Einviertelbilanz

10 Spiele hat RB Leipzig in der ersten Drittligasaison der Vereinsgeschichte bisher gespielt. Reichlich ein Viertel der Saison ist also bereits abgespult, sodass man sich ersten Zwischenbilanzen widmen kann. Aktueller Tabellenführer ist mit 25 Punkten der 1.FC Heidenheim. Dank der besseren Torbilanz sind sie damit noch besser in die Saison gestartet als die Offenbacher Kickers, die 2010/2011 ebenfalls mit 25 Punkten in die Saison starteten. Sprich, noch nie war ein Drittligateam nach 10 Spieltagen besser als der 1.FC Heidenheim.

Da überkommt einen so ein bisschen der Reflex, gleich zu zukünftigen Aufstiegstaten gratulieren zu wollen, aber das wäre der Statistik nach so ziemlich das falscheste, was man machen könnte, denn in fünf Drittliga-Versuchen stieg noch nie ein Team direkt auf, das nach 10 Spieltagen an der Tabellenspitze stand. Lediglich der SC Paderborn sicherte sich in der ersten Saison der eingleisigen dritten Liga (2008/2009) als Tabellenführer nach 10 Spielen am Ende noch den Relegationsplatz und schließlich darüber den Aufstieg. Im Schnitt wurden die Tabellenführer am Ende aber nur 9. (3., 16., 7., 10., 9.)!

Insgesamt zeigen die letzten Jahre, dass das Belegen eines Platzes unter den ersten Dreien nach zehn Spielern noch kein Garant für irgendetwas ist. Lediglich ein Drittel aller Teams hat in den bisherigen fünf Drittligajahren sowohl nach 10 als auch nach 38 Spielen auf einem der ersten drei Plätze gestanden. Im Schnitt lagen die Teams, die am Ende oben standen nach Spiel 10 auf Platz 5,6. Aber auch nur drei Teams, die am Ende auf einem der ersten drei Plätze einkamen, waren nach zehn Spieltagen erst in der zweiten Tabellenhälfte zu finden. Neben Aalen und Aue sicherlich bekanntestes Beispiel Karlsruhe im letzten Jahr, die nach 10 Spielen nur zweimal gewonnen und 11 Punkte verbucht hatten, 13. waren und anschließend in den folgenden 28 Partien seltener nicht als Sieger vom Platz gingen als zuvor in 10 Partien, nämlich nur noch siebenmal.

Rechnet man die 17 Punkte, die RB Leipzig nach 10 Spielen hat auf 38 Spiele hoch, dann würde man auf rund 65 Punkte kommen. Das hätte in bisher fünf Jahren dritte Liga in eingleisiger Form nur einmal zum direkten Aufstieg und zweimal zu Platz gereicht. Etwas mehr als 2 bzw. etwas weniger als 2 Punkte pro Spiel hätten dagegen bisher immer sicher für Platz 2 bzw. für Platz 3 gereicht.

Etwas geordneter ging es auf den Abstiegsplätzen zu. Nach den Erfahrungen der letzten Jahren bleiben Teams, die nach 10 Spieltagen auf den letzten drei Plätzen stehen, da auch relativ oft bis zum Ende. Von den fünf Tabellenletzten der letzten Jahre nach 10 Spielen konnte sich nur einer noch bis zum Saisonende auf einen Nichtabstiegsplatz hieven. Und das war der BVB II im vergangenen Jahr. Wobei wichtig ist zu erwähnen, dass es sich natürlich um sportliche Abstiegsplätze, also die Plätze 18 bis 20 handelt, die nicht immer gleichbedeutend mit dem tatsächlichen Abstieg waren, da anderen Teams aus wirtschaftlichen Gründen noch die Lizenz entzogen wurde.

