Da offenbar aktuell das meistdiskutierte Thema die sogenannte Rotation, also der permanente, willentliche Tausch von Spielern zwischen den Spieltagen, ist, werfen wir doch mal einen Blick auf die bisherigen Aufstellungen und was sich so von Spiel zu Spiel tatsächlich verändert hat.
Insgesamt hat Alexander Zorniger bisher in der Rückrunde 20 Spieler eingesetzt. Bis auf die Ersatzkeeper Bellot und Domaschke und bis auf Hoffmann, Schinke und Nattermann kamen alle Spieler aus dem Profikader zum Einsatz. Koronkiewicz und Heidinger sind mit 62 bzw. 24 Minuten allerdings nur Teilzeitarbeiter. Henrik Ernst wurde zudem fünfmal eingewechselt und verbuchte dabei auch nur 82 Minuten. Und Umut Kocin profitiert von den Ausfällen von Tim Sebastian und Christian Müller und wäre ansonsten wohl kaum auf zwei Einsätze über 90 Minuten gekommen. Bleiben 16 Spieler, die sich die Einsatzzeiten zwischen 720 (Coltorti/ Frahn) und 269 (Kutschke) Minuten teilen. Das ist nicht unbedingt heavy Rotation..
Die Spiele im Einzelnen: Gegen Rathenow kam Franke als Linksverteidiger für Judt zu Beginn ins Spiel. Dies war eine im Testspiel zuvor erprobte, taktische Umstellung dank der RB im Spiel auf eine Art Dreierkette mit extrem hoch stehenden Rechtsverteidiger umstellen kann. Zudem kam Morys für Röttger, ein Wechsel mit dem der Neuzugang ans Team herangeführt werden sollte. Ein Wechsel, den man mit viel Wohlwollen als Rotationswechsel bezeichnen könnte. Insgesamt 13 der 14 Spieler aus dem Neustrelitz-Spiel davor kamen gegen Rathenow zum Einsatz (Judt nicht dabei, Morys neu dabei).
In Halberstadt rutschte dann Stefan Kutschke für Carsten Kammlott in die Startelf, was den Bodenverhältnissen (Schnee) und der Idee, eher mit hohen Bällen zu spielen, geschuldet war. Ein rotationsverursachter Wechsel war nicht zu erkennen. Insgesamt 13 der 14 Spieler aus dem Rathenow-Spiel kamen zum Einsatz (Kammlott nicht dabei, Fandrich als Einwechsler neu dabei).
Gegen Auerbach ersetzte der zuvor sowieso gesetzte Carsten Kammlott wegen der heimischen, schneefreien Bodenverhältnisse wieder Stefan Kutschke im Sturm. Dazu rückte der genesene Dominik Kaiser wieder ins Team und verdrängte damit Matthias Morys. Stammspieler Kammlott und Stammspieler Kaiser nach Schnee bzw. Verletzung zurück im Team, Rotation geht sicherlich anders. Insgesamt 12 der 14 Spieler aus dem Halberstadt-Spiel kamen zum Einsatz (Fandrich und Kutschke nicht dabei, Kammlott und Kaiser neu dabei).
Gegen den Berliner AK musste Patrick Koronkiewicz den verletzten Christian Müller in der Startelf ersetzen. Fandrich rutschte wegen einer Systemumstellung auf ein 4-4-2 mit Doppelsechs für Rockenbach ins Team. Und Matthias Morys ersetzte ebenfalls aus Systemgründen Bastian Schulz. Will man den Systemwechsel als Rotation nehmen, dann gingen hier zwei Wechsel als Rotation durch. Aber dazu müsste man schon mindestens ein Auge zudrücken. Insgesamt 10 der 14 Spieler aus dem Auerbach-Spiel kamen zum Einsatz (Müller, Rockenbach, Schulz und Ernst nicht dabei, Koronkiewicz, Judt, Fandrich und Kutschke neu dabei)
In Meuselwitz rutschte Judt, der schon gegen den Berliner AK für Koronkiewicz eingewechselt worden war, für diesen in die Startelf. Hier hatte sich erst in der Praxis gezeigt, dass Judt wohl letztlich der geeignetere Mann ist. Dazu kam Rockenbach systemwechselbedingt (vom 4-4-2 zurück auf ein 4-3-1-2) für Carsten Kammlott von Beginn an aufs Feld. Wer will, kann diesen taktikbedingten Wechsel als Rotation bezeichnen. Insgesamt 12 von 14 Spielern aus dem Spiel gegen den Berliner AK waren dabei (Koronikiewicz und Kammlott nicht dabei, Rockenbach und Schulz neu dabei).
