Bessere Werbung für den Drittligafußball als dieses Duell zwischen dem VfL Osnabrück und RB Leipzig kann man sich wohl kaum vorstellen. 90 Minuten Tempofußball zweier Teams, die gewinnen wollen, Großchancen in Hülle und Fülle, fünf Tore, spektakuläre Zweikämpfe, großartige Stimmung. Auch wenn die Trainer angesichts einiger defensiver Großzügigkeiten die Stirn gerunzelt haben werden, aus Zuschauersicht war das ein großartiger Abend, der leider aus Gästesicht den falschen bzw. leider überhaupt einen Sieger sah.
Denn letztlich waren sich beide Teams über 90 Minuten gesehen ziemlich ebenbürtig in Chancen und Dominanz. Die ersten 20 Minuten gingen an RB, die letzten 20 eher deutlich an den VfL und dazwischen war es ein ausgeglichenes, hoch und runter gehendes Match, das wohl mit einem 2:2 einen ordentlichen Abschluss gefunden hätte. Dass der Sieg letztlich an die Gastgeber ging, lag daran, dass die RasenBallsportler alle drei Treffer mit mehr oder weniger groben, individuellen Schnitzern miterzielten.
Vorne angefangen im Spiel begannen beide Teams mit den Mannschaften, mit denen sie auch vor Wochenfrist in die Partie gegangen waren. Was aus RB-Sicht hieß, dass es bei jenem 4-3-3 mit tief stehenden Außenstürmern blieb, wie man es auch erfolgreich und ansehnlich gegen den VfB Stuttgart II spielte. Was sich auch beim VfL als geeignetes Mittel herausstellte, einerseits (zumindest ziemlich lange) recht kompakt im Mittelfeld zu stehen, um dann immer wieder die Chance zu haben, Morys und Poulsen und deren Geschwindigkeit einzusetzen.
Insbesondere in den ersten 20 Minuten klappte das sehr gut, sodass RB Leipzig insgesamt das reifere und zielstrebigere Team war und der VfL aus dem Spiel heraus eigentlich kaum zu gefährlichen Situationen kam. RB hatte das Spiel spätestens mit Heidingers Führungstreffer, als man nach einem abgeblockten Freistoß schneller schaltete als der Gastgeber und den Torschützen schön in Szene setzte, komplett im Griff.
Das änderte sich erst mit dem eher überraschenden Ausgleichstreffer, als direkt vor dem Kasten von Coltorti Verwirrung entsteht, der Ball dem Osnabrücker Kapitän Spann ans Bein und dann an Jungs Hüfte und von da dann entscheidend abgelenkt ins Tor springt. Man kann dies nicht mal als individuellen Schnitzer bezeichnen, eher als Verkettung unglücklicher Umstände. Fakt ist, dass mit diesem Treffer die Partie plötzlich einen völlig anderen Charakter bekam.
Denn die Souveränität von RB war erst mal dahin, das Heimpublikum wieder im Spiel und fortan entwickelte sich ein begeisternder, fast schon offener Schlagabtausch mit diversen Chancen beiderseits. Die größte hatte zunächst Adriano Grimaldi, als er durch einen Pass abseitsverdächtig völlig freigespielt mit aller Zeit der Welt auf Coltorti zugehen konnte und dann trotzdem scheiterte.
Dann hatte RB Leipzig zunächst das bessere Ende für sich und machte nach einer wunderschönen Kombination am Strafraum und einem folgenden tiefen Pass auf Poulsen das 2:1, das nicht unverdient, aber auch glücklich war. Glücklich, weil es in dieser Phase völliger Zufall war, welche der beiden Mannschaften denn nun das nächste Tor machen würde.
Aus der Pause kam RB Leipzig dann wieder relativ kontrolliert und hielt sich den Kontrahenten mit viel Einsatz vom Torleib. Bis Sebastian Heidinger im eigenen Strafraum den Ball vertändelt und Adriano Grimaldo sich diesmal nicht zweimal bitten lässt und die Kugel schmerzfrei direkt vor der Osnabrücker Fankurve im Kasten versenkte. Alexander Zorniger beklagte nach dem Spiel genau wie die Mannschaft auf dem Feld, dass Grimaldi sich nur durch ein Foul gegen Heidinger habe durchsetzten können. Mag sein, aber letztlich hat Heidinger auch vorher schon die Chance, den Ball zu klären, sodass er in diese Situation nicht gekommen wäre.
