, was auch für das restliche Team Neuland ist.
Beim letzten Absatz habe ich auch Verständnis für die Salzburger Fans. Ich kann mir nur vorstellen, dass die dortige VVL mit einer Klausel aus dem 1. Vertrag mit RBS zu tun haben könnte.