Sommerpause ist Transfer(gerüchte)zeit. Die Gerüchte werden aufgrund ihrer großen Zahl weiterhin praktisch ausschließlich in den Presseupdates hier im Blog oder im eigenen Pressebereich abgehandelt. Zudem gibt es rechts im Blog (zumindest, wenn man nicht mobil verbeisurft) in der Seitenleiste einen Kasten mit all den Namen, die gerade mehr oder minder glaubwürdig in der Gerüchteküche verkocht werden plus einen Link zu den letzten Nachrichten zum jeweiligen Namen.
Neben Zugängen wird es diesen Sommer auch verstärkt darum gehen, wo all die ehemaligen Spieler von RB Leipzig unterkommen, die schon verabschiedet wurden oder die nach Leihen keine Aussicht haben, in der kommenden Saison auch wirklich zum RB-Kader zu gehören.
Bei Joshua Kimmich ist die Sache schon seit dem Winter klar. Nun ist der Zeitpunkt des Abschieds vom U21-Nationalspieler endgültig gekommen. 55 Spiele hat der 20jährige für RB Leipzig in zweiter Liga, dritter Liga und DFB-Pokal insgesamt gemacht. 30mal ging er dabei als Sieger vom Platz.
Man muss dem, was hier an dieser Stelle beim Bekanntwerden seines Abgangs geschrieben wurde, gar nicht mehr viel hinzufügen. Es bleibt dabei, dass Kimmich ein absolutes Toptalent mit klarem Kopf und klaren Zielen ist. Wenn er fit war, war er bei RB Leipzig der zentrale Baustein im Mittelfeld, der die Bälle immer wieder forderte und mit großer Passsicherheit und Blick für die Räume verteilte.
Neben einer gewissen Verletzungsanfälligkeit bleiben die offensiven Qualitäten von Kimmich fraglich. Drei Tore und vier Vorlagen in seinen 55 Pflichtspielen verweisen darauf, dass er hier zulegen muss. Zumindest wenn er weiterhin in der Mittelfeldzentrale agieren will. In seiner RB-Zeit gab es Momente, in denen er sowohl als Vorbereiter als auch als Torschütze glänzte, aber die Momente waren doch sehr rar.
Ob Joshua Kimmich sich bei den Bayern durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Von seinem Kopf her ist es ihm absolut zuzutrauen. Talent hat er auch. Aber auf dem Level der Bayern entscheiden dann eben auch Kleinigkeiten oder Zufälle, ob man sich durchsetzt oder nicht. Aber wenn nicht, dann stehen Kimmich sicherlich große Teile der Profiwelt weiterhin offen.
Bei RB Leipzig wird er mit seiner ehrgeizigen Art, die ihn manch Auswärtsniederlage nur schwer verdauen ließ, und mit seiner enormen Ballsicherheit jedenfalls eine große Lücke hinterlassen. Die kann man wohl nur durch einen neu zusammwachsenden Mittelfeldverbund füllen. Ein Spieler, der Eins zu Eins dieselben Qualitäten wie Joshua Kimmich mitbringt, wird schwierig zu finden sein.
Der zweite Spieler, der ein neues Vereinsziel gefunden hat, ist Sebastian Heidinger, der vor vier Jahren als Teil der unter Pacult geholten Mitzwanziger nach Leipzig kam und zum Teil der Aufstiegsgeneration bei RB wurde. In seiner Premierensaison sprang er zwischen Startelf und Bank als äußerer Mittelfeldspieler hin und her und kam auf durchwachsene drei Tore und drei Vorlagen.
Unter Alexander Zorniger ging es in der Folgesaison durchwachsen weiter. Als offensiver, äußerer Mittelfeldspieler war er anfangs stärker gesetzt, später weniger. Zwei Tore waren die mäßige Ausbeute. Der Durchbruch kam dann erst kurz vor Saisonende, als Heidinger mal eben zum Außenverteidiger umfunktioniert wurde und nach kleineren (nachvollziehbaren) Wacklern zu Beginn seiner Umschulung auf dieser Position mit Schnelligkeit, Offensivdrang und besser werdendem Zweikampfverhalten zur festen Größe wurde, die in zwei Relegationsspielen gegen Lotte die komplette Spielzeit bestritt und im Sachsenpokal-Finale gegen Chemnitz einen eigentlich unerreichbaren Ball von der Linie kratzte und so das vorentscheidende 1:3 verhinderte.
