14 Jahre ist es nun her, dass ich das letzte mal live ein Fußballspiel von Energie Cottbus im Stadion der Freundschaft verfolgte. Jenes Stadion, das ein wesentlicher Anlaufpunkt meiner Kindheit, Jugend und meines frühen Erwachsendaseins war. Witzigerweise ging es damals, wenn ich den einschlägigen Historien glauben darf (ich erinnere mich nur noch an das Ergebnis und ein recht gutes Spiel), gegen den VfB Leipzig. Das Leben und die Kreise. Und so.
Dass 14 Jahre eine lange Zeit sind, merkte ich auch daran, dass inzwischen bei Energie eine Generation mitspielt, deren auch bei Energie spielende Väter ich teilweise nicht mal mehr live gesehen habe, weil sie erst (weit) nach mir zum Verein stießen. Auch die Architektur des Stadions macht auf viel die Spree hinuntergeflossenes Wasser aufmerksam, ist doch von meinem selbst besuchten Stadion der Freundschaft lediglich die Haupttribüne übriggeblieben und selbst die ist nicht mehr zu 100% original. Ein schickes, enges Stadion hat man sich mit drei Tribünen-Neubauten erschaffen, eines von dem man gestern erahnen konnte, was da mit mehr als 10.000 Zuschauern abgehen kann, eines das aufgrund seiner Bauweise im uneinheitlichen Patchwork-Stil einen ganz eigenen Charme hat.
Nun ja, es war demnach und alles in allem ein feierliches, aufregendes Erlebnis für mich mit vielen Erinnerungen. Das einizige, was mit der subjektiven Besonderheit des Tages nicht mithalten konnte, war das Spiel, das sich 90 Minuten lang eher unansehnlich zu seinem verdienten Ende schleppte. Und um das klar heraus und vorne weg zu sagen. Dass es ein eher unterdurchschnittliches Regionalliga-Spiel wurde, lag vor allem an den Gastgebern, die sich diesem Spiel mehr oder weniger komplett verweigerten. Man hatte manchmal das Gefühl, dass es sich um ein Trainingsspiel mit besonderer Spielform handelt. 20 Spieler in eine Hälfte und dann Kombinationen auf engem Raum trainieren, wobei es der einen Mannschaft verboten ist, selber anzugreifen..
Das Spiel begann mit zwei kleinen Überraschungen. Die erste bestand darin, dass Carsten Kammlott erstmals dieses Jahr von Beginn im Sturm ran durfte. Kammlott mühte sich 90 Minuten lang redlich, aber zumeist glücklos. Positiv gesprochen: Nur wer Dribblings probiert, dem kann auch mal irgendwann eins gelingen und der kann sich auch aus seinem Tief ziehen. Auch noch positiv gesprochen: Kammlott fiel gegenüber Sturmpartner Frahn nicht ab. Realistisch gesehen, ist da trotzdem noch ganz viel Luft nach oben. Auch realistisch gesehen ist es schön, dass ihm Peter Pacutl seine Chancen gibt.
Zweite Überraschung war der Einsatz von Henrik Ernst als Innenverteidiger. Die ganze Woche über war spekuliert worden, ob der endlich kurierte, potenzielle Abwehrchef Marcus Hoffmann in die Startelf rutschen würde. Doch dann stand er nicht mal im Kader und dafür kam der Anfang der Saison noch gesetzte und anschließend von Tim Sebastian ersetzte Henrik Ernst wieder ins Team. Ohne dabei sonderlich positiv aufzufallen. Kurz vor Schluss verursachte er noch einen unnötigen Freistoß in Strafraumnähe, ansonsten war Energie offensiv zu schwach als dass es Sinn machen würde, über die Innenverteidiger zu urteilen.
