Die Konstellation vor dem letzten Spieltag der Bundesliga der B-Junioren, also der bis zu 17jährigen Fußballer war für RB Leipzig klar. Um noch Chancen auf den Klassenerhalt zu haben und den einzigen Konkurrenten Carl Zeiss Jena überholen zu können, musste ein Sieg her. Am besten einer mit zwei Toren, denn dann hätte Jena in Bremen auch Unentschieden spielen können und wäre trotzdem abgestiegen (stattdessen verloren sie 0:3, sodass ein einfacher Sieg auch gereicht hätte).
Nach nicht einmal 10 Minuten und einem furiosen Auftakt gegen hoffnungslos unterlegene, bereits abgestiegene und mit einer scheinbar sehr jungen Mannschaft angereiste Gäste aus Berlin stand es dann auch schon 2:0. Der 80 Minuten (so die Spielzeit bei der U17) lang positiv auffällige Linksaußen Patrick Lunderstädt hatte zuerst selbst getroffen und kurz darauf das Eigentor der Gäste je nach Sichtweise vorbereitet oder erzwungen. Von diesem Moment an musste man darauf hoffen, dass Jena in Bremen nicht gewinnt, denn dann wäre RB trotz Sieg abgestiegen.
Bei meinem letzten Besuch bei der U17 vor ein paar Wochen am 22. und fünftletzten Spieltag gegen den VfL Osnabrück (0:0) war ich noch ein wenig enttäuscht über die sehr defensive Spielweise von RB Leipzig in einem existenziell wichtig erscheinenden Abstiegsspiel. Mir schien damals zu viel Angst vor dem Verlieren und zu wenig Bock auf das Gewinnen dabei und hätte Jena (die damals noch nicht wirklich auf dem Abstiegszettel standen) nicht aus den letzten sechs Spielen nur zwei magere Pünktchen geholt (unter anderem ein 3:4 nach 3:0-Pausenführung am vorletzten Spieltag gegen Cottbus), dann wäre RB auch deswegen abgestiegen, weil man Osnabrück nicht schlagen konnte.
Aber hätte, wenn und aber, das letzte Spiel ging RB Leipzig gegen TeBe mit dem selben System wie gegen Osnabrück an, aber in einer sehr viel offensiveren Interpretation. Das 4-1-4-1 wurde bei Ballbesitz in ein 2-3-2-3 verschoben, dem die Gäste meist nur hinterlaufen konnten. Und selbst defensiv stand einer der beiden Außenverteidiger meist recht hoch. In der zweiten Halbzeit nahm der RB-Nachwuchs nach taktischer Neuorganisation etwas den Fuß vom Gas. Es blieb zwar beim 4-1-4-1, aber die beiden Außenspieler standen nun zusammen mit dem Rest des Teams sehr viel tiefer, sodass TeBe optisch etwas mehr vom Spiel hatte als noch in der ersten Hälfte und die RasenBallsportler auf den einen oder anderen Konter lauerten.
Das Problem an der defensiveren Taktik war gar nicht, dass TeBe dadurch sonderlich gefährlich wurde. Im Gegenteil war die Verteidigung des Tores gegen Aungriffe aus dem Spiel ziemlich optimal. Aber die tiefere Feldposition führt automatisch auch zu Ballbesitz in Strafraumnähe und somit im Normalfall auch zu Standards. Und ein Standard kann immer mal durchrutschen. Wäre er auch fast, aber da die Gäste die einzige realistische Torchance nach einer Eckball-Kopfballverlängerung über das Tor setzen, spielte RB Leipzig das Spiel relativ routiniert nach Hause. Und der Rest nach Abpfiff war (natürlich) Jubel.
Neben Torschütze Lunderstädt besonders hervorzuheben war aus meiner Sicht das Bollwerk in der Mitte mit dem sehr präsenten alleinigen Sechser Alec Menzel, der alle Lücken stopfte und Innenverteidiger Marcel Kohn, der alles abräumte, was es abzuräumen gab und so etwas wie der heimliche Leader war. Allen drei Spielern gemeinsam, dass sie in diesem Spiel große körperliche Vorteile gegenüber den Gästen zu haben schienen, die sie auch in die Waagschale zu werfen wussten.
Auffällig aus verschiedenen Gründen war auch Janik Mäder, den ich bei meinem ersten U17-Besuch beim Spiel gegen Dynamo Dresden noch als herausragend empfunden hatte. Auch gegen TeBe konnte man deutlich erkennen, was der offensive Mittelfeldspieler vor allem an Spielübersicht mitbringt. Angesichts dessen, dass er einer der jüngeren im Team ist und nächstes Jahr auch noch bei der U17 antreten darf, kann man ungefähr sein Potenzial erahnen. Allerdings schien er gestern im Abstiegsendspiel nach langer Verletzungspause bei weitem noch nicht bei 100% Fitness, sodass sein Aktionsradius etwas geringer ausfiel. Mal sehen, ob er sich nächstes Jahr zum unumstrittenen Taktgeber des Teams aufschwingen kann.
