Kaderrückblick RB Leipzig: Hinserie Bundesliga 2017/2018 – Teil I

Nutzen wir noch ein bisschen die Zeit für Rückblicke auf die Bundesliga. Heute im Angebot der subjektiv-qualitative Blick auf alle Spieler und ihre Leistungen. Auch unter Berücksichtigung ihrer möglichen Zukunftsperspektiven. Geordnet ist das ganze nach Positionen (Tor, Verteidigung, Mittelfeld, Sturm) und innerhalb dieser Positionen nach Einsatzzeit. Los geht es heute mit den Keepern und den Verteidigern. Morgen oder in den nächsten Tagen dann Mittelfeldspieler und Angreifer.

Tor

Peter Gulacsi (27 Jahre, 24 Spiele, 2190 Minuten): Eine merkwürdige Hinrunde für den Ungarn. Am Anfang im (Fan-)Umfeld von RB Leipzig noch sehr kritisch gesehen und immer mal wieder als Buhmann ausgemacht, war er nach dem DFB-Pokalspiel gegen die Bayern plötzlich der neue Publikumsliebling und wurde vom Kicker zuletzt sogar zum Keeper der Bundesliga in der Hinrunde gemacht. Die Wahrheit dürfte irgendwo zwischen diesen Extremen liegen. Gulacsi hat sich in dieser Saison noch mal auf hohem Niveau stabilisiert und spielt eine sehr konstante Hinrunde fast ohne große Patzer. Zudem versucht er inzwischen bei Flanken im Strafraum auch bei Verkehr vor seiner Nase etwas aggressiver zu Werke zu gehen und fängt dadurch ein paar Flanken und Ecken mehr weg als in der Vorsaison. Die Entwicklung ist absolut positiv, ein paar sichtbare Probleme bei allem, was mit Flanken in den Strafraum zu tun hat, bleiben aber. Entsprechend ist Gulacsi als Komplettpaket und gutem Fuß ganz sicher einer der besseren Torhüter der Liga (was man so vor einem Jahr noch nicht unterschrieben hätte), ob er in verletzungsbedingter Abwesenheit von Neuer nun gleich die Nummer 1 in der deutschen Bundesliga ist, darüber kann man sicher streiten. Aber mit Gulacsi ist RBL in jedem Fall sehr gut besetzt, darüber lässt sich nicht streiten.

Peter Gulacsi. GEPA Pictures - Roger Petzsche.

Yvon Mvogo (23 Jahre, 1 Spiel, 90 Minuten): Die gute Saison von Peter Gulacsi geht auch zulasten von Neuzugang Yvon Mvogo, der sich im Sommer vermutlich größere Chancen ausgerechnet hatte, Gulacsi einen harten Kampf um die Nummer 1 im Tor liefern zu können. Einmal kam Mvogo in der Bundesliga zum Einsatz und wirkte dort wie schon in der Vorbereitung ein wenig übermotiviert und so als ob er in diesen 90 Minuten ganz besonders zeigen will, was er drauf hat. Das kann dann beim Herauslaufen und bei der Strafraumbeherrschung schon mal schief gehen und eher nervös wirken als Eindruck schinden. Mvogo hat viel Talent und ist auf jeden Fall der aktivere Torwart als Gulacsi, braucht aber in seinen Aktionen mehr Ruhe. Ob er bei RB Leipzig die Einsatzzeit zum Reifen und zum Entwickeln von Ruhe kriegt, ist aber unklar.  Solange Gulacsi so hält wie in der Hinserie und sich nicht verletzt, wird es für Mvogo sehr schwer.

Fabio Coltorti (37 Jahre, 0 Spiele, 0 Minuten): Ist mit sich und der Welt im Reinen. Geht trainieren und hat keinen Schmerz mehr damit, dass Training für ihn nicht Vorbereitung auf Pflichtspiele heißt. Einen zufriedenen Coltorti in einer Mentorenrolle zu haben und zu wissen, dass man ihn im Notfall auch aufs Feld stellen könnte, ist für die Kaderplanung und für die Teamchemie viel wert..

