Favoritenrollen sind ja so eine Sache. Sie belasten oft, machen die Beine schwer und den Gegner stark. Nicht so bei RB Leipzig, die zum fünften Mal in Folge in der dritten Liga ihrer Favoritenrolle gerecht wurden und auch bei der U23 des VfB Stuttgart mit dem Auswärtsstandardergebnis von 2:0 gewannen. Fünf Ligaspiele, fünf Siege, 9:0 Tore, viel besser geht es eigentlich nicht.
Beeindruckend daran vor allem mit welcher Ruhe und Abgeklärtheit man inzwischen in die Spiele geht und sie von Beginn an dominiert. Auch beim gewiss talentierten Nachwuchs des VfB Stuttgart II, der mit Rathgeb, Yalcin und Funk ein Mittelfeld aufbot, das auch höheren Ansprüchen genügen würde, machte man von Beginn an deutlich, dass man nicht gewillt ist, Punkte abzugeben.
Was man einerseits mit einem sicheren Spiel gegen den Ball und andererseits immer wieder mit Nadelstichen gen VfB-Keeper Müller belegte. Poulsen und Frahn hatten die Führung schon früh auf dem Fuß. Kaiser versuchte sich auch im Torschuss, ehe Daniel Frahn nach einer knappen halben Stunde die völlig verdiente Führung erzielte.
Ein Tor, das genaugenommen im Mittelfeld erzielt wurde, wo sich Kaiser nahe der Mittellinie gegen zwei Gegenspieler durchsetzt und den Ball behauptet und so den entscheidenden Raum aufreißt, den dann Fandrich nutzt, um für den Kapitän aufzulegen. Eine perfekt ausgespielte Situation, die aus einem gewonnen Zweikampf im Mittelfeld einen zählbaren Mehrwert generierte.
So wie das Spiel bis dahin lief, konnte man schon fast davon ausgehen, dass mit dem Tor eine Art Vorentscheidung gefallen war, denn der VfB Stuttgart zeigte sich bis dahin und für den Rest der ersten Halbzeit bis auf einen Schuss, den Bellot über das Tor lenkte, komplett harmlos und vom Spiel der RasenBallsportler gegen den Ball überfordert. Bzw. spielte man auch bei fehlendem Druck den Ball meist zu ungenau, sodass die Innenverteidigung von RB Leipzig lange einen enorm ruhigen Tag verlebte.
Man kann nicht behaupten, dass die Gäste ein Feuerwerk der Fußballkunst abgeliefert hätten, aber man agierte souverän, indem man dem Gegner keine Luft ließ und selbst einigermaßen gefährlich blieb. Angetreten im nun schon gewohnten 4-3-1-2 mit Kaiser auf der Zehn demonstrierte man wieder einmal den Vorteil des neuen, eigentlich alten (in der Hinrunde hatte u.a. Thomalla als hängende Spitze in der Mitte eine ähnliche Funktion) Systems. Dass man mit Kaiser in vorderster Front eine prima Pressingoption hat und gleichzeitig jemanden, der per se das Spielgeschehen tiefer in des Gegners Hälfte verlagert, weil er mit seinen fußballerischen Qualitäten dort das Spiel mit dem Ball belebt, sodass die Position nicht vorwiegend mit tiefen Bällen überspielt werden muss.
Die zweite Hälfte war eine halbe Stunde lang eine Spiegelung der ersten. RB komplett dominant und überlegen, die Innenverteidiger eher unterbeschäftigt und normal vor allem als Ballverteiler gefragt. Folgerichtig macht Poulsen das verdiente 2:0. Nach einer Ecke, bei der VfB-Keeper Müller nicht ganz so gut aussieht, weil er sie unterläuft. Womit das Spiel eigentlich entschieden war.
