Und weiter geht es auf der diesen Sommer wohl sehr langen Reise, den Kader durch Ab- und Zugänge auf ein adäquates quantitatives und qualitatives Maß zu bringen. Nach Davie Selke und Ken Gipson steht mit Willi Orban zumindest schon mal Neuzugang Nummer 3 fest.
Mit dem 22jährigen Orban verpflichtet RB Leipzig einen Innenverteidiger, an dem viele höherklassige Vereine Interesse hatten und der in Sachen Potenzial in der abgelaufenen Spielzeit wohl der interessanteste aller Zweitligaverteidiger war. Auch aus Orbans Ecke selbst hörte man, dass der nächste Schritt die Bundesliga sei. Egal ob mit Aufstieg seines 1.FC Kaiserslautern, bei dem er mit vier Jahren anfing Fußball zu spielen, oder mit einem Wechsel bei einem Nichtaufstieg.
Umso überraschender, dass der Kapitän der Pfälzer nun entgegen anderer Angebote doch ligaintern wechselte und sich mit RB Leipzig einem Verein anschließt, der zwar die Bundesliga als Perspektive verspricht, aber eben nicht in dieser spielt. Ralf Rangnick schmiedete um diesen Fakt eine Geschichte, die in den Bereich der Legendenbildung geht. Denn erst als er Orban die noch nicht öffentlich gewordene Entscheidung erklärt habe, dass er höchstselbst künftig Trainer in Leipzig sein wolle, war der vorher noch nicht ligaintern wechselwillige Innenverteidiger bekehrt und die ganze große (Bundesliga-)Konkurrenz im Kampf um das Talent zerstört.
Möge an dieser schön erzählbaren Geschichte viel dran sein oder nicht so viel. Fakt ist, dass der Wechsel ausgerechnet nach Leipzig im Fanumfeld Kaiserslauterns nicht sonderlich gut ankam und allerlei emotionale, mal schlauere, mal weniger schlaue Reaktionen freisetzte, die sich auch über Orbans Facebook-Page Bahn brachen. Sieht man mal von vielen indiskutablen Ausführungen ab, ist zumindest die Enttäuschung nachzuvollziehen, dass ausgerechnet ein Aushängeschild und Kind des Vereins, der doch eigentlich nur in die erste Liga wechseln wollte, zu dem Verein wechselt, den man in der Pfalz überhaupt nicht mag.
Liegt dann natürlich nahe, lauthals ‘Der wechselt nur wegen des Geldes’ zu schreien. Auch wenn dies einem Willi Orban vermutlich Unrecht tut. Sicherlich wird er zusammen mit seinem Berater auch geguckt haben, was am Ende für Zahlen im bis 2019 laufenden Vertrag stehen. Aber man hätte den 22jährigen gar nicht so sehr mit Geld zubomben können, als dass er seine sportlichen Perspektiven vergessen hätte. Und Fakt ist, dass man in den letzten zwei, drei Jahren gesehen hat, dass Ralf Rangnick jemand ist, der gerade jungen Spielern eine gute sportliche Perspektive zu verkaufen weiß. Ob die sich dann für Willi Orban einstellt wird man sehen, aber das wäre ihm bei einem Bundesligisten nicht anders gegangen.
Der Wechsel nach Leipzig gibt Orban die Chance, bei einem aufstiegswilligen Verein mit den entsprechenden Möglichkeiten, in einer Führungsrolle ins Team zu wachsen und bei einem möglichen Aufstieg einen Vorsprung vor möglichen Konkurrenten zu haben. Denn so wie man ihn in der letzten Saison kennenlernen durfte, kann man davon ausgehen, dass er auch in Leipzig leistungstechnisch Anspruch auf einen Stammplatz erheben darf.
Sein Debüt im Profibereich feierte Willi Orban mit 18 Jahren im August 2011 in einem Bundesligaspiel gegen die Bayern. Nach viel Zeit im Regionalliga-Team erfolgte der endgültige Durchbruch bei den Profis eineinhalb Jahre später als er mit 20 Jahren in der zweiten Liga einige Einsätze am Stück hatte und auch die Relegationsspiele gegen die TSG Hoffenheim mitbestritt.
In den folgenden beiden Jahren ging es für Orban immer nur nach oben, sodass er nicht nur in der U21-Nationalmannschaft den Durchbruch schaffte, sondern im Heimatverein zuletzt eine herausragende Saison spielte und Kapitän wurde. Eine wahre Bilderbuchkarriere.
Zu bestechen wusste Willi Orban den geneigten Zuseher mit einem sehr guten Zweikampfverhalten. Zwei von drei Zweikämpfen gewann Orban in der vergangenen Zweitligasaison. Nur Matip, Sobiech und Gordon konnten in der Innenverteidigung noch (leicht) bessere Werte abliefern. Die Leipziger Innenverteidiger Sebastian und Compper folgen da mit einem kleinen Sicherheitsabstand (auch wenn Quervergleiche aufgrund unterschiedlicher Spielphilosophie immer ein wenig hinken).
