War es die längste Sommerpause seit Erfindung von RB Leipzig? Wer weiß, auf jeden Fall fühlte sie sich auf angenehme Art und Weise lang an. Aber angesichts des Diskursgebrabbels, das pünktlich zum Saisonstart von RB Leipzig wieder lauter wird und sich an verschiedenen Stellen hier im Blog und vor allem drüben in den täglichen Presseupdates in Besprechungen wiederfindet, ist es wohl mehr als Zeit, dass es nun endlich wieder losgeht.
In der vergangenen Saison gab es an dieser Stelle vor jedem Spieltag eine mehr oder minder umfangreiche Vorschau auf die Spiele des Wochenendes. Das soll es in diesem Jahr in dieser Form nicht mehr geben. Viel mehr soll der Fokus auf irgendeinem Thema oder einer Fragestellung zum oder anlässlich des Spieltags liegen. Mal sehen, wie das in den nächsten Wochen konkret aussehen wird und inwiefern sich das Format noch verschiebt. Die (nur noch) neun Partien werden jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit nur kurz erwähnt, aber wie gewohnt getippt.
Vor dem Ligastart fragt man sich natürlich gern und vermehrt nach den Aufstiegs- und Abstiegskandidaten. Da die Liga morgen mit dem ultimativen Topspiel Düsseldorf gegen Braunschweig startet, soll es heute im Fokus um die Favoriten am oberen Tabellenende gehen. Je nach Zählweise werden zwischen acht und zehn Teams zum Kreis der Verdächtigen gerechnet. Berechtigterweise weigern sich die meisten Beobachter innerhalb dieses Kreises eine klare Rangordnung zu erstellen, denn hinter eigentlich allen Teams stehen Fragezeichen, die sich erst im Laufe der Saison auflösen werden.
Zu nennen sind als Favoriten natürlich die Absteiger 1.FC Nürnberg und Eintracht Braunschweig. Wobei gerade Nürnberg eine ziemliche Wundertüte ist. Denn das Team brach nach dem Abstieg komplett auseinander. Von den elf meisteingesetzten Spielern der letzten Bundesligasaison ist nur noch Keeper Schäfer im Team. Alle anderen und noch einige mehr sind weg. Zwar hat man sich von dem eingenommenen Geld durchaus prominent und hochwertig in allen Alterslagen verstärkt (wenn man bspw. an Mlapa, Sylvestr, Koch, Schöpf oder Füllkrug und viele andere denkt), ob dies als Team sofort oder mittelfristig funktioniert, ist aber noch ziemlich unklar. Zudem wird sich erst noch zeigen, ob Neu-Coach Valérien Ismaël, der zwar letztes Jahr mit Wolfsburg II fast in die dritte Liga aufgestiegen wäre, aber auch einen mehr als hochklassigen Kader hatte, die Mannschaft zu einem Aufstiegskandidaten aufbauen kann.
Neben Nürnberg wirkt Braunschweig wie ein Muster an Kaderbeständigkeit. Allerdings musste auch die Eintracht einige der Leistungsträger ziehen lassen (Bellarabi, Kumbela, Davari oder Bicakcic bspw.), die man nicht adäquat durch Neuzugänge ersetzen konnte. Bzw. sind die Neuzugänge eher aus der Kategorie ‘kann funktionieren, muss nicht funktionieren’. Da die Mannschaft mit Torsten Lieberknecht aber einen bekannt taktikstarken (experimentierte unter anderem mit der Dreierkette in der Sommerpause) und teamintern anerkannten Trainer hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Braunschweig ganz oben mitspielt, sehr hoch.
Fast schon als Topfavorit hätte man bis vor drei, vier Wochen auch Greuther Fürth auf dem Zettel gehabt. Letzte Saison nur knapp am Aufstieg gescheitert, sah es so aus, als dass man mit fast komplett zusammenbleibendem Kader plus einigen Verstärkungen in die neue Saison gehen würde. In der zudem der kompetent erscheinende Frank Kramer im zweiten Jahr auf seine Vorarbeit hätte bauen können. Diverse Abgänge später und einige Transfereinnahmen reicher, dürften die Fürther Aufstiegshoffnungen etwas geerdeter ausfallen. Aber trotzdem noch vorhanden sein, denn mit Spielern wie Zulj, Schröck, Lam, Stiepermann und Co hat man einige Klasse dazugeholt. Da man Kramer zutrauen kann, dass er das Gesamtpaket trotz eines größeren Kaderumbaus gut verschnürt, dürfte mit Fürth ganz oben sehr stark zu rechnen sein.
