Ich versuche es mir einfach mal vorzustellen. Mein Verein lädt aus heiterem Himmel an einem kalten Donnerstag im Januar zu einer Pressekonferenz, die eine Stunde später stattfinden soll und kündigt eine spektakuläre Neuverpflichtung an. Um sich das live im Netz angucken zu können, soll man auf der Facebook-Page den Like-Button drücken. Die Nachricht verbreitet sich über die üblichen Kommunikationskanäle (Facebook, Twitter und Co) blitzschnell. Hoffnungen und Namen machen die Runde. Eine aufgeregte Stimmung entsteht. Als es dann 14 Uhr ist und der Vorhang aufgeht, wird schnell klar, dass der Verein keinen neuen Spieler vorstellt, sondern ein Tool, mit dem man als Facebook-Mitglied, Teil eines Videos werden kann und zum Spieler der eigenen Lieblingsmannschaft wird. Sinngemäße Message: „Die Fans sind unser zwölfter Mann und unsere wichtigste Neuverpflichtung.“
Was würde ich also tun, wenn mein Verein dies täte? Vermutlich erstmal ungläubig den Kopf schütteln. Dann vermutlich abwinken, weil ich keinen eigenen Facebook-Account mein Eigen nenne. Aber selbst wenn ich einen hätte, würde ich wohl eher abwinken, da mich dieser Teil der Fan-PR (eine FacebookApp) nicht übermäßig anspricht. Was ich dagegen definitiv nicht machen würde, wäre im Netz verbal abzuladen und mich an einem Shit-Storm gegen den Verein zu beteiligen, weil der sich einen schlechten Witz erlaubt und einem die versprochene Neuverpflichtung vorenthalten habe.
Das genau ist aber dem FC Bayern gestern mit seinen insgsamt 2,7 Millionen (!) Facebook-Freunden passiert. Binnen weniger Minuten hatten sich auf der Facebook-Page der Bayern Hunderte, insgesamt dann Tausende empörte Kommentare gesammelt (trotzdem stellt sich natürlich die Frage, inwieweit dies die Masse der Fans repräsentiert) und medial war man sich schnell einig, dass die Bayern sich hier ein klassisches PR-Eigentor geschossen hätten.
Nimmt man die deutlich-negativen Kommentare als Maßstab, dann stimmt dies natürlich, denn eine PR-Aktion für die eigenen Fans, die von diesen verstoßen und in der Luft zerrissen wird, macht natürlich keinen Sinn. Andererseits muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, was da passiert ist. Ein Verein nutzt ein sehr mächtiges Mittel, nämlich einen Fake-Transfer, um seinen Fans (und dazu ganz Deutschland und sogar Europa) eine Message zu senden, die sie in den Mittelpunkt stellen und ihnen das Gefühl von Wichtigkeit vermitteln soll. Und von denen kommt ein gemeinschaftliches: „Hau ab. Gib uns unseren Transfer.“
Es scheint als gäbe es für Fans bei manchen Sachen keinen doppelten Boden, keine Möglichkeit, sich zurückzulehnen und entspannt zu lachen über einen Fake, der in dem Sinne gelungen war, dass auf ihn (fast) alle hereingefallen sind. Die Endphase der Transferzeit ist offenbar nicht die Zeit, in der man Fake-Transfers ankündigen darf. Die Verbindung zwischen Verein und Fans scheint derart ritualisiert zu sein, dass es keine Möglichkeit gibt, mit Gewohnheiten zu brechen, geschweige denn, dass es eine Ebene des gemeinsamen Lachens gäbe.
Erstaunlich daran ist, dass sich die Bayern wie im falschen Film vorkommen dürften. Sie wollten einerseits ihren Fans das Gefühl extremer Wichtigkeit geben (die erst dadurch entstehen konnte, dass man ganz Deutschland neugierig gemacht hat auf die Präsentation) und andererseits über Facebook-Videos der Nutzer das virale Marketing ziemlich heftig stärken. Eine Win-Win-Situation eigentlich, mal von der Idee her gedacht. Und vermutlich wird die Aktion auch noch ein Erfolg, wenn die Empörung erst einmal verraucht ist und die Bayern-Videos durch Facebook wabern.
Klar Fansein ist etwas ernstes und emotionales, trotzdem finde ich es erstaunlich, dass die Fans offenbar ernstlich persönlich beleidigt sind, wenn ihnen der Verein einen Monstertransfer verspricht und dann vorenthält. Wir Fans haben das Recht auf einen großen Transfer und wahrscheinlich sind wir auch in der Lage, Transfer-, Personal- und sonstige Marktkosten anhand gängiger Marktwertanalysen genau zu beurteilen. Und beleidigt sind wir, wenn wir in der Erwartung enttäuscht werden, dass wir gleich einen 10-Millionen-Euro-Transfer auf seine Sinnhaftigkeit prüfen werden.
