Wenn man vor dem Spiel von RB Leipzig gegen den 1.FC Saarbrücken Prognosen zu dessen Verlauf gesammelt hätte, wären wohl die meisten Menschen im Umfeld von RB Leipzig davon ausgegangen, dass am Ende ein Sieg und damit der Aufstieg steht. Dass man sich aber nach nicht einmal 15 Minuten und einem 3:0 entspannt in seinem Sitz zurücklehnen und den Rest des Spiels unaufgeregt genießen kann, hätte sich wohl kaum jemand vorstellen können.
Aber genau dieses verrückte und für die Saison, angesichts vieler, bis in die Schlussminuten zittriger Spiele, untypische Szenario ist eingetreten. Wie schon im Hinspiel war die Defensive der Saarländer stellenweise ziemlich katastrophal und geprägt von individuellen Schnitzern und größeren Lücken. Die die RasenBallsportler ziemlich konsequent und effektiv ausnutzten und so bis zur Pause aus vier Großchancen vier Tore machten.
Auf der anderen Seite zeigte Saarbrücken auch, dass sie durchaus einige individuelle Klasse versammeln und im Spiel mit dem Ball stellenweise ganz passabel aussehen können. Vier größere Chancen verbuchte auch Saarbrücken, aber keine davon ging rein. Einmal knapp drüber, einmal rettet Coltorti mit Reflex, einmal rettet Sebastian auf der Linie und einmal rettet die Latte. Letztlich war der entscheidende Unterschied zwischen Aufsteiger und Absteiger bis zur Pause, dass die einen ins Tor trafen und die anderen nicht. Was im Unterschied zum Hinspiel, als sich RB Leipzig trotz drückender Überlegenheit und vielen, vielen Chancen nur zu einem knappen Sieg kämpfen konnte, dann eben zum klaren Spielstand führte.
Aufgelaufen war RB Leipzig im Gegensatz zum Spiel in Rostock mit Georg Teigl als Außenverteidiger, sodass Anthony Jung ins Mittelfeld rückte und Timo Röttger als Joker auf die Bank musste. Mit dieser etwas größeren Mittelfeldaufstellung war RB Leipzig über die gesamte Spielzeit das dominante Team und brachte insbesondere nach Ballverlusten in der gegnerischen Hälfte die Qualitäten im Gegenpressing auf den Platz, sodass das Saarbrücker Offensivspiel meist schon im Ansatz ausgeschaltet wurde.
Letztlich war aber das Erstaunlichste, dass sich die RasenBallsportler nach dem 3:0 nicht dem allgemeinen Spannungsabfall im weiten Rund anschlossen, sondern sie die Konzentration im Rahmen der Möglichkeiten weiter oben hielten und sie die Partie letztlich sachlich und sicher runterspielten. Defensiv ließ man s0 in der zweiten Halbzeit abgesehen vom Gegentreffer des sehr aktiven und auffälligen Stefan Reisinger, dem man anmerkte, dass seine Qualitäten ihn mal in die Bundesliga geführt hatten, fast nichts mehr zu. Und offensiv nutzte man direkt nach der Pause noch eine Konterchance, sodass auch die allerletzten Zweifler und Pessimisten früh überzeugt gewesen sein dürften, dass diese Partie nicht mehr kippen kann.
Der Rest des Spiels war dann dem Feiern gewidmet. Das Publikum feierte die Mannschaft, die Auswechslungen und sich selbst. Und auch auf der Bank wurden schon deutlich vor dem Schlusspfiff Feierlaune und Aufstiegsshirt ausgepackt. Man wartete sehnsüchtig auf den dann pünktlich erfolgenden Schlusspfiff, um in Bier, Konfetti und Emotionen baden zu können.
