Trainersuche bei RB Leipzig. Ein Thema, das uns nun schon seit Anfang Februar und damit seit dem Abgang von Alexander Zorniger begleitet. Ein Thema auch, das nach dem endgültigen Ausscheiden von Thomas Tuchel aus der Verlosung noch mal eine neue Richtung nimmt, weil das Spekulationsfeld nun wieder größer wird.
Man kann sich bei diesem Thema natürlich von täglichen Neugkeiten und exklusiven Details treiben lassen. Thomas Tuchel beim Essen mit Pep Guardiola. Tuchels Assistent zu Besuch bei RB Leipzig. Markus Gisdol ohne eindeutiges Bekenntnis zu einer Zukunft in Hoffenheim. Irgendwann fragt man sich dann mal zwangsläufig, ob die Sonne eigentlich schon immer blau geschienen hat, weil man in diesem Wust an Details die Übersicht verloren hat.
Details sowieso, deren Bedeutung niemand durchschauen kann, weil kein noch so gut vernetzter und exklusiv nachrichtenversorgter Journalist um die Gesamtheit aller Informationen und Motivationslagen der Beteiligten wissen kann, sodass immer nur ein fragmentarisches und somit realitätsverzerrendes bzw. mit verschiedensten Interpretationen aufladbares Bild entsteht.
Ist nicht schlimm und das ganze News-Spielchen immerhin mindestens annehmbar unterhaltsam, wenn man es denn nicht allzu ernst nimmt. Währenddessen kann man aber nebenbei und an den Maßgaben der Exklusivität des Newsalltags vorbei eher nach Plausibilität im Optionsraum Trainerwahl suchen. Da kommen zwar letztlich auch nicht wirklich Namen raus, aber man bekommt eine Idee vom Typus eines künftigen RB-Trainers.
Zwei entscheidende Kriterien muss man wohl im Kopf behalten, wenn man über den RB-Trainer für die kommende Saison in der zweiten Liga, in der es als Ziel nur um den Aufstieg gehen und alles andere als Scheitern interpretiert werden wird, nachdenkt. Einerseits die zweite Liga selbst und andererseits die Rolle von Sportchef Ralf Rangnick in der Vereinskonstellation. Beides Kriterien, die für manch einen Kandidaten jeweils ein Killerkriterium sein dürften.
Ligentechnisch hat sich schon bei Thomas Tuchel gezeigt, dass es schwer wird, einen Trainer mit Namen und Erfahrung zu finden, der den Schritt in das Fußballunterhaus machen will. Als von unten kommender RB-Anhänger mag man den eigenen Verein und dessen Perspektive äußerst sexy finden, für einen Fußballtrainer, der schon an der Bundesliga geschnuppert und sich dort einen Namen gemacht hat, ist der Schritt in die zweite Liga, um dort gleich im ersten Jahr den kompletten Aufstiegsdruck zu schultern, ein Schritt zurück und nicht unbedingt sexy.
Ob sich dies viele Trainer mit Erfahrungen in der Schnittstelle zwischen erster und zweiter Liga antun würden, darf man eher bezweifeln. Zumal der Schritt des Vereins, Alexander Zorniger abzusägen, diesbezüglich ein schlechtes Signal gesendet hat. Weil man selbst vor einem zweimaligen Aufstiegstrainer bei der ersten kleineren Krise nicht Halt machte und somit künftige Trainerkandidaten auch wissen, dass sie von einem möglichen Aufstieg oder anschließendem Erfolg in der Bundesliga gar nicht mehr selbst profitieren, falls die sportliche Leitung in Bezug auf Teamentwicklung und sportlichem Auftreten eine andere Meinung vertritt.
Das ist natürlich grundsätzlich der Normalfall, dass die sportliche Leitung im Fußball am längeren Hebel sitzt und Trainer einsetzt und wieder abberuft, ohne dass das den Trainern unbedingt gefallen muss. Der Weg in Leipzig ist zumindest dahingehend in dieser Saison noch mal ein extremerer, dass er sich von der Erfolgskontrolle verabschiedete und man die Trennung von Zorniger selbst für den Fall umsetzen wollte, dass der ein drittes Mal hintereinander aufgestiegen wäre. Wenn du dich als Trainer nicht mal mehr darauf verlassen kannst, dass dir zumindest sportlicher Erfolg eine gewisse Jobsicherheit gibt, dann hast du bis auf die Eurosumme auf deinem Vertrag nicht mehr viel an Dingen, auf die du dich verlassen kannst. Tut man sich das in der zweiten Liga an, wenn man bspw. in Hoffenheim in relativer Ruhe irgendwo rund um die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb ein Team trainieren kann? Klingt nicht sehr plausibel.