Im Spiel bei Union Berlin II musste Umut Kocin ran, weil sich Tim Sebastian verletzt hatte, der etatmäßige Linksverteidiger Judt rechts verteidigte und Fabian Franke als Linksverteidigermöglichkeit nun für Sebastian als Innenverteidiger spielte. Dominik Kaiser fiel verletzt aus, sodass Bastian Schulz wieder in die Startelf rutschte. Und Stefan Kutschke sollte aufgrund des engen Kunstrasensfeldes, auf dem Ballzirkulation laut Zorniger nicht ohne weiteres möglich sei, seinen Kopf in Vertretung von Matthias Morys in die Waagschale werfen. Zwei verletzungsbedingte Wechsel und ein Wechsel, um besser mit hohen Bällen arbeiten zu können. Rotation? Wohl eher kaum. Insgesamt 11 von 14 Spielern aus dem Spiel in Meuselwitz waren dabei (Sebastian, Kaiser und Morys nicht dabei, Kocin, Heidinger, Kammlott neu dabei).
Im Spiel gegen Plauen stand Dominik Kaiser wieder zur Verfügung, sodass Bastian Schulz aus der Startelf rutschte. Timo Röttger ersetzte Thiago Rockenbach. Und Matthias Morys rutschte wegen der im Unterschied zum Union-Spiel veränderten Spielidee (es sollte nicht unbedingt über hohe Bälle gehen) wieder für Stefan Kutschke zurück ins Spiel. Stammkraft Kaiser natürlich wieder zurück in der Startformation, dazu zwei Wechsel, von denen zumindest der Rockenbach-Tausch nicht ubedingt hätte sein müssen. Rotation light sozusagen. Insgesamt 11 von 14 Spielern aus dem Union-Spiel waren dabei (Heidinger, Kammlott und Schulz nicht dabei, Morys, Kaiser und Ernst neu dabei).
Schaut man sich alle Formationswechsel an, dann fällt auf, dass es nur selten taktische Wechsel gab. Nur gegen den BAK, gegen den man etwas tiefer verteidigen wollte und gegen Union Berlin II ab Mitte der ersten Halbzeit griff man auf ein 4-4-2 mit Doppelsechs zurück. Ansonsten war es immer ein System, das aus einem 4-3-1-2 und dessen Verschiebungen zu mehr oder weniger Raute bis hin zum 4-3-3 resultierte. Nichts spektakuläres, sondern spieltaktisch etwas, was die Mannschaft eigentlich drauf haben müsste.
Schaut man sich die Wechsel in der Aufstellung an, dann gab es in der Startelf in sieben Versuchen insgesamt 16 Veränderungen. Im letzten Jahr unter Pacult kam man nach acht Rückrundenpartien und entsprechend sieben Tauschmöglichkeiten auf 11 Veränderungen in der Startelf. Was demnach etwas weniger waren als in dieser Saison, aber auch der Tatsache geschuldet war, dass die Winterneuzugänge Wallner und Wisio (zumindest in dieser frühen Rückrundenphase) eindeutiger gesetzt waren als dies Fandrich und Morys in diesem Jahr sind. Tomas Oral kam 2010/2011 in den ersten acht Spiel nach der Winterpause sogar mit sieben Veränderungen aus, hatte aber mit Rockenbach auch nur einen sowieso gesetzten Neuzugang. Zudem ging es schon um fast nichts mehr, Verletzungen gab es nicht und die Stammformation ergab sich aufgrund eines nicht ganz so tiefen Kaders wie heutzutage auch fast von selbst.
In der aktuellen Spielzeit bedeuten 16 Veränderungen in der Startelf 2,29 Veränderungen pro Spiel. Zieht man die fünf Wechsel in der Starformation wegen Verletzungen (Sebastian, Kaiser, Müller) ab, dann bleiben nur noch 11 Veränderungen in 7 Spielen übrig. Von denen der Tausch von Judt zu Franke auf links hinten auch noch dauerhaft war. Zudem waren vier weitere Wechsel direkt der Reaktion auf die Bodenverhältnisse geschuldet. Bleiben sechs Veränderungen in der Startelf, die überwiegend spieltaktischen Erwägungen geschuldet waren (die meinetwegen als Rotationswechsel durchgehen). Wer jetzt noch pro Spiel zwei bis drei pure Rotationswechsel findet, also Wechsel bei denen Spieler Einsatzzeiten bekommen sollten, um auch mal zu spielen oder anderen Spielern eine Pause zu geben, den beneide ich um seine Seher-Fähigkeiten.
