Nun, so lange, wie die ganzen Trainerdebatten bei RB Leipzig im halboffiziellen, medialen Bereich verhandelt werden und was heute als klar beschrieben wird, morgen schon wieder verschoben wird oder ganz neu sein kann, so lange bleibt Zeit sich um andere Themen zu kümmern. Eins davon ist die sechsteilige Doku über Fußballleipzig im Allgemeinen und RB Leipzig im Speziellen „Fußball nach Plan“ [broken Link]. Diese ist letzten Samstag im MDR gestartet und wird fortan an genau diesem Tag jeweils um 18 Uhr für 15 Minuten laufen.
Teil 1 behandelte [broken Link] mehr oder weniger die Anfänge von RB Leipzig. Fußballleipzig, die Bipolarität Lok vs. Chemie, der Einstieg von Red Bull, etc. Alles nicht sehr neu für jene, die RB Leipzig seit Vereinsgründung vor zwei Jahren interessiert begleiten. Aber vielleicht richtet sich die Doku ja auch an ein ganz anderes Zielpublikum.
In Teil 1 zu sehen auch die üblichen Leipziger Gesichter. Burkhard Jung darf das Jobwunder RB Leipzig und die Bundesliga beschwören und macht es seinen Kritikern sehr einfach, weil die von ihm prognostizierten, tausenden entstehenden Jobs natürlich vor allem prekäre Jobs sind. Kellner, Bratwurstverkäufer, Hotelangestellte und Co. Andererseits ist ein Bundesligaverein natürlich ein Imageträger, den man gar nicht hoch genug schätzen kann. Die Bundesliga ist ein weltweit wahrgenommenes Ereignis und wenn man bedenkt, dass man mit dem Wort Cottbus in seinem Pass an einem ausländischen Flughafen durchaus in ein Fußballgespräch verwickelt werden kann, dann weiß man, welche Außenwirkung mit einem Bundesligaverein verbunden sein kann. Wobei ich keine Studien und Zahlen kenne, die belegen, dass aus solcher Art Bekanntheit der Stadt auch ein direkter Vorteil erwächst. Aber vermutlich ist das wie mit Facebook-Freunden. 180.000 Freunde bedeuten per se noch nichts, man muss was mit ihnen anfangen, sie anzusprechen wissen.
Steffen Kubald darf natürlich im Namen von Lok Leipzig in der Doku auch was sagen (Wir hätten Red Bull mit offenen Armen empfangen, aber nie unsere Farben und unseren Namen abgegeben), genauso wie LVZ-Vorzeigejournalist und Ex-Profi Guido Schäfer seine Freude über RB Leipzig und die Perspektive Bundesliga ausdrücken darf. Wie gesagt, das Leipziger Übliche eben.
Nicht so üblich ist das, was RB-Kapitän Tim Sebastian zum Thema RB Leipzig und Red Bull zu sagen hat:
Ein externes Unternehmen hat mit dem Ziel den Absatz zu steigern, das Image zu verbessern, hier einen Verein installiert. Das vorrangige Ziel ist nicht der Fußball, das vorrangige Ziel ist der Konzern. Insofern kann man gespaltener Meinung zum Verein sein. Ich sehe es als Chance für mich und die Stadt.
Ich finde es sehr schwierig, dem Zusammenhang zwischen Fußball und Marketing (oder Sponsoring) eine Wirkrichtung zu geben, wie dies Tim Sebastian tut, wenn er behauptet, dass RB Leipzig in erster Linie den Absatz der Dosen ankurbeln soll. Das Ziel von RB Leipzig ist zuerst einmal Erfolg im Fußball. Profisport steht dabei im ganz engen Zusammenhang zum Marketing. Weder Red Bull noch die Telekom noch irgendeine andere Firma geben völlig uneigennützig Geld aus. Marketinginvestitionen sollten sich für jeden Geldgeber der Welt in irgendeiner Form refinanzieren. Fußball ist als weltweit beliebter Sport schlicht und einfach ein Feld, das fest und unauflöslich mit Marketing, also mit dem Versuch der Imageverbesserung und Absatzsteigerung verbunden ist.