Dieses Gegentor änderte das Spiel schließlich komplett, denn angetrieben von dem nun vollends euphorisierten Publikum bekam der Gastgeber das Spiel von Minute zu Minute mehr in den Griff, während das Aufbauspiel von RB Leipzig und die Arbeit gegen den Ball von Minute zu Minute fehlerhafter wurden. Viele Bälle nun, die dem Gastgeber schon im Mittelfeld in die Hände fielen. Auch vermehrt ungenaue, lange Bälle, die die Sturmspitzen nicht verarbeiten konnten. Durch diese Vermischung der Umstände entstanden immer mehr Lücken in der Defensive, in die der VfL nun immer wieder stoßen konnte.
Alexander Zorniger versuchte durch Wechsel (Schulz für Röttger und Kammlott für Morys) noch mal Akzente zu setzen und in den Spielverlauf einzugreifen, aber am Geschehen auf dem Platz änderte das insgesamt wenig, sodass man spätestens ab der 75.Minute das Gefühl hatte, es könne für RB Leipzig nur noch darum gehen, das 2:2 über die Runden zu bringen und vielleicht noch auf den Lucky Punch durch eine Poulsen-Einzelaktion oder einen Standard oder was auch immer zu hoffen.
In diesem Sinne war dann das Führungstor des VfL Osnabrück gar nicht mehr so überraschend, da man auch zuvor schon gute Chancen kreieren konnte. Dass dieses aber ausgerechnet nach einer zu kurzen Kopfballrückgabe des ansonsten starken Niklas Hoheneder und ausgerechnet durch den eingewechselten Ex-Lotter Roman Prokoph fiel, war dann vielleicht etwas zu viel des guten.
Es ist schon ziemlich bitter, wenn man ein Spiel verliert, weil man bei drei Gegentoren mitgeholfen hat. Wobei man fairerweise sagen muss, dass alle drei Gegentoren auch aus starken Pressingaktionen der Gastgeber resultieren, die da jeweils den Bällen hinterhergehen und den Druck ausüben, unter denen Fehler überhaupt erst möglich werden. In diesem Sinne sah man auch ganz viel von dem in der Mannschaft des Gastgebers, wofür Walpurgis mit seiner Philosophie des aggressiven Spiels steht. Trotzdem fallen die drei Gegentore zumindest in diesen Situationen in einer idealen Welt nicht. Da gab es auf Gastgeberseite eigentlich bessere Möglichkeiten als diese, in denen sie eigentlich in der schlechteren Position zum Ball sind.
Alexander Zorniger hatte vor der Partie davon gesprochen, dass man versuchen wolle, das Stadion ruhig zu kriegen. Diese Idee ging mit zunehmender Spielzeit komplett daneben, weil die Publikumsunterstützung, auch ausgelöst durch einige strittige Schiedsrichterentscheidungen, von denen sich der Gastgeber benachteiligt sah (knappe Abseitsstellungen vor allem, aber auch eine gelbe Karte nach Foul an Coltorti) letztlich, so schien es, zu DEM entscheidenden Faktor im Spiel wurde. Auch weil es die RasenBallsportler nicht mehr verstanden, der Euphorie durch kompaktes Spiel mit kleinen Nadelstichen den Atem zu nehmen.
60 Minuten lang spielte RB Leipzig ein großartiges Spiel, das sehr viel Spaß machte und in dem man in ziemlich vielen Richtungen (fast) alles richtig machte. Wenn das 2:2 nicht so früh fällt und sie die Überlegenheit, mit der sie aus der Kabine kommen, vielleicht noch in etwas zählbares umsetzen, fahren sie am Ende sogar als Sieger nach Haus. Stattdessen erholen sie sich vom Ausgleich nicht mehr wirklich und taumeln trotz stets vorhandenem Willen und Einsatz mit einer zu offenen Defensive gegen einen immer mehr Selbstvertrauen gewinnenden Gegner in die Niederlage.