Eigentlich deswegen, weil die RasenBallsportler irgendwann wirkten, als würden sie sich mit ihrer Überlegenheit selbst einlullen und so in der letzten Viertelstunde noch mal ein wenig unter Druck gerieten. Doch die eine Riesenchance zum Ausgleich verstrich ungenutzt (das Glück, das man hat, wenn es mal läuft), weil erst Bellot und dann die Latte retteten.
Doch in dieser letzten Spielphase sah man, wie der Gastgeber RB hätte eventuell beeindrucken können, nämlich durch Physis gepaart mit spielerischen Mitteln. Denn im Gegensatz zu den 75 Minuten zuvor wirkte der VfB-Nachwuchs plötzlich couragiert und suchte die Zweikämpfe und gewann zur Abwechslung auch welche. Doch Spielstand und ablaufende Uhr sprachen gegen eine späte Wende im Spiel.
Sodass das Zittern und die größere Aufregung ausblieben und der geneigte RB-Beobachter das Geschehen recht entspannt beobachten konnte. Und sich nebenher die Frage stellen durfte, wo denn diese neue Souveränität, die sich doch ziemlich deutlich von der sympathischen, aber eher unreifen Wildheit aus Teilen der Hinrunde unterscheidet, herkommt. Was dahingehend nicht falsch verstanden werden soll, dass in der Balljagd immer noch Wildheit drin steckt. Diese aber mit einem ausgeglicheneren, ruhigeren Maß an Bällen in die Tiefe und Ballbesitzfußball kombiniert wird.
Fazit: RB Leipzig zumindest 75 Minuten lang im Stile einer Spitzenmannschaft, die dem Gegner deutlich die Grenzen aufzeigt und im entscheidenden Moment auch die Tore macht. Eine Vorstellung, die sich perfekt in die Reihe der Spiele seit der Winterpause (ausgenommen das Burghausen-Heimspiel) einreiht und die neue Reife im Spiel der RasenBallsportler zeigt. Die sich nun in Spielen gegen Topteams (Osnabrück, Heidenheim) beweisen muss.
Randbemerkung 1: Sehr schöne Randnotiz, dass sich Sebastian Heidingers Vertrag durch seinen Einsatz in Stuttgart automatisch um ein Jahr verlängert hat. Wer vor der Saison prognostiziert hätte, dass Heidinger der stabilste und beste der RB-Außenverteidiger sein würde, den hätte man wohl verwundert angeschaut. Aber die Konstanz auf hohem Niveau, die Heidinger auf den Platz bringt, beeindruckt und macht die Vertragsverlängerung zu einer logischen Folge. Egal, ob dritte oder zweite Liga, in der aktuellen Form kann Heidinger beides.
Randbemerkung 2: Schöne Szene bei der Auswechslung von Joshua Kimmich, als er gut vernehmbaren Applaus von der Haupttribüne bekam. Vielleicht nicht unbedingt für seine Leistung, sondern eher dafür, dass man in ihm wohl immer noch einen Stuttgarter Jungen sieht, aber trotzdem ein sportlich faires, angenehmes Signal. Passiert ja auch nicht oft, dass einem Spieler im RB-Trikot auf fremdem Platz Beifall gezollt wird. Vielleicht waren es aber auch nur Verwandte und Freunde aus der Region, die ihn da beklatschten..
Randbemerkung 3: 300 Gästefans bei einem Spiel von RB Leipzig beim VfB Stuttgart II klingt nicht unbedingt viel, ist es aber, wenn man bedenkt, dass in Osnabrück auch an einem Freitagabend maximal die Hälfte anreiste. Erstaunlicher aber, dass gute Teile des Blocks nicht etwa aus Leipzig angereist waren, sondern aus dem Süden der Republik oder aus Stuttgart selber kamen. Schon interessant, dass die Identifikation mit RB Leipzig auch bei Menschen funktioniert, die eher fernab wohnen und meistens auf eine eher kurze Vergangenheit in der Messestadt zurückblicken. Aber auch schön zu sehen, dass es sich bei solchen Spielen bunt mischt. Amtssprache schwäbisch jetzt auch im Gästeblock sozusagen..