Beeindruckend aber vor allem die Qualitäten des Willi Orban, der es auch im defensiven Mittelfeld kann, im Spielaufbau. Beeindruckend zumindest für einen Innenverteidiger. Was noch mal dadurch erstaunlicher wird, dass er in einem Team wie dem des 1.FC Kaiserslautern, in dem es immer auch um den gepflegten Spielaufbau ging, zu überzeugen wusste. In einem Team also, in dem auch Flachpasswege durch die erste Pressinglinie des Gegners hindurch ins Mittelfeld gefunden werden sollten.
Gerade diese Passgenauigkeit und sein teamorientierter Charakter dürften Willi Orban für Ralf Rangnick und RB Leipzig interessant gemacht haben. Aus der Verteidigung auch mal einen tiefen, flachen Ball präzise spielen zu können, das ist eine Fähigkeit, die im aktuellen RB-Kader nicht unbedingt herausragend vertreten ist. Die aber zunehmend wichtig wird, wenn man künftig auch spielerische Lösungen gegen aggressive Defensiven finden will.
Bei RB Leipzig passt Willi Orban mit diesen Qualitäten, mit seiner Jugend und mit seinem Potenzial perfekt ins Raster. Zumal in einer Innenverteidigung, in der in den letzten zwei Jahren der Umbruch hin zu jüngeren Spielern mit Entwicklungsperspektiven verpasst wurde. Zusammen mit den erfahrenen Tim Sebastian und Marvin Compper und dem gestern 19 Jahre gewordenen Lukas Klostermann würde Orban ein prima Innenverteidigerquartett bilden (wenn Rangnick Klostermann denn tatsächlich als Innenverteidiger sieht), in dem nicht nur Gegenwart sondern auch Zukunft steckt.
Dass RB Leipzig Orban für fast schon schmale 2 Millionen Euro fixe Ablöse bekommen hat, ist aus Rangnick-Sicht sicherlich ein kleines Sahnehäubchen. Mal abgesehen davon, dass das trotzdem kaum ein anderer Zweitligist stemmen könnte, ist diese Summe sicherlich deutlich unter dem, was in einer freien Verhandlung herausgekommen wäre und lässt reichlich Spielraum für die vom Sportdirektor und Neu-Trainer an verschiedenen Stellen propagierten Wertsteigerungen durch die Konzentration auf junge Spieler.
Das ist aus Sicht des geneigten Fußballfans aber nur die Randgeschichte eines Transfers, der die deutliche Ansage ist, dass Ralf Rangnick mit seinem Beuteschema jung und bundesligatauglich nach einer diesbezüglich verkorksten Wintertransferperiode nun wieder Ernst macht. Dass Orban im Gegensatz zu Selke fast schon ein gestandener Profi mit viel Zweitligaerfahrung ist, macht seinen Transfer fast noch wertvoller als den von Davie Selke, bei dem man erst mal abwarten muss, inwieweit Konstanz schon zu seinem Leistungsprofil gehört.
Wie man es auch dreht und wendet. Mit der Verpflichtung von Willi Orban hat Ralf Rangnick einen ordentlichen Coup gelandet und einen Spieler verpflichtet, der perfekt ins Suchraster und ebenso perfekt ins Team passt. Man darf gespannt sein, ob Orban seine Qualitäten auch in Leipzig auf den Rasen bringt. Tut er dies, dann darf man sich im RasenBallsport-Umfeld schon sehr freuen.
Als Begleitgeschichte zum Orban-Transfer sagte der Innenverteidiger “aus persönlichen Gründen” seine Teilnahme an der U21-EM ab Mitte Juni. Was natürlich sofort die Spekulationen laut werden ließ, dass RB Leipzig hier nach Selke einem weiteren Spieler ein Nachwuchsturnier verweigert. Ralf Rangnick dementierte diese Sicht und verwies darauf, dass sich Orban schon vor den Gesprächen mit ihm zu dem Schritt entschieden habe. In Kaiserslautern wunderte man sich über die Aussage und sagt, man habe davon nichts gewusst.
Egal wie, aus RB-Sicht kommt eine Nichtteilnahme Orbans an der Nachwuchs-EM sicherlich nicht ungelegen, da er so die Vorbereitung komplett mitmachen kann. Inwieweit das Auslassen eines großen Turniers auch im Sinne des Spielers und seiner mittelfristigen Entwicklung und des Sammelns von Erfahrung ist, muss Willi Orban selber wissen. Joshua Kimmich war von seiner U19-EM letztes Jahr und den Erlebnissen und dem Turniersieg begeistert. Für seine Physis über die Saison hinweg war es trotzdem suboptimal.
Der eine Innenverteidiger kommt, ein anderer geht. Auch wenn es nicht unmittelbar zusammenhängen mag, ganz losgelöst voneinander kann man es auch nicht betrachten. Denn Fabian Franke wäre nach fünf Jahren RB Leipzig sicherlich nicht zum SV Wehen Wiesbaden gewechselt, wenn er denn bei RB Leipzig eine Perspektive für sich gesehen hätte. Die habe er aber in den Gesprächen mit den Verantwortlichen nicht gessehen und die vermittelt sich natürlich auch nicht, wenn gleichzeit ein Orban als klarer Startelfkandidat geholt wird.
