Im Mai noch war man davon ausgegangen, dass man auf ein Duell RB gegen Lok Leipzig auf absehbare Zeit verzichten muss oder je nach Sichtweise auch kann. Nur fünf Monate später traf man sich dann doch wieder, um im Sachsenpokal noch einmal einen Sieger auszuspielen. Und stärker noch als in der vergangenen Saison wurde deutlich, dass man von seinen Möglichkeiten her in unterschiedlichen Gewichtsklassen kämpft. Sodass der Favorit einen überwiegend souverän herausgespielten Sieg gegen durchaus nicht schlechte Feierabendkicker nach Hause fuhr.
Letztlich nicht weiter verwunderlich angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen werden jetzt einige einwenden, aber da in einem Pokalspiel auch bei unterschiedlichen Voraussetzungen immer mal Überraschungen passieren, wie einige Bundesligisten Jahr für Jahr feststellen müssen, ist das Normale, das da gestern im Spiel zwischen Lok und RB Leipzig eintrat, eben doch ein paar Bemerkungen wert.
Zumal Alexander Zorniger auf RB-Seite ein paar Umstellungen wagte und zum Beispiel Niklas Hoheneder, der bisher in Liga und DFB-Pokal keine Spielminute verpasste, nicht mal in den Kader berief. Auf Morys und Poulsen musste er zwangsläufig verzichten (verletzt bzw. U21 mit Dänemark). Fabio Coltorti durfte zur Familie reisen. Henrik Ernst wurde auf der Bank lange Zeit geschont. Sebastian Heidinger durfte nach Grippe auch entspannen. Sodass beispielsweise mit Thomalla, Kammlott, Schulz und Willers ein neu zusammengestelltes Team auflief, von dem man nicht per se wusste, ob es auf Anhieb funktionieren würde.
Man darf durchaus als positiven Fakt mitnehmen, dass aber genau dies der Fall war und RB Leipzig insbesondere in den ersten 30 Minuten an den Auftritt in Heidenheim und die ersten 60 Minuten in Osnabrück anknüpfte und zeigte, was sie im Fall, dass es läuft, stark macht. In dieser ersten halben Stunde setzten sie ihren Gegner mit aggressivem Pressing permanent unter Druck und ließen Lok so keine Luft zum atmen, geschweige denn zum geordneten Spielaufbau.
Im Normalfall spielte RB Leipzig den Ball lange hinten zwischen den beiden Innenverteidigern hin und her, immer auf der Suche nach einer Lücke und spielte dann lange, hohe oder flache, kurze Bälle in des Gegners Hälfte. Viel entscheidender aber, was man dann dort machte, nämlich nach Ballverlust den Gegenspieler sofort unter Druck zu setzen und sich so viele zweite Bälle zu erkämpfen und daraus dann Raum und Chancen zu generieren.
Lok kam bei diesem Spiel, in dem sich ein Klassenunterschied manifestierte, kaum aus der eigenen Hälfte heraus, sodass es nur ein Frage der Zeit sein konnte, bis sie das erste Gegentor kassieren. Einzig dass es bis zur 23.Minute und bis zu einem hübschen Schuss von Dominik Kaiser aus etwa 20 Metern dauerte, mochte in dieser Phase des Spiels überraschen.
Nach diesem Rückstand schnaufte die Lok kurz durch und konnte dann ab der 30.Minute langsam selbst Akzente setzen. Was vor allem daran lag, dass RB Leipzig nun nicht mehr denselben starken Zugriff auf die Lok-Spieler in deren Hälfte fand, wie noch in der ersten halben Stunde. Was auch wieder einmal zeigte, wie schmal der Grat zwischen – überspitzt gesagt – Genie und Wahnsinn bei RB sein kann. Denn sobald der aggressiv-kompakte Pressingzugriff nach Ballverlusten in des Gegners Hälfte fehlt, steht man in der Defensive öfters in Eins-gegen-Eins-Situationen, in denen immer mal Torgefahr entstehen kann.
In der ersten Halbzeit konnte Lok daraus noch kein torgefährliches Kapital schlagen. Und zu Beginn der zweiten Halbzeit beruhigte sich das Spiel zunächst etwas. Eine Chance vor dem Lok-Kasten, ein vergleichsweise knapp vorbeigehender Schuss von Patrick Grandner auf der anderen Seite. Das war es für die erste Viertelstunde in Hälfte 2.