Oft genannt wird auch der 1. FC Kaiserslautern. Wobei hier ein wenig unklar ist, was außer dem Namen die Grundlage dafür ist. Denn der Verein befindet sich im Umbruch, hat einige ältere Spieler wie Dick, Bunjaku, Idrissiou und Simunek abgegeben und Talente wie Zoller und Fortounis abgeben müssen. Auch aus finanziellen Gründen setzt man jetzt verstärkt auf regionalen Nachwuchs. Was nicht heißt, dass man nicht auch einen Spieler wie Philipp Hofmann für 1.000.000 Euro holt, aber insgesamt ist der Kader nominell nicht mehr so breit und qualitativ hochwertig besetzt wie zuletzt. Muss angesichts eines guten Trainers wie Kosta Runjaic dann auf dem Platz nichts heißen. Aber ein Selbstläuferaufstiegskandidat ist Kaiserslautern sicherlich nicht. Wenn sie mit dem Umfeld ins Laufen kommen, ist mit ihnen aber trotzdem zu rechnen.
Zu rechnen sein sollte auf jeden Fall mit Fortuna Düsseldorf. Abgänge im überschaubaren Rahmen oder ansatzweise gleichwertig ersetzt (Giefer – Unnerstall zum Beispiel), eine gute Mischung aus Erfahrung und Jugend bei den Neuzugängen. Dazu ein großes und begeisterungsfähiges Fanumfeld. Die Voraussetzungen sehen auf den ersten Blick sehr gut aus. Und letztlich gibt es wohl nur ein Fragezeichen hinter dem Konstrukt und das steht hinter dem Trainer Oliver Reck. Für den Düsseldorf erst die zweite Station als Cheftrainer ist. In Duisburg löste Reck im Herbst 2011 Milan Šašić ab, scheiterte aber 10 Monate später zu Beginn der Folgesaison. In Düsseldorf folgte Reck Lorenz Günther-Köstner und feierte mit dem Team zum Ende der vergangenen Spielzeit einige spektakuläre Siege. Nun muss er zeigen, dass er auch längerfristig ein guter Coach ist. Ist er das, dann ist Düsseldorf ein ganz heißer Aufstiegskandidat.
“Wir werden Meister.” So ließ Neu-1860-Coach Ricardo Moniz diese Woche verlauten und wird sich genau daran wohl in den nächsten Wochen messen lassen müssen. Bei den Löwen steht wieder mal vieles auf Neuanfang. Neuer Sportdirektor (Gerhard Poschner), neuer Trainer, in Teilen ein neues, noch nicht fertig zusammengestelltes Team. Angesichts dieser Realitäten ist es schwierig 1860 ganz oben auf dem Zettel zu haben. Andererseits sind einige der Neuzugänge wie Kagelmacher, Sanchez, Bedia oder Leonardo durchaus vielversprechend. Die eine Frage wird sein, wie sich mit den vielen nichtdeutschsprachigen Neuzugängen kurzfristig ein funktionierendes Mannschaftsgefüge herstellen lässt (zumal Moniz den 18jährigen Weigl zum Kapitän machen will). Und die andere Frage wird sein, ob Moniz mit seiner anspruchsvollen, manchmal ein wenig verrückt wirkenden Art seine Mannschaft mitreisst oder ob er sein Team dabei eher verliert, weil das mit dem permanent überspannten, unreal wirkenden Leistungsforderungsbogen wenig anfangen kann.
Auf der Rechnung haben sollte man auch den FC St. Pauli. Auch hier gilt wie in Kaiserlautern, dass sie vielleicht nicht ganz oben auf die Liste gehören, aber bei einem entsprechenden Lauf mit dem Fanumfeld zusammen viel erreichen können. Dazu kommt, dass man kaum Kaderveränderungen vorgenommen hat, also mit einer eingespielten Mannschaft in die kommende Runde geht. Letztlich könnte hier die entscheidende Frage sein, inwieweit der schon in der letzten Rückrunde etwas angezählte Trainer Roland Vrabec aus einer starken Position heraus agieren kann und ob er für ein spieltaktisches Auftreten sorgt, das Aufstiegshoffnungen gerecht wird.
Ingolstadt muss man eigentlich wie jedes Jahr nennen. Auch wenn es fast schon reflexhaft scheint. Und Ingolstadt ein wenig Greuther Fürth im kleinen ist. Denn vor zwei, drei Wochen schien Ingolstadt noch sehr viel deutlicher zu den Favoriten zu gehören. Mit Leckie, da Costa, Hübner oder Hinterseer sehr gute Neuzugänge. Mit Caiuby und Hofmann nur zwei richtig schmerzende Abgänge. Dazu mit Ralph Hasenhüttl einen sehr guten Trainer. Klingt nach einer sehr guten Konstellation. Allerdings stoppen die Langzeitverletzungen von Engel, Cohen und den schon länger ausfallenden Eigler und Gunesch die Euphorie ein wenig. Zudem drohen zum Start mit Leckie und Roger auch noch weitere, schwerwiegendere Ausfälle. Trotzdem dürfte Ingolstadt (wenn verletzungstechnisch nicht noch mehr passiert) das Kaderpotenzial haben, ganz oben anzuklopfen in der zweiten Liga.
