Zwischen hyperbester Aufsteiger aller Zeiten und Krisenklub liegen im Fall der Fälle nur ein paar Wochen. Auch RB Leipzig soll nach dem 0:1 in Nürnberg, wenn man der allgemeinen Berichterstattung in den Medien und teilweise der Stimmungslage in den Online-Fanpräsenzen glaubt, ja schon mitten auf dem Weg in eine handfeste Krise sein. Der Druck auf den Trainer durch die sportliche Leitung und deren Ziele wachse nach den Misserfolgen, so wird unter anderem behauptet.
Interessant zumindest, dass RB Leipzig noch nie in der Vereinsgeschichte in sechs Ligaspielen hintereinander mindestens ein Gegentor kassierte, so wie aktuell seit dem fünften Spieltag. Zudem blieb man auch noch nie dreimal am Stück ohne Sieg wie in der aktuellen Situation.
Andererseits reicht ja schon ein Blick auf das Vorjahr (wem der realistische Blick auf die aktuelle Situation nicht reicht), um angesichts der Krisenrhetorik locker abzuwinken. Damals war man nach zehn, elf Spieltagen gefühlt auch schon fast in der Krise, selbst wenn man in den Spielen zuvor kaum ein schlechtes dabei hatte (wenn man Elversberg mal galant ignoriert) und Spiele wie in Osnabrück einfach aufgrund fehlender Routine und Abgezockheit verlor.
- 2013/2014 (nach 10 Spielen): 17 Punkte, 17:12 Tore
- 2014/2015 (nach 10 Spielen): 16 Punkte, 14:8 Tore
Letztlich wenig passiert diese Saison, außer dass dem Trainer die Tatsache zum Verhängnis zu werden scheint, dass man so gut in die Saison gestartet ist und offenbar unterhalb von Durchmarsch und wöchentlichen Topleistungen und Siegen in der öffentlichen Wahrnehmung nur wenig akzeptabler Spielraum liegt. Was letztlich natürlich Unsinn ist, denn man sollte seit dem Saisonbeginn nicht vergessen haben, dass RB Leipzig weiterhin nur Aufsteiger ist und ein Anpassungsprozess an die Liga und schlechte Spiele und auch spät verlorene Spiele durchaus zu diesem Prozess dazugehören.
Mann kann auch noch nicht mal erwarten, dass dieser Prozess schon so bald abgeschlossen sein wird, wie vor einem Jahr in der dritten Liga. Vielleicht geht er bis zur Winterpause, vielleicht versinkt RB Leipzig in den nächsten Wochen auch im Tabellenmittelfeld, all das wäre im völlig normalen Rahmen.
Es ist wie meist im Fußball, das Sammeln von Erfahrungen, das Ankommen in einer Liga kann man nicht künstlich beschleunigen (auch wenn man Automatismen trainieren und so Sicherheit gewinnen kann). Man hat in den ersten Spielen als Neuling mit Unbekümmertheit einige Punke einfahren können und muss jetzt, wo Gegner beginnen, sich besser auf RB Leipzig einzustellen, auch Punkte abgeben. Mehr nicht.
Letztlich wird es für die RasenBallsporter beim Schritt in die obere Hälfte der zweiten Liga um das gehen, was schon vor Saisonbeginn auf der Hand lag. Man muss sich einerseits individuell verbessern und andererseits als Mannschaft wieder neue Mittel finden bzw. eine größere Selbstsicherheit entwickeln, auch tiefstehende Gegner mal bespielen und mit einem 1:0 oder 2:0 nach Hause schicken zu können.
Zudem wird auch eine weitere Integration der (bisher teilweise verletzten) Neuzugänge wichtig sein. Ein Terrence Boyd bringt völlig neue Optionen ins Spiel und erscheint als so etwas wie eine Mischung aus Kutschke und Frahn. Marvin Compper hat schon gezeigt, dass er der Innenverteidigung auch dauerhaft einen Qualitätssprung bringen kann, wenn er sein Potenzial ausschöpft. Und Rani Khedira spielt auf der Sechs, als wäre er schon sehr lange da.
Die Herren Rebic, Hierländer, Kalmár, Strauß und Klostermann haben dagegen (aus völlig unterschiedlichen Gründen) die Qualität der Mannschaft vor allem in der Breite noch nicht entscheidend erhöht. Von dieser Seite her könnte die Mannschaft im Lauf der Spielzeit noch mal einen guten Schub bekommen.
Nach zehn Spieltagen und insgesamt zwei schlechten Spielen von RB Leipzig kann man den Stachel der Kritik noch nicht ernsthaft schwingen. Weder von der faktischen Punkteanzahl her, noch von den gezeigten Leistungen. Alles was bisher zu sehen ist, ähnelt dem, was man rund um RB Leipzig vor einem Jahr in ähnlicher Aufsteigersituation auch sehen konnte.
Und ist vor dem Hintergrund von Kader und verletzungsbedingten Möglichkeiten (wenn man denn nicht die Realität vor lauter Fixierung auf Geldscheine übersieht) völlig normal bzw. sogar ziemlich hoch zu bewerten. Da sollte man sich von einem auf und abseits des Platzes depremierend verlaufenen Spiel in Nürberg am Freitagabend nicht die Augen verkleistern lassen.
Der Kader ist noch nicht aufstiegsreif. Weder vom Teamplay noch vom Entwicklungsstand der Einzelspieler.
Die Herren Rebic, Hierländer, Kalmár, Strauß und Klostermann müssen durch Einsätze im Ligaalltag integriert werden.