Sieben von 15 Teams, die nach zehn Spieltagen unten standen, taten das also auch nach 38 Spieltagen. In vier Fällen traf es den Tabellenletzten nach zehn Spielen auch am Ende. Schlechte statistische Karten für Wacker Burghausen. Trotzdem konnten sich auch noch acht Teams vor dem Abstieg retten, wobei nur einem (Bayern II) noch der Sprung in die obere Tabellenhälfte gelang.

RB Leipzig hat in der aktuellen Saison den schlechtesten Saisonstart in der bisher fünften Saison der Vereinsgeschichte eingefahren. Zwischen 19 Punkten unter Oral nach dem Viertligaaufstieg und 26 Punkten unter Zorniger letzte Saison in der Regionalliga standen jeweils nach 10 Spielen auf dem Tabellenboard. In diesem Jahr sind es nur 17. Wobei das auch eine Nullaussage ist, denn da man zum ersten Mal dritte Liga spielt, ist der Vergleich mit den unterklassigen Ligen weder fair, noch sonderlich aussagekräftig.

Der Kicker sieht in seinem leicht gewöhnungsbedürftigen Notenschnitt RB Leipzig als das notentechnisch zweitbeste Team hinter dem VfL Osnabrück und gleich sieben RB-Spieler (HoheSeeneder, Kaiser, Frahn, Jung, Sebastian, Poulsen, Coltorti) unter den Top50. Das sind mehr Spieler mit Topbenotungen als bei jedem anderen Verein der Liga.

In der Scorerwertung steht mit Daniel Frahn ein Stürmer von RB Leipzig sowohl als Torschütze als auch in der Wertung von Toren + Vorlagen ganz oben auf Platz 2 (zusammen mit Onuegbu 6 Tore, hinter Stroh-Engel mit 10 Toren) bzw. 4 (8 Scorerpunkte hinter 15 von Stroh-Engel, 10 von Vunguidica und 9 von Schnatterer).

In der Zuschauerwertung ist RB Leipzig auch schon relativ weit oben angekommen. Aktuell liegt man hier mit im Schnitt 11.800 Zuschauern auf Platz 2, deutlich hinter dem Ersten MSV Duisburg (16.000) und leicht vor Hansa (10.800) und Osnabrück (10.200). [Von der Auslastung her steht übrigens Heidenheim am besten da, die im Schnitt zwei Drittel ihrer Plätze besetzt haben.] Wenn man sich im Alltag erst mal bei 9.000 bis 10.000 Zuschauern einpendelt und dann noch die zuschauerträchtigen Spiele gegen Rostock, Chemnitz und Halle mitrechnet, dann dürfte man irgendwo bei 12.000 bleiben. Was ein absolut vernünftiger und zufriedenstellender Zuschauerschnitt für die dritte Liga wäre.

Nimmt man noch die Statistik von vor ein paar Tagen dazu, dass RB Leipzig über eines der am längsten zusammen spielenden Teams der dritten Liga verfügt und auch von den Marktwerten her zum oberen Fünftel zählt, dann kann man festhalten, dass RB in so ziemlich allen Belangen in der dritten Liga angekommen ist und bisher eine gute bis teilweise sehr gute Serie spielt.

17 Punkte und entsprechend fünf Siege, zwei Unentschieden und drei Niederlagen stehen zu Buche. Nie in den vier bisherigen Jahren eingleisiger dritter Liga mit drei Aufsteigern (im ersten Jahr wurde die dritte Liga aus zwei Regionalligen zusammengesetzt) konnte eines der Aufsteigerteams zu diesem Zeitpunkt der Saison schon so viele Punkte sammeln. In ähnliche Regionen kamen nur Münster und Chemnitz 2011/2012 mit jeweils 16 Punkte. In einer Saison, die zu diesem Zeitpung der aktuellen stark ähnelte, denn damals trennten Platz 3 und Platz 16 lediglich fünf Punkte (heute sechs).

