Na klar, wenn man über Lizenzprobleme bei RB Leipzig berichten kann, dann muss man das schon wegen der Story tun. Wenn es dazu noch um die Nichteinhaltung der 50+1-Regel geht, also um den rein formalen Streit zwischen RB Leipzig und dem DFB über die Frage, inwiefern sich die Entscheidungsgewalt von Red Bull bei RB in der Satzung widerspiegeln darf beziehungsweise eben nicht widerspiegeln darf, dann ist es erst recht eine berichtenswerte Story. Sowieso hatte ich mich schon gewundert, dass im Zuge der Reformierung der 50+1-Regel kürzlich fast ausschließlich über Wolfsburg, Leverkusen, Hannover und Hoffenheim, aber fast nie über RB Leipzig geredet wurde.
Die Story um 50+1 und den Streit zwischen RB und DFB wurde wiederum von der heutigen LVZ umfänglich und durchaus sehr informativ ausgeschlachtet. Drüben bei den rb-fans.de findet man die Langfassung der Texte, bei rb-leipzig-news.de [broken Link] die Kurzfassung. Interessanterweise hat sich der Verein bemüßigt gefühlt, den LVZ-Journalismus mit einer eigenen Audioantwort von Wolfgang Loos [broken Link] zu adeln. Entweder hat man beim Verein die Kommunikationsstrategie gewechselt und sagt nun manchmal doch nicht mehr gar nichts oder man sieht das Nervpotenzial des Themas und wollte schnellstmöglich eine eigene Sicht platzieren. Die – nun ja – ziemlich vor sich hin floskelnd geworden ist (keine Probleme, übertrieben, Zukunft, werden es lösen, noch lange Zeit).
Nun, ich werde wohl dem in nichts nachstehen und zum Thema nichts substanzielles beizutragen haben, auch weil mir grad schlicht die Zeit fehlt, mich durch Vereinssatzungen und Verbandsstatuten zu schlagen. Was einen ja nicht hindern muss, eine Meinung zu haben. Eine Meinung zu einer Story, die der LVZ zufolge so geht: Der DFB hat Schwierigkeiten mit der Satzung von RB Leipzig, weil laut dieser die Mitglieder nicht die Vereinsgeschicke bestimmen, sondern ein von den Mitgliedern auf sieben Jahre eingesetzter Ehrenrat, in dem drei Vertraute der Führungsebene von Red Bull sitzen. Deshalb soll laut LVZ die Lizenz für die kommende Saison gefährdet sein, weil der DFB die Umsetzung von Mitbestimmungsstrukturen (schon lange) fordert und nicht mehr länger auf die Umsetzung warten wird.
Glaubt man den Ausführungen von NOFV-Chef Milkoreit auch in der LVZ, dann ist die Mitgliederzahl bei RB Leipzig bei dem Streit kein Problem. Ob dies bedeutet, dass die sieben (ebenfalls Red Bull zugeneigten) stimmberechtigten Mitglieder ausreichten, um anstelle des Ehrenrates die Entscheidungen zu treffen, lässt sich aus dem Interview nicht ablesen. Ahnen lässt sich aber, dass Milkoreit eher auf die 200(?) nicht stimmberechtigten Mitglieder abzielt, die bspw. als Aktive, sonstige Angestellte oder Schiedsrichter Teil des Vereins sind, wenn er sagt, dass man “gerade hier im Osten immer stolz war, dass ein Großteil der Mitglieder auch die Aktiven sind.”
So weit so gut, aber eigentlich resultieren aus all dem formal-juristischen Geplänkel nur ebenso formal-juristische Fragen: Was würde im Fall der Fälle den Unterschied machen zwischen einem dreiköpfigem Ehrenrat und einer siebenköpfigem Mitgliederversammlung (bzw. sogar einer 200köpfigen, die aber nur aus vom Verein gewollten oder beschäftigten Mitgliedern besteht)? Warum soll die Mitgliederversammlung kein Vereinsorgan (und sei es ein Ehrenrat auf sieben Jahre) wählen dürfen, das ihrer Meinung nach die Vereinsinteressen am ehesten vertritt (dass Mitglieder Vertreter wählen, die dann die Entscheidungen ohne Rückfrage treffen, ist doch gang und gäbe)? Was zum Teufel hat den DFB geritten, RB Leipzig vor reichlich einem Jahr und auch für dieses Jahr eine Lizenz zu erteilen, wenn sie offenbar Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vereinssatzung haben?
Wie gesagt, ich kann das alles nicht erhellen, aber den letzten Punkt finde ich geradezu absurd für das Lizensierungsverfahren des DFB. Eigentlich bleiben da nur drei Interpretationen: entweder der DFB war naiv und dachte, RB Leipzig würde schon von selbst was an der Satzung ändern oder der DFB hat die Lizenz jeweils nur mit Bedingungen (nämlich die der Satzungsänderung) vergeben oder der DFB ist sich der Rechtmäßigkeit seiner eigenen 50+1- und Mitgliedermitbestimmungs-Paragraphen absolut nicht sicher und versucht einem Rechtsstreit aus dem Weg zu gehen und macht deswegen in Diplomatie und sanftem Druck. Ich tendiere zu ersterem oder letzterem.
Zu letzterem passt auch, dass derzeit offenbar die Juristen das Wort haben und für RB Leipzig unter anderem Christoph Schickhardt, Experte für Lizensierungsfragen an der Seite des Chefjuristen von Red Bull Soccer und Vorstandsvorsitzenden bei RB Leipzig Florian Müller in den Austausch mit dem DFB zieht. Letzterer ist aus meiner Sicht auch indirekt dafür verantwortlich, dass das Thema 50+1 und DFB derzeit bei der LVZ überhaupt auf der Agenda steht, denn seiner vom Verein anfangs nicht thematisierten und vom Bulls Club aufgedeckten [broken Link] und hier im Blog und später auch in der LVZ aufgegriffenen Inthronisierung folgte unmittelbar die LVZ-Frage, wer denn eigentlich dieser Ehrenrat sei, der den Herrn Müller da zum Chef berufen habe. Mit all den storytechnischen Folgen.
Die ich gut finde, denn gut recherchierte Artikel zu einem Themenfeld, in dem keiner der Verantwortlichen sprechen will, gibt es selten. Und interessant ist es allemal, wie welche Konstruktion den formalen Ansprüchen von 50+1 gerecht wird. Denn, dass Red Bull die letztinstanzliche Entscheidungsgewalt bei RB Leipzig abgeben und in die Hände einer großen (also mehr als sieben) Mitgliederversammlung legen wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Da ist sogar das Ende des Leipziger RasenBallsports wahrscheinlicher, für so konsequent würde ich Dietrich Mateschitz dann doch halten.
Realistischer ist allerdings, dass man sich mit dem DFB irgendwie arrangieren und das ganze anschließend solange ruhen wird, wie niemand auf die Idee kommt, es juristisch prüfen zu wollen. Juristisch wiederum würde ich ohne tiefe Fachkenntnis die Chancen von Red Bull auf eine Rechtssprechung in ihrem Sinne als hoch ansehen. Die 50+1-Regel, dass Investoren 20 Jahre im Verein aktiv gewesen sein müssen, bevor sie die Stimmmehrheit einer ausgelagerten Kapitalgesellschaft erwerben dürfen, stößt jedenfalls schon heute auf juristisches Unverständnis in Salzburg, wenn ich mich eines entsprechenden Berichtes in der LVZ(?) kürzlich recht erinnere.
Letztlich bekommt der DFB genau das, was er mit seiner 50+1-Eierei verdient. Zwei Jahre lang einem Verein eine Lizenz zu geben, um dann vor dem möglichen Aufstieg in die dritte Liga plötzlich die eigene Lizensierungsentscheidung ad absurdum zu führen und Satzungsänderungen endgültig einzufordern, ist typisch für einen Verband, der sich überall zum Kompromiss hangeln will, ohne irgendjemandem weh zu tun. Das war bereits bei Kind und Hannover und der Aufweichung der 50+1-Regel – mit der Rhetorik, sie gerettet zu haben – so.
Und das scheint auch beim Umgang mit RB Leipzig so zu sein, wo man schlicht nach Möglichkeiten sucht, den Schein zu waren. Was grundsätzlich natürlich in Ordnung ist, aber schrecklich unprofessionell wirkt, wenn man unter Anwendung derselben DFB-Regeln auf eine unveränderte RB-Satzung plötzlich zu einer anderen Lizensierungsentscheidung kommen will als früher. An der Differenz dritter zu vierter Liga kann es nicht liegen, denn in Bezug auf 50+1 und Mitgliedermitbestimmung macht die Ligenzugehörigkeit keinen Unterschied.
Der DFB hat es verbockt, früh auf Vereinsstrukturen bei RB Leipzig zu drängen, die ihrer Meinung nach den eigenen Verbandsregularien entsprechen. Und RB bzw. Red Bull haben es verpasst, sich im frühen Vereinsstadium eine solche Klärung einzufordern. Notfalls mit entsprechender Unterstützung durch die gültige Rechtssprechung. Jedenfalls absolut im Sinne einer dauerhaft tragfähigen Vereinsstruktur, die zumindest formal alle Ansprüche des DFB erfüllt und nicht alle 12 Monate im Rahmen der Lizensierung neu verhandelt werden muss.
Imho würde das im Umkehrschluss bedeuten das RB nichtmal prophylaktisch ne Lizenz für die 3. Liga in der letzten Saison beantragt hat. Das mag ich nicht so recht glauben, das so ein Testlauf ausgelassen wurde…
Ich weiß nicht. Nicht alles, was in der LVZ steht, muss stimmen. Ich bin der Meinung, dass das alles gar nichst mit der dritten Liga zu tun hat. Letztes Jahr nicht und dieses Jahr auch nicht. RB hat letzte Saison seine Unterlagen bestimmt auch für die dritte Liga abgegeben und hätte die Lizenz wohl auch dort bekommen (wenn vll. auch mit Murren). Der DFB mag inzwischen die Nase voll haben und auf eine Entscheidung drängen, aber er hat keine eigenen Regularien, die erst in der dritten Liga gelten.
Aber vielleicht hat man ja dem Verein auch am Anfang der Regionalliga zu verstehen gegeben, dass man beim DFB satzungstechnisch die Füße bis zum nächsten Aufstieg still halte. Und jetzt kommt das Rumpelstilzchen und holt sich sein Kind..
Wieder mal absolut lesenswert und informativ. Danke! Wir wundern uns gemeinsam, es war verdächtig still rund um RBL nach der 50+1-Reform. Lächerlich, was jetzt gerade passiert: VW und Bayer bekommen Carte Blanche und RedBull soll dasselbe nicht dürfen? Das geht vor keinem ordentlichen Gericht so durch.
Aber der Satz des Abends lautet: “Letztlich bekommt der DFB genau das, was er mit seiner 50+1-Eierei verdient.” AMEN Bruder!
In dem Statut des DFB zur 3. Liga/Regionalliga ist von Vereinen und Kapitalgesellschaften die Rede. RB Leipzig ist e. V. , d. h. es dürften grundsätzlich die Vorschriften des Vereinsgesetzes und des BGB gelten. Und die lassen den Vereinen wohl ziemlich großen Spielraum, zumindest was die Mitgliederzahl bzw. die Aufnahme von neuen Mitgliedern angeht – aber auch bei der internen Organisation.
Allerdings findet sich im dem o.g. Statut unter “C. Richtlinien für das Zulassungsverfahren Technisch-organisatorische Leistungsfähigkeit 3. Liga” unter
I. Zulassungsvoraussetzungen Ziffer 1 e) und g) ein paar Schmankerln, die etwas über den Rahmen der rechtlichen Vorschriften im Vereinsrecht bzw. BGB hinausgehen.
Ich denke – als juristischer Laie & nach lediglich kurzem Querlesen – dass RB im Streitfall wohl ziemlich gute Karten haben dürfte. Schau´n mer mal wie´s weitergeht.
“Aber vielleicht hat man ja dem Verein auch am Anfang der Regionalliga zu verstehen gegeben, dass man beim DFB satzungstechnisch die Füße bis zum nächsten Aufstieg still halte. Und jetzt kommt das Rumpelstilzchen und holt sich sein Kind..”
Nunja, wenn beim TÜV übersehen wird das mein Scheibenwischer kaputt ist kann es beim nächsten mal trotzdem bemängelt werden.
Btw, warum wurde diese Guido “Hammerstory” (immerhin Aufmacher auf Seite 1) nichtmal im Onlineportal der LVZ eingestellt?
Wenn man beim TÜV übersehen würde, dass der Scheibenwischer kaputt ist und Du baust deswegen einen Unfall, dann kann der TÜV-Prüfer seine Karriere aber beenden. Wenn man den leicht hinkenden Vergleich schon weiterdenken will.
Dann eben nicht hinkend: Der DFB vergibt öfters Lizenzen mit Auflagen, möglich das das hier auch der Fall war. Etwas ärgerlich finde ich – sofern der LVZ-Bericht stimmt – das hier schon wieder Kuschelkurs gegenüber RB gefahren wird, anstatt die eigenen Statuten durchzusetzen. Aber wehe wenn bei einem anderen Verein 3 Mark 50 in den Bilanzen falsch verbucht sind.
@Franke: Danke für den Link und den Verweis auf e) und g). g sehe ich nicht dramatisch, e ist schon eher ein ziemlich Eingriff in den Verein und ein Problem für RBL. Lohnt sich auf jeden Fall noch mal ein genauerer Blick in das Papier..
Anmerkung zu meinem Post von 8:07 Uhr: seit 09:21 Uhr ist der Artikel von gestern auch bei LVZ Online.
Wenn ihr euch alle so sicher seit, dass RBL eigentlich nichts zu befürchten hat, frage ich mich allerdings warum RBL dann extra den Schickhardt einkaufen muss? Und ob es sinnvoll ist, die juristischen Fragen vor einem richtigen Gericht klären zu lassen, steht auch auf einem anderen Blatt, selbst wenn RB gute Karten hätte. Wenn ich es richtig im Hinterkopf habe, wurden die Punkte. die jetzt kritisiert werden, schon in 2009 und 2010 vom DFB (in der Person von Koch) kritisiert. Ist also nicht so, dass der DFB jetzt auf einmal ein Fass aufmacht und vorher alles Knorke war. Vermutlich hat man gehofft, dass RBL bzw. RBL sich von selbst den üblichen (Vereins-)Gepflogenheiten etwas annährt, wenn der Laden erstmal etwas Fahrt aufgenommen hat.
Die Frage ist ja, WAS tatsächlich an der Vereinskonstruktion kritisiert wird und welche Rechtsauffassung sich durchsetzt (offenbar gibt es unterschiedliche) und da sich niemand in die Karten gucken lässt, bleibt nur Spekulieren. Und in den Statuten fällt mir nichts auf, wogegen RB verstoßen würde (formal gesehen) (siehe den anderen Beitrag dazu: RB Leipzig im Spiegel der DFB-Statuten). Was nichts heißt, dass ich irgendwas sicher weiß, dazu sind meine juristischen Kenntnisse doch zu arg begrenzt.
Meine juristischen Kenntnisse gehen auch gegen null. Von daher reine Spekulation, ob der DFB sich eventuell doch an der Mini-Anzahl stimmberechtigter Mitglieder stört (bzw. dem Verhältnis zwischen stimmberechtigt und nicht stimmberechtigt), auch wenn es nach Vertragsrecht reicht, wenn ein Verein 3 Mitglieder hat und die Aufnahme restriktiv behandelt. Oder ob es doch nur um die defacto Nicht-Kontrolle des Ehrenrates geht.