Der Aufstieg war der herausragende (vorläufige) Schlusspunkt (ein Kapitel gibt es nächste Woche bei den Kickers noch) unter eine Saison, die insgesamt ziemlich perfekt verlaufen ist. Vom Start weg konnte sich RB Leipzig an der Tabellenspitze festsetzen und sich im Laufe der Zeit zu einem Drittligaspitzenteam entwickeln. Der Aufstieg war letztlich der verdiente Lohn für eine Saison, in der die Mannschaft noch einmal einen entscheidenden Qualitätssprung machte. Auch dank der Neuzugänge wie Poulsen, Kimmich und Demme, aber auch weil sich der Kern der Mannschaft, der das zweite Jahr unter Zorniger arbeitete, noch einmal weiterentwickelte. 14 Spiele ohne Niederlage seit der unglücklichen Pleite in Duisburg drücken diesen Qualitätssprung des Teams auch in Zahlen aus.
Vergessen sollte man dabei aber auch nicht, dass die dritte Liga in diesem Jahr in der Spitze nicht in einer Breite hochwertig besetzt war, wie man das vielleicht vor der Saison erwartete. Mal von Heidenheim abgesehen, die zumindest bis zum Erreichen des Aufstiegs eine fast perfekte Saison spielten, blieb nur noch Darmstadt als völlige Überraschung im Aufstiegskampf. Ein Team, vornehmlich besetzt mit Spielern, die in anderen Teams scheiterten, das nach dem Fastabstieg letztes Jahr nun eine unglaubliche Rückrunde mit bisher nur einer Niederlage (in Leipzig) spielte, das konnte niemand auch nur ansatzweise prognostizieren.
Doch von renitenten Darmstädtern abgesehen, die das Duell um den zweiten direkten Aufstiegsplatz zu einem nervenaufreibenden machten, bestand die Liga in der Spitze eher aus Enttäuschungen. Wehen Wiesbaden spielte nach punktetechnisch grandiosem Start und mit robuster Drittligamannschaft viel zu wechselhaft und inkonstant oder einfach nur schlecht, sodass ein mögliches Eingreifen ganz oben früh nicht mehr auf der Tagesordnung stand. Münster, Chemnitz und Saarbrücken, alle mit mehr oder minder heimlichen Aufstiegshoffnungen gestartet, spielten mehr oder minder katastrophale Runden und nur die ersten zwei konnten sich aus der Abstiegsgefahr, in der sie auch mal steckten, noch befreien. Und Rostock ging nach überragender Hinrunde in 2014 komplett unter.
Letztlich bestand die Stärke von des Neulings RB Leipzig neben den eigenen Qualitäten auch in der Schwäche der Liga und der potenziellen Aufstiegskonkurrenz. Was den Erfolg beileibe nicht schmälern soll, denn trotzdem bleibt das Jahr 2014 ein sehr gutes, weil man gerade unter dem Druck des Verfolgers und auch nach schlechten Spielen wie gegen Burghausen oder in Unterhaching und Dortmund nie die Nerven verlor und immer wieder die Big Points gesetzt hat. Vor dieser Qualität, die auch zeigt, dass die Mentalität im Team stimmt, kann man nur den Hut ziehen. Und diese Mentaltität kann auch eine Liga höher eine unheimlich wichtige werden.
Fazit: Das Spiel zwischen RB Leipzig und dem 1.FC Saarbrücken war in der ersten Halbzeit ein rasantes mit vielen großen Torchancen auf beiden Seiten. Neben dem Können war dabei auch das Glück auf Seiten der Gastgeber, die ihre Chancen eiskalt nutzten. Ín der zweiten Halbzeit ging es dann vornehmlich darum, das Spiel bis zum Schlusspfiff, also dem Anpfiff zur Party über die Bühne zu bringen und immer mal wieder den Kopf darüber zu schütteln, dass man quasi sch0n nach einer Viertelstunde aufgestiegen war. Den Erfolg zu realisieren und zu realisieren, was da alles hinten dran hängt, wird wohl noch ein paar Tage dauern. Solange kann man das Hochgefühl einfach genießen.
