Weniger Rotation als gedacht

Rotation und Belastungssteuerung sind in der bisherigen Saison Wörter gewesen, die rund um RB Leipzig im Dauerfeuer verwendet wurden. Tatsächlich lassen sich diesbezüglich schon deutliche Effekte zeigen.

Denn bereits nach 20 Pflichtspielen hat RB Leipzig fast so viele Feldspieler eingesetzt wie in der letzten Saison in 35 Pflichtspielen während der gesamten Spielzeit. 21 sind es bisher, 22 waren es in der ersten Bundesligasaison.

Noch interessanter, dass 2016/2017 gerade mal 14 Feldspieler mindestens 20% der Spielzeit absolvierten. In dieser Saison sind das aktuell 17 Feldspieler, die zumindest halbwegs verlässlich auf Spielzeit kommen.

Entsprechend hat sich auch die Zeit deutlich verringert, die die zehn meisteingesetzten Feldspieler zusammen auf dem Feld stehen. 73 Minuten spielten diese zehn Akteure letzte Saison im Schnitt pro Spiel. In dieser Saison sind es bisher nur noch 66 Minuten im Schnitt.

Weniger gemeinsame Spielzeit für die Kernakteure. Dazu mehr Spieler, die relevante Spielzeit kriegen. Vor diesem Hintergrund, dass in der Besetzung des Teams doch ein ständiger Wechsel und ein wenig Unruhe herrscht, durchaus erstaunlich, dass man bisher eine so konstante Saison spielt. In dem ersten Block mit englischen Wochen schien es noch ein wenig ungewohnt und problematisch für das Team, dass Spieler vom einen zum anderen Spiel plötzlich draußen saßen. Seitdem scheint das kein großes Thema zu sein.

Wobei man die Rotation auch relativieren muss. Denn im Vergleich mit den anderen Teams aus der Bundesliga, die in Europa spielen, stehen die Top10-Feldspieler bei RB Leipzig relativ oft auf dem Feld. Dortmund, Bayern, Hoffenheim, Köln und Hertha haben jeweils zehn meisteingesetzte Spieler mit einer durchschnittlichen Spielzeit von zwischen 59 und 62 Minuten, in Leipzig sind es 66. Das summiert sich dann bei 20 Spielen mal schnell auf bis zu 140 Minuten, die die Kernspieler bei RB länger auf dem Platz stehen als in Dortmund.

Auch wenn diese Saison bei RB Leipzig die Rotation sehr viel größer geworden ist als letzte Saison, als man mit elf, zwölf Kernfeldspielern bestehen konnte, hat Ralph Hasenhüttl doch weiter eine recht klare Hierarchie. In der gibt es aktuell ungefähr 15 Feldspieler, die der Coach relativ gefahrlos zumindest in der Bundesliga durchrotieren lässt.

Dahinter kommen mit Laimer und Konaté Lösungen, die in einer größeren Rotation auch immer mal Chancen kriegen, aber ein Stück hinter dem Rest stehen. Und dann kommen mit Compper, Kaiser, Schmitz und Palacios jene Akteure, die auch unter den Bedingungen der englischen Wochen de facto raus sind. Zusammen 190 Spielminuten in 20 Pflichtspielen und seit Mitte September komplett ohne Einsatzzeit sind ein deutlicher Beleg für die These.

Interessant wird es auch, wenn man die Differenz zwischen Bundesliga und internationalem Wettbewerb nimmt. Während Hoffenheim, Köln, Dortmund und ganz extrem Hertha in der Bundesliga sehr viel stärker auf Konstanz bei der Kaderbesetzung setzen als in internationalen Wettbewerben, ist es bei RB genau andersherum.

