Ist gerade mal reichlich sechs Monate her, dass RB Leipzig in einem Testspiel in einer Länderspielpause auf den Sechstligisten Kickers Markkleeberg traf. Damals reichte es am Ende zu einem knappen 2:1, diesmal endete der Test mit einem mehr als deutlichen und mit standesgemäß nicht ganz ausreichend beschriebenen 15:0.
Quervergleiche zwischen Spielen sind sowieso im Normalfall unsinnig. Quervergleiche zwischen Testspielen sind dies natürlich noch umso mehr. Von daher sollte man in die Resultatsunterschiede nicht allzu viel hineininterpretieren. Zumal es extrem auffällig war, mit welchem Engagement die 24 insgesamt eingesetzten RB-Spieler die erste Testaufgabe unter Leitung von Ralf Rangnick angingen. Das war deutlich über dem Testspielniveau, das man vielleicht an anderen Tagen gegen Sechstligisten auspackt.
Man wollte sich zeigen, man spielte mit dauerhaft sehr hohem Tempo und so konnte es nicht überraschen, dass der Landesligist unter diesem permanenten Druck in vielen Situationen zusammenbrach. Und da die RB-Spieler auch noch in den letzten 10 Minuten den Ball nach Toren immer wieder schnell zum Anstoßpunkt zurücktrugen und weiterspielen wollten, wurde es eben am Ende auch auf der Anzeigetafel so deutlich wie es auch auf dem Spielfeld deutlich war.
Schon in der ersten Halbzeit hatte man ein 6:0 herausgeschossen. Da stand jenes Team auf dem Platz, was beim aktuell vorhandenen Spielerkader als so etwas wie eine A-Elf durchgehen würde. Was relativ ist, denn insgesamt fehlten aus verschiedenen Gründen gleich 11 Spieler plus jene zwei bis drei Neuzugänge, die man in den nächsten Wochen noch erwarten kann, also am Ende fast eine komplette Elf mit ernsthaften Ambitionen auch dauerhaft in der zweiten Liga im Team stehen zu können.
Die, die da waren, machten ihre Sache in punkto Engangement durchaus sehr gut. Wobei man gerade in der ersten Halbzeit auch noch deutliche Probleme mit dem eigenen Spielaufbau hatte und nach Ballverlusten und fehlendem Zugriff im Gegenpressing bei ein paar Kontern hinterherlief und die Situationen ‘nur’ mittels individueller Klasse und dank fehlender Klasse vor dem Tor bei den Kickers ohne Gegentor überstand.
Gerade einem Willi Orban merkte man an, dass er mit dem hohen Verteidigen und dem Herausrücken nach vorn zum Zwecke der Balleroberung durchaus seine Mühe hatte und dabei einige Male überlaufen wurde. Auf der anderen Seite war Orban auch derjenige, der im Aufbauspiel seine überragenden Qualitäten zeigte und immer wieder flache Bälle tief in die Hälfte des Gegners oder auch mal lange Bälle auf den durchstartenden Teigl spielte. Das sah teilweise extrem elegant aus.
Davie Selke zeigte sich bei seinem zweiten Auftritt im RB-Trikot auch von der besten Seite, schoss gleich mal drei Tore und zeigte vor allem auch, dass er immer wieder gute Wege in die Schnittstelle macht und so auch anspielbar wird und für Gefahr sorgt. Neben ihm spielte Nils Quaschner und zeigte sich als robuster Stürmer mit Zug zum Tor.
Auffällig auf der rechten Seite auch John-Patrick Strauß, der immer wieder für Gefahr sorgte und bei dem deutlich wurde, dass er seine Chance, sich in diesem Sommer auch dauerhaft in den Profikader zu spielen, nutzen will (auch wenn das sicherlich schwer wird).
Henrik Ernst durfte angesichts der Ausfälle von Tim Sebastian und Marvin Compper Innenverteidiger spielen. Was darauf verweist, dass der eigentlich für die U23 vorgesehene Ernst so etwas wie der Notnagel für das Profiteam ist. Keine ganz schlechte Idee, auch wenn sich Ernst in diesem Test einige Male zu weit nach hinten fallen ließ und die Abstimmung mit Orban naturgemäß noch nicht ganz so wirklich passte.
In der zweiten Halbzeit wurde trotz all der Ausfälle fast komplett durchgewechselt (lediglich Bellot blieb als Torwart auf dem Platz) und später noch mal dreimal gewechselt, sodass fast komplett ein Nachwuchsteam auf dem Rasen stand. Die in Sachen Engangement ihren Vorgängern aus Hälfte 1 nicht nur in nichts nachstanden, sondern es im Gegenteil noch besser verstanden, dem Gegner keine Luft zum Atmen zu geben, sodass Markkleeberg nun auch in fast keine gefährlichen Umschaltaktionen mehr kam. Wenn es Richtung RB-Tor mal im Ansatz gefährlich wurde, dann weil dem ein individueller Fehler auf RB-Seiten vorausging.