Das führt natürlich sofort zum sportlich Verantwortlichen bei RB Leipzig Ralf Rangnick, der nicht nur derjenige ist, der im Verein den Druck von oben, also vom Geldgeber gleichzeitig abfedern und weitergeben muss, sondern als ehemaliger Trainer, der weiterhin als solcher denkt, auch eine Persönlichkeit ist, die eigene Vorstellungen von der Teamentwicklung hat und diese auch in die Alltagsarbeit einbringen möchte. Dass Ralf Rangnick ab Sommer nur noch Leipzig und nicht mehr Salzburg betreut und entsprechend noch permanenter vor Ort sein wird, wird den Einfluss seiner Person und Wünsche noch größer machen.
Das ist natürlich grundsätzlich kein Problem, solange der zu verpflichtende Trainer auf der selben Wellenlänge tickt wie der Vorgesetzte Rangnick. Es wird halt dann zum Problem, wenn beide unterschiedliche Ansichten haben. Kann man bei Trainern wie Klopp, Guardiola, Streich, Schaaf und wie sie alle heißen davon ausgehen, dass ihr Wort in der Endabrechnung ein recht großes vereinsinternes Gewicht hat, steht bei Rangnick zu befürchten, dass unterschiedliche Ansichten über die weiteren Entwicklungen im Verein und in Bezug auf die Kaderphilosophie auch mal schnell zu einem Bruch mit dem Coach führen könnten, wie man bei der Trennung von Alexander Zorniger gesehen hat.
Erfolgsdruck, zweite Liga und ein oft auch als Trainer denkender Vorgesetzter sind eine Gemengelage, die für die kleine Zielgruppe größerer Namen, die Rangnicks Spielphilosophie der Aktivität, der hohen Ballgewinne und des schnellen Vertikalspiels mitvertreten, ein Killerkriterium sein könnten, weil entsprechende Kandidaten unter Umständen nicht das Gefühl haben, Zeit und Raum zu bekommen, ihre Ideen eigenverantwortlich zu entwicklen und umzusetzen. Und vielleicht befürchten, dass der Sportdirektor nicht in erster Linie ihr Unterstützer ist, sondern jemand, der ihnen im Nacken sitzt und gegen den man sich durchsetzen muss. Wobei letzteres schwierig ist, denn eine Lobby im Club jenseits von Rangnick gibt es nicht und wird es nicht geben (zumindest solange Rangnick in Leipzig im Amt ist).
Es gibt natürlich trotzdem Namen, die in der Schnittstelle zwischen erster und zweiter Liga bereits gearbeitet haben und Rangnicks öffentlich beim Zorniger-Abgang formulierten Anspruch, auf dem Trainerstuhl den nächsten Schritt Richtung Bundesliga zu machen, erfüllen. André Breitenreiter ist ein Name, der in diesem Zusammenhang nicht erst seit gestern immer mal wieder genannt wird. Und der bei einem eventuellen Paderborner Abstieg Leipzig ja vielleicht sogar als logischen nächsten Schritt empfindet, falls kein anderer Bundesligist zugreift. Der Leverkusener Sascha Lewandowski wäre fachlich nachvollziehbar. Ein Frank Kramer passt da möglicherweise auch gut rein, auch wenn ihm nach dem Absturz mit Fürth etwas der Glanz fehlt. Man kann da sicherlich noch einige Namen durchgehen, alle würden sich aber auch mit der im letzten Absatz benannten Gemengelage auseinandersetzen (müssen).
Bliebe eigentlich als logischer Schritt eine interne bzw. kleine Lösung. Achim Beierlorzer, der bisher als Interimscoach durchging, hat in der letzten Zeit auf verschiedenen Kanälen (und am deutlichsten in einem transfermarkt-Interview) zu verstehen gegeben, dass er sich in der Rolle als verschieb- und formbarer Frontrunner eines Entscheidungsteams, dem naturgemäß Rangnick zentral mit angehört, wohlfühlt und er diese Rolle sehr gern ausfüllt. Fachlich muss man über Beierlorzer sicherlich nicht streiten. Wie der ehemalige Gynmasiallehrer bei den Spielern ankommt, sollen andere beurteilen.
