Manchmal geht das echt schnell mit dem Erfüllen von Wünschen. Gestern erst schoss mir angesichts des abzuhakenden Aufstiegs dies hier durch den Kopf:
Man hat nun bei RB Leipzig viel Zeit, die neue Saison anzugehen und Entscheidungen zu treffen, die sowieso schon seit langem anstehen. Die Wahl eines Sportdirektors oder die Inthronisation eines in Leipzig agierenden Präsidenten, also einer zentralen Figur im sportlichen Bereich wäre aus logischer Sicht zuerst dran. (RB Leipzig und der Versuch von Normalität)
Und ein paar Stunden später schon, also noch am selben Tag wird Thomas Linke bei RB Leipzig als Sportdirektor präsentiert. Halt präsentiert noch nicht, das wird erst im Laufe der Woche geschehen, aber schon mal bekannt gegeben. Was zumindest einem meiner freitäglichen Erlebnisse eine neue Komponente beimischt. Beim Blick ins Programmheft befiel mich nämlich wieder einmal ein leichtes Kopfschütteln als mir auf Seite 11 gleich nach der Fotostrecke der Salzburger Vize-Sportdirektor Linke entgegen lächelte und ein paar aufdiktierte Worte zu ‘unseren’ Spielern bei RB Leipzig verlor. Dass 3 Tage später so richtig seine Spieler draus werden würden, konnte ich ja nicht ahnen. Wenn ich zu dem Zeitpunkt gewusst hätte, dass da der neue Sportdirektor spricht, hätte ich jedenfalls nicht so despektierlich die Nase gerümpft. Ob die Redakteure des ‘Heimspiels’ (so heißt das Stadionheft) schon was ahnten?
Thomas Linke wird also Sportdirektor bei RB Leipzig. Thomas Linke, von dem es heißt bzw. der von sich sagt, dass er bisher bei Red Bull Salzburg stellvertretender Sportdirektor war. Wenn ich die Personalbesetzung in der Gesamtorganisation Red Bull richtig verstehe, dann war er aber tatsächlich Stellvertreter von Dietmar Beiersdorfer und nicht stellvertretender Sportdirektor bei Red Bull Salzburg, die witzigerweise gar keinen Sportdirektor haben(?). Thomas Linke also, der sich in der sportlichen Kurzaufzählung so anhört: Weltpokalsieg, Champions-League-Sieg, UEFA-Cup-Sieg, Vizeweltmeister, 5 mal Deutscher Meister, 3 mal DFB-Pokalsieger, 1 mal Österreichischer Meister, 340 Bundesligaspiele mit Schalke und Bayern, 43 Länderspiele. Beeindruckende Vita eines immer eher stillen Stars.
Seit 2007 arbeitet in der sportlichen Leitung bei Red Bull Salzburg mit, hat dort also die ersten Erfahrungen im organisatorischen Bereich gesammelt. Seit 2009 darf er dabei auch Dietmar Beiersdorfer über die Schulter gucken. Angesichts der Tatsache, dass Beiersdorfer gern seine Vertrauten in Schlüsselpositionen unterbringt, war das sicher nicht die schlechteste Entwicklung.
Der Schritt zu RB Leipzig macht in der Karriereentwicklung von Thomas Linke absolut Sinn. Aus dem Schatten der Salzburger Verantwortlichen treten zu können und in Leipzig selbst die Verantwortung zu übernehmen, ist zu diesem Zeitpunkt wohl einfach dran. Zumal die Voraussetzungen für ihn bei RB Leipzig in einer sportlich unbefriedigenden Situation trotzdem günstig sind. Woran der Verein nämlich derzeit neben des Tabellenplatzes auch krankt, ist das fehlende Identifikationspotenzial, gerade in der Führungsspitze. Die Herren Oral, Felder und Gudel eignen sich (derzeit), wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen, allesamt nicht für den Award des Publikumslieblings. RB Leipzig braucht aber über kurz oder lang eine Art Integrationsfigur auch neben dem Platz. Eine Figur, die für Kontinuität und für den Verein steht.