Wenn man sich die Rückrunde anschaut, dann gibt es neben einigen Verletzungen Gründe für die Veränderungen in der Startelf, die nicht in so etwas wie der Rotation zu suchen sind (von der Alexander Zorniger, wie er in der Hinrunde verlauten ließ, sowieso nichts hält). Einerseits ist hier die Integration der beiden Neuzugänge Fandrich und Morys zu nennen, die in ein funktionierendes System eingebaut werden mussten und da natürlich erst noch ihre Rolle finden müssen bzw. auch für Aufstellungsunruhe sorgen.
Ein weiterer Baustein, der mit Morys zusammenhängt und die leichte Kaderunruhe erklärt, hört auf den Namen Carsten Kammlott und war nach den starken Leistungen in der Vorbereitung gesetzt, rutschte dann wegen des Schnees in Halberstadt aus dem Team, danach wegen fehlendem Schnees wieder ins Team und später wegen Leistung und auch Morys wieder hinaus. Fällt das unter die Rubrik Rotation? Wohl eher nicht, eher unter die Rubrik leistungsbezogene Entwicklungen im Saisonverlauf.
Bleibt noch ein weiterer zu nennender Baustein, der aktuell vielleicht wichtigste. Nämlich die Rolle von Dominik Kaiser. Einerseits verursachte er durch Verletzungen immer wieder Veränderungen, was klar ist, weil ein gesunder Kaiser im Team gesetzt ist und ein erkrankender ersetzt werden muss. Andererseits strahlt sein Einsatz im Team auch auf andere Positionen. Denn dadurch dass Jeremy Karikari bisher in der Rückrunde fest auf der zentralen Sechs gesetzt war, musste für Dominik Kaiser immer ein Plätzchen irgendwo daneben gefunden werden. Was auch Auswirkungen auf die Besetzung der anderen Mittelfeldpositionen hat. Im Sinne einer dauerhaften Stammelf wäre es sicherlich vorteilhaft, wenn Dominik Kaiser bei Verletzungsfreiheit auf seine angestammte Position auf der zentralen Sechs zurückrutscht und sich auf den Halbpositionen im Mittelfeld und auf der Zehn darauf aufbauend dann verlässliche und dazu passende Lösungen finden lassen.
Insgesamt halte ich das Gerede von einer Rotation, die laut heutiger BILD nun aufgrund mangelnden Erfolgs beendet werden wird, für eine unsinnige Phantomdebatte, weil es eine Rotation, also Wechsel um allen Spielern Spielzeit zu geben, nie wirklich gab. Es gab sicherlich immer wieder einige (aber auch überhaupt nicht extreme) Veränderungen im Kader, aber die sind zu diesem Zeitpunkt der Saison unter den aktuellen Gegebenheiten des Tabellenstandes, des Wunsches, sich flexiblere taktische Fähigkeiten anzueignen, der Verletzungssituation und des Einbaus der neuen Spieler auch völlig normal und ergeben sich quasi von selbst aus den Bedingungen heraus und nicht aus irgendeinem abstrakten Rotationswunsch.
Letztlich ist die Aufregung um die Änderungen in der Formation auch nicht nachvollziehbar. Der große Vorteil des breiten Kaders mit seinen unterschiedlichen, spielbezogenen Möglichkeiten bestünde ja genau darin, auch ein Stückweit flexibel auf den jeweiligen Gegner reagieren zu können. Eventuell mal einen großen zweiten Stürmer zu bringen. Eventuell mal ein 4-4-2 mit Konterflügeln zu spielen. Eventuell mal wie gegen Plauen in der ersten Hälfte eher in ein 4-1-3-2 zu verfallen. Eventuell mal einen Innenverteidiger wie Franke auf links zu stellen und so de facto offensiv mit Abwehrdreierkette und offensivem rechten Verteidiger aka Mittelfeldspieler zu spielen, um die rechte Seite zu überladen. Letztlich geht es bei der Kaderplanung ja genau darum, flexibel und in verschiedenen Variationen relativ reibungsfrei auftreten zu können. Und genau diesem Versuch waren die Aufstellungen der bisherigen Rückrunde (abgesehen von den Verletzungsgeschichten) zumeist geschuldet.