Außenseiterchancen dürfte der eine oder andere auch Union Berlin oder dem Karlsruher SC oder sogar dem VfL Bochum zurechnen. Kaum Kaderveränderungen bei Union nach durchwachsener letzter Saison mit einem neuen Trainer, der ein neues Spielsystem durchsetzen will, vermutlich ein Jahr der Konsolidierung im Mittelfeld der Tabelle in Karlsruhe und ein instabil wirkendes Gesamtsystem VfL Bochum, bei dem viel am zuletzt kritisierten Trainer Neururer hängt, lassen die drei Teams im Aufstiegskampf aber erst mal unwahrscheinlich erscheinen.
Wie das bei RB Leipzig aussieht, muss man sehen. Im Detail wurde das hier ja bereits anfang der Woche in der Saisonvorschau und dazu im Podcast besprochen. Letztlich wird die Frage sein, welchen Entwicklungssprung der bisher kaum veränderte Drittligakader und vor allem die jungen Spieler machen können und inwieweit sie den aufgrund typischer Anpassungsprobleme sicherlich holprigen Start im Saisonverlauf kompensieren können. Vorteil für RB dürfte sein, dass sie in der Lage sind im Saisonverlauf, wenn nötig, noch personell nachzulegen. Sieht man ja jetzt schon, da Marvin Compper den wohl länger ausfallenden Innenverteidiger Fabian Franke ersetzen könnte. RB Leipzig gehört aktuell sicherlich nicht zu den Topfavoriten um den Aufstieg, aber zum erweiterten Kreis derer, die bei entsprechender, positiver Entwicklung und bei halbwegs scheller Anpassung an die zweite Liga auch oben eingreifen werden. Zumal, wenn es an der Tabellenspitze tatsächlich so eng zugeht, wie man es vor der Saison vermuten würde.
Fazit: Auf dem Papier wartet eine unheimlich spannende und ausgeglichene Zweitligasaison. Ob sich das dann auch in der Ligapraxis zeigt, hängt viel zu viel an der Tagesform, an Verletzungen und Zufällen, als dass sich das ernsthaft prognostizieren ließe. Aber zumindest kann man vor der Saison ernstere und weniger ernste Kandidaten für die Aufstiegsplätze (oder analog für die Abstiegsplätze) herausfiltern. Den Rest gucken wir uns dann ab morgen Abend an. Viel Spaß allerseits.
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1.Spieltag
- Freitag, 20.30 Uhr: Fortuna Düsseldorf vs. Eintracht Braunschweig – 0
- Samstag, 13.00 Uhr: RB Leipzig vs. VfR Aalen – 0 (Vorbericht kommt am morgigen Freitag)
- Samstag, 15.30 Uhr: FC St. Pauli vs. FC Ingolstadt – 2
- Samstag, 15.30 Uhr: VfL Bochum vs. Greuther Fürth – 2
- Sonntag, 13.30 Uhr: 1.FC Heidenheim vs. FSV Frankfurt – 1
- Sonntag, 15.30 Uhr: 1.FC Nürnberg vs. Erzgebirge Aue – 1
- Sonntag, 15.30 Uhr: Karlsuher SC vs. Union Berlin – 1
- Sonntag, 15.30 Uhr: SV Darmstadt 98 vs. SV Sandhausen – 2
- Montag, 20.15 Uhr: 1.FC Kaiserslautern vs. TSV 1860 München – 0
Die Quote für RB auf Bwin ist die 2. stärkste, punktgleich mit lautern und braunschweig. Nur Nürnberg hat ne bessere Quote wenn es um die ersten 2 Plätze geht. Nur als kleine Zusatzinfo . :)
Ja, ich kenne diese Quoten. Die sich ja aber immer eher am Image als an tatsächlichen sportlichen Fakten orientieren. Ich erinnere mich da an die Achter-Quote für einen RB-Sieg gegen Paris Saint-Germain, die man von den Namen der Teams her vernünftig finden konnte, die aber angesichts des konkreten, voher erwartbaren sportlichen Auftretens unfassbar war..
Meine Aufstiegsfavoriten per heute:
Fürth, Nürnberg, Kaiserslautern, Düsseldorf.
Über einen 5. Platz unserer Rasenballer würde ich mich freuen.