Thomas Linke könnte diese Rolle neben dem Platz zufallen und – so ist zu vermuten – auch ausfüllen. Mit seinem sportlichen Background, seiner (bezogen auf seine Beliebtheit) sicher nicht nachteiligen, ostdeutschen Herkunft, seinen Salzburger Erfahrungen mit Red Bull und Beiersdorfer und seiner ruhigen, aber bestimmten Art könnte er nach Außen zu einer zentralen und auch allseits akzeptierten Figur werden, wie es sie seit dem Abgang vom ersten Präsidenten Andreas Sadlo nicht mehr gab und nach innen die Kompetenzen mitbringen, die der Klub in den nächsten Wochen und Monaten braucht, um den nächsten Schritt in der Entwicklung machen zu können.
Dabei steht sehr schnell die zentrale Frage nach dem Trainer an. Auch wenn alle Beteiligten das Thema runterkochen wollen und Tomas Oral durch das Lob am neuen Sportdirektor eventuell seinen Platz neben ihm festigen will, wird es für Thomas Linke darum gehen, in Bälde eine Entscheidung zu treffen, mit welchem Trainer er die neue Saison bei RB Leipzig planen möchte. Zumindest sollte man eine Situation vermeiden, in der ein möglicher neuer Trainer nicht in die Kaderplanung involviert ist. Sprich bis spätestens Ende März sollte klar sein, ob Tomas Oral einen zweiten Versuch kriegt für den Schritt in die 3.Liga oder nicht.
Ich sehe da derzeit nicht viele Gründe, die für Tomas Oral sprechen, bin aber extrem froh, dass mit Thomas Linke jetzt jemand bei RB Leipzig arbeitet, der vor Ort beobachten kann, wie die Situation aussieht und sich in den nächsten Wochen entwickelt, er also eine Entscheidung zum Trainer treffen kann, die auf umfassender Kenntnis aller Details beruht. Dass Thomas Linke das 1:5 am Freitag mitverfolgt hat, kann für Tomas Oral in dem Zusammenhang fast nur gut sein, weil es ergebnistechnisch nur besser werden kann, die Kurve also unter Umständen nach oben geht. Vielleicht kriegt er ja so noch mal eine reale Chance.
Und apropos Chance: dass Dietmar Beiersdorfer auf die Niederlage gegen Kiel tatsächlich mit der Besetzung des Sportdirektoren-Postens reagiert, ist ihm sehr hoch anzurechnen. Es kommt zwar genau genommen etwa ein halbes Jahr zu spät (man dachte wohl, die Regionalliga würde man auch mit halber Struktur locker durchschreiten), aber es kommt in einer Situation, in der alle den Kopf des Trainers forderten. Den Trainer ein wenig aus der Schusslinie zu nehmen und einen strukturellen Fehler zu beheben anstatt noch ein neues Fass aufzumachen, das sollte nicht nur Tomas Oral zu schätzen wissen.
Ich für meinen Teil weiß es auch sehr zu schätzen, dass das Sportdirektoren-Roulette fürs erste Geschichte ist und hoffentlich sehr, sehr lange bleibt. Herzlich Willkommen in Leipzig Thomas Linke. Gute Wahl, gute Perspektiven. Viel Erfolg!
Sauber analysiert. Die Besetzung kommt auch für mich ca. ein halbes Jahr zu spät. Doch jetzt zu reagieren statt abzuwarten oder im Februar 2011 in überhektischen Aktionismus den Trainer auf dem Altar der ,,Schuldigen” zu opfern war eine kluge Entscheidung. Mir stellt sich immer öfters auch die Frage ob die Verantwortlichen von Red Bull die Regionalliga nicht arg unterschätzt haben.
Letzteres ist stark anzunehmen. Man glaubte vermutlich, dass Oral und die vielen guten Fußballer das Kind Regionalliga schon schaukeln würden und so die Personalie Sportdirektor keine große Wichtigkeit hat. Vielleicht stünde RB mit Sportdirektor jetzt auch nicht viel besser da, man weiß das natürlich nicht, aber in der Entwicklung des Vereins wäre es schon schön gewesen, der Schritt mit Linke wäre vor der Saison erfolgt.