Die Story der ersten Halbzeit war eine schlichte. Cottbus mit 10 Spielern am eigenen Strafraum. RB Leipzig mit einem Ballbesitz irgendwo um die 80% mit dem Versuch wie im Handball immer schön um den Deckungsverbund herum zu spielen und die Lücke zu finden. Wenn man ehrlich ist, dann ist das nicht die Sorte Fußball, der man gerne zuguckt. Möchte man das positive betonen, dann kann man hervorheben, dass RB Leipzig bis 20, 30 Meter in die gegnerische Hälfte hinein unheimlich beweglich und ballsicher agierte. Sinnlose Ballverluste in neuraligischen Zonen und somit Konterchancen für den Gegner absolute Fehlanzeige. Was zugegebenermaßen auch damit zu tun hatte, dass der Energie-Nachwuchs in der neuralgischen Mittelfeldzone gar nicht erst in die Zweikämpfe ging.
Möchte man aus RB-Sicht das negative betonen, dann muss man hervorheben, dass der eigene Ballbesitz wenig zielführend eingesetzt wurde. Von der einen Seite über das Mittelfeld und die Innenverteidigung auf die andere Seite und wieder zurück. Grundsätzlich sicher nicht falsch, Ball und Gegner laufen zu lassen. Dass es aber nicht wirklich funktionierte, sah man auch daran, dass der Cottbusser Verbund sich immer in lockerem Trab und ohne größere Anstrengungen und ohne Lücken entstehen zu lassen hin zum Ball verschieben konnte. Sprich, einerseits ging es zeitweise zu langsam, andererseits gab es die Option, durch die Mitte zu spielen auf Seiten von RB nicht. Trotzdem war die erste Hälfte gegen einen ausschließlich destruktiven Gegner zumindest ok. Wenn Bastian Schulz seinen Riesen nach geschätzten 30 Minuten rein macht, läuft es schon früher in die richtige Richtung. Halt das alte Problem: RB Leipzig arbeitet sich gegen einen defensiven Gegner zu wenig Chancen heraus und nutzt diese dann nicht ausreichend.
Die zweite Halbzeit begann mit viel, viel beiderseitigem Schwung und innerlich frohlockte es hin zu einem ‘Juchhee, jetzt geht es los’. Nach fünf Minuten wusste man, dass dem doch nicht so werden würde. Die Cottbusser wieder komplett am eigenen Strafraum versammelt, wenn auch mit dem gelegentlichen Versuch RB auch schon mal an der Mittellinie oder gar in der gegnerischen Hälfte anzugreifen. RB Leipzig mit endlosen Ballstafetten von links über die Innenverteidigung nach rechts und wieder zurück und wieder hin. Im Unterschied zur ersten Halbzeit aber nun nicht mal mehr mit dem ganz ernsten Willen, daraus auch noch mal ein Tor entstehen zu lassen. Es war ein wenig zermürbend, das Spiel der zweiten 45 Minuten.
Zum Schluss hin wurde es sogar noch mal völlig unnötig spannend. Denn nachdem RB das zweite Tor nicht machte, weil man einige Konter-Situationen liegen ließ, Rockenbach mit seinen Dribblings nicht glücklich wurde und Kammlott nach Rost-Durchstecker über das Tor statt hinein zielte, witterte Cottbus noch einmal Morgenluft, freilich ohne dabei wirklich gefährlich zu werden. Lediglich die bereits oben erwähnte, von Ernst verursachte Freistoß-Situation brachte noch einmal viel Aufregung, bei der es der Karten-König der letzten Saison Stefan Kutschke schaffte, sich eine gelbe Karte abzuholen, ohne überhaupt auf dem Platz zu stehen, zumindest offiziell nicht. Dass der Freistoß aus vielleicht 20 Metern von den Cottbussern völlig unmotiviert mitten in die Mauer geschossen wurde, passte dermaßen perfekt zum Spiel, dass man es sich besser hätte gar nicht ausdenken können.
Fazit: Ein schräges, wenig niveauvolles Regionalliga-Aufeinandertreffen mit Testspielcharakter, was vor allem an der – zumindest für diesen Tag – fehlenden Regionalliga-Tauglichkeit der Gastgeber lag. 90 Minuten Spiel auf ein Tor oder besser Spiel vor einem Tor, denn das Tor selbst wurde in das Spiel nur höchst selten einbezogen. Hohe Pass- und Spielsicherheit, viel Bewegung im Spiel (insbesondere in der ersten Hälfte). Es war an diesem Samstagnachmittag in Cottbus nicht alles schlecht für RB Leipzig, aber es war auch weit davon entfernt, gut gewesen zu sein. Ballsicherheit mitnehmen, Durchschlagskraft erhöhen, könnte das Motto lauten. Und am Freitag gegen St. Pauli gucken, ob es klappt.
Anmerkung 1: Zu einem Auswärtsspiel einer Zweitvertretung zu fahren und dann “Ohne Leipzig wär hier gar nichts los” oder “Cottbus, wir hören nichts” zu rufen, löste zumindest bei mir ein wenig Fremdscham aus, liebe reisende, etwa 80 Mann starke RB-Anhängerschaft. Falls Ihr in ein paar Jahren bei der ersten Mannschaft von Energie und 10.000+x heimischen Anhängern mal diese Chance kriegen solltet, dann nur zu, aber so?
Anmerkung 2: 90 Minuten ziemlich direkt hinter Peter Pacult verbracht und festgestellt, dass man auf seiner Seite nun wirklich nicht Spieler sein wollte. Umut Kocin in Hälfte 1 und Timo Röttger in Hälfte 2 bekamen es zu spüren. Wobei es vielleicht auch wurscht ist, denn den österreichischen Dialekt, den Pacult beim Schimpfen (und in Cottbus gab es viel zu schimpfen) in Perfektion anwendet, versteht wohl sowieso kaum jemand. Ich jedenfalls habe von seinen Zwischenrufen kaum einen kapiert, außer ein herzhaftes “So blöd kann doch keiner sein” nach einer mit einer Abseitsstellung vergurkten Konterchance. (vielleicht hieß es aber statt blöd auch blind)
Anmerkung 3: Nicht ganz selbstverständliche, was da gestern mit Timo Rost in Cottbus passierte. Dass er bei den Anhängern von Energie nach seiner langjährigen Karriere dort weiterhin ein hohes Maß an Anerkennung genießt, wusste man. Dass man ihn beim Betreten des Platzes mit Applaus begrüßen würde, konnte man zumindest ahnen (was Timo Rost auch sichtlich genoss). Dass er sogar bei seiner Einwechslung Applaus von Cottbusser Seite bekam (wenn auch leiseren als bei der Begrüßung), ist dann doch sehr respektabel und erstaunlich. Sehr angenehmes, sehr faires Publikum da in Cottbus gestern.
Anmerkung 4: Offiziell 290 Zuschauer vermeldete der Stadiosprecher. Realistisch gesehen waren es 150 bis 200 mehr. Offenbar werden in Cottbus die Besitzer von Dauerkarten der ersten Mannschaft, die kostenlos zur U23 dürfen, nicht mitgezählt. Was ja auch schwierig wäre. Und schließlich und endlich auch egal ist. Wollts nur mal erwähnen.
Anmerkung 5: Lustig auch die Getränkepreise: 2,90 plus 1,10 Pfand. Macht beim Bezahlen ne runde Summe. Nur beim Zurückgeben der Becher am Ende des Spiels dürfte es für Chaos sorgen. Zumindest, wenn mehr als 400 Besucher kommen..
Licht- und Schattenblicke:
- Ich hab keinerlei Ausreißer nach oben oder unten gesehen. Keiner der herausragte, keiner der überdurchschnittlich nach unten abfiel. Geschlossene Mannschaftsleistung nennt man das wohl.
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Tore: 0:1 Röttger (38.)
Aufstellung: Borel – Müller, Ernst, Franke, Kocin – Röttger, Schulz, Geißler (74. Rost), Rockenbach (84. Heidinger) – Kammlott, Frahn
Zuschauer: 290
Links: RBL-Bericht [broken Link], RBL-Liveticker [broken Link], RB-Fans-Bericht [broken Link], MDR-Bericht [broken Link], Energie-Bericht [broken Link]
Kein Gegentor = einziger Lichtblick, und natürlich Röttger, hat alleine schon jetzt ca. 7 Punkte für RB als Vollstrecker gerettet.
Was ist mit Frahn und Kutschke los, zu viel gefeiert nach WOB?
Das jeder Gegner hinten gegen RB dichtmachen sollte, habe ja selbst ich Laie erkannt, jede Mannschaft, die das tut, ist mehr oder weniger erfolgreich beim Spiel gegen die “Stars” von RB.
Der Oral hätte am Spiel und in dem Ergebnis viele positive Dinge gesehen, so habe ich mir den Fußball unter Pacult nicht vorgestellt. Am Ende auch noch geschwommen, Kutschke holt sich die gelbe Karte als Reservist, unklar.
Derzeit tippe ich auf ein glattes 0 : 3 im Pokal, Augsburg darf nur nicht zu offensiv eingestellt sein, das wäre dann wieder unsere Chance, aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.
Anmerkung 1 kann ich so nur unterschreiben. Vielleicht mag es auch etwas witzig gemeint sein, rüber kommt es aber als pure Arroganz.
Anmerkung 1…..ihr habt immer was auszusetzen, oder?…..beim nächsten mal sind vielleicht einige Mitreisende zu arrogant ins Stadion gelaufen….meine Güte *Kopf-schüttel*…..Habt ihr nicht besseres zutun, als irgendwelche Fehlerchen zusuchen?
@Fan: Och, der obige Beitrag ist doch wirklich lang genug, als dass man sehen kann, dass es – mal für mich gesprochen – nicht nur darum geht “irgendwelche Fehlerchern” zu suchen. Ich finde besagte Fanrufe eine bemerkenswerte (weil peinliche) Randnotiz. So wie ich einige andere Sachen auch als bemerkenswerte (wenn auch nicht wegen Peinlichkeit) Randnotizen empfunden habe.
Zwei randnotizen :
Da ich im Stau stand kam ich 10 min vor Spielbeginn im Stadion an.Hier wurde ich einer Visite durch den SD unterzogen , die sich bis zur Einsicht in meine Brieftasche und zum ausziehen meiner Schuhe erging.( ich bin 62 J. )
Wie kann ein Trainer seine Mannschaft so defensiv einstellen, wenn man in dieser Saison nicht absteigen kann.
Irgendwie ticken die Uhren in Cottbus, was die Einlasskontrollen für Gäste-Anhänger angeht langsamer als anderswo. Habe das jetzt schon öfters gelesen, dass das (Schuhe ausziehen etc.) dort zum üblichen Prozedre gehört. Sicherlich aus schlechten Erfahrungen, aber es wirkt übertrieben. Auf der anderen Seite am Haupteingang war es dagegen sehr entspannt..
“Wie kann ein Trainer seine Mannschaft so defensiv einstellen, wenn man in dieser Saison nicht absteigen kann.”
Die Antwort ist ganz einfach: Nur so kann man RB in echte Schwierigkeiten bringen.
Die Gäste-Einlaßkontrolle läuft doch eher unter dem Aspekt “Schikane”.
Das habe ich ebenso gesehen, aber was ist das für eine (sportliche)-Geisteshaltung diese Nummer über 90 Minuten durchzuziehen. Da halte ich es wie PP:” Last die Buan doch Fußballspielen”.
Zum SD : habe ich auch schon als Schikane empfunden.Ich habe mich dafür über das schöne Stadion gefreut. Man kann richtig die Stimmung bei vollem Haus spüren. Halt so wie bei uns !