Gibt es das nur bei den Bayern? Gäbe es das auch bei anderen Vereinen? Auch bei RB Leipzig? Gibt es für Fans in Bezug auf ihr Hobby keinen Spielraum gelungeneren oder weniger gelungeneren Scherzen mit ein bisschen mehr Gelassenheit zu begegnen und so auch die Möglichkeit MIT dem Verein über Sachen und meinetwegen auch Fehler zu lachen? Gibt es überhaupt die Möglichkeit zu lachen? (Außerhalb des Feierns sportlicher Erfolge wohlgemerkt.)
Ich persönlich sehe, dass die Aktion der Bayern (zumindest vorerst) schiefgegangen ist, habe auch eine Idee davon warum (Stichwort Ernsthaftigkeit und fehlgeleitete Erwartungen), verstehe aber die Idee selber nicht. Ehrlich gesagt wünschte ich mir eher mehr solcher Aktionen, die relativ locker und gewagt eine Idee umsetzen (auch wenn das Thema der Idee, die Fan-FacebookApp nicht meins war). Nach dem Aufschrei bei den Bayern werden sich aber künftige Ideenhaber wohl eher zurückhalten. Schade eigentlich, dass die schicke, weil schlichte, aber wirkungsmächtige Idee eines Transfer-Fakes so daneben ging.
Ich weiss nicht wie lange der Zeitpunkt der “Aktion” bereits bekannt bzw. geplant war.
Mit ein Grund weshalb sich hier so viel negatives entladen hat, war die Niederlage in Gladbach letzten Freitag.
Dadurch entlud sich noch zusätzlicher Frust, bzw. zerschlug sich die Hoffnung vieler Fans, dass die gezeigte Leistung “personell” korrigiert würde, statt in diesem “Fake” zu enden.
Mit einem Sieg letzten Freitag (und somit einem konstanten Halten des Tabellenvorsprungs) wäre das Feedback garantiert nicht so negativ gewesen.
Erstmal bin ich irgendwie froh, dass ich gestern den ganzen Tag mal nicht online war und mir so das Dilemma erspart geblieben ist. Habe mich heute aber mal etwas ausführlicher in die Thematik eingelesen.
Gut zunächst möchte ich dir Recht geben, das einige Fans dann so austicken und beleidigend gegenüber den Vereinsangestellten werden ist sicherlich nicht zu tolerieren.
Das die Fans die Aktion aber peinlich finden und sie, in meinen Augen zurecht, kritisieren, damut muss man nach so einer Aktion einfach leben.
Die Aktion, welche sogar auf der offiziellen Seite des FC Bayern angekündigt wurde, mit den Worten: FC Bayern holt großen für den Sturm, bzw. einen Kracher für die Offensive.
Dann spielen in dem “lustigem” Video auch noch die wichtigsten Entscheidungsträger, aus Verein und Mannschaftsumfeld (Nerlinger und Lahm) mit. Und es wird mit den Worten begonnen, wir haben Millionen von Euro ausgegeben um ihn endlich zu uns zu locken.
Alles in allem ein Schlag ins Gesicht der Fans.
Das geht los mit den großen Ankündigungen vor dem Gladbachspiel und der erschütternden Wirklichkeit auf dem Platz. Das geht weiter mit dem weigern, des Vereines, neue Spieler, vorallem im Defensivbereich, zu verpflichten. Auch im Hinblick auf van Buytens Verletzung hätten einige Fans sicher gern nochmal eine Transferaktion gesehen.
Anstatt aber an der sportlichen Stabilisierung bzw. Weiterentwicklung der Mannschaft zu arbeiten oder aber an einem positivem Bild in der Öffentlichkeit, veralbert man seine Fans für eine lumpige App so dermaßen.
Millionen für einen Fan ausgegeben um diesen endlich zum FCB zu locken? Hallo?
Die Fanseele kocht zurecht, denn zumeist sind es die Fans die viel Geld ausgeben um ihren Verein zu unterstützen, die Fanartikel, Mitgliedsbeitrag oder Eintrittskarten kaufen. Und dann darf man sozusagen so spöttisch sich seit gestern als dazugehörig fühlen? Nachdem man angeblich mit Millionen gelockt werden musste?
Der Zeitpunkt und die Art und Weise waren einfach zutiefs fehlplaziert. Vorallem jetzt sollte man beim FCB eigentlich andere Sorgen haben, als so einen Mist zu verzapfen.
Mann muss den Verein zum Schluss aber nochmal in Schutz nehmen, schon alleine die ANkündigung für den Sturm und das die PK nur über Facebook zu sehen ist, würde mich zunächst erstmal stutzig machen!