Und dann stand es auch schon 2:0, weil ein Pass von Dominik Kaiser an allen Lok-Verteidigern vorbeirauschte und so von Daniel Frahn am langen Pfosten nur noch über die Linie geschoben werden musste. Ein Tor, das eigentlich die Vorentscheidung war.
Eigentlich, weil nun die stärkste Phase von Lok kam und man den fehlenden RB-Zugriff im Mittelfeld immer besser auszunutzen wusste und immer wieder schnell über die Flügel zum Zug kam. In drei oder vier Situationen hatten die Lok-Fans den zu diesem Zeitpunkt nicht ganz unverdienten Torjubel auf den Lippen, doch scheiterten die Spieler auf dem Platz an einem prima aufgelegten Erik Domaschke im RB-Tor, am Pfosten und vielleicht auch ein wenig an sich selbst.
Wäre in dieser Phase des Spiels noch der Anschlusstreffer gefallen, hätte es noch mal interessant werden können, so wurde es – auch durch die Einwechslung von Henrik Ernst, mit dem eine Beruhigung in die RB-Defensive einzog – in den restlichen 15 Minuten ein routiniert heruntergespielter Sieg für RB Leipzig, bei dem man das erfolgreiche Ausspielen von Kontersituationen verpasste und es so beim 2:0 blieb.
Nach dem Spiel zeigten sich dann beide Trainer zufrieden. Heiko Scholz konstatierte eine gute Leistung seiner Mannschaft, mit der man aber auch deswegen keine Chance gehabt habe, weil RB den Gegner nicht unterschätzt habe. Zorniger auf der anderen Seite lobte vor allem das Spiel bis zum 1:o, war aber auch ansonsten sehr damit zufrieden, wie sein Team immer wieder den Ball habe laufen lassen. Quasi ein Pokalklassiker, der Außenseiter schmeißt alles ins Spiel, was er hat und verliert trotzdem knapp, sodass alle Beteiligten, auch der Favorit, zufrieden nach Hause gehen können.
Fazit: Eine halbe Stunde lang war es eine Demonstration von RB Leipzig, wie man im besten Fall Fußball spielen kann. Für die restliche Stunde war es ein insgesamt ausgeglichenes Spiel, bei dem mit ein bisschen Glück auch Lok noch zu einem Treffer kommt. Betrachtet man die kompletten 90 Minuten, dann drücken die zwei Tore Vorsprung, die letztlich auf der Anzeigetafel standen, aber die Kräfteverhältnisse auf dem Platz recht gut aus. Was Lok durchaus als Kompliment mitnehmen kann, aber auch aus RB-Sicht durchaus Grund zur Freude ist.
Randbemerkung 1: Großartig die Lok-“Nummerngirls” (offizielle Vereinsbezeichnung), die zwar nicht bei einem Tor, dafür aber vor dem Spiel zum Einsatz kamen und bewaffnet mit drei Schildern mit den Buchstaben L, O und K eine Stadionrunde drehen sollten. Und nach einem Viertel des Weges vom Lok-Fanblock darauf hingewiesen werden mussten, dass es beim Halten der Schilder vielleicht auch noch darauf ankommen könnte, wie Schilder bzw. Damen aufgereiht sind und dass als KOL durch die Gegend zu laufen und mit dieser Kombination die Zuschauer zu animieren, vielleicht etwas an der Sache vorbeigeht. Nach kurzer Verhandlung im Dreierkreis und Bestaunen der Schilder konnte man sich dann doch noch auf die richtige Reihenfolge einigen und der Lok-Block dankte es mit einem entsprechenden L-O-K. Anschließend gingen die drei Schilderträgerinnen noch tapfer auf den Rest der Runde und zeigten auch dem RB-Fanblock, dass LOK und nicht KOL spielt..
