Es war ja nur ein Testspiel, das da für RB Leipzig gestern 0:2 verloren ging. Langweilig war es wohl. Intensiv, aber ereignislos heißt das dann in aufgehübschtem Sprachgebrauch. Gegen einen tschechischen Erstligisten darf man ruhig verlieren, wenn man deutscher Viertligist mit Ambitionen auf mehr ist. Gegen einen tschechischen Erstligisten, der laut offiziellem Ticker Top-Leute schonte, relativiert sich das schon wieder. Offensive Ereignisarmut jedenfalls ist nicht unbedingt das beste Zeugnis, ohne das überbewerten zu wollen. Verweisen möchte ich trotzdem darauf, dass das Spiel famos an das letztjährige Freundschaftszwischenspiel an einem spielfreien Wochenende kurz nach Saisonbeginn erinnert. Damals verlor RB Leipzig gegen Werder Bremen II mit 0:1. Was ja für den weiteren Saisonverlauf nichts bedeuten muss.
In der ersten Hälfte durfte die derzeit zu vermutende Stammelf agieren. Was bedeutet, dass im zentralen Mittelfeld Pekka Lagerblom und Neuzugang Bastian Schulz ihre Interaktion testen durften. Einzige Ausnahme im Stammelf-Testen war Carsten Kammlott, der 90 Minuten lang zeigen sollte, warum er auch dazugehören könnte. Was er der heutigen BILD zufolge nicht getan hat. Die junge Hoffnung scheint unter Pacult in einer handfesten Krise zu stecken. Eine Ausleihe und damit verbundene Spielpraxis hätte ihm eventuell gut getan. Nun ist es dank Ende der Transferperiode zu spät dafür.
Will man ein erstes Fazit der ersten Spiele unter Peter Pacult ziehen, dann fällt auf, dass RB Leipzig weiterhin unter dernselben Problemen wie im Vorjahr leidet, nämlich aus Spielanteilen Torgefahr zu generieren. Es hat sich ja im allgemeinen Ligabetrieb im Vergleich zum Vorjahr auch nichts verändert. Schnelles Spiel bei Ballbesitz schön und gut. Das funktioniert allerdings auch nur, wenn man die Bälle möglichst bereits im Mittelfeld abfängt. Was offensichtlich in der Mehrzahl der Regionalliga-Spiele nur selten der Fall sein dürfte, weil der Gegner das eigene Mittelfeld im Offensivspiel zumeist komplett weglässt. Womit man zu dem kommt, woraus bereits Tomas Oral im vergangenen Jahr das beste zu machen versucht hat, nämlich zum hohen eigenen Ballbesitz gegen zumeist dichte Abwehrreihen.
Gegen die Peter Pacult offenbar mit so ziemlich genau dem selben Konzept anzugehen sucht, wie es bereits Tomas Oral versuchte, nämlich mit einem 4-4-2 mit zwei Sechsern und kreativen, möglichst schnellen Außenbahnen. Ein Unterschied ist die gewachsene, individuelle Qualität auf diesen Positionen, wenn man nur die Duos Hertzsch/ Schinke, Sebastian/ Kammlott, Ismaili/ Watzka oder wer auch immer sich letztes Jahr mal auf rechts versuchen durfte mit dem konstanten und nominell hochklassigen Duo Müller/ Röttger vergleicht. Letzeres Duo verspricht wesentlich verbesserte Offensivoptionen. Inwieweit dies auch für Umut Kocin als Ergänzung zu Thiago Rockenbach oder wahlweise Sebastian Heidinger auf links gilt, muss man abwarten. Bisher agierte er offensiv eher zurückhaltend.
Während also bei RB Leipzig das Konzept der offensiven Außenbahnen identisch geblieben ist und sich das Duo Kutschke/ Frahn im Sturm analog zur letzten Saison zu etablieren scheint, ist es im zentralen Mittelfeld unter Pacult eher noch defensiver als im letzten Jahr geworden. Mit Lagerblom, Schulz und Rost sind drei Spieler erste Wahl, die eher klassische Sechser sind, während die Herren Laas und Geißler zum Ende der letzten Saison Spieler waren, die durchaus eher Richtung Acht als Richtung Sechs tendierten. Das muss nicht bedeuten, dass das Pacultsche Spielsystem defensiverer Natur ist, wenn denn die Außenverteidiger hier in die Bresche springen und Offensivaufgaben verrichten können. Grundsätzlich gilt, dass die Sechs unter Pacult eine Position zur Balleroberung und Verteilung nach außen ist. Grob gesagt, denn so exakt gepolt sind die Positionen in der Spielpraxis natürlich nicht und Lagerblom und Schulz natürlich auch zu Vorstößen und Pässen in die Tiefe in der Lage.
Trotzdem spannend, dass Pacult offenbar nach vielerlei Systemproben bei derselben Idee gelandet ist wie Vorgänger Oral. Mir scheint, dass die Differenz einerseits darin begründet liegt, dass er klarere Vorstellungen in Bezug auf seine Stammelf hat und diese umsetzt. Das Gefühl hatte man unter Oral gerade am Anfang seiner Amtszeit überhaupt nicht. Wobei Pacult aber auch den absoluten Vorteil hat, dass er seinen Kader fast komplett nach seinen Spielvorstellungen umgebaut und bestückt hat. Andererseits besteht die Differenz scheinbar darin, dass Pacult offenbar einen Ton trifft, der der Mannschaft mehr liegt als der Ton seines Vorgängers. Was sich auf Lockerheit und Willen der RasenBallsportler insgesamt positiv auswirken dürfte.
Ich bin weiterhin optimistisch, was den Saisonverlauf für RB Leipzig angeht, weil mir das taktisch-individuelle Gesamtkonzept stimmig erscheint, halte aber die Erzählung, dass Pacult einen anderen, offensiveren, erfrischerenden Fußball als Oral spielen lasse für Unsinn, weil er letztlich taktisch eine ähnliche Idee verfolgt, nur mit besseren, jüngeren und willigeren Einzelspielern.
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Tore: 0:1 Zoubele (28.), 0:2 Jindráček (79.)
Aufstellung Hälfte 1: Borel – Müller, Ernst, Franke, Kocin – Röttger, Lagerblom, Schulz, Rockenbach – Frahn, Kammlott
Aufstellung Hälfte 2 bzw. ab Minute 60: Kerner – Ismaili, Ernst, Sebastian, Rosin – Schinke, Lagerblom, Geißler, Lewerenz – Kutschke, Kammlott
Anmerkung zur Aufstellung: Heidinger und Rost fehlten komplett (wohl wegen Blessuren). Und: während der kaum noch berücksichtigte Shaban Ismaili eine (neue) Chance bekam, fehlte Alexander Laas selbst in diesem Test komplett.
Zuschauer: 230
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