Die im Titel benannte Fußballweisheit zielt ja meist auf den sozialen Zusammenhalt ab. Damit verbunden ist aber auch eine sportliche Komponente, die sich rund um das Thema Eingespieltheit dreht. Ein Thema, das schon aufgrund der bisher jährlichen Kader- und Administrationsumbrüche im Zusammenhang mit RB Leipzig keine übermäßige Bedeutung in einem positiven Sinne gewonnen hat. Und auch in diesem Jahr verweist (wie schon im letzten der inzwischen Ex-Kopf Beiersdorfer) Sportdirektor Wolfgang Loos darauf, dass die Situation angesichts des Kaderumbruchs im Sommer keine leichte gewesen und man deswegen mit dem Erreichten zufrieden sei.
Während man letztes Jahr im Laufe der Hinrunde das Gefühl hatte, dass alle drei, vier Spiele die Stammelf wechselte und ein eingespieltes Team so noch mehr Utopie blieb, als es angesichts der Ausgangssituation sowieso schon eine war, tendiert das Gefühl (zumindest bei mir) dieses Jahr in die entgegengesetzte Richtung, sodass trotz Kaderumbruchs schnell eine Stammelf gefunden war. Da das mit den Gefühlen so eine Sache ist, wenn es um Fakten geht, helfen da auch ein paar Zahlen.
Man nehme die Einsatzzeiten der 11 meisteingesetzten Spieler jedes Regionalliga-Vereins, addiere diese und setze diese ins Verhältnis zu der Zahl die man erhalten würde, wenn die ’11 Freunde’ jedes Spiel 90 Minuten auf dem Platz stehen würden. Anders gesagt: Die 11 meisteingesetzten Spieler bei Hertha BSC II haben zusammen 10.836 Minuten absolviert, hätten aber im Optimalfall 16.830 Minuten absolvieren können. Macht eine Quote von 64,4 Prozent, die gewissermaßen ein Indiz für die Eingespieltheit eines Teams ist. Oder anders gesagt: Bei Hertha BSC stand die Stammelf von 90 Minuten lediglich 58 Minuten auf dem Platz. Dann hier also die Tabelle für die Regionalliga Nord (Verein, Prozentquote, Minuten der Top 11, Anzahl Spiele, aktueller Tabellenplatz, Quote in der Hinrunde 2010/2011) (Daten via transfermarkt.de):
Verein Quote Minuten Spiele Platz Quote HR 2010/2011
Hallescher FC 85,99% 15324 18 3. 82,40%
RB Leipzig 83,63% 14903 18 1. 76,90%
Holstein Kiel 82,82% 14759 18 2. 76,60%
Germania Halberstadt 82,32% 14669 18 11. 85,40% (Chemnitzer FC)
TSV Havelse 82,01% 13803 17 7. 75,30%
VFC Plauen 79,46% 13373 17 8. 83,90%
ZFC Meuselwitz 79,18% 14110 18 10. 76,30%
1.FC Magdeburg 79,01% 13297 17 15. 76,90%
SV Meppen 77,87% 13877 18 17. 76,30% (Oberneuland)
SV Wilhelmshaven 75,73% 12746 17 14. 75,20%
VfB Lübeck 75,64% 12730 17 16. 84,10%
St. Pauli II 75,22% 11915 16 13. 72,90% (Türkiyemspor)
VfL Wolfsburg II 75,05% 13374 18 12. 76,90%
Berliner AK 74,55% 13285 18 5. 71,10% (Braunschweig II)
Hannover 96 II 74,08% 13201 18 4. 72,60%
Energie Cottbus II 69,64% 11720 17 18. 73,50%
HSV II 68,53% 11533 17 9. 75,00%
Hertha BSC II 64,39% 10836 17 6. 69,20%
Man darf sich anhand der Tabelle durchaus bestätigt fühlen. Gerade im Vergleich zum letzten Jahr gibt es bei RB Leipzig in viel stärkerem Maße eine Stammelf. Und das trotz der Tatsache, dass vor allem im zentralen Mittelfeld die Fluktuation eher groß war (Rost vs. Geißler). Lag RB leipzig vor einem Jahr mit 76,9% nur im Mittelfeld der Tabelle, kommt man nach dieser Hinrunde immerhin auf 83,6%. Statt 69 Minuten steht die Stammelf nun also in jedem Spiel 75 Minuten lang auf dem Platz. Und das liegt beileibe nicht daran, dass jetzt später gewechselt wird als vergangenes Jahr, denn Tomas Oral war als Spätwechsler bekannt.
Tatsächlich lässt sich davon ausgehen, dass ein zentraler Unterschied zwischen Oral und Pacult darin besteht, dass Zweiterer von Anfang an eine Stamformation (plus x) im Kopf hatte und mit dieser auch bei Rückschlägen durch die Saison gegangen ist. Pacult hat also offenbar ganz klare Vorstellungen, von dem was er sehen will, bei Oral wirkte das kadertechnisch manchmal arg nach sprunghaftem learning by doing. Der Tabellenplatz spricht (nicht wirklich überraschend) für die Arbeitsweise von Pacult..
Interessant in der Tabelle auch der Hallesche FC, der mit seinem Wert sogar noch die sehr eingespielten Chemnitzer des letzten Jahres toppt und damit den extrem homogenen Eindruck vom Auftritt bei RB bestätigt. Hätte der HFC noch ein, zwei offensive Überflieger wie der CFC sie mit Garbuschewski und Förster hatte, dann würde man wohl aktuell nicht über einen Tabellenführer RB Leipzig reden. Problematisch in Halle – auch in Analogie zu Chemnitz – der schmale Kader, der bei Verletzungen und Sperren zu einem Problem werden kann. Ich betone: kann. Bei den Chemnitzer machte sich das letzte Saison jedenfalls nicht bemerkbar.
Auffällig an den Zahlen der Tabelle noch Holstein Kiel, die genau wie RB Leipzig im Gegensatz zu 2010/2011 eine feste Formation gefunden zu haben scheinen, Germania Halberstadt, bei denen sich der Anschein der spieltaktischen Eingespieltheit, den man beim Auftritt in Leipzig vermittelte, in den Zahlen bestätigt und die zweiten Mannschaften, die naturgemäß, wegen ihrer Rolle als Ausbildungsmannschaften, ganz unten in der Tabelle stehen.
Fazit: Das Konzept von Peter Pacult, auf einen festen Mannschaftskern, mithin auf klare Strukturen und Hierarchien zu setzen, scheint sich zu bewähren. Zieht man in Betracht, dass die Mannschaft in der Form erst seit einem halben Jahr miteinander agiert, dann sieht man auch das Potenzial des Teams. Ein wenig beängstigend der Hallesche FC, die offenbar eine eingespielte, eingeschworene Mannschaft am Start haben, denen man nicht so recht zutraut, dass sie einbrechen.