Fakt ist, dass Rangnick mit Achim Beierlorzer (oder einem ähnlichen Trainer aus dem eigenen oder fremden Haus, der sich erst noch einen Namen machen will) als Lösung über die Saison hinaus Probleme mit der Hierarchie vermeiden würde und die Gewissheit hätte, dass er als (meinungs)starke und nah am Team agierende Persönlichkeit seinen Einfluss auf die Entwicklung des Teams auch ohne größere Reibungsverluste geltend machen könnte. Etwas was bei einer größeren Lösung wie Thomas Tuchel nur schwerlich vorstellbar gewesen wäre. Zusätzlich entzieht sich Ralf Rangnick der Möglichkeit, bei Misserfolg direkt selbst mitverbrannt zu werden, da es weiterhin einen verantwortlichen Trainer gibt, der eben diese Verantwortung im Negativfall übernehmen und zurück in den Nachwuchsbereich versetzt werden kann.
Größere Risiken hätte eine interne Lösung nicht. Fraglich vielleicht, wie eine Beierlorzer-Dauerlösung bei Red-Bull-Boss Mateschitz ankäme, der in früheren Jahren durchaus gern namhaftere Lösungen für seine Fußballaktiviäten präferierte. Aber den Vertrauensbonus dürfte Rangnick aktuell noch genießen, eine interne Lösung auch umsetzen zu dürfen. Und den Sinnenswandel, zuerst nach Zorniger auf dem Trainerposten einen Schritt hin Richtung Bundesliga machen zu wollen und dann doch bei einem Coach aus dem eigenen oder irgendeinem fremden Nachwuchs zu landen, kriegt Rangnick bestimmt auch irgendwie verargumentiert.
Ganz konsequent wäre es natürlich, wenn Ralf Rangnick den Trainerjob gleich selbst übernehmen und sich dabei von einem Team begleiten und beraten lassen würde, aber der letzte Entscheider bliebe. Eine Variante, die allerdings auch jene mit dem größten Risiko ist. Weil Ralf Rangnick als Trainer natürlich sehr viel direkter in der Verantwortung für sportlichen Erfolg und vor allem auch Misserfolg steht, als als Sportdirektor. Sprich, wenn Rangnick als Trainer Misserfolg einfährt, dann gibt es niemanden mehr unter ihm, der entlassen werden könnte, dann ginge alles auf seine Kappe.
Da mit dem Wegfall des Sportdirektors Rangnick auch ein wenig ein Schutzschild Richtung Mateschitz wegfiele, wäre ein Scheitern Ralf Rangnicks als Trainer wohl gleichbedeutend mit einem Scheitern bei RB Leipzig. Wenn man bedenkt, wie stark die aktuelle Philosopie und Personalbesetzung bei RB Leipzig bis hinunter in die jüngsten Altersklassen von Rangnick geprägt wurde und beeinflusst wird, dann möchte man sich ein Rangnick-Scheitern und den Eingriff in die guten sportlichen Strukturen durch den nächsten Hauptverantwortlichen lieber nicht vorstellen.
Fazit: Nimmt man die Gesamtgemengelage aus Vereinszielstellungen, aktueller Ligenzugehörigkeit und Ralf Rangnick, dann wäre eine interne oder kleine Trainerlösung, mit der man sich ein teamfähiges und in der Verantwortung stehendes Gesicht, das sich erst noch einen Namen machen will, für die Alltagstrainingsarbeit und die Spiele auf den Trainerstuhl holt (oder mit Beilorzer auf dem Trainerstuhl behält), in vielerlei Hinsicht die plausibelste (wenn auch vielleicht nicht unbedingt sportlich vielversprechendste) Lösung. Auch wenn das nach den langen Tuchel-Gerüchten, der schließlichen Tuchel-Absage und den ursprünglichen Vereinsabsichten in Bezug auf die Suche eines Trainers mit größerem Namen öffentlich durchaus als Niederlage interpretiert werden könnte. Aber fast jeder Trainer (außer Ralf Rangnick macht es selbst), der jetzt noch verpflichtet wird, würde wohl nach der Tuchel-Geschichte als mindestens kleine Niederlage interpretiert werden.