Besonders spektakulär empfinde ich allerdings die taktischen Fähigkeiten der U17 von RB Leipzig. Gegen Osnabrück war mir die Spielidee zwar zu vorsichtig und ängstlich, aber auch da musste man anerkennen, dass RB die defensive Form des 4-1-4-1 aus dem Effeff beherrschte. Gestern dann bewies das Team, dass es in der Lage ist, das 4-1-4-1 mit einer ziemlich großen Flexibilität in offensiverer und defensiverer Form anzuwenden. Immer wieder trieb man sich dabei gegenseitig mit den Worten “Ordnung halten” an. Ich bin ja dafür sowieso empfänglich, aber ich habe mich ganz besonders darüber gefreut, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die taktisch gut geschult und modern wirkte. Das lässt ein bisschen hoffen für die Zukunft des Vereins.
Komisch fand ich dagegen, dass die Hälfte der Zuschauer zur Halbzeit den U17-Platz verließ und zum Nachbarplatz und zum U19-Regionalligaspiel gegen Dynamo Dresden strömten. Für mich war das Spiel gegen den Abstieg aus der Bundesliga das deutlich wichtigere Spiel und ich hätte es den nachwachsenden RasenBallsportlern gegönnt, wenn sie bis zum Ende vom größeren Teil der am Cottaweg anwesenden unterstützt und später gefeiert worden wären.
Mit dem U17-Bundesligateam hat also RB Leipzig auch nächstes Jahr seinen Pflock im bundesweiten Nachwuchsfußball. Dabei kann es nur heißen, sich weiter in der Bundesliga zu etablieren und erneut den Klassenerhalt zu sichern, gern auch etwas eher und sicherer als in diesem Jahr. Da Nachwuchsarbeit immer bedeutet, dass zum Saisonwechsel ein großer Umbruch stattfindet, wird auch das wieder eine schwer abschätzbare Aufgabe. Als nun schon zweijähriger Bundesligist hat man aber inzwischen vermutlich auch über die Stadt hinaus bereits einen ganz guten Ruf bei möglichen Verstärkungen, sodass man sicher ein gutes Team zusammenstellen wird.
Parallel zur U17 (mit einer Stunde Abstand) spielte – ich deutete das schon an – auch die U19, für die es noch um den Aufstieg in die Bundesliga ging und weiterhin geht. Am vorletzten Spieltag wurde der bisherige Dritte Dynamo Dresden nicht unverdient mit 3:1 geschlagen und dessen Tabellenplatz übernommen. Damit kommt es am letzten Spieltag zum Showdown um Tabellenplatz 2, der Relegationsplatz wäre. Einfaches Szenario: Der aktuelle Tabellenzweite Chemnitzer FC darf in Dresden nicht gewinnen, RB Leipzig muss in Magdeburg drei Punkte holen. Für Dynamo geht es nach der gestrigen Niederlage um nichts mehr, außer vielleicht um einen Sieg im Sachsenderby. Rückt RB noch auf Platz 2 vor, gäbe es zwei Relegationsspiele entweder gegen Havelse oder Braunschweig. Und somit einen weiteren Nachwuchshöhepunkt am Cottaweg. Wäre nicht unschön.
Fazit: Dass die U17 tatsächlich noch den Klassenerhalt perfekt machen konnte, war eine geile Nummer und ein perfekter Abschluss eines schwierigen Jahres. 41 Gegentore waren im Ligavergleich ein mindestens guter Wert, nur 20 Treffer bedeuteten aber den Ligaminuswert und zeigen, worauf es nächste Saison ein Augenmerk zu legen gilt. Aber bis dahin darf man sich auch gern mal kurz zurücklehnen und sich am respektablen Erfolg berauschen. Herzlichen Glückwunsch!
Randbemerkung 1: Nicht unerwähnt soll bleiben, was inzwischen eigentlich schon fast eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich dass Spiele am Cottaweg oft kleine Highlights sind. Insgesamt handgeschätzte 800 Besucher zeugen von der Zugkraft des Vereinsgeländes, das zu solchen Spielen auch immer von bekannten (Fußball-)Gesichtern aus Verein, Stadt und Region bevölkert wird. Ich schrieb es früher schon mal, am Cottaweg schlägt schon jetzt ein wenig das Herz von RB Leipzig. Wer es noch nicht getan hat: Sollte man sich mal angucken.
Randbemerkung 2: Ich nutzte gestern ein wenig die Gelegenheit, um den Nachwuchs-Doubleheader per Twitter zu begleiten. Wer das nachvollziehen möchte, kann das drüben bei @rotebrauseblog tun.
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Tore: 1:0 Lunderstädt (7.), 2:0 Akic (10./ Eigentor)
Aufstellung: Heine – Zandi, Kohn, Dziuba, Konik – Menzel – Lunderstädt, Gums, Mäder (62. Purrucker), Kronawitt – Lindau
Zuschauer: zu Spitzenzeiten bei der U17 etwa 500, auf dem Nachbarplatz bei der U19 zu Spitzenzeiten etwa 800
Links: RBL-Bericht [broken Link], RB-Fans-Bericht
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Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche