Die haben einen Kompromiss ausgeklügelt, damit sich niemand wehtut. Mit Demokratie hat das wenig zu tun. (Werner Georg, Chef des Fußball-Landesverbandes von Sachsen-Anhalt in der Mitteldeutschen Zeitung vom 20.10.2010)
So, der vorerst letzte, absurdeste Akt in der Geschichte um die Regionalliga-Reform ist vorbei und damit vielleicht sogar der vorerst letzte Vorhang zum Thema in diesem Blog gefallen. Die zahlreichen Vorgeschichten gibt es weiterhin hier.
Der DFB-Bundestag hat heute Mittag beschlossen, dass die Regionalliga ab 2012 aus 5 Staffeln mit je 18 Teams besteht. Dabei darf jede Staffel über maximal 7 Zweitvertretungen verfügen. Der Aufstieg wird über eine noch genau festzulegende Aufstiegsrunde entschieden, an der die 5 Regionalliga-Meister plus wahrscheinlich der Zweite aus dem Westen (als dem mitgliederstärksten Verband) teilnehmen und in der drei Aufsteiger ausgespielt werden.
Mit dieser Entscheidung, die erstaunlicherweise als Kompromiss verkauft wird (nicht alles, was in der Mitte liegt, ist ein Kompromiss, zumal wenn man die für die Bestimmung der Mitte nötigen Enden nach Gutdünken festlegt) , wird die Abkopplung der 4.Liga vom Profisport manifestiert. Die zukünftige Regionalliga ist auf Amateurvereine zugeschnitten, weswegen vor allem aus dem bayerischen Fußballverband (der überwiegend bisherige Fünftligisten vertritt) und dem Bremer Fußballverband (aus dem in den letzten Jahren niemand so recht in die Regionalliga wollte) sofort Zustimmung zu hören war.
Folgerichtigerweise ist der Beschluss des DFB-Bundestages auch ein Kompromiss zwischen der Position der DFL (alles so lassen, wie es ist) und dem bayerischen Fußballverband als Vertreter der Amateurposition (8 Regionalligen, die zum Schluss die Amateurmeisterschaft ausspielen).
Die Vereine, die in der Regionalliga tatsächlich unter professionellen Bedingungen arbeiten oder in den Profifußball wollen (Kiel, Halle, Magdeburg, Münster, Chemnitz und Co) und im Rahmen der IG Regionalliga für ihre Interessen eintraten, müssen sich angesichts des Beschlusses vorkommen wie im falschen Film. Die Lösung, die sie favorisierten, zielte auf einen Ausschluss der 2.Mannschaften, also auf eine professionellere, sportlich attraktivere Liga. Was sie nun kriegen, ist eine noch stärker gen Amateurfußball ausgerichtete Liga, deren sportliche Qualität durch die Öffnung nach unten weiter verwässert wird.
Dazu kommt, dass die Ligen-Neustrukturierung, die der Präsident des bayerischen Fußballverbands mit den Worten einforderte, dass es kein Thema wert sei, die Einheit des Fußballs zu gefährden, auch wirtschaftlich keinen Sinn macht. Es wird nach der Regionalliga-Reform nicht nenneswert weniger Zweitvertretungen geben, sprich das Image der Ligen wird auch zukünftig arg ramponiert sein – von den sportlichen Verzerrungen durch den Einsatz von Profis mal abgesehen – sodass es auch weiterhin schwierig wird, in der Regionalliga relevante Sponsoreneinnahmen zu generieren.
Dazu kommt die Tatsache, dass völlig unklar ist, wie die Förderung durch den DFB in Zukunft aussehen wird. Derzeit gibt es pro Verein etwa 90.000 Euro an Fernsehgeldern (vermutlich Gelder, die nicht durch Fernsehsender, sondern durch den DFB refinanziert werden). Ab 2012 sollte dieses Geld eigentlich wegfallen. Im Zuge des ‘Kompromisses’ hieß es wiederum, dass man die Vereine ab 2012 finanziell unterstützen wolle, tat also so als wäre dies etwas Neues, letztlich wäre es aber nur die Fortführung von etwas Altem. Da die Anzahl von Erstvertretungen, die vom DFB Gelder bekommen würden, durch die Staffelerweiterung von etwa 30 auf 55 wächst, dürfte klar sein, dass die Summe pro Verein eher sinken als steigen dürfte. Noch ein Schlag ins Gesicht für klamme Regionalligisten mit Profiambitionen, die nun einmal mehr Sponsoren verklickern müssen, dass sie mehr Geld brauchen. So sie denn nicht beschließen, dass sie ab jetzt auch lieber Amateursport betreiben. (Und ganz nebenbei denke ich nicht, dass DFB-Kompensationszahlungen strukturelle Probleme der Ligenstruktur lösen sollen/ können, von daher geht es auch nicht darum mehr Geld vom DFB zu fordern.)
Noch ein Problem besteht darin, dass die ins Spiel gebrachte Reduzierung der kostenintensiven DFB-Anforderungen an Infrastruktur und Sicherheit vom DFB kritisch gesehen wird. Mit Verweis bspw. auf eine sicherheitstechnisch schwierige Nordost-Regionalliga (siehe ganz unten) tut man sich schwer von den Anforderungen ans Stadion abzulassen. Bedeutet, dass auch hier keine Kostenreduktion entstehen wird.
Fazit: der DFB hat sich hinter verschlossenen Türen mal wieder einen sachfernen ‘Kompromiss’ gezaubert, der an den Interessen der Vereine, die derzeit Regionalligisten sind, komplett vorbei geht. Das Zwanziger’sche, väterliche Prinzip, von oben Einigungen zu verkünden, wo keine sind, wurde für die Regionalliga-Reform in Reinkultur durchexeziert. Eine derartige Entscheidung komplett ohne offene Diskussion der verschiedenen Interessensgruppen zu treffen, ist gelinde gesagt ein Unding. Unter diesen Umständen wären sowohl Reinhard Rauballs Vorschlag für ein Kommission, die bis zum nächsten Frühjahr Lösungen erarbeitet (und die im besten Fall wenigstens ALLE Interessensgruppen an einen Tisch gebracht hätte) als auch die leicht schräg anmutende Forderung meines Lieblingsvereins, einfach abzuwarten und weiter zu beobachten, die sachlicheren und besseren Wege aus dem Dilemma gewesen. Mit der Lösung mit 5 Regionalligen schottet sich der Profifußball weiter nach unten ab, sichert gleichzeitig seine Nachwuchsausbildung im Rahmen der Zweitvertretungen und wird sich zudem noch als Helfer des Amateursports aufspielen (Stichwort ‘Kompromiss’). Ausbaden müssen dies die Ambitionierteren unter den Regionaligisten, die in Ligen mit verminderter sportlicher Qualität, weiterhin schlechter wirtschaftlicher Ausgangsposition und der Unsicherheit der Aufstiegsrunde am Ende der Saison noch stärker als früher um ihre Existenz kämpfen werden. Das Thema Regionalliga-Reform mag für den Moment entschieden sein, es wird schneller wieder auf den Tischen der Entscheidenden landen als ihnen das Recht sein kann.
Link: Carsten Gockel, Sportvorstand von Preußen Münster und Sprecher der IG Regionalliga schon vor der Entscheidung mit (berechtigt) dickem Hals bei sportal.de (broken Link).
Zusatz: eine mögliche Nordost-Regionalliga. Verschiebungen möglich. Man denke nur an den FC Sachsen Leipzig, Lok Leipzig, Zwickau, aber auch an die zweiten Mannschaften von Dynamo Dresden und Carl Zeiss Jena:
- Chemnitzer FC
- Hallescher FC
- RB Leipzig
- Hertha BSC II
- VFC Plauen
- ZFC Meuselwitz
- 1. FC Magdeburg
- Energie Cottbus II
- Türkiyemspor Berlin
- FSV Budissa Bautzen
- Rot-Weiß Erfurt II
- Erzgebirge Aue II
- Germania Halberstadt
- VfB Auerbach
- Torgelower SV Greif
- Berlin Ankaraspor Kulübü 07
- F.C. Hansa Rostock II
- Brandenburger SC Süd 05
Da werden die “gelebte Demokratie im Fußball” Forderer wahrscheinlich jetzt entsetzt aufschreien, oder nicht?
Ich finde, es sollten all die entsetzt aufschreien, die vom DFB sachorientierte Entscheidungen erwarten. Dass die Regionalligisten, die ihre Perspektive eher Richtung Profifußball sehen ihren Leidensdruck äußern und eine Reform fordern und dann zwischen DFL (Profifußball) und DFB-Landesverbänden (Amateurfußball) zerrieben werden und eine Lösung präsentiert bekommen, die sie noch schlechter stellt als vorher, ist mir selbst mit ein wenig zeitlichem Abstand immer noch vorsichtig gesagt unbegreiflich. Man muss doch vom DFB als Verband, der den Spielbetrieb organisiert erwarten können, dass er nicht unnötig und voreilig einen Kompromiss mitträgt, der keiner ist, weil er die außen vor lässt, die derzeit die Regionalliga bilden. Richtig wäre es doch, sachorientiert alle Fakten auf den Tisch zu packen und auf dieser Basis dann die Frage zu klären, wie man die Nahtstelle zwischen Profifußball und Amateurfußball gestaltet. Die gewählte Lösung heißt mehr oder weniger, dass es keine Nahtstelle gibt, sondern bis Liga 3 Profifußball und drunter Amateurfußball gespielt wird. Heißt für den Regionalligisten mit Profiambitionen, dass er entweder wie RasenBallsport Leipzig einen potenten Geldgeber braucht, für den es erstmal egal ist, ob er mehr ausgibt als sich durch den Spielbetrieb refinanzieren lässt oder dass er sich verschuldet, in der Hoffnung es ginge bald nach oben und mit der Gefahr der Insolvenz oder dass er beschließt, dass man zukünftig nur noch Amateurfußball spielen will. Dass von dieser Auswahl die Vereinsführungen in Halle, Münster, Kassel und Darmstadt (die sich dementsprechend schon geäußert haben) absolut nicht begeistert sind, versteh ich mehr als gut.