Da es aber dieser “PR-Gag” nun auch schon in die Medien gebracht hat, sogar in die Internationalem, hat er dem Verein wohl Schaden zugefügt, und da kann ich es verstehen das viele Fans zutiefst enttäuscht und beschämt über die Numemr sind.
Ich weiß immer noch nicht, warum sich die Anhänger eigentlich so veralbert vorkommen. (Dass der Verein neben seiner PR weiter am sportlichen arbeitet, ist doch selbstverständlich und wird ja sicher auch gemacht.) Vielleicht war der Zeitpunkt suboptimal nach dem Gladback-Spiel, ok. Aber das erklärt ja nicht die deutlichen Emotionen und dass die Fans sich veralbert vorkommen, wenn sie selbst abgefeiert werden sollen (anstatt bspw. eines Tevez’). Man sollte sich da auch nicht am Neuzugang und den Millionen (die den Transfer-Fake aufwerten sollten) hochziehen, denn der Verein sieht seine Fans sicher nicht wirklich als Neuzugang, höchstens eben in der FacebookApp, mit der man sich selbst in die Spielerperspektive begeben kann. Die Absicht der Bayern war doch genau das Gegenteil von Veralbern, nämlich die völlige Wertschätzung. Ihr seid wichtiger als ein millionenschwerer Offensivneuzugang. Das ist peinlich? Also mir wäre es eher egal, aber auf keinen Fall peinlich. Ich versteh die Aufregung wirklich nicht, denn hier wird keinem Fan etwas weggenommen oder angetan und es werden sicher auch keine Millionen ausgegeben. Aber ja, vielleicht verstehe ich es ja irgendwann mal im Zusammenhang mit RB, die ja auch gerne PR-Aktionen durchziehen.
1. any promotion is good promotion…
2. @smarty – … zeigt das wieder einmal mehr das bayrische selbstverständnis – “wenns nicht läuft, kaufen wir halt schnell noch was… ”
3. @chaosblogger:
“Mann muss den Verein zum Schluss aber nochmal in Schutz nehmen, schon alleine die Ankündigung für den Sturm und das die PK nur über Facebook zu sehen ist, würde mich zunächst erstmal stutzig machen!” – nimm dies als deinen Einstieg und alles andere hintendran relativiert sich…
@rotebrauseblogger:
“Ich weiß immer noch nicht, warum sich die Anhänger eigentlich so veralbert vorkommen.” – weil Ihnen der Sinn für Humor abhanden gekommen und elitäres Denken eingezogen ist… (auch hier gilt: bitte nicht alle, nicht übern selben Kamm, der selbe topf , usw…)
Fazit: Eine in meinen Augen gelungene PR Aktion – aber leider Perle vor die Säue…
“Die Absicht der Bayern war doch genau das Gegenteil von Veralbern, nämlich die völlige Wertschätzung.”
Absicht vielleicht, aber doch nur mittels einer Veralberung. Ich glaube der Grundgedanke dieses Artikels ist eben doch viel zu wenig im Sinne der Emotionalität des Fanseins (wenn auch bereits angeklangen) geschrieben (wie ja hier oft vieles sehr objektiv gesehen wird, was ja allgemein zu begrüßen ist).
Wie bereits geschrieben ist auch die Situation zu berücksichtigen und da fällt der Flirt mit Reus (Dezember) und die Gladbachniederlage rein, die selbst bei tm.de eine Art Massenpanik ausgelöst hat.
Zudem dürfte die Kommentarfunktion bei FB kaum für große Romane benutzt werden (bes. bei der Geschwindigkeit).
Als quasi Betroffener (ohne irgendwo meiner – nennen wir es – Verärgerung Luft gemacht zu haben) kam bei mir dieser Allgemeinplatz (Fan ist 12. Man) jedenfalls nicht sonderlich gut an.
In meinen Augen war die Aktion einfach nur Blauäugig, sowas geht ggf. nach dem erfolgreichen Ende einer Saison, aber nicht unter den gegebenen Umständen.
Habe mich noch mal der Eingangsfrage gewidmet, wie es wäre, wenn mein Verein so etwas gemacht hätte. Um es aktuell zu machen, was würde ich sagen, wenn RB Leipzig morgen um 13 Uhr verkünden würde, dass man eine Stunde später einen spektakulären Offensivneuzugang per Live-Facebook-Pressekonferenz vorstellen wird. Klar würde ich an Wallner denken und wenn der Verein dann irgendeine fanlobhudelnde Facebook-Spielerei vorstellen würde, würde ich das zumindest befremdlich und deplatziert finden. Vermutlich würde ich aber trotzdem den witzigen Hintergrund erkennen. Ersteres (das deplatziert finden) würde aber wohl deutlich im Vordergrund stehen..