Wobei der Abgang natürlich auch relativ direkt etwas mit dem verkorksten letzten Jahr zu tun hat, in dem Fabian Franke kein einziges Pflichtspiel bei den Profis bestreiten konnte. Achillessehnen-Probleme setzten ihn in der Hinrunde lange außer Gefecht. Immer wenn er wieder auf den Trainingsplatz wollte, musste er die Versuche wieder abbrechen. Alles mögliche an konservativen Methoden wurde probiert, bevor man sich im Winter dann doch zur OP entschloss.
Nach langer Reha war Franke dann gegen Saisonschluss endlich wieder fit und durfte mit der U23 Einsatzminuten sammeln. Für die Profis, für die es sportlich um nichts mehr ging, wurde er trotz einiger Innenverteidiger-Ausfälle aber nicht mehr berücksichtigt. Trotzdem bot man ihm einen Einjahresvertrag quasi zur Wiedereingliederung nach Verletzung an. Möglicherweise mit der damit verbundenen Ansage, mehr Einsatzzeit bei der U23 als bei den Profis zu bekommen. Ein Angebot, das sich für den im positiven Sinne selbstbewussten Franke als zurecht nicht ausreichend anfühlen musste.
Fabian Franke hat in den vergangenen Jahren bei RB Leipzig gezeigt, dass er sich gegen jede Konkurrenz durchsetzen kann, wenn man ihm die Chance gibt. Mit seiner überragenden Zweikampfstärke und sehr guten Geschwindigkeit (auch wenn er wegen seiner Größe gar nicht so schnell wirkt) war er in vielen Spielen ein sicherer Rückhalt.
Unvergessen sein ekstatischer Jubel nachdem er im Sachsenpokal-Finale 2013 gegen den Chemnitzer FC den 2:2-Ausgleich erzielen konnte (Endstand: 4:2) oder sein Treffer zum 2:2 in Stürmermanier gegen Plauen, mit dem er in letzter Sekunde des Spiels letztlich auch die perfekte RB-Saison ohne Niederlage sicherte.
Fabian Franke gehörte zu der Generation der Spieler, die im Umbruchjahr 2010 nach Leipzig gekommen waren. Als gebürtiger Leipziger muss man in dem Fall zurückgekommen sagen. Franke hat den Verein über die Jahre vor allem in der Regionalliga auf positive Art und Weise mitgeprägt. Dass er RB nun verlässt, mag sportlich angesichts der jüngeren Vergangenheit und den aktuellen Vereinszielen nachvollziehbar sein. Schade ist es aber trotzdem, dass sich Franke nicht noch mal im Zweitligatrikot von RB Leipzig probieren und präsentieren durfte.
Auch Paul Schinke gehört wie Fabian Franke zur Generation der 2010 in den Verein gekommenen, von denen nur Tim Sebastian auch die kommende Saison noch mitmachen wird. Im Gegensatz zu Franke konnte sich der in der Nähe von Leipzig, in Delitzsch geborene Schinke aber nie vollständig durchsetzen.
Seine besten Tage bei den Profis hatte er noch unter Tomas Oral in der Rückrunde 2010/2011 als er im linken Mittelfeld zum Stammspieler wurde und vor allem auch via Standards zu glänzen verstand. Aber schon die Folgesaison unter Peter Pacult wurde eine einzige Katastrophe, zumal man ihm auch noch den Wechsel nach Ingolstadt in die zweite Liga, wohin ihn Oral holen wollte, verweigerte, wie er kürzlich der LVZ klagte.
Unter Alexander Zorniger wurde es ein Jahr später leidlich besser. Ein paar Versuche als Linksverteidiger, ein paar Mittelfeldeinsätze. Aber für das Zorniger-System schien ihm die letzte Dynamik in den Aktionen zu fehlen, sodass daraus keine konstanten Einsatzzeiten wurden.
Die letzten zwei Jahre verbrachte Paul Schinke dann erfolgreich damit, die U23 von RB Leipzig aus der Landesliga in die Regionalliga zu schießen. Nach zwei Aufstiegen in Folge ist für den inzwischen 24jährigen aus Altersgründen aber endgültig Schluss. Für einen Platz im Team als Führungsspieler für die Nachwuchsleute hielt man Schinke vereinsseitig offenbar nicht für wichtig genug, auch wenn sein Trainer Tino Vogel von ihm vollends überzeugt war.
Paul Schinke wird zur kommenden Saison bei Lok Leipzig unter Vertrag stehen, die auch noch die Chance haben, in die Regionalliga aufzusteigen. Einst war Schinke von Lok aus über Werder Bremen, FC Sachsen Leipzig und Energie Cottbus bei RB Leipzig gelandet. Nun geht er wieder zurück zum blau-gelben Club. Eine Leipziger Karriere quer durch die Vereine dieser Stadt, wie sie vielleicht ja künftig mal normal sein wird für Fußballer, die ihr Glück bei RB versuchen wollen, dort aber den ganz großen und dauerhaften Durchbruch nicht schaffen.