Randbemerkung 2: Wäre ich ein neutraler, nicht subjektiv vorgeprägter Fußballfan und hätte mir das Spiel RB gegen Lok ausgesucht, weil ich nichts anderes an diesem Samstag vorgehabt hätte, wäre ich vom Lok-Block und dem Auftreten im Stadion wohl begeistert gewesen. Lautstark, sangesfreudig, abwechslungsreich und sehr aktiv. Zumindest 75 Minuten lang ziemlich fetzig und ne 1 mit Tendenz zum Sternchen. Dann kam einer dieser asozialen Böller, der kurz hinter der Ordnerkette knallte, ein Regen von Gegenständen, der bei einer RB-Ecke vor der Lok-Kurve auf Timo Röttger einprasselte und ein doch von einigen Hundert mitgetragener, an die RB-Anhänger gerichteter Schlachtruf “Ihr habt bezahlt, ihr kriegt aufs Maul”. Und schon wurde der prima Eindruck wieder ein gemischter..
Randbemerkung 3: Insgesamt wurden es letztlich reichlich 14.000 Zuschauer. Und angenehme Fußballatmosphäre. Insgesamt vielleicht leicht über die Hälfte auf RB-Seite. Die gesteigerte Unlust vieler RB-Anhänger das Spiel zu besuchen, führte dazu, dass im Vergleich zum Aufeinandertreffen im Mai ähnlich viele Lok-Fans, aber einige Tausend weniger RB-Fans da waren. Der RB-Fanblock war weiter gut gefüllt und vor allem in Hälfte 1 recht lautstark, aber auf der Haupttribüne gab es einigen Schwund. Was nicht nur zeigt, wie sich viele RB-Fans inzwischen Lok gegenüber positionieren, sondern auch, wo die Prioritäten liegen. Denn während bei Lok in Ligaspielen 2.000 Zuschauer kommen und man im Pokalspiel plötzlich 7.000 Leute auf die Beine kriegt, kommen bei RB zu Ligaspielen meist 10.000 Zuschauer und im Pokal nur noch 7.000. Im Pokal dem städtischen Nachbarn die Harke zu zeigen, scheint weniger attraktiv zu sein, als der Ligaalltag, durch den die Kräfteverhältnisse eh schon zementiert sind..
Randbemerkung 4: Ziemlich frech übrigens seitens des Veranstalters, für die Gegengerade, auf der die Lok-Fans saßen, die selben Preise wie auf der Haupttribüne zu nehmen und dann aber nur den kleinen Bereich in der Ecke, der neuerdings in Ligaspielen von RB als Gästeblock genutzt wird, zu öffnen. Sprich, da haben Leute 15 Euro gezahlt, die sicherlich gern auch auf Höhe der Mittellinie gesessen hätten und dann aber an die Eckfahne abgeschoben wurden. Dass es darüber Unmut gibt, kann ich mehr als gut nachvollziehen. Falls RB noch mal irgendwann gegen Lok spielen muss, wird das dazu führen, dass noch mehr Lok-Fans gleich ein Ticket für den RB-Sektor A lösen. Ob das seitens des Veranstalters/ Stadionbetreibers/ der Sicherheitsorgane so gewollt ist, sei einmal angezweifelt.
Randbemerkung 5: Immer mal schimpft man ja über den Mann mit der Pfeife. Weswegen es wohl nicht unwichtig ist zu erwähnen, dass Herr Klemm gestern eine absolut überzeugende Vorstellung abgeliefert hat und Partie jederzeit im Griff hatte. Er ließ vieles an Körpereinsatz laufen und pfiff, wenn es der übertriebene Einsatz nötig machte, sodass das Spiel viel Fluss und viel Geschwindigkeit hatte und ergo ziemlich attraktiv war. Erstaunlich aber doch, dass er in diesem ja durchaus aufgeladenen Duell mit nur einer gelben Karte auskam. Was auch ausdrückt, dass dem Duell letztlich der ganz große Pokalcharakter fehlte. Kein Vergleich auch zu einigen bereits absolvierten Drittligaduellen, in denen es – auch von RB-Seite – ordentlich auf die Socken gab und auch immer wieder Nicklichkeiten und versteckte Fouls eingebaut wurden.
Randbemerkung 6: Mit dem Sieg gegen Lok hat sich RB Leipzig bereits für das Achtelfinale des Sachsenpokals qualifiziert. Die Auslosung für die nächste Runde findet bereits am Montag (14.10., 15.30 Uhr) statt und wird auf mdr.de live gestreamt. Im Topf sind unter anderem noch die BSG Chemie Leipzig und der SSV Markranstädt. Die Austragung des Achtelfinals ist offiziell für den 31.10. (Reformationstag) angesetzt. Da RB Leipzig allerdings zwei Tage später bereits gegen den BVB II antreten muss, könnte es da auch noch Verschiebungen geben.
Randbemerkung 7: Skurril noch eine Geschichte am Rande der Partie. Denn am Abend vermeldete die LVZ online, dass es während der Partie, gegen 16 Uhr als die zweite Halbzeit begann, auf dem Vorplatz der Red Bull Arena Randale mit 500 Lok-Anhängern gegeben habe, bei denen Wasserwerfer eingesetzt werden mussten. Nur kurze Zeit später stellte sich aber heraus, dass die Polizei fälschlicherweise die Meldung vom Spiel im September 2012 noch einmal herausgegeben hatte. Damals gab es zur vermeldeten Uhrzeit 16 Uhr tatsächlich Auseinandersetzungen, diesmal feuerten allerdings zu dieser Zeit alle Beteiligten brav ihr Team an. Wie es einer Behörde gelingt, eine 13 Monate alte Pressemitteilung ein zweites Mal zu verschicken, ist allerdings doch arg erstaunlich..
Lichtblicke: Insgesamt muss man in diesem Spiel wohl die Mannschaftsleistung in den Mittelpunkt stellen, denn RB Leipzig präsentierte sich als ein sehr ausgeglichenes Team mit wenig Höhen und Tiefen. Eine Mannschaft, die die Aufgabe annahm und sehr routiniert runterspielte. Wenn man jemanden herausgreifen will, dann vielleicht den Torhüter.
- Erik Domaschke: Die Rolle des Ersatzkeepers ist gerade hinter einer so unumstrittenen Nummer 1 wie Fabio Coltorti eher depremierend, weil chancenlos. Da Coltorti aber eine Runde Extraurlaub gegönnt wurde, konnte sich Domaschke, der bei vielen anderen Drittligavereinen sicherlich die Nummer 1 wäre, mal wieder beweisen. Und tat dies in einer Art, dass man sich manchmal selber daran erinnern musste, dass gar nicht Coltorti im Tor steht. In allen Lebenslagen, ob auf der Linie, bei Flanken oder beim Herauslaufen sicher. Klar, er bekam lange fast nichts aufs Tor. Trotzdem war er hellwach und hielt als es drauf ankam, insbesondere in Hälfte 2, auch auf spektakuläre Art seinen Kasten sauber. Sehr beruhigend, jemanden wie Domaschke im Kader zu wissen, der sich trotz Chancenlosigkeit im Kampf um die Nummer 1 nicht hängen lässt und für die wenige Spielzeit, die er kriegt, topmotiviert und vorbereitet ist. Man sollte es – Profi und so – als Selbstverständlichkeit hinnehmen, aber eben genau das ist es nicht.
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Tore: 0:1 Kaiser (23.), 0:2 Frahn (64.)
Aufstellung: Domaschke – Müller, Willers, Franke, Jung – Kaiser (77. Ernst), Schulz, Kimmich (67. Röttger) – Thomalla – Kammlott, Frahn (84. Luge)
Zuschauer: 14.377 (davon reichlich die Hälfte RB-Fans)
Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Liveticker, MDR-Bericht [broken Link], Lok-Bericht [broken Link], Pressekonferenz-Ticker
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Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche
Ja, ein dickes Lob an die Mannschaft und ganz besonders Erik Domaschke.
Ein Spiel, welches durchaus 4:2 oder 5:2 für uns hätte ausgehen können.
Warum die Lokis in der 4ten die rote Laterne haben, ist mir schleierhaftaber, aber auch egal.
Diese Stadtderby braucht niemand, außer Lok. Das einige Loksche Vollpfosten ihren Verein bewusst in die Pleite treiben wollen, zeigen Böller und Wurfgeschosse. Auch egal, denn am Ende sind “die Anderen” dran schuld.
Warum zeigt der MDR die Auslosung am Montag live im Stream?
Die letzte Auslosung war Betrug und jeder Beteiligte weiß das.
Mir wird deshalb das gestrige Spiel immer als das Betrugsspiel in Erinnerung bleiben.
Noch ein Grund dafür, das gestern auf Seite der RB-Fans mindestens 10.000 Fans ihr Kommen verweigert haben.
Gut, das es unter den Fans bei RB Leipzig noch genug Leute gibt, die eben nicht alles mit sich machen lassen!