Die zweite Halbzeit sah in Sachen Offensivspiel auf Seiten von RB Leipzig nicht mehr ganz so strukturiert aus, dafür überrannte man den müder werdenden Gegner mit einer großen Portion Wildheit. Gerade in den letzten 15 bis 20 Minuten stürzten die frischeren RasenBallsportler die Kickers in allerlei Verlegenheiten.
Auffällig in der zweiten Halbzeit ein Patrik Dzalto, der wie Davie Selke drei Treffer erzielte und aktuell der treffsicherste RasenBallsportler nach zwei Testspielen ist. Dzalto ist sicher kein physischer Stürmer wie ein Selke oder ein Quaschner, aber er ist ein cleverer, abschlussstarker Stürmer. Kurzfristig ist für ihn der Profikader sicher keine Option, aber mittelfristig darf man gespannt sein auf seine Entwicklung.
Gut anzusehen auch Innenverteidiger Sören Reddemann und Sechser Fridolin Wagner, aber da mag auch ein ganzes Stück subjektive Vorliebe meinerseits mitschwingen.
Diego Demme hielt das Team dazu in der Mitte gut zusammen. Auch wenn ihm im offensiven Passspiel nicht so viel gelang, schloss der Dauerläufer viele Lücken und ging wie immer viele Wege. Gerade für Demme dürfte es in der neuen Saison nicht einfacher werden, einen Platz im Kader zu finden, angesichts der Konkurrenz von Ilsanker und Khedir
Interessanterweise spielte man wie schon gegen den Berliner AK auch gegen Markkleeberg durchgängig ein 4-4-2 mit zwei Sechsern (Khedira und Kaiser bzw. Demme und Wagner/ Vogel) und zwei offensiv ausgerichteten Außenbahnspielern (Strauß und Mauer bzw. Hierländer und Palacios Martinez/ Barylla). Eigentlich gilt dieses 4-4-2 nicht wirklich als Nonplusultra des Spiels mit dem Ball, sondern eher als System, das auf Konter und Geschwindigkeit ausgelegt ist, also gegen tief stehende Verteidigungen, von denen es in der zweiten Liga so eingie gibt, auch mal versagen kann.
Vielleicht wartet man ja auch einfach noch auf Forsberg und Bruno, bis man auf eine System mit Zehner umstellt. Vielleicht sind die 4-4-2-Versuche auch nur dazu da, um ein gutes Gefühl für Gegenpressing und Co zu kriegen. Vielleicht steckt da aber auch mehr an Idee drin. Die Zukunft wird es zeigen. Im Moment ist es auch mühselig darüber zu spekulieren.
Zumal wenn man bedenkt, dass unter Alexander Zorniger anfangs auch vornehmlich hinsichtlich eines 4-4-2 getestspielt wurde und man dann das System nach einem Pflichtspiel, in dem sich zeigte, dass es in der Ligapraxis wenig taugt, fast vollständig weggeschmissen wurde. Das 4-4-2 hat seine unbestreitbaren Stärken, wenn du sehr gute und schnelle Außenbahnspieler und sehr flexible Sechser hast. Es ist aber im Ballbesitz auch ein System, das gerade von den Sechsern viel Arbeit und Abstimmung erfordert, um den Raum in der Mitte auch offensiv zu besetzen und dort Anspielstationen zu finden.
Fazit: Ein Testspiel, dessen sportlicher Wert überschaubar ist, weil ein motiviertes Zweitligateam, das sich seinem neuen Trainer beweisen will, natürlich einen Landesligisten aus dem Stadion fegen muss. Vielleicht auch nicht an jedem Tag mit 15:0, aber überbewerten sollte man das Ergebnis nicht. Den Zweck hat die Partie nichtsdestotrotz sicher erfüllt. Eine Trainingseinheit unter realen Spielbedingungen mit intensiver Bewegungsarbeit und offensivem Lustgewinn. Das hat sicher den Spielern Spaß gemacht, aber auch den Zuschauern. Auch wenn in der Detailarbeit noch allerlei Arbeit wartet.
Randbemerkung 1: Der erste Auftritt von Ralf Rangnick an der Seitenauslinie als verantwortlicher Trainer von RB Leipzig. Dank Tribüne direkt hinter den Trainerbänken aufmerksam beäugt vom Publikum. Rangnicks Engagement war mit dem vergleichbar, das seine Spieler auf dem Rasen zeigten. Immer wieder griff er ins Spiel ein und korrigierte Pass- und Laufwege. Angesichts des Korrigierens von allerlei Details und des emotionalen Mitgehens mit den Aktionen seines Teams in Form von Beifall, Schimpfen oder Kopfschütteln gewann man den Eindruck, dass es für Ralf Rangnick in den letzten drei Jahren als Nur-Sportdirektor unheimlich schwer gewesen sein muss, auf der Tribüne zu hocken und Teams zu beobachten, auf die er nicht direkt Einfluss nehmen konnte. Denn die Lust daran, sofort auf Details hinzuweisen und mit seinen Spielern zu interagieren, wird in den letzten drei Jahren nicht weniger gewesen sein. Nur dass er sie eben nicht so recht ausleben konnte.