Als Linksverteidiger oder alternativ auch Rechtsverteidiger hatte Sebastian Heidinger dann 2013/2014 seine stärkste Zeit im Trikot von RB Leipzig. Nach leichten Problemen zu Beginn der Saison spielte er sich ab dem neunten Spieltag in der Mannschaft fest und war bis zum Saisonende unumstrittener Stammspieler und Leistungsträger und steuerte vier Tore und zwei Vorlagen zum Durchmarsch in die zweite Liga bei. Wie Heidinger in dieser Zeit sein Programm auf neuer Position routiniert abspulte, war absolut beeindruckend und brachte ihm eine Verlängerung seines Vertrags bis 2015.
Die Zweitligasaison knüpfte dann in Sachen Durchwachsensein eher wieder an die ersten zwei RB-Jahre an. Die Konkurrenten Jung und Teigl waren unter Zorniger meist gesetzt. Unter Beierlorzer war der Ofen dann endgültig aus und Heidinger pendelte zwischen Bank und Tribüne, weil der neue Coach als Ersatz für Jung und Teigl im Fall der Fälle eher auf das Talent Klostermann oder gar auf Diego Demme setzte.
Für Heidinger, der in den letzten beiden Spielen dann noch mal ein paar Minuten bekam, dürfte diese Zeit eher deprimierend gewesen sein. Vom sportlich und menschlich für das Team zentralen Spieler zum Tribünenhocker, das ging etwas zu schnell. Dazu noch der Unfrieden damit, dass bis kurz vor dem letzten Spiel vereinsseitig niemand mit ihm über seine Zukunft sprach, das letzte halbe Jahr war der Zeit davor nicht wirklich angemessen.
Vor vier Jahren kam Sebastian Heidinger aus der zweiten Liga. In die er mit dem neuen Club wieder zurückkehrte und innerhalb der er nun zum Mitaufsteiger 1.FC Heidenheim wechselt. Viel falsch gemacht hat der 29jährige mit seiner Vereinswahl vor vier Jahren also nicht.
Dass er in Heidenheim nur einen Einjahresvertrag unterschreibt, darf man dabei durchaus etwas merkwürdig finden. Das klingt nicht unbedingt danach, als würde man dort auf eine dauerhafte Stammkraft Heidinger setzen, sondern nach dem Abgang von Philip Heise gen Stuttgart vor allem eine Übergangskraft suchen. Wobei man in den letzten vier Jahren in Leipzig eigentlich gelernt hat, dass Sebastian Heidinger vor allem dann stark ist, wenn er dauerhaft auf Einsätze kommt und nicht dann, wenn er als Einwechsler oder Lückenbüßer eingesetzt wird.
Skurril am Rande, dass Heidinger ausgerechnet zu dem Verein wechselt, bei dem er beim Auswärtsspiel mit RB beim Aufwärmen hinte dem Tor mit einem Bierbecher gefüllt mit Urin beworfen wurde. Die Wege des Fußballs und deren Profis sind manchmal unergründlich.
Noch zu erwähnen auch, dass Henrik Ernst künftig statt für die Profis aufzulaufen, die U23 in der Regionalliga begleiten wird. Wie Sebastian Heidinger kam Henrik Ernst 2011 unter Peter Pacult nach Leipzig. Und schaffte es erstaunlicherweise, sich immer genau dann wieder durchzubeißen und ins Team zu kämpfen, wenn man es ihm gar nicht mehr zutraute oder wenn er eigentlich individuell stärkere Konkurrenz ausstechen musste.
So wie in der vergangenen Drittligasaison, als er sich im zentralen Mittelfeld einen Stammplatz erkämpfte und diesen auch nach der Winterpause behielt, als mit Diego Demme noch einmal starke Konkurrenz gekommen war. Erst ein Kreuzbandriss stoppte den stetigen Höhenflug des inzwischen 28jährigen, dessen Verpflichtung vor vier Jahren manch einer nicht wirklich verstanden hatte.
Über ein Jahr war er anschließend von der Bildfläche verschwunden, bevor er Anfang April gegen Nürnberg für drei Minuten sein Comeback bei den Profis feiern konnte. Dort reichte es in dieser Spielzeit nicht zu mehr und auch in der kommenden Spielzeit wäre es eng geworden. Sodass man sich gemeinsam entschloss, den auslaufenden Vertrag nicht für die Profis, sondern für U23-Einsätze zu verlängern. Sicherlich mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass man Ernst in der Not auch immer ohne Bedenken mit in den Profikader nehmen kann. Was für beide Seiten sicherlich Sinn macht.