Randbemerkung 1: Eines dieser Spiele, zu denen man eigentlich nicht viel sagen braucht, weil das Spiel selbst schon ab der 50. Minute nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses stand und mit dem Schlusspfiff schon fast vergessen war. Der Rest ist Party. Gestern im Nachklapp der Partie als Ein-Euro-Party auf der Festwiese. Später dann verteilt in der Stadt. Und dann geht es für die Mannschaft nach Mallorca. Wohlgemerkt noch vor dem letzten Saisonspiel bei den Stuttgarter Kickers, auf die man sich dann vermutlich ordentlich verkatert ab Donnerstag vorbereitet. Da es für beide Teams um nichts mehr geht und der Meistertitel, den man noch erreichen könnte, für RB Leipzig offenbar auch egal ist, geht das auch nicht als Wettbewerbsverzerrung durch.
Randbemerkung 2: Eines der wichtigeren Themen rund um das Spiel war die Frage, ob Sky oder nicht Sky. Also die Frage, ob es sich lohnt, für die zweite Liga und RB-Live-TV-Fubßall zum Abo-Fernsehen zu wechseln oder ob Kneipenangebote, Montagsspiele bei Sport 1 und vermehrte Mitfahrten zu Auswärtsspielen nicht ausreichen, um das Wegfallen der öffentlich-rechtlichen Livestreams auszugleichen. Vermutlich wird die Frage in vielen Fällen zur Freude von Sky, die bisher in der Gegend um Leipzig mit ihrem Sportpaket nicht allzu gute Geschäfte gemacht haben dürften, beantwortet werden..
Lichtblicke: Man könnte natürlich einige herausheben. Einen Dominik Kaiser mit seinen drei Toren, der damit eine sehr gute Saison krönte und sich als Vierter der Gesamttorschützenliste feiern lassen kann. Nicht schlecht für einen Mittelfeldspieler. Auch Daniel Frahn wäre zu nennen, der in der ersten Halbzeit im Strafraum der Saarbrücker nicht zu stoppen war. Yussuf Poulsen konnte auf dem Flügel permanent zwei Leute binden, wodurch im Verteidigungsverbund Lücken entstanden, durch die dann Tore fielen. Vergleicht man den Poulsen von Saisonbeginn mit dem von jetzt, dann ist das in Sachen Mannschaftsdienlichkeit und Spielverständnis schlicht eine andere Welt. Und viele andere könnte man auch nennen. Auch ein Georg Teigl hatte defensiv und offensiv ein paar gute Aktionen und insgesamt einen schönen Nachmittag. Da aber in den nächsten Wochen noch genug Zeit sein wird für Einzelkritiken und -betrachtungen soll hier die Mannschaft im Vordergrund stehen, denn sowohl den Erfolg gegen Saarbrücken, als auch den Aufstieg hat man als gewachsenes, spielerisch und menschlich sehr gut harmonierendes Team erreicht. Und das ist wichtiger als jedes perfekte Solo.
———————————————————————————————
Tore: 1:0 Kaiser (7.), 2:0 Frahn (9.), 3:0 Frahn (14.), 4:0 Kaiser (35.), 5:0 Kaiser (48.), 5:1 Reisinger (53.)
Aufstellung: Coltorti – Teigl (84. Willers), Hoheneder (72. Franke), Sebastian, Heidinger – Kimmich, Demme, Jung (65. Röttger) – Kaiser – Poulsen, Frahn
Zuschauer: 42.713 (davon 100 Gästefans)
Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Liveticker, MDR-Bericht [broken Link], FCS-Bericht [broken Link], Kicker-Bericht, Pressekonferenz-Liveticker
—————————————————————————————–
Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche
Danke, wie immer toll zu lesen.
Nach dem Spiel in Dortmund meinte (ich glaube) Röttger, dass dieser eine Punkt noch wichtig werden könnte. Recht hat er behalten, denn er sicherte die Aufstiegsparty daheim in Leipzig!
Ich wäre auch mit 1 oder 2 Jahren länger in dieser verrückten Dritten zufrieden gewesen, aber wenn es schonmal sogut läuft. Bleibt nur noch zu hoffen, dass jetzt nicht das neue Motto ausgerufen wird:
“Pleitenfrei durch Liga 2”. Aber wer weiß was in dieser Mannschaft noch alles steckt.
Schönen Sonntag!