Philipp Köhn (19 Jahre, 0 Spiele, 0 Minuten): Rückte nur einmal in dieser Saison in den Fokus. Und das war über Weihnachten, als er in Brasilien mit armen Kindern in einer Torhüterschule arbeitete. Das sagt eigentlich alles über die Hinrunde von Philipp Köhn aus. Stand kein einziges Mal im Kader und blieb so komplett ohne Spielzeit. Für Köhn ist es sicherlich extrem ungünstig, dass es keine U23 mehr bei RB Leipzig gibt, weil er so nur trainiert und nie spielt. Und an dieser Situation wird sich kurz- bis mittelfristig wenig ändern. Bzw. müsste schon sehr viel passieren, als dass sich daran was ändern könnte. In den letzten Jahren gab es so einige junge Torhüter, die bei RB Leipzig nicht glücklich wurden und nach ein, zwei Jahren weiterzogen. Mal sehen, ob Köhn der nächste Name auf der Liste wird.

Verteidigung

Marcel Halstenberg (26 Jahre, 23 Spiele, 1858 Minuten): Wie schon in der letzten Saison der Defensivspieler mit der meisten Spielzeit. Deutlich verbessertes Offensivspiel. Zusammen mit Forsberg und Bruma in der Bundesliga der viertbeste Scorer im Team und dort schon mit mehr Scorerpunkten als in der Vorsaison. Schoss pro 90 Minuten mehr als doppelt so oft aufs Tor wie Außenverteidigerkollege Klostermann. Hatte vielleicht ein richtig schlechtes Spiel und das war in Porto. Ansonsten auch angesichts der vielen Spielzeit mit einer überraschend konstanten Saison. Wobei es Konstanz auf sehr hohem Niveau ist. Gewinnt im Vergleich mit den anderen Außenverteidigern im Team deutlich mehr Zweikämpfe und hat ein solides Stellungsspiel in der Defensive entwickelt. Was auch deswegen bemerkenswert ist, da gerade die Defensive beim hohen Aufrücken von RB für Außenverteidiger, die dann auch oft mal allein verteidigen müssen, ein schwieriges Feld ist. Ein mindestens solider, konstant spielender Linksverteidiger mit wachsenden Offensivqualitäten. Kein Wunder, dass Halstenberg in den Vertragsverhandlungen mit RB nicht beim erstbesten Angebot zur Verlängerung zugeschlagen hat. Mit seinem Leistungsprofil ist er auf seiner Position in jedem Fall ein gefragter Spieler, wie auch die Tatsache zeigt, dass er sich mit Herthas Marvin Plattenhardt wohl um ein WM-Ticket streiten wird.

Marcel Halstenberg | GEPA Pictures - Roger Petzsche
Marcel Halstenberg | GEPA Pictures – Roger Petzsche

Lukas Klostermann (21 Jahre, 22 Spiele, 1675 Minuten): Erstaunlich, dass Lukas Klostermann der Defensivspieler bei RB Leipzig mit der zweimeisten Einsatzzeit war. Erstaunlich, weil man nach der fast einjährigen Auszeit wegen Kreuzbandriss eher damit gerechnet hatte, dass Klostermann die eine oder andere Erholungspause kriegt (aber im Gegenteil hatte er sogar noch die Zusatzbelastung durch die deutsche U21). Erstaunlich auch, weil Klostermann insgesamt nicht so überzeugte, wie man sich das vielleicht erhofft oder wie man im überhöhten Rückblick auf Olympia 2016 und Klostermanns einziges Bundesligaspiel gegen Dortmund damals geglaubt hat. Der Rechtsverteidiger bekommt viel Spielzeit, aber bleibt gerade im Offensivspiel meist blass. In der Vorbereitung gab es Spiele, wo er offensiv voll durchzog und man dachte, Klostermann wäre schon wieder der Alte. Auch bei der U21 gab es solche Szenen. Im RB-Trikot bremst er beim Weg an den gegnerischen Strafraum oft ab und geht auch ohne Ball selten die Wege in die Tiefe. Defensiv löst Klostermann weiterhin viel durch seine Schnelligkeit, aber seine schon in der zweiten Liga sichtbaren Probleme im Zweikampf sind geblieben. Führt vergleichsweise wenige Zweikämpfe und gewinnt vergleichsweise wenige. Keine ganz leichte Hinrunde für Klostermann, die zum Ende hin zumindest von steigendem Mut im Offensivspiel gekennzeichnet war. Mit 21 ist er weiterhin ein absolutes Versprechen auf die Zukunft. Wenn RB noch einen Konkurrenten für rechts hinten holt, dann könnte es für Klostermann aber auch mal eng werden bzw. könnte das zu weniger Einsatzzeit führen.

Dayot Upamecano (19 Jahre, 20 Spiele, 1672 Minuten): Mit seinen 19 Jahren schon so etwas wie der Kopf in der Innenverteidigung von RB Leipzig geworden. Zweikampfstärkster Spieler im Team. Erobert sehr viele Bälle. Antizipiert dabei auch sehr gut und läuft mit enormer Geschwindigkeit Bälle ab, ohne in den direkten Zweikampf zu müssen. Führt trotzdem viele Zweikämpfe und foult weniger als man immer von ihm denkt. Auch in Sachen Zweikampfführung im Strafraum ist Upamecano sehr viel umsichtiger und routinierter geworden. Wahnsinnssprung, den der 19-jährige binnen einem Jahr gemacht hat. Nicht mehr wegzudenken aus der Innenverteidigung bei RB Leipzig. Bei normaler Entwicklung in zwei, drei Jahren wohl einer der besten Verteidiger der Welt.

Willi Orban (25 Jahre, 20 Spiele, 1581 Minuten): Ist auch wegen Upamecanos Entwicklung in der sportlichen Hierarchie etwas zurückgefallen. Auf Upamecano verzichtet man ungern, bei Orban geht das schon mal bzw. findet sich jemand, der ähnliche Qualitäten mitbringt. Deutlich Hasenhüttls Begründung, als er in Dortmund Orban auf die Bank setzte und (den angeschlagenen!) Ilsanker vorzog, weil man mehr Geschwindigkeit in der letzten Linie haben wollte. Tatsächlich ist das die Achillesferse des Kapitäns. Die spielt nicht immer eine Rolle, weil Orban ein sehr gutes Gespür für den Raum hat und wann er welche Aktion machen kann, aber die fehlende Geschwindigkeit dürfte seine Karriere nach oben durchaus limitieren. Als Innenverteidiger ist er trotzdem ein sehr gutes Gesamtpaket, weil er über ein sehr gutes Aufbauspiel und über ein sehr gutes Zweikampfverhalten vor allem in der Luft verfügt. Das macht ihn zu einem guten und konstant-verlässlichen Innenverteidiger, den man zusätzlich zum angesehenen Typen Orban nicht missen möchte, aber das unfassbare Potenzial eines Upamecano liegt da eben nicht drin.

Stefan Ilsanker (28 Jahre, 14 Spiele, 1035 Minuten): Wie schon in der Vorsaison der Defensivallrounder im Team von RB Leipzig. Spielt von der Sechs über den Rechtsverteidigerposten bis zum Innenverteidiger alles. Verpasste wegen angebrochener Zehe acht Spiele und musste sich am Anfang der Saison seinen Platz im Team erkämpfen. War aber ansonsten ein ganz wichtiger Spieler. Fast schon im Demme-Modus einer, bei dem man vor der Saison glaubte, dass es für ihn mit Einsatzzeiten eng werden würde. Und am Ende spielt er dann doch fast jede Partie, wenn er nicht verletzt ist. Was eben auch daran liegt, dass er als flexibel einsetzbarer Spieler die Erholungspausen anderer Spieler auffangen kann. Guter Balleroberer, guter Zweikämpfer. Manchmal zu schnell am Boden in Zweikämpfen, um zu grätschen. Als Ballverteiler weiter mit Defiziten. Aber Ilsanker ist in Analogie zu Sabitzer mit seiner Mentalität in der Defensive ein sehr wertvolles Teilchen.

Bernardo (22 Jahre, 13 Spiele, 794 Minuten): Dass der Brasilianer so wenig Einsatzzeit bekam, überrascht nicht nur, weil er fast nie verletzt war, sondern auch weil Klostermann nicht so überragend spielte, dass man ihm nicht immer mal eine Pause hätte gönnen und dafür Bernardo spielen lassen können. Auch wenn rechts für den Mann für die linke Seite nicht optimal ist. Aber gerade defensiv ist Bernardo weiter eine gute Besetzung. Schnell, gut im Zweikampf, sehr gut im Tackling. Offensiv ist es halt bei Bernardo auf der rechten Seite etwas dünn, trotz sehr gutem Schuss, den er viel zu selten einsetzt. Vielleicht wäre er ja dann doch mal eine gute Option für die linke Innenverteidigerposition, nachdem Compper den Verein verlassen hat oder vielleicht täten Bernardo ein paar dauerhaftere Einsätze auf der linken Seite gut. Aktuell stockt die Entwicklung des 22-Jährigen, der so solide und robust spielen kann, aufgrund geringer Einsatzzeit etwas.

Ibrahima Konaté (18 Jahre, 8 Spiele, 593 Minuten): Erinnert in seiner ganzen Spielweise an Dayot Upamecano in seiner frühen Phase bei RB Leipzig, nur nicht ganz so schnell und mit ganz so viel Potenzial. Hat viele gute Anlagen, um ein guter Innenverteidiger mit gutem Zweikampfverhalten und gutem Aufbauspiel zu werden. Ist aber auch noch jung und macht Fehler und steht auch mal falsch. Solange er seine Spielzeit wie in der Hinrunde kriegt, wird er sich aber wie Upamecano auch relativ schnell zu einer verlässlichen Option entwickeln.

Marvin Compper (32 Jahre, 3 Spiele, 108 Minuten): Was für ein Absturz für den Routinier. Letzte Saison noch verlässlicher Partner an der Seite von Willi Orban. Diese Saison fast durchgängig Bank- und Tribünenhocker. 45 Minuten bekam er noch in der frühen Phase der Hinrunde in Augsburg, dann wurde er zur Pause ausgewechselt und war bis zur Winterpause fast komplett raus. Dabei spielte Compper in Augsburg nicht schlecht bzw. nicht schlechter als andere. Irgendwas im Binnenverhältnis schien an diesem Tag zerbrochen zu sein. Vielleicht war es aber auch tatsächlich nur die Tatsache, dass man bei RB Leipzig lieber mit Konate und Upamecano zwei Youngster entwickelt, als einem Routinier Spielzeit zu geben. Wobei ein Compper in einer Coltorti-Mentoren-Rolle für RB unheimlich wertvoll wäre. Aber zum reinen auf der Bank sitzen, ist ein Compper auch noch viel zu gut, zumal wenn man ein Angeobt von Celtic Glasgow kriegt und dort noch mal eine tragende Rolle spielen kann. Und mehr als die Bank wollte man Compper offenbar nicht versprechen. Für die Kaderplanung bei RB und auch für die Altersstruktur ist es kein Vorteil, dass Compper den Verein verlassen hat. Aus Compper-Sicht ist es das beste, was er machen konnte.

Benno Schmitz (23 Jahre, 1 Spiel, 81 Minuten): Für Schmitz ist das Ende der Fahnenstange bei RB Leipzig offenbar erreicht. Trotz Dreifachbelastung und trotz eines Klostermanns, der gerade erst aus einer langwierigen Verletzung kam, durfte er nur in einem Spiel auflaufen und das war in Augsburg. Ansonsten pendelte er zwischen Ersatzbank und Tribüne. Entsprechend ist sein aktuelles Leistungsvermögen nicht einschätzbar. Die Trennung steht unmittelbar bevor. Die Frage ist eigentlich nur, ob Schmitz schon im Winter wechseln will oder erst im Sommer. Vom Potenzial her bringt er viel mit für einen modernen Außenverteidiger, aber es fehlte dem Schmitz-Spiel auch immer ein wenig an Zug und Durchsetzungskraft.

Insgesamt ging es in der Defensive von RB Leipzig trotz Dreifachbelastung erstaunlich konstant zu. Gulacsi, Klostermann, Orban, Upamecano und Halstenberg waren die Konstanten, die anderen Spieler stopften dahinter die Lücken, die Belastungspausen und Ausfälle rissen. Etwas dünn es ist es auf der Außenverteidigerposition, wo man überlegen muss, wen man hinter Halstenberg, Klostermann und Bernardo als Nummer 4 im Team haben will. Schmitz ist es offenbar nicht mehr. Kilian Ludewig wäre die Variante aus dem Nachwuchs. Konrad Laimer wäre die interne Verschiebung von der Sechs. Ansonsten bliebe halt die Option einen dynamischen Typen zu verpflichten. Auch in der Innenverteidigung hinterlässt der Compper-Abgang natürlich eine Lücke. Da wäre die Frage, ob man diese einfach mit Ilsanker und/ oder mit Bernardo intern schließt oder ob es ein externer Neuzugang sein muss. Dass diese Position aus dem Nachwuchs besetzt wird, kann man praktisch ausschließen.

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Bisherige Kaderrückblicke:

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Bilder: © GEPA pictures/ Roger Petzsche

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