Die Frage kann gar nicht sein, inwieweit Vereine mit den Absatzzielen von Firmen verknüpft sind (denn das sind letztlich alle), sondern muss sich darum drehen, inwieweit der Kern dessen, was Fußball so populär macht, nämlich das Spiel an sich und das emotionale Drumherum, eine Dynamik behält, die der eigenen, sportlichen Logik entspricht. Behält der Sport diese Eigenlogik nicht, zerstören sich Sport und Sportmarketing gegenseitig. Bleibt die Eigenlogik erhalten, befruchten sich beide, untrennbar miteinander verknüpften Elemente.
Oder anders gesagt: Nimmt man mal den gesellschaftlichen (kapitalistischen) Rahmen als Hülle, dann bedingen Sport und Sportmarketing einander. Und zwar auf Gedeih und Verderb. Das vorrangige Ziel von Red Bull muss in diesem Sinne in erster Linie und entgegen Tim Sebastian sein, Strukturen zu schaffen, die Fußballkultur ermöglichen. Ansonsten wird das mit ihren Dosen auch nichts. Dietmar Beiersdorfer als Red-Bull-Fußballchef und Huub Stevens, Trainer in Salzburg standen für diese Positionen und das Wissen um den Zusammenhang zwischen Fußballkultur als Kernprodukt und Sportmarketing als profitierender und geldgebender Bedingung für Fußballkultur. Beide sind bei Red Bull Geschichte. Und die Frage nach dem fußballkulturellen Weg bei Red Bull deshalb offener denn je.
Auch Sven Neuhaus, RB Keeper und RBLer der ersten Stunde durfte sein Gesicht und vor allem seine Wörter für die MDR-Doku zur Verfügung stellen. Was definitiv ein Gewinn für die Sendung ist. Scheinbar ein intelligenter Profifußballer, der seinen gepflegten Inhalt in eine mehr als passende Form zu bringen vermag:
Manchmal hat man bei RB Leipzig das Gefühl, dass es zu viele Spieler gibt, die einen Vertrag unterschrieben haben und denken, sie stehen in einem Aufzug und dieser Aufzug wird automatisch bis in die Bundesliga gefahren. Ich sage immer: RB Leipzig ist eigentlich eine Treppe. Du stehst unten und hast vielleicht einen silbernen Treppenaufgang, aber laufen musst du ganz alleine. Du hast das Glück, dass die Treppe nicht nach unten, sondern nur nach oben geht, aber wenn du nicht läufst, bleibst du unten stehen.
Sehr schönes Bild. Ich hätte noch eine Stelle als Gastautor hier im Blog frei..
Was ich Tim Sebastian unterstelle, ist, dass er meint, dass Marketing für das Produkt RedBull das ultimative Ziel der Sponsoringaktivitäten von Mateschitz ist. Dafür benötigt er einen erfolgreichen Fußballclub in der Bundesliga. Und dafür ein hohes Maß an Fußballkultur. Insofern kann man also sagen, dass der Kapitän sich vielleicht einfach beim Wort “Vorrang” vertan hat…
Mag sein, dass dem so ist. Bleibt trotzdem der Punkt, dass letztlich für jeden Geldgeber der Marketinggedanke das ultimative Ziel ist. Der Marketinggedanke ist es eben nicht, was Red Bull von anderen unterscheidet, sondern ausschließlich der Wille, nicht nur Geld zu geben, sondern dafür verantwortlich sein zu wollen, WIE es ausgegeben wird. So eine Doku schneidet sich die Sachen sicher auch zusammen, wie sie ins Sendekonzept passen, aber ich hätte gern einen Kapitän, der weniger über den Verein als “Projekt” spricht. Ich finde dieses Wort einfach höchst unpassend. Vielleicht bin ich da etwas übersensibel, aber hinter dem Wort “Projekt” verbirgt sich aus meiner Sicht das, was Neuhaus ausdrückt, wenn er sagt, dass manche glauben, RB wäre ein Aufzug, etwas was sich planen ließe. Wollen die Spieler bei RB Erfolg müssen sie aus meiner Sicht weg vom Projekt und hin zum Verein. Nicht “RB Leipzig ist ein Projekt, um…”, sondern “Wir sind RB Leipzig und wir wollen zusammen mit unseren Anhängern allen beweisen, dass wir Fußball leben und wir besser sind als andere.” Oder: Leidenschaft statt Plan. Oder so ähnlich.