Fazit: Es gab in dieser Partie Knackpunkte (individuelle Fehler, Verlieren der Ordnung), die in der Form nicht passieren sollten und an denen man arbeiten muss, wenn man mal ein Spitzenteam werden will. Trotzdem bleibt bei aller Trauer über die verlorene Partie – im Gegensatz zum Auftritt in Elversberg – auch das Wissen, dass RB Leipzig lange einen sehr guten Auftritt in die Osnatel-Arena zauberte und definitiv auch nicht an einem limitierten, sondern an einem sehr guten Gegner und dessen Publikum scheiterte. Man war wieder einmal über 90 Minuten gesehen nicht das schlechtere Team und verlor trotzdem wieder einmal Punkte. Und doch fühlte sich diese Niederlage so an, als sei man einen Schritt weiter als noch bei den vergangenen vier Auswärtsauftritten. Prüfen kann man diese These dann bei den nächsten beiden heftigen Auswärtsaufgaben Heidenheim und Chemnitz..
Randbemerkung: Schade, dass aus Leipzig nur etwa 100 oder meinetwegen auch 120 Leute (also ähnlich viele wie in Elversberg) den Weg nach Osnabrück fanden (auch wenn es an einem Freitag natürlich schwierig ist, mal eben nach Osnabrück zu fahren und dort um 19 Uhr ein Fußballspiel zu sehen). Spiel und Mannschaft hätten durchaus noch ein paar mehr Anhänger verdient gehabt. Und wer weiß, vielleicht hätte ja eine noch größere Unterstützung aus dem Gästeblock den entscheidenden Impuls Mitte der zweiten Halbzeit setzen können. Psychologie und so. Die 100 Anhänger, die da waren, mühten sich nach Leibeskräften, um dem Heimpublikum in den letzten 20 Minuten etwas entgegenzusetzen. Allein, es musste angesichts der Spieldramaturgie beim Versuch bleiben
Lichtblicke: Aus der Hintertorperspektive nicht wirklich zu beurteilen. Hoheneder war im Zweikampf eigentlich stark, verschuldet aber zumindest das dritte Gegentor. Dominik Kaiser schien mir sehr gut zu sein und beeindruckte vor allem mit Technik und Balleroberung. Auch Henrik Ernst gehörte zu den (gelegentlich im Passspiel fehlerbehafteten) Aktivposten. Und die Dreiersturmreihe Morys, Poulsen, Frahn war zumindest 60 Minuten lang unheimlich beweglich und gefährlich. Aber wie gesagt, aufgrund der ungünstigen Sicht aufs Spiel würde ich das final nicht beurteilen wollen.
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Tore: 0:1 Heidinger (12.), 1:1 Jung (20./ Eigentor), 1:2 Poulsen (33.), 2:2 Grimaldi (54.), 3:2 Prokoph (81.) / Das 1:1 wurde anfänglich in den Meldungen Grimaldi zugerechnet, dabei war der zuletzt gar nicht mehr am Ball, höchstens noch Spann, dem der Ball von Hoheneder ans Bein gespitzelt wird, von wo aus er zu Jung springt, von dessen Hüfte dann der entscheidende Impuls Richtung Tor kommt.
Aufstellung: Coltorti – Heidinger, Hoheneder, Sebastian, Jung – Röttger (61. Schulz), Ernst (83. Thomalla), Schulz – Poulsen, Frahn, Morys (77. Kammlott)
Zuschauer: 8.974 (davon reichlich 100 Leipziger)
Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Liveticker, MDR-Bericht [broken Link], VfL-Bericht [broken Link], Kicker-Bericht
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Bild: © GEPA pictures/ Sven Sonntag
Es gab 3 Dinge, die Zorniger der Mannschaft vor dem Spiel mit auf den Weg gegeben hat:
1. Kein Hurra-Fußball
2. Das Stadion ruhig bekommen
3. Auf Grimaldi aufpassen
Und auf dem Platz passiert dann exakt das Gegenteil. Dass wir die Vorgaben – ungeachtet natürlich der anderen Faktoren – sowenig umsetzen können, finde ich schon etwas bedenklich. Irgendwie scheint die Konzentration der Mannschaft bzw. einzelner Spieler (Hohneder, Heidinger, Willers (in anderen Spielen) nicht für 90 Minuten zu reichen.
Und anstatt Kammlott als “Stürmer” einzuwechseln, können wir auch eigentlich auch gleich die weiße Fahne schwenken..^^ Selbst ein müder, verletzter, einbeiniger Morrys ist torgefährlicher als dieser Totalausfall.