Mit der aktuellen Bilanz hätte RB Leipzig am 10.Spieltag in allen Drittligajahren mindestens Platz 6 belegt und zwischen drei und acht Punkten Rückstand auf Platz 1 (aktuell 8) und zwischen 7 und 10 Punkten Vorsprung auf Platz 18 (aktuell 11) gehabt. Klar, RB es ist kein ganz normaler Aufsteiger, aber es ist auch eine deutlich überdurschnittliche Aufsteigerbilanz.

Nimmt man alle 10 bisherigen Saisonspiele zusammen, dann war RB Leipzig noch nie das schlechtere Team. Keine der drei Niederlagen war vom Spiel her zwingend notwendig. Und auch das Unentschieden gegen Münster hätte man sich definitiv sparen können. Andersherum hätte der eine oder andere Sieg auch ein Unentschieden sein können. Macht man die sehr theoretische Rechnung, wie viele Punkte RB Leipzig denn tatsächlich verdient gehabt hätte, dann würde man wohl ein, zwei Punkte mehr auf die Tafel schreiben, aber im Kern entspricht Tabellenplatz und Punktestand schon dem, was man bisher auf den grünen Rasen zauberte.

Dass man nicht noch ein paar Punkte mehr holte, lag an fehlender Konstanz im eigenen Spiel, an fehlender Cleverness und nicht final ausgeprägtem Killerinstinkt. Bisher gab es noch kaum ein Spiel, in dem man über 90 Minuten auf Topniveau aufgetreten wäre. In Wiesbaden bspw. verschlief man die erste Halbzeit und kassierte dort zwei Tore. In Osnabrück brach man in der letzten halben Stunde ein und kassierte zwei Tore.

Man kann darin durchaus einen weiterhin laufenden Anpassungsprozess an die dritte Liga sehen. Denn auch wenn in der Mannschaft viel individuelle Klasse steckt, hat sie letztes Jahr eben noch Regionalliga gespielt und dort zusammen gelernt, wie man das präferierte System spielt. Und da reichten meist auch 45 bis 60 gute Minuten, um zum Schluss doch drei Punkte mitzunehmen. Und nun muss man mit seinem auf aggressive Balleroberung abzielenden Spielsystem schlicht den nächsten Schritt machen und es auf Top-Drittliganiveau anheben. Und wie Osnabrück (oder auch Elversberg und Wehen Wiesbaden und Münster) gezeigt hat, verträgt das Spielsystem keine Konzentrationsauszeiten mehr.

Dass der Anpassungsprozess an die dritte Liga eine Herausforderung und noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigt sich generell darin, dass die Präsenz, der Druck, das Pressing und auch die Spielgenauigkeit im Mittelfeld oft nicht durchgehalten werden konnten. Was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass Dominik Kaiser zu Beginn der Saison der Bestform noch ein bisschen hinterherlief und erst in den letzten Spielen immer besser in Schwung kam. Auch  die generelle Suche nach der passenden Formation, die zuletzt zum Dreiersturm Morys, Poulsen, Frahn führte, ist zu nennen. Mit dem 4-3-3, das sich im Fall der Fälle zu einem 4-5-1 zusammenschiebt, fährt man im Moment sehr gut, setzt aber voraus, dass Poulsen und Morys, die im Moment am schwersten ersetzbar erscheinen, verfügbar und in Form sind. Letztlich wird es in den nächsten Monaten auch darum gehen, flexibel auch unterschiedliche Formationen ohne Qualitätsverlust spielen zu können.

Dass man noch mitten im Anpassungsprozess an die dritte Liga steckt, zeigt sich eventuell auch darin, dass man derzeit noch zu vielen gelbwürdigen Fouls greifen muss, um die Gegner zu stoppen. Mit 26 gelben und einer glatt roten Karte steht man im unteren Drittel der Fairnesstabelle. Was einerseits den mit dem Spielsystem verbundenen, defensiven Unwägbarkeiten zuzuschreiben ist. Andererseits aber sicher auch schlicht ein wenig dem Unwissen um die Gepflogenheiten in dieser dritten Liga geschuldet sein könnte.

