Aus, aus, aus, Spanien ist Weltmeister. Naja, ganz so spannend war das diesjährige Turnier der besten Fußballnationalmannschaften dann doch nicht, dass man in große Euphorie verfallen müsste. Dass Spanien völlig verdient Weltmeister geworden ist, passt da irgendwie ins Bild. Nicht dass ich ihre spielerische Qualität anzweifeln wollen würde, aber mit dem formschwachen und zudem durch diverse Auswechslungen leicht demontierten Torres fehlte selbst den Spaniern das Puzzleteil, das aus ihrem ansehnlichen Gekicke ein torgefährliches Gekicke macht. David Villa, lange Zeit auf dem Weg zum besten Spieler des Turniers verblasste in dem Moment, als er die Rolle von Fernando Torres in der Sturmzentrale spielen sollte. Und trotzdem wäre alles andere als der Titel ungerecht gewesen, auch wenn es die Niederländer überraschend gut verstanden, lange Ballstafetten der Spanier zu unterbinden und sogar selbst einige große Chancen kreierten. Dass die Spanier im Angesicht der rustikalen Spielweise der Niederländer in alte Muster des Lamentierens und lange Bälle Schlagens verfielen, zeigte relativ eindrücklich, dass auch dieses Team nicht unschlagbar ist.
Darüber hinaus ist zur Weltmeisterschaft eigentlich alles gesagt. Das vor dem Viertelfinale angeschlagene Loblied auf den südamerikanischen Fußball verstummte mit dem Scheitern der Aushängeschilder Argentinien und Brasilien und der Abgesang auf den europäischen Fußball angesichts der Leistungen der Franzosen, Italiener und Engländer relativiert sich angesichts dessen, dass wie schon vor vier Jahren auf den ersten drei Plätzen ausschließlich europäische Teams einliefen. Was auch ein Fingerzeig darauf ist, dass die EM in zwei Jahren (und die Qualifikation dafür) härter werden dürfte als die erste Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent.
Fußballerisch bleibt von dieser Weltmeisterschaft nicht viel mehr übrig, als dass viele Trainer in der Lage sind, ihren Mannschaften ordentliches Defensivverhalten beizubringen. Dumm nur, wenn alle Teams denselben Fokus setzen bei der Teamausbildung und vergessen, dass das schönste Verschieben und Doppeln ja auch nichts hilft, wenn man bei eigenem Ballbesitz nichts mit dem Spielgerät anzufangen weiß.
Daraus resultiert auch die einzige ästhetische Überraschung des Turniers, die deutsche Fußballnationalmannschaft, die meistens versuchte, ihre Aufgaben spielerisch zu lösen, was überwiegend sehr ansehnlich gelang. Und doch bleiben beim Blick auf das deutsche Spiel die Baustellen offensichtlich, die vor allem die beiden Innenverteidiger und deren dürftiges Aufbauspiel und die fehlende Erfahrung betreffen. Dazu kommt, dass das deutsche Team über das spielerische Element hinaus offenbar mit den eher brachialeren Elementen, wie Standards und taktischen Fouls auf dem Kriegsfuß steht. Während die Spanier bspw. ein dreckiges Standardtor zum Einzug ins Finale nutzten, war die Gefahr bei deutschen Standards quasi nicht vorhanden, wenn man mal den dicken Bock der Argentinier, der zum 0:1-Rückstand gegen Deutschland führte, ausblendet. Und dass es die Deutschen schafften, ein Halbfinale zu verlieren, ohne eine gelbe Karte zu sehen, mag zwar löblich sein, ist aber gegen ein Team wie Spanien ergebnisorientiert betrachtet eher kontraproduktiv. Ich bin ehrlich gesagt gespannt, was aus der deutschen Mannschaft in den nächsten zwei Jahren wird, wenn ich auch skeptisch bleibe, was die weitere Entwicklung angeht. Es könnte mit der bei dieser WM geweckten Erwartungshaltung schwer werden, denn die Spiele in Südafrika haben auch gezeigt, dass die Deutschen bei konsequentem Pressing und mannschaftlich geschlossenem Defensivspiel sehr alt aussehen. Und ich persönlich bin zudem von der (nicht mehr ganz) neuen DFB-Welle, möglichst mit zwar gut ausgebildeten, aber oft handzahmen Spielern zu arbeiten, nicht endgültig überzeugt, wie ich bereits in einem älteren Beitrag darstellte, weil mir in diesen Strukturen gerade die Ausbildung Verantwortung tragender Einzelspieler zu kurz kommt.
Weitere Highlights? Mein persönliches Highlight war Lionel Messi, wie er im Viertelfinale im Mittelfeld herumschlendert und die deutschen Spieler sich einander den Ball 3, 4 Meter an ihm vorbei zuspielen, ohne dass Messi sich davon sonderlich stören lassen wollte. Nie wurde es deutlicher als in diesem Spiel, dass Systeme, in denen 7, 8 Leute verteidigen und 3, 4 stürmen keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. Nicht mal mit Messi..
Weiteres im Gedächtnis bleibendes ‘Highlight’ der WM waren eine Handvoll spiel(mit)entscheidender Fehlentscheidungen seitens der Schiedsrichter. Und nein, das wird kein Schiedrsichter-Bashing. Ich finde, dass die Schiedsrichter im großen und ganzen sehr gut gepfiffen haben, auch wenn man sicherlich sehr viel besser darauf achten könnte, dass alle auch unter ähnlichen Bewertungsmaßstäben agieren. Unabhängig (wenn überhaupt dann nur anlässlich) von konkreten, unglücklichen Entscheidungen habe ich an anderer Stelle bereits für den Videobeweis plädiert, nicht weil ich den Schiedsrichtern vorwerfen wollte, dass sie nicht alles sehen können, sondern weil sie von ihrer gottgleichen Position entlastet werden sollten. Was die Niederländer gestern an verständlichem Frust über ein spätes Gegentor ausgerechnet am Schiedsrichter ausließen, der nun für das dilettantische Abwehrverhalten in der konkreten Situation überhaupt nicht konnte und dessen Eckball- oder Freistoßfehlentscheidung kurz zuvor in keinem Zusammenhang zum Gegentor stand (außer dass es im selben Spiel passierte) und der sowieso die Niederländer insgesamt nicht benachteiligte, war höchst peinlich und führt zu der Frage, warum sich Schiedsrichter diesen Unsinn eigentlich freiwillig antun. Zumal Howard Webb in einem schweren, weil harten und nickligen Spiel dazu beitrug, dass das Spiel nicht durch rote Karten, sondern tatsächlich durch spielerische Methoden entschieden wurde. Und wie ich finde, lag er mit seinen gelben statt roten Karten auch im vertretbaren Bereich. Nur dass er Robben nicht wegen Dummheit Ball wegschlagen vom Platz stellte, war offensichtlich falsch.
Und sonst? Schön, dass die 4 Wochen endlich vorbei sind. Die Weltmeisterschaft ist inzwischen in einer Art aufgebläht, dass man zwischendurch ein wenig die Lust verliert, weiterhin am Ball zu bleiben. Andererseits geben die nach wie vor exorbitanten Zuschauerzahlen dem Prinzip 4 Wochen Dauerlivefußball recht. Ich finde es trotzdem grenzwertig, zumal es bereits in 10 Tagen weiter geht mit dem Fußball, wenn die dritte Liga ihren ersten Spieltag abhält. Ob auch Zuschauer unter Ermüdungsbrüchen leiden können?