@ rotebrauseblogger: Danke für den TV-Tip, fernab der Heimat ist’s nicht einfach die interessanten Dokumentationen aus dem ganzen Einerlei herauszufinden. Aber dafür haben wir dich ja ;)
Tim Sebastian hat sich meiner Meinung nach recht oberflächlich zur RedBull-Thematik geäußert. Ich unterstelle ihm zwar mal, dass er das richtige meint (etwa: kein höherklassiger Fussball ohne potenten Sponsor, und dieser Sponsor verfolgt wirtschaftliche Interessen), aber ein Konzern ist kein “Ziel”, sondern ein Konzern, der Ziele hat. Die Kommentare von Sven Neuhaus finde ich dagegen sehr treffend. Sehr symphatisch, der Mann.
Hoffentlich bekommen wir in den verbleibenden Beiträgen noch Thomas Linke zu hören…
” Sehr schönes Bild. Ich hätte noch eine Stelle als Gastautor hier im Blog frei.. ” – ein sehr schöner Kommentar zum Kommentar.
Ich hab mir die Sendung auch in der MDR-Mediathek angesehen und war sehr überrascht von Sebastians Kommentar. Insbesondere in dem ersten oben zitierten Satz stimmt jedes Wort. Daß er es als Chance für die Stadt und sich selbst begreift, ist nur ehrlich. Aber er scheint begriffen zu haben, daß bei diesem Projekt der Sport das Mittel zum Zweck für den “Sponsor” ist, während bei anderen Vereinen das Sponsoring das Mittel zum Zweck des Sports ist. Das ist der fundamentale Unterschied zwischen dem Leipziger Konstrukt (wenn es kein Projekt ist, was ist es dann? – ein Verein ist es ja auch nicht…) und “normalen” Vereinen. Es ist schön zu wissen, daß sich der Kapitän dieses Unternehmens dessen bewußt ist – für mich das eigentliche Highlight der Sendung. Scheinbar ein intelligenter Profifußballer…
Ich war total geschockt von Tim Sebastian mit seinem Kommentar.
Warum hat er dann einen Vertrag mit RBL unterschrieben.Nur um dem schnellen Euro wegen?Ich glaube hier ist Aufarbeitung im Kopf nötig, dann stimmt auch die Leistung.
Sven Neuhaus ist wie immer eine Bereicherung. Ich hoffe, solche Leute, die hin und wieder aussprechen, was alle denken (Oberliga ist scheiße, etc.), gehen RB nicht abhanden in den kommenden Jahren.
@Ritter Runkel: Ich kann es nur noch einmal wiederholen. Für JEDEN Geldgeber ist der Sport das Mittel zum Zweck. Da kann der eine etwas mehr Herzblut für die jeweilige Sportart und die gesponsorte Einzelperson aufbringen, letztlich geht es für JEDES Unternehmen, das am Markt beteiligt ist darum, über das Sponsoring Image und im Effekt Absatzzahlen zu verbessern. Punktum. Der Unterschied zwischen Red Bull und der aetka Communication Center AG (die in Chemnitz Brustsponsor sind?) besteht lediglich darin, dass erstere selber die Entscheidungen über die Verwendung des investierten Geldes in der Hand haben wollen, während letztere ausschließlich Geld geben und beim Entscheiden über dessen Verwendung zugucken. Erstere müssen dafür zumindest indirekt die Fäden des Vereins in der Hand halten, letztere können einfach einen bestehenden Verein unterstützen.