Der Saisonstart von RB Leipzig war bis dato ein guter. Auch wenn man angesichts der Reaktionen im Umfeld manchmal den Eindruck gewinnt, es liefe nicht sonderlich gut. Dass mit dem Saisonstart auch die allgemeine Erwartungshaltung weiter steigt, liegt wohl in der Natur der Sache. Man darf allerdings gespannt sein, wie die Mannschaft im Verlauf der Vorrunde noch agieren wird. Denn die Prognose steht weiterhin, dass einige Spieler auftgrund der kurzen Sommerpayse  früh in der aktuellen Runde ausgelaugt sein werden. Dann wäre es an der Zeit, dass der breite Kader zum Faktor wird und Spieler aus der zweiten Reihe, die nicht überspielt sind, Verantwortung übernehmen.

Die aktuelle Drittligasaison ist aus RB-Sicht eine vertrackte. Einerseits hat RB Leipzig als Aufsteiger tatsächlich keinen Aufstiegs-, nur einen Entwicklungsdruck, auch wenn man einen Durchmarsch sicherlich mitnehmen würde und Ralf Rangnick vielleicht stärker darauf hofft als andere. Andererseits ist die Konstellation in dieser Saison verlockend, da aus der zweiten Liga kein Team mit Aufstiegsambitionen abstieg und deshalb der Kreis möglicher Aufsteiger per se überschaubarer ist als sonst. Sprich, die Chance in diesem Jahr aufzusteigen,  dürfte von der Stärke der Konkurrenz her per se besser sein als im kommenden Jahr, wenn wieder ambitionierte Absteiger dazukommen und Teams wie Duisburg zum Angriff starten.

In diesem Jahr ist nur von Heidenheim klare Dominanz zumindest theoretisch zu erwarten. Dahinter wird sich vermutlich sehr lange in der Saison ein breites Feld möglicher Aufstiegskandidaten auffächern und in Stellung bringen. Das Ziel sollte für RB Leipzig zumindest sein, sich in diesem Feld lange möglichst aussichtsreich zu bewegen. Der Rest ist dann wohl auch Glückssache und abhängig vom funktionierenden Detail (Drittligaanpassung, Konstanz, Verbesserung in der individuellen und mannschaftlichen Klasse). In diesem Sinne läuft die Saison eigentlich ziemlich perfekt an. Man hat einige Spiele mit Lerneffekten absolviert und trotzdem zufriedenstellend viele Punkte gesammelt. Man wird noch einige Schritte machen und auch Rückschläge hinnehmen müssen, aber die Ausgangsposition könnte nach 10 Spielen eigentlich nicht viel besser sein, als in Lauerstellung hinter der Spitze zu stehen.

Fazit: Es waren vor der Saison viele Szenarien denkbar für den Saisonstart. Insgesamt kann man nach 10 Spielen mehr als zufrieden sein, denn die RasenBallsportler haben sich als vollständig konkurrenzfähig erwiesen und schon einige spektakuläre Punkte geholt. Was fehlt ist einerseits noch eine ligaentsprechende Abgeklärtheit, ein paar Lerneffekte in Bezug auf System und individuelle Fähigkeiten und vor allem Konstanz. Bisher gab es im Saisonverlauf noch keine zwei Siege in Folge. Und das lag nicht immer an den überragenden Fähigkeiten der Gegner. Klar dürfte jetzt auch dem letzten sein, dass man in dieser Liga nur gewinnt, wenn man sein Potenzial ausschöpft und möglichst fehlerfrei agiert. Das ist vergleichsweise anspruchsvoll, aber wenn man irgendwann – egal in welchem Jahr – ernsthaft ans Zweitligator klopfen will, muss man diesen Entwicklungsschritt gehen. Es sollte nur niemand Wunder erwarten und dass bis zur Winterpause schon alles perfekt wird. Wahrscheinlicher ist, dass sich die leichte Inkonstanz in den Ergebnissen fortsetzt.

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