Es kommt es zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zulasten der Vereine, die unter normalen Bedingungen wirtschaften müssen. (Christoph Ehrenberg, Präsident des VfL Osnabrück zu den finanziellen Möglichkeiten von RB Leipzig via NOZ)
Schon erstaunlich, dass Menschen, denen man nur zu genau zutraut, dass sie wissen, in welchem Wirtschaftssystem sie tätig sind, tatsächlich Wettbewerbsverzerrungen aufgrund des Einsatzes von Finanzmitteln beklagen. Wohlgemerkt eines Wettbewerbs, bei dem noch keiner auf die Idee gekommen ist, tatsächlich gleiche wirtschaftliche Verhältnisse, sei es durch für alle Teams geltende Gehaltsbeschränkungen oder einen Maximaletat für jeden Verein, herzustellen.
Die Geschichte des Fußballs ist, Stichwort Wirtschaftssystem, vor allem in den letzten 25 Jahren, in denen er sich modernisiert und in der Breite der Gesellschaft popularisiert hat, auch eine von unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Ob das den Absturz der Ost-Vereine nach der Wende betrifft, der natürlich auch Folge eines finanziell schwierigen Umfelds war oder die Probleme, im Saarland oder in Schleswig-Holstein zum Bundesligafußball aufzuschließen. Letztlich sind unterschiedliche Wettbewerbsvoraussetzungen aufgrund von unterschiedlichen wirtschaftlichen Sachlagen der absolute Normalfall im Fußball. Einer, der meist nur dann angeprangert wird, wenn man selbst zu jenen gehört, die zu den nicht ganz so gesegneten zählen. Wobei die Geschichte von der Schuldenanhäufung beim VfL Osnabrück auch noch mal eine eigene ist.
Klar, RB Leipzig hat überdurchschnittlich viel Geld zur Verfügung und kann, solange Red Bull bei der Stange bleibt, nicht pleite gehen. Nur, wer entscheidet, was viel Geld ist und was vielleicht zu viel Geld ist? Und ist ein ordentlicher Zweitligaetat wie ihn RB Leipzig haben dürfte, für einen zur Spitze der dritten Liga gehörenden Verein, völlig inakzeptabel viel? Und machen es Millioneninvestitionen in Steine und via Transfers Zukunftsbeine schlimmer/ inakzeptabler?
Letztlich kann niemand, außer der Geldgeber selbst, festlegen, wie viel Geld ihm eine Sache wert ist. Ist es ein Mäzen kann der finanzielle Input schon mal den rein wirtschaftlichen Gegenwert sprengen, was aber für den Geldgeber nicht so dramatisch ist, weil sein Gegenwert eh einer ist, der sich aus Anerkennung oder schlichte Freude über den finanzierten Gegenstand, aber auch aus Geltungs- und Gewinnsucht speisen kann.
Bei Red Bull liegt die Sache aber anders, denn dort ist das Interesse am Fußball tatsächlich eher ein nüchtern-wirtschaftliches als eines, das sich aus dem besonderen Fokus von Chef Mateschitz auf diesen Sport an sich und aus dessen Privatvermögen erklärt (was Red Bull nur von Mäzenen, nicht vom Rest der Geldgeber des Fußballs unterscheidet). Sprich, das was Red Bull gerade investiert, soll sich an irgendeiner Stelle auch auszahlen. Was wiederum bedeutet, dass RB Leipzig auf mittlere bis lange Frist für den Finanzier rentabel sein soll. Einerseits natürlich durch Marketing im Sinne des Lifestyle- und Dosenprodukts Red Bull, andererseits auch durch optimierten Mitteleinsatz bei RB Leipzig selbst, in Form von möglichst zu erlangenden Transfereinnahmen beispielsweise.
Es ist dies letztlich das Geschäft aller am Kapitalismus beteiligten Parteien, dass man versucht aus investiertem Geld mehr Geld zu machen. Das ist das Grundprinzip des freien Marktes, das auch (bis auf Mäzene) sämtliche Geldgeber des Fußballs akzeptieren und leben. Sogar in Osnabrück. Für die eine Firma mag dabei der Mitteleinsatz höher liegen als für die andere, weil sie sich sicher ist, dass die Gelder an der richtigen Stelle ankommen und entsprechend refinanzieren oder Marketing kann auch generell eine wichtigere Komponente im Firmenbudget darstellen. Aber keine Firma, die nicht aus sentimentalen Erwägungen im Fußball investiert (was die wenigsten tun dürften), kann die selbstgesteckte Grenze wirtschaftlicher Vernunft dauerhaft überschreiten.