Es ist trotzdem richtig (und wird angesichts der nun relativ gleich bleibenden Bodenverhältnisse auch einfacher), dass nun langsam der Zeitpunkt gekommen ist, an dem man richtungsweisende Entscheidungen treffen muss (Kaiser auf die Sechs? Franke weiter Linksverteidiger?), um im Kern seines Spiels Sicherheit zu gewinnen und an der Feinabstimmung zu arbeiten. Denn mit dem Sachsenpokal-Halbfinale in Neugersdorf am 24.04. beginnen die Wochen der Wahrheit mit anschließenden Spielen gegen Magdeburg, Zwickau und Jena. Dazu hoffentlich Chemnitz im Sachsenpokal-Finale und im wahrscheinlichen Fall zwei Relegationsspiele. Man nehme die bisherige Rückrunde als zu lang geratenen Aufgalopp, der vielleicht noch nicht am kommenden Wochenende, aber sinnigerweise schon bald in ruhige und zielführende Bahnen gelenkt wird. Und es bleibt zu hoffen, dass jenseits der Grundsatzentscheidungen auch weiterhin Flexibilität in taktischen und kadertechnischen Fragen ein Markenzeichen von RB Leipzig bleibt und auch zu einer Qualität wird.
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Anhang: Aufstellungsliste
- Neustrelitz: Coltorti, Müller, Hoheneder, Sebastian, Judt, Röttger, Karikari, Schulz, Rockenbach, Kammlott, Frahn – Einwechslungen: Kutschke, Fandrich, Ernst
- Rathenow: Coltorti, Müller, Hoheneder, Sebastian, Franke, Schulz, Karikari, Morys, Rockenbach, Kammlott, Frahn – Einwechslungen: Ernst, Kutschke, Röttger
- Halberstadt: Coltorti, Müller, Hoheneder, Sebastian, Franke, Morys, Karikari, Schulz, Rockenbach, Kutschke, Frahn – Einwechslungen: Röttger, Ernst, Fandrich
- Auerbach: Coltorti, Müller, Hoheneder, Sebastian, Franke, Kaiser, Karikari, Schulz, Rockenbach, Kammlott, Frahn – Einwechslungen: Morys, Röttger, Ernst
- Berliner AK: Coltorti, Koronkiewicz, Hoheneder, Sebastian, Franke, Fandrich, Kaiser, Karikari, Kammlott, Morys, Frahn – Einwechslungen: Judt, Kutschke, Röttger
- Meuselwitz: Coltorti, Judt, Hoheneder, Sebastian, Franke, Fandrich, Karikari, Kaiser, Rockenbach, Morys, Frahn – Einwechslungen: Schulz, Röttger, Kutschke
- Union II: Coltorti, Judt, Hoheneder, Franke, Kocin, Rockenbach, Schulz, Karikari, Fandrich, Kutschke, Frahn – Einwechslungen: Kammlott, Röttger, Heidinger
- Plauen: Coltorti, Judt, Hoheneder, Franke, Kocin, Kaiser, Karikari, Röttger, Fandrich, Morys, Frahn – Einwechslungen: Ernst, Kutschke, Rockenbach
…das ist wieder sehr akribisch aufgelistet – vielen Dank… unser Thema war: “…kann es sein, das seit Karikari von Anfang an spielt, die Offensivkraft (taktisch und tortechnisch) verloren gegangen ist?” – sicherlich nicht in seiner Person an sich allein, aber evtl. aus den von dir oben angesprochenen Nebenwirkungen in der Aufstellung – z.B. DK? – kann natürlich sein, das wir uns täuschen – früher waren die Winter immer so lang… :-)
Weiß ich nicht, ob man das so einfach an Karikari festmachen kann. Fakt ist, dass um ihn herum in der Rückrunde auch nur wenig Konstanz eingezogen ist und häufig andere Spieler spielten, sodass aus dem Mittelfeld generell nicht allzu viel offensivstarkes kam. Für mich ist aktuell eher das Problem, Kaiser auf einer Halbposition neben/vor Karikari einbauen zu wollen. Das ist letztlich nicht seine Optimalposition und dadurch geht dann einiges an Potenzial im Mittelfeld verloren. Ich hatte schon Anfang der Rückrunde gedacht, dass ich mir Karikari und Kaiser nicht zusammen in der Aufstellung vorstellen kann (außer im 4-4-2 mit Doppelsechs, aber da verliert dann Karikari deutlich an Qualität) und dabei bleibe ich. Meiner Meinung nach kann die Frage nur Karikari ODER Kaiser auf der Sechs heißen und nicht UND (eine Frage, die dann wohl schnell pro Kaiser entschieden wäre, wenn der gesund ist) und alles andere drumherum muss und wird sich finden. Auch in Bezug auf die Offensivkraft.