Ralf Rangnick auf dem Trainerstuhl wäre dagegen zwar in manch Hinsicht konsequent, birgt aber das enorme Risiko, dass die gesamte Konstruktion der sportlichen Leitung bei RB Leipzig bei Misserfolg in sich zusammenbricht und nicht nur ein Puzzlestück ausgetauscht wird. Möglich aber weiterhin auch, dass es doch ein Puzzlestück wird, das sich schon einen Namen gemacht hat irgendwo in der ersten Bundesliga oder zwischen erster und zweiter Bundesliga. Ganz einfach wird es allerdings nicht, externe Trainer mit Erfahrung davon zu überzeugen, dass der Zweitligist RB Leipzig mit dem Trainer auf dem Sportdirektorenposten Ralf Rangnick ein sehr guter Ort zum dauerhaften Arbeiten ist.
Kompliment. Wie immer eine gut verständliche und treffende Analyse der aktuellen Lage.
Sollte für Thomas Tuchel tatsächlich München unter Pep Guardiola eine Option sein, wäre meiner Meinung nach Tuchels Co. Arno Michels durchaus auch ein heißer Kandidat für Leipzig – in welcher Konstellation auch immer.
Im RR System ist mich der einzig richtige Schritt, RR als Trainer zu berufen mit AB als Assistenztrainer. Eine Marionette oder ein Opferlamm von RR ‘s Gnaden wird nicht benötigt und ist kontraproduktiv. Sobald dieser Trainer sich emanzipiert, stolpert er und wir haben alles wie gehabt.
Eine andere Vorgehensweise wäre den Spielraum des Sportdirektors so zu definieren, daß ein kreativer, tatendurstiger Trainer daneben Platz genug hat seine Ideen einzubringen und umzusetzen. Dies scheint in Anbetracht der Abgänge und Absagen ( Jens Härtel, Alex Zorniger, Thomas Tuchel ) und Kaderfehlentscheidungen ( Jens Quaschner, Sumusalo, Palacio) sehr überdenkenswert.
Der Trainer ist der wichtigste ( beste ) Mann im Verein, so RR bei seinem Antritt. Nun mal ran !
Schlüsselsatz: “Wenn du dich als Trainer nicht mal mehr darauf verlassen kannst, dass dir zumindest sportlicher Erfolg eine gewisse Jobsicherheit gibt, dann hast du bis auf die Eurosumme auf deinem Vertrag nicht mehr viel an Dingen, auf die du dich verlassen kannst. ”
Leider zu lange für einen Twitter-Beitrag, aber das ist das Kernproblem mit der Zorniger-Entlassung gewesen. Und ich wage zu behaupten, dass man diese “Wahrheit” seit Wochen in jedem Heimspiel zu spüren vermag wenn man als Zuschauer auf der Tribüne sitzt und das Gefühl hat, dass seitdem irgend etwas Wesentliches (aka Vertrauen) abhanden gekommen ist…
Da wird Rangnick wirklich in der Trickkiste wühlen müssen um diesen Schaden wieder zu reparieren.
Dann währe der jetzige … ggf. für die “Trickkiste” u. zum zurückgewinnen, von “verspieltem” Vertrauen der richtige,- zu zeigen das sportlicher Erfolg nicht nur mit Euro’, sondern auch mit “Bleiberecht” als Cheftrainer bei uns belohnt wir. Immerhin hatte Beierlorzer keine Bedenkzeit wie TT wurde quasi von heut auf morgen ins kalte Wasser geworfen, so gesehen hat er aus meiner Sicht gute Arbeit geleistet u. warum solls’ mit ihm nicht noch’ besser werden .
TT hat einen guten Ruf dank seiner Arbeit bei M 05,- aber sein Abgang damals war für alle überraschend u. mehr noch für M 05. Wer sagt denn das er im Sommer wirklich schon soweit gewesen währe …unseren Spielern ein richtig guter Trainer zu sein u. anderseits mit den doch tw. heftigen Anfeindungen anderer Club’s klaar zu kommen… , Beierlorzer hat das’ schon bewiesen… der geht hier voll in seiner Arbeit auf…