So stehen in Leipzig die zehn in der Bundesliga meisteingesetzten Spieler knapp 64 Minuten zusammen auf dem Platz. In fünf Spielen in der Champions League haben die dort zehn meisteingesetzten Spieler dagegen 72 Minuten zusammen auf dem Platz verbracht. Sprich, während Hasenhüttl in der Bundesliga die Rotation sucht und im Kreise der 15 bis 17 Feldspieler relativ konsequent und belastungssteuernd durchtauscht, sucht man in Europa dann doch eher nach Konstanz und einem Kernteam.

Was relativ deutlich dafür spricht, wie wichtig man den europäischen Wettbewerb (erstmalige Teilnahme hin oder her) genommen hat. Wenn man das Auswärtsspiel in Monaco nimmt, dann dürfte das im Kern das 1A-Team gewesen sein. Da kann man dann immer noch mal nach Tagesform und Gegner streiten, ob Demme oder Kampl und ob Poulsen oder Augustin, aber im Kern war an jenem Tag die absolute Topelf auf dem Platz. Und die absolute Topelf war in der Champions League über fünf Spiele gesehen halt wesentlich häufiger und länger auf dem Platz als in der Bundesliga. Auch hier gilt dann wieder, dass es erstaunlich ist, dass man unter diesen Bedingungen in der Bundesliga trotzdem schon wieder auf Platz 2 steht.

Vielleicht steckt im Datenvergleich auch eine Idee davon drin, warum deutsche Teams in der Europa League nicht sonderlich gut aussahen. Weil man unter Umständen (und aus Perspektive der Vereinszukunft macht das ja auch Sinn) der Bundesliga einen wesentlich größeren Stellenwert bei den jeweiligen Aufstellungen beigemessen hat als dem europäischen Wettbewerb (wobei der Fokus aufs Kerngeschäft Bundesliga zumindest in Köln trotzdem ordentlich schiefgegangen ist).

Vergleicht man die die Starter in Europa mit dem Rest der Liga, dann fällt deutlich auf, dass die europäischen Teams wesentlich mehr Spieler in ihren Reihen haben, die schon mindestens 20% der Gesamtspielzeit bestritten. Sprich, bei einem Team mit Doppelbelastung zu spielen, erhöht die Wahrscheinlichkeit in der Breite auf relevante Spielzeit zu kommen, recht deutlich.

Im Schnitt sind es bei den EL- und CL-Teams 17 Feldspieler, die mindestens 20% der Spielzeit auf dem Rasen standen. Bei den restlichen Teams sind es im Schnit 15. Sprich, wenn ich europäisch mitspielen will, dann brauche ich im Kern, um in den Wettbewerben bestehen zu können, rund zwei Spieler mehr, die das Niveau haben, das Team auf Stammspielerniveau mitzutragen.

Interessanterweise sind bei RB Leipzig alle zehn meisteingesetzten Spieler schon letzte Saison in Leipzig gewesen. Dahinter folgen mit Kampl, Bruma und Augustin zwar schon jene drei Spieler, die den Kader für Europa verbreitert und fit gemacht haben, aber im Kern ist die Elf dieser Saison bisher noch die Elf der letzten Saison (was auch daran liegt, dass Demme im Vergleich zu Kampl in der Bundesliga sehr viel Spielzeit bekommt). Wenn man das noch weiterspinnen will, dann könnte man auch noch festhalten, dass sieben der zehn meisteingesetzten Feldspieler der aktuellen RB-Saison schon in der zweiten Liga im Klub waren..

Im Bundesligavergleich sticht derweil noch Mönchengladbach aus der Masse heraus. Dort hat man ein sehr enges Kernteam, das im Schnitt fast 80 Minuten zusammen auf dem Platz steht. Zum Vergleich: Letzte Saison war RB Leipzig mit im Schnitt 73 Minuten das absolute Topteam. Wobei sich die Zahlen dann im Saisonverlauf aufgrund von Verletzungen, Sperren oder Neuzugängen im Winter und vielem mehr immer noch mal relativieren. Entsprechend dürfte es auch bei der Borussia eher noch mal nach