@diddi: Die Frage, warum er einen Vertrag unterschrieben hat, beantwortet er selbst: weil er es für sich als Chance sieht. Warum soll aber Aufarbeitung nötig sein? Ist Linientreue immer noch wichtig? Gibt’s vielleicht nur die Einheitsmeinung?
@rotebrauseblogger: Sehr schön, ist klar. Und ich stimme zu, daß für jeden Geldgeber der Sport ein Mittel zum Zweck ist. Für jeden Verein ist das Geld des Sponsors der Mittel zum Zweck. Was ist aber, wenn Verein = Geldgeber ist? Tritt dann die Wechselwirkung in Kraft, die Du beschreibst? Oder hat Tim Sebastian nicht einfach vollkommen recht? Mir erscheint, v.a. auch vor dem Hintergrund des Red Bullschen “Engagements” bei Austria Salzburg, der Sebastiansche Kommentar ein Volltreffer zu sein. Der Verein, der Sport ist nichts als ein Vehikel. “Man” will in die Champions League. Des Vereins wegen? Des Fußballs wegen? Oder gar Leipzigs wegen? Das ist doch Käse…
Nö, Red Bull will wegen Red Bull in die Champions League. Und damit indirekt des Vereins wegen, weil ohne Verein, ohne Fußball kommen sie nirgendwo hin. So wie die Telekom auch in der Champions League spielen will und deswegen die Bayern unterstützt, weil die permanent dort spielen. Red Bull braucht also einen Verein und den hat man kreiert. Man könnte nun sinnvoll darüber streiten, was einen Verein eigentlich ausmacht und ob RB Leipzig diesen Kriterien entspricht. Für mich ist RB Leipzig – abgesehen vom recht einzigartigen Verhältnis zum Finanzier – ein recht normaler Profifußballverein, der so wie die anderen Profivereine als Firma geführt wird, eine für die Regionalliga überdurchschnittliche, recht gewöhnliche Anhängerschaft hat und das Glück hat, in einer Stadt groß zu werden, die offen ist für Fußballgeschichten, Spiele in der Schüssel (alias Zentralstadion alias Red Bull Arena) und den einen oder anderen Erfolg in einer Mannschaftssportart (schon schräg, dass im Handball [bei traditionellerer Asugangslage] und eventuell im Eishockey ähnliche Storys geschrieben werden sollen, wie sie RB Leipzig auch zu schreiben vor hat). Ich glaube, ein Verein lebt von der Verankerung in der Stadt und die ist unabhängig von der Vereinsfinanzierung. Dabei geht es um Jugendarbeit, um dem Verein eine regionale Basis zu geben, um Zuschauerstrukturen beziehungsweise eine angemessene Fanentwicklung und -einbindung und um lokale Köpfe, die dem Verein ein Gesicht/ eine Identität geben. Nichts davon kommt von selbst, nichts davon sollte man als gesichert nehmen. Ich persönlich glaube tatsächlich bei allem was positiverweise dagegen spricht, dass ein Scheitern des Vereins RB Leipzig nicht komplett undenkbar ist. RB Leipzig muss ein ganz normaler Verein werden, um tatsächlich nachhaltig erfolgreich zu sein. Da ist man an vielen Stellen – bei allem Begleitrumoren derzeit – auf einem guten Weg, aber der Weg geht auch nicht per se in den Himmel.
nach dem neuesten meisterstück aus fuschl wird der dfb aber noch genauer hingucken, was die 50+1 regel betrifft. Linke als grüßaugust hat sich die entscheidung, das pacult der neue leitbulle wird, nicht gefallen lassen, was ich ihm hoch anrechne und konsequenz bedeutet. Wenn aber der “sponsor” und gleichzeitig “eigentümer” nun auch noch selber den trainer bestimmt, wird es zeit, alles mal genauer unter die lupe zu nehmen. DFB, übernehmen sie :-P
übernimmt der jordanische Prinz 1860 ist diese ganze 50+1 Regelung sowieso ad absurdum geführt und damit hinfällig … deshalb sollte man bzgl. dessen und RBL den Ball mal ganz flach halten …