Randbemerkung 4: Ein bisschen hat man das Gefühl, dass Darmstadt gern das neue Halle oder Chemnitz werden will, also das Team, das aus dem Zweikampf mit RB Leipzig so viel Flow zieht, dass man unheimlich konstant punktet und auch Spiele knapp und kurz vor Schluss gewinnt. Wie die gestrige Partie gegen Duisburg, als erst ein Elfmeter kurz vor Schluss den Bann brach (aber auch drei verdiente Punkte brachte). Man sollte die Euphorie, die da gerade in Darmstadt auch aus der Underdog-Rolle entsteht, nicht unterschätzen. Könnte ein mitentscheidender Faktor werden. Und man darf sich schon mal das Osterwochenende vormerken, wenn die Hessen zum direkten Duell nach Leipzig kommen. Könnte am viertletzten Spieltag so etwas wie ein vorentscheidendes Spiel werden. Aber natürlich fließt bis dahin auch noch einiges Fußballwasser die Flüsse des Glücks oder Pechs hinunter.
Lichtblicke: Lehne ich mich angesichts eines Platzes mit überschaubarer Sicht auf das Feld nicht aus dem Fenster. Beeindruckt bin ich aber weiter von Benjamin Bellot, der wieder wenig zu tun hatte, es aber ziemlich famos hinkriegt, die drei, vier, gar nicht immer einfachen Bälle, die er im Spiel aufs Tor kriegt, zu entschärfen. Dürfte nicht ganz einfach sein, die Konzentration immer oben zu halten, wenn man eigentlich unterbeschäftigt ist.
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Tore: 0:1 Frahn (28.), 0:2 Poulsen (63.)
Aufstellung: Bellot – Teigl, Hoheneder, Sebastian, Heidinger – Fandrich (73. Röttger), Demme, Kimmich (82. Franke) – Kaiser – Poulsen (86. Morys), Frahn
Zuschauer: 1.300 (davon 300 Gästefans)
Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Liveticker, MDR-Bericht [broken Link], VfB-Bericht, Kicker-Bericht
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Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche
Danke für den wie immer tollen Bericht!
Der Ticker schrieb etwas von Streit im RB-Block und dass sich die Fans in 2 Teile getrennt hätten. Hast du davon etwas mitbekommen?
Danke für Deinen Spielbericht. Leider gab es für das Spiel kein Livestream. Doch wenn man die Spielberichte liest, dann kann man von einem sehr dominanten Spiel unserer Elf ausgehen. Die Stürmer netzen ein, das Mittelfeld steht, die Abwehr funktioniert und unsere Nummer 2/3 wird allmählich zum Hero. Klingt fast zu schön. Ein möglicher Aufstieg für unsere Jungs wird in den Heimspielen gegen Osnabrück, Heidenheim und Darmstadt entschieden. Ein Durchmarsch war für mich im August 2013 undenkbar. Wir werden sehen, ob man die Chance nutzt.
@Afred: Ein Teil der Fans zog nach Beginn des Spiels vom seitlichen Gästeblock, in dem es wegen baulichen Geschichten (Zaun) und Fahnen eine nicht ganz so gute Sicht gab, in den Hintertorgästeblock, weil sie dort besser sehen konnten. Streit habe ich dabei nicht wahrgenommen, es gab einfach nur zwei Bereiche, in denen man sich aufhalten durfte und verschiedene Wünsche, wo man stehen möchte.
Super spiel bericht wie immer.
Und ich kann dir recht geben das es viele gästefans und Sympathisanten von Süddeutschland kammen. So wie ich aus Nürnberg lernte ich nette leute aus Würzburg und Mannheim kennen. Da war ich schon selber überrascht :-)
Nun bin ich mal auf die spiele in Unterhachingen und das finale bei den Stuttgarter kickers gespannt.
Gruß aus Nürnberg
Norman