@blogger Hab das Spiel genauso gesehen wie du. Haha. ;-) Schade, dass wir so fix los mussten, hätte die Mannschaft gerne noch mit verabschiedet.
@aufziehvogel Also ich finde nicht, dass sie die Umsetzung völlig vergeigt haben. Sowohl das 1:0 als auch das 2:1 haben sehr viel Ruhe ins Stadion gebracht. Dass man den VFL hat zurück hat kommen lassen, nunja, schade. Aber hurra Fußball hab ich nicht gesehen, aus der Pause heraus kommend waren sie mehr auf Kontrolle bedacht und haben einen Zacken weniger attackiert. Wenn Frahn da das 3:1 macht, wird es ganz schwer für Osnabrück. Aber ein wenig ging die Zielstrebigkeit verloren, das war für mich kein hurra Fußball. Grimaldi, naja, sehr schmeichelhaft, ihm einen Doppelpack zuzugestehen wenn man das erste Tor gesehen hat. Beim zweiten konnte ich es gar nicht fassen, dass der das Ding noch reinkriegt. Waren ja gefühlt 4 RB’ler potentiell zur Stelle. Hab aber auch noch keine Tv Bilder gesehen und das Tor fiel ja am anderen Ende des Stadions, vlt sehe ich das später auch nochmal anders ;-).
Kann die Mannschaft Unentschieden halten, oder lässt das Offensivspiel von AZ dies nicht zu? Oder fehlt der Mannschaft die Erfahrung?
@Matthias
Ich war nicht vor Ort, aber im Ticker und Fanradio klang es – besonders in HZ1 – doch sehr nach offenem Schlagabtausch und zahlreichen Chancen für den VFL.
Natürlich hast Du Recht, wenn Frahn das Ding macht, ist der Drops weitgehend gelutscht. Aber stattdessen verliert man (nicht zum ersten Mal) ab Mitte der 2. Halbzeit den Faden. Keine Ahnung wie es im Stadion war, aber am Radio ahnte man mit jeder Minute mehr, das es nicht gut ausgehen wird.
Im Stadion hatte ich ein Gefühl absoluter Gleichwertigkeit beider Mannschaften, welches ich bislang nur selten verspürte. Der Sieg für Osnabrück geht für mich durchaus in Ordnung, genauso wie ich einen RB-Sieg als verdient oder ein Unentschieden als gerecht empfunden hätte. Weshalb die individuellen Stärken bzw. eben auch Fehler dieses Spiel entscheiden mussten. Immer wieder interessant für mich ist es dabei zu beobachten, welche Klasse gegnerische Einzelspieler in dieser Klasse aufweisen, ganz anders als in der vorangegangenen Saison. Da wäre es undenkbar gewesen, dass ein Abwehrspieler einem Sebastian Heidinger im vollen Lauf den Ball noch abjagt…
Im Großen und Ganzen kann ich deinem Spielfazit zustimmen, obwohl über die ganze Spielzeit gesehen, dass 3:2 schon verdient war.Osnabrück hatte mehr Chancen und generell zwingender in Richtung gegnerisches Tor gespielt. Bei RB war wenig Kreativität bzw. keine Überraschungsmomente vorhanden, daher verpufften die Angriffe oft sehr schnell.
Bis auf Morys, der sich immer mal durchsetzen konnte, war gestern unser Angriff recht schwach und wollte sich scheinbar auch nicht auf die örtlichen Gegebenheiten anpassen (Flutlicht, leichter Nieselregen, kämpferisches Spiel). Daher bin ich von Poulsen auch enttäuscht, trotz seines Tores. Er hätte noch ein machen können (müssen), spielt und bewegt sich leider oft relativ lethargisch so das seine Bewegungen vorrausehbar sind. Frahn war fast komplett abgemeldet und hatte es nicht mal geschafft, seine Mannschaft richtig anzutreiben, was man von einem Capitän erwarten sollte.
Somit war die weite Fahrt (zum Gück über die A38 und nicht die A2 (16km Stau)) relativ sinnlos gewesen, aber hoffentlich werden endlich die richtigen Schlüsse aus den bisherigen 3 Auswärtsniederlagen gezogen, dass man in Heidenheim endlich mal wieder mehr als 0 Punkte mitnehmen kann…