Da können wir ja jetzt wieder mal all die Fußballplattitüden aufwärmen, die man eben so aufwärmt, wenn es im Pokal gegen einen unterklassigen Gegner geht. Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Es gibt keine Kleinen mehr. Und so weiter. Wobei das aus der Sicht von RB Leipzig eh alles keinen Unterschied macht, da die jeweiligen Gegner eh immer zu 120% motiviert sind, wenn sie gegen den finanziell und personell ordentlich gepimpten RasenBallsport auflaufen, ganz egal ob der Wettbewerb Regionalliga oder Sachsenpokal heißt.
Aus dieser Perspektive heraus sollte das Achtelfinalspiel von RB Leipzig bei Einheit Kamenz eine lockere Geschichte werden, denn ein hochmotivierter Landesligist ist eben doch noch mal mindestens zwei Nummern kleiner als ein hochmotivierter Regionalligist. Trotzdem hat Alexander Zorniger natürlich recht, der irgendwann einmal (das Fatale an Zornigers Kommunikationslust ist, dass sich nur selten erinnern kann, in welchem Zusammenhang er was wo gesagt hat) in völlig anderem Zusammenhang (ich glaub es ging um die These, dass auf RB eine Saison voller Pokalspiele wartet) anmerkte, dass höherklassige Mannschaften in Pokalspielen im Normalfall aufgrund ihrer Einstellung scheitern. Was auch für RB Leipzig in Kamenz der alles entscheidende Knackpunkt sein wird.
Jenseits dessen spricht aber wiederum deutlich für die RasenBallsportler, dass die Differenzen zwischen Regionallga und Landesliga gerade im Bereich der Fitness nicht unwesentlich sein dürften. Felix Magath merkte einmal nach einem mühevollen Pokalsieg mit den Bayern beim Drittligisten (damals noch die Regionalliga) St. Pauli an, dass es nicht verwunderlich sei, dass man sich so schwer tue, weil vom Trainingsaufwand her Profis gegen Profis spielen würden, die sich in Bezug auf ihre körperlichen Voraussetzungen wenig nehmen. Das sollte im Normalfall für einen Vergleich RB Leipzig vs. Einheit Kamenz und völlig unterschiedliche Trainings- und Fitnessmöglichkeiten nicht gelten. Von daher könnte es auch ein Motto des Spiels werden, den Gegner der Einfachheit halber müde zu spielen.
Seit 2008 spielen die Ostsachsen, die man durchaus noch zum Großraum Dresden und zum direkten Einzugsgebiet von Dynamo Dresden zählen kann, in der sechstklassigen Landesliga und wurden vom immer noch amtierenden Coach Thomas Hentschel dahin geführt. Erreichte man im ersten Jahr souverän den Klassenerhalt, schnuppert man seitdem permanent am Aufstieg in die Füntklassigkeit und damit in die NOFV-Oberliga. Letztlich fehlten als Zweiter, Dritter und noch mal Dritter jeweils nur 3, 7 und im letzten Anlauf gar nur 1 Punkt zum Aufstieg. Kamenz könnte man mit Fug und Recht als DAS Landesligateam der letzten Jahre bezeichnen, wenn sie denn auf diese Bewertung größeren Wert legen sollten.
Das Team ist eine bunte Mischung aus Spielern aus der Region und aus dem Nachbarland Tschechien. Neben Dresdner Zugängen sind insbesondere vom Nachbarn Budissa Bautzen einige Spieler im Laufe der Zeit in den Kader gerutscht. Mit Keeper Ronny Schmidt, Sebastian Schenk, Danny Wochnik und Toptorschütze Benno Töppel stehen gleich vier Spieler im Kader der Kamenzer, die aus ihrer Bautzener Zeit wissen, wie man RB Leipzig schlägt, liefen sie doch am 13.09.2009 in der Startformation von Budissa Bautzen auf und brachten an jenem Tag dem noch sehr jungen Verein – damals noch in Markranstädt – die erste Pflichtspielniederlage der Geschichte bei (1:0). Kann man sich zwar nichts von kaufen, aber erzählen werden sie den Kollegen wohl doch davon.. (Ausführlicher mit dem Spielerkader der Kamenzer beschäftigt sich Rumpelstilzchen drüben bei den rb-fans.)
Das ist alles natürlich nicht furchteinflößend, zumal der Kamenzer Kader in der Sommerpause noch mal einen ordentlichen Umbau (10 Neuzugänge) erfuhr und auch noch Zeit zur Findung braucht, wie das kürzliche 1:3 beim Landesligaaufsteiger aus Döbeln bewies, aber Respekt sollte man trotzdem mitnehmen. Den Respekt zeigen und in positive Energie umsetzen, sollen diesmal für RB Leipzig andere Spieler, als dies in einem normalen Regionalligaspiel der Fall wäre.
Sicher auflaufen wird jedenfalls Neuzugang Erik Domaschke, der als Ersatz für die verletzte Nummer 2 Benjamin Bellot verpflichtet wurde und nun Spielpraxis mit der Mannschaft erhalten soll. Eine absolut sinnige Entscheidung. Wenn man schon die Idee hat, auf einen möglichen Coltorti-Ausfall vorbereitet sein zu wollen, dann sollte der Notnagel auch mal mit der Mannschaft spielen. Und für Erik Domaschke ist es eine Chance sich über sein Vertragsende bei RB Ende Dezember hinaus für andere Vereine interessant zu machen. Man möchte den Torwartscouts Sachsens und darüber hinaus am liebsten zurufen, dass da in Kamenz ein sehr guter Keeper für Angebote ab Januar oder spätestens zur nächsten Saison vorspielen wird..
Aber auch außerhalb des Tors dürfte der eine oder andere Spieler eine Chance erhalten, der zuletzt nur draußen saß. Carsten Kammlott fällt da naturgemäß ein. Aber auch Sebastian, Hoffmann, Judt, Koronkiewicz, Karikari und Röttger dürften zum engen Kandidatenkreis für die Startformation zählen (ob auch Umut Kocin schon so weit ist, wage ich zu bezweifeln). Da eine Komplettrotation einige Gefahren birgt, würde ich vermuten, dass gegenüber dem Meuselwitz-Auftritt letzten Freitag vier, fünf neue Spieler in die Startelf rutschen und der Rest als Korsett im Team verbleibt.
Man darf das nicht als mangelnden Respekt gegenüber dem Gastgeber missinterpretieren, denn wenn hier von einer Rotation gesprochen wird, dann ist das Rotation auf einem extrem hohen Niveau. Denn alle Spieler, die hier ins Spiel geworfen werden, sind Spieler, die mindestens höchsten Regionalligaansprüchen genügen und in diesem Spiel die Chance haben zu zeigen, warum sie ihrer Meinung nach auch außerhalb des Pokals ins Team gehören. Die Rotation ist also unter Umständen auch ein geeingnetes Mittel, den oben angesprochenen Einstellungsproblemen durch eine Extraportion Motivation in Form von sonstigen Bankspielern entgegenzuwirken.
Hauptmotivation sollte aber in diesem Fall die mögliche Perspektive sein. Denn der Sachsenpokal bietet quasi im Vorübergehen die Möglichkeit, sich noch einmal zusätzliche Highlights zu verschaffen. Einerseits steht dabei ein mögliches Sachsenpokal-Aufeinandertreffen mit dem Chemnitzer FC im Raum (der sich bei Lok für das Viertelfinale qualifizieren muss), gegen den es in welcher Runde auch immer ein garantiertes (und garantiert stimmungsvolles) Heimspiel (weil RB unterklasig ist) gäbe. Und andererseits muss man sicherlich niemandem näher erklären, was man sich mit einem Sachsenpokal-Sieg für großartige Erlebnisse im DFB-Pokal sichern könnte. Kann man machen, darf man machen, soll man machen.
Interessant am Spiel in Kamenz ist auch das Wohlwollen, das der Kamenzer Trainer Hentschel, der sein Team mit gewohnten Offensivqualitäten in den Pokalfight schicken will, im Vorfeld der Partie gegenüber RB Leipzig äußerte. „Das brauchen wir im Osten.“, wie er gegenüber LVZ-Online äußerte, entfährt sicherlich nicht jedem, wenn er zu RB befragt wird. Interessant daran ist, dass mir scheint, dass es abseits der (realen oder nur noch historischen) Ost-Fußballzentren Dresden, Aue, Jena, Halle und wie sie alle heißen gerade in den kleineren Städten (wie zuletzt in Auerbach oder auch in Hoyerswerda, die auch hätten Gegner von RB werden können) durchaus einen positiven Blick auf das Potenzial des RasenBallsports gibt. Vielleicht, weil man dort aus naheliegenden Gründen keine Konkurrenz empfindet, sondern ausschließlich die sportlichen Aussichten im Blick hat. Es trifft sich zumindest mit meinem Gefühl, dass RB Leipzig vor allem auch im Umland, also abseits der Großstadt schon einiges an Zuschauerkraft gesammelt hat.
Fazit: Man sollte sich nicht davon leiten, dass die Pause in der Regionalliga ein wenig das Gefühl von Durchatmen vermittelt. Kamenz ist sicherlich kein Übergegner, aber wenn die Mannschaft so entspannt in das Duell geht, wie ich es bin, dann kann es auch mal eine böse Überraschung geben. Beeindruckt man den Gegner und die sicherlich zahlreich erscheinenden Zuschauer (mindestens 1.000, aus Leipzig dürften handgeschätzt 100 bis 200 mitreisen) früh, dann könnte es hingegen auch für die Spieler ein angenehm entspannter Tag werden. In den letzten drei Jahren war der Sachsenpokal für RB Leipzig nur partiell ein schöner Wettbewerb. Unter Oral den Pokal geholt, unter Vogel und Pacult jeweils im Viertelfinale in Zwickau gescheitert (das Los braucht man fürs diesjährige Viertelfinale also auf keinen Fall). Dem Gesetz der Serie nach wäre nun wieder der Gewinn des Sachsenpokals dran. Ein Sieg gegen Einheit Kamenz, gegen die RB Leipzig zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte antritt, wäre dafür Grundvoraussetzung. Darf meinetwegen auch ein schnödes 2:0 sein.
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Der lokale Sportsender 8Sport wird das Spiel Einheit Kamenz gegen RB Leipzig aufzeichnen und zusammen mit Leipzig Fernsehen zu verschiedenen Terminen als Aufzeichnung (und offenbar in voller Länge) zeigen. Termine: 14.10., 07:00 Uhr auf Leipzig Fernsehen. 14.10., 20:00 Uhr; 15.10., 21:40 Uhr; 18.10., 18:05 Uhr; 21.10., 20:00 Uhr auf 8Sport. Für alle, die Fernsehen nicht über Primacom gucken gibt es 8Sport auch im Livestream [broken Link]. Und auch Leipzig Fernsehen kann man via Livestream [broken Link] empfangen, wenn es das heimische TV-Programmangebot nicht hergibt. (Alle Angaben völlig ohne Gewähr, die beiden Lokalsender machen es einem nicht gerade einfach, ihre aktuellen Programme nachzuvollziehen..)