Henrik Ernst kam vor vier Jahren aus der Regionalliga in die Regionalliga und spielt künftig auch Regionalliga. Das klingt nicht nach der ganz großen Karriere. Tatsächlich gehört Henrik Ernst, das hat er nachgewiesen, von seinem Niveau her durchaus mindestens in die dritte Liga. Nur der Sprung in die zweite Liga war halt nach der Verletzung zu groß. Nun noch mal über die Regionalliga neu Anlauf zu nehmen Richtung dritte Liga, ist durchaus nachvollziehbar.
Erwähnt werden soll auch noch Anthony Jung, dessen Vertrag bei RB Leipzig gleich um drei Jahre bis 2019 verlängert wurde. Erstaunlich gar nicht so sehr, dass sein Vertrag verlängert wurde, denn Anthony Jung überzeugte im Saisonverlauf auf seiner Position mit zunehmender Dynamik, defensiver Stabilität und dem Versuch, auch offensiv Akzente zu setzen.
Erstaunlich aber die Vertragsdauer, denn zumindest nach den Zeitplänen des Sportdirektors bedeutet diese Laufzeit ja auch, dass die sportliche Leitung ganz klare Bundesligaperspektiven beim weiterhin erst 23jährigen, der seit zwei Jahren in Leipzig ist, sieht. Jung bringt sicherlich viel mit, was ihn zu einem flexiblen Linksverteidiger macht, aber inwieweit da tatsächlich Perspektive nach ganz oben drin steckt, ist bei weitem nicht ausgemacht.
Aus dieser Sicht heraus bleiben die vier Vertragsjahre ein enormer Vertrauensbeweis seitens des Vereins und eine Menge Sicherheit für Anthony Jung. Und auf der Position des Linksverteidigers, auf der es im Fußball die Talente nicht wie Sand am Meer gibt, hat man bei RB Leipzig auf längere Sicht eine von zwei verfügbaren Stellen besetzt. Wird interessant werden, wen man dort als Konkurrenten platziert.
Bliebe noch Sommerneuzugang Nummer 2 nach Davie Selke. Mit Ken Gipson kommt (im Gegensatz vor allem zu den Wintertransfers) mal wieder ein Spieler, der nahezu perfekt ins Beuteschema von Ralf Rangnick und Co passt. 19 Jahre, ehemaliger Nachwuchsnationalspieler, ablösefrei (und natürlich vom VfB Stuttgart).
Tatsächlich ist es nicht so, dass Ken Gipson sich in den letzten Jahren permanent ins Rampenlicht geschossen hätte, denn genaugenommen war er zwischenzeitlich lange verletzt. Zwischen 2012 und 2014 bestritt er deswegen gerade mal 10 Spiele für A- und B-Junioren, bevor er in der vergangenen Spielzeit in der U19, die in der Bundesliga Süd/Südwest gegen den Abstieg spielte, zum unumschränkten Stammspieler wurde, sich so in die Notizbücher der Konkurrenz (zum Beispiel Dortmund und Ingolstadt) spielte und ihn auch beim VfB so interessant machte, dass man ihn gern über die U23 an die Profis herangeführt hätte.
Wobei es im Fall von RB Leipzig vermutlich gar nicht so essenziell nötig war, sich ins Notizbuch zu spielen, denn Gipson ist schon so lange beim VfB Stuttgart, dass ihn auch die neuen Leipziger und alten VfB-Nachwuchsleiter Schrof und Albeck ziemlich genau gekannt haben dürften und nun deren altes Bild nur noch mit dem sportlichen Bild des letzten Jahrs aktualisiert werden musste.
Das sportliche Bild muss überzeugt haben, auch wenn Gipson den Beobachtern zufolge körperlich noch nicht durchgängig bei 100% war, denn sonst hätte Ralf Rangnick beim Rechtsverteidiger, der im Defensivbereich flexibel eingesetzt werden könnte, nicht zugeschlagen. Inwieweit Gipson schon kurzfristig eine Konkurrenz für Georg Teigl darstellt, muss man dabei abwarten. Fakt ist, dass er sich erstmal wird hinten anstellen müssen.
Da Lukas Klostermann vom Sportdirektor künftig auf der Innenverteidigerposition gesehen wird, kann man zumindest davon ausgehen, dass Ken Gipson erster Backup für die Rechtsverteidigerposition ist und mit seinen 19 Jahren jenes Talent, das da mittelfristig Druck machen und vielleicht sogar zu Bundesliganiveau wachsen soll. Wie die Entwicklung dann bei einem 19jährigen mit der Verletzungshistorie tatsächlich verläuft, kann wohl niemand genau prognostizieren. Hoffnung auf Zukunft steckt trotzdem eine Menge in der Personalie.