Klar, unbestritten hat RB Leipzig großes Glück mit der wirtschaftlichen Basis, auf der man das sportliche Gerüst bauen kann. Und klar hat man dadurch vor allem mittelfristig in jeder Liga, außer der Bundesliga, einen Vorteil gegenüber allen anderen Vereinen (mittelfristig, weil beim Übergang in eine neue Liga immer erst einmal Reibungsverluste und Entwicklungsprobleme auftreten, die diesen Vorteil aufheben; außer der Bundesliga, weil die Clubs die regelmäßig an der Champions League teilnehmen einen immensen Vorsprung haben, der sich nicht mal eben durch eine Investition aufholen lässt). Nur ist der Wettbewerb noch immer der Wettbewerb zwischen Mannschaften mit unterschiedlichen Voraussetzungen aller Art, wie er das schon seit eh und je ist. Weil es ein absurder Mythos ist, für den Profifußball einen Naturzustand zu postulieren, in dem Fußballer mit den gleichen, unverzerrten Startbedingungen aufeinandertreffen.
Möchte man einen solchen Zustand herstellen, schafft man entweder den Kapitalismus ab oder man entwickelt für den Ligenbetrieb entsprechende Regularien, die die wirtschaftliche Gleichheit regeln. Wenn man allerdings einen einzelnen, reichen Konkurrenten rauszieht und ihm vorwirft, er würde den Wettbewerb verzerren, dann bleibt letztlich nicht viel anderes als Populismus. Wenn man wie Ehrenberg nach einem gewonnenen Machtkampf auf Führungsebene Interimspräsident ist, dann ist dieser Rückgriff auf Volksnähe vielleicht ein wenig naheliegend. Aber inhaltlich trotzdem dürftig.
Guter und notwendiger Beitrag von rotebrauseblogger. Beim Dauerthema “Verzerrung der Wettbewerbe” und bei der vielbeschworenen “Fußballkultur” lohnt es sich, das ganze auch mal unter dem Aspekt der Steuerverschwendung unter die Lupe zu nehmen. Beim Thema “Verzerrung” braucht man nicht nur auf Großsponsoren à la Schalke 04 bzw. Firmeneigner à la Hoffenheim, Wolfsburg oder eben Leipzig zu scheuen, sondern auch vor einem gewissen Fanpöbel (“Fankultur”) zitternde Stadtväter, die misswirtschaftende Vereine immer mal wieder über Steuergelder retten. Ein besonders krasses Beispiel ist derzeit der “Traditionsverein” 1. FC Kaiserlautern, wo in einer nichtöffentlichen Stadtratssitzung auf Vereinsdruck ein neues “Mietmodell” für den Betzenberg durchgepeitscht wurde, wonach die Jahresmiete mal eben in der 2. Liga von 3,2 auf 2,4 Millionen Euro gesenkt wird. Und nachdem die Stadt 2003 zu einem Mondpreis von über 6 Millionen Euro ein Nachwuchsleistungszentrum des !. FCK gekauft hat, durfte es der Club jetzt für 2,6 Millionen zurückkaufen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Aber die Spieler dürfen weiter hohe Gehälter kassieren. Und es gibt x Beispiele für Steuerverschwendung (“Verzerrung”) zugunsten von “Traditionsvereinen” wie Dynamo Dresden, SV Babelsberg etc. etc. Und wo bitte ist das Problem, wenn Milliardäre wie Dietmar Hopp oder Dietrich Mateschitz ohne den Steuerbürger zu plündern ihre Gelder für ein Hobby oder die Vermarktung eines Konzerns ausgeben?
Diese Typen sind doch resistent gegen die Wahrheit. Populisten eben. Da wirfst du mit Deinem excellenten Artikel Perlen vor die Säue.
Wie ist das eigentlich bei Red Bull mit den Marketingausgaben und der Steuer, können diese Ausgaben von der Steuer abgesetzt werden?
Hab ich gar keine Ahnung.