Randbemerkung 2: Bei RB Leipzig geht es in der kommenden Woche mit zwei Testspielen gegen Budissa Bautzen und Slovan Liberec weiter (01.07. und 04.07. in Grimma). Anschließend geht es am 06.07. zum Trainingslager nach Österreich, wo man dann die interessanten Testspiele gegen den FC Southampton und gegen Rubin Kasan bestreitet. Vielleicht erbarmt sich ja noch irgendein Fußballgott und liefert Livestreams von den Partien. Kann ja im modernen Internetzeitalter nicht ganz so schwer sein..
Randbemerkung 3: Eine der wichtigen Fragen des Tages spätestens ab dem 8:0 war jene, ob die mechanische Anzeigetafel die Zweistelligkeit würde abbilden können. Clevererweise war man im Markranstädter Stadion am Bad vorbereitet und hatte links neben die Tafel, auf dem der Spielstand der Gastgeber (also RB) angezeigt wurde eine zweite Möglichkeit für das Anbringen einer Tafel geschaffen, mit der man Zweistelligkeit herstellen konnte. Die nicht mehr zu klärende Frage war nur, ob man auch auf den Fall vorbereitet war, dass man drei Einsen gebraucht hätte. Tatsächlich musste Benjamin Bellot beim Stand von 11:0 einen Freistoß links unten aus dem Eck holen und verhinderte diesen Test des Vorbereitetseins der Anzeigetafel(bediener). Ach herrlich, womit man sich am Rande von Testspielen so beschäftigen kann..
Randbemerkung 4: Bis zum 12.07. gibt es hier im Blog keine tagesaktuelle Berichterstattung. Es wird ein paar zeitlose Geschichten geben. Aber abgesehen davon ist hier Sommerpause.
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Tore: 1:0 Teigl (7.), 2:0 Selke (11.) 3:0 Kaiser (21.), 4:0 Selke (33.), 5:0 Khedira (35.), 6:0 Selke (38.), 7:0 Reddemann (55.), 8:0 Dzalto (58.), 9:0 Dzalto (65.), 10:0 Endres (71.), 11:0 Palacios Martinez (75.), 12:0 Hierländer (79.), 13:0 Dzalto (85.), 14:0 Demme (86.), 15:0 Hierländer (89.)
Aufstellung 1.Halbzeit: Bellot – Teigl, Orban, Ernst, Jung – Mauer, Kaiser, Khedira, Strauß – Quaschner, Selke
Aufstellung 2.Halbzeit: Bellot (72. Heine) – Gipson, Klostermann, Reddemann, Suscuz – Hierländer, Wagner (72. Vogel), Demme, Palacios Martinez – Endres (72. Barylla), Dzalto
Nicht dabei: Coltorti, Gulacsi, Bruno, Sebastian, Compper, Ilsanker, Kalmár, Forsberg, Poulsen, Boyd, (Sabitzer) (verletzt oder noch im Urlaub oder gerade erst ins Training eingestiegen)
Zuschauer: 1.032 (in Markranstädt)
Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Bericht
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Bisherige Testspiele
- 21.06.2015: RB Leipzig vs. Berliner AK 2:0
Bisherige Testspieltorschützen
Dzalto – 4; Selke – 3; Hierländer – 2; Wagner, Teigl, Kaiser, Khedira, Reddemann, Endres, Palacios Martinez, Demme – je 1
Testspieleinsatzzeiten
- Bellot: 161 Minuten
- Orban: 90 Minuten
- Jung: 90 Minuten
- Mauer: 90 Minuten
- Kaiser: 90 Minuten
- Khedira: 90 Minuten
- Strauß: 90 Minuten
- Selke: 90 Minuten
- Gipson: 90 Minuten
- Klostermann: 90 Minuten
- Reddemann: 90 Minuten
- Suczuz: 90 Minuten
- Hierländer: 90 Minuten
- Demme: 90 Minuten
- Palacios Martinez: 90 Minuten
- Dzalto: 90 Minuten
- Endres: 71 Minuten
- Wagner: 71 Minuten
- Vogel: 64 Minuten
- Barylla: 64 Minuten
- Sebastian: 45 Minuten
- Quaschner: 45 Minuten
- Ernst: 45 Minuten
- Teigl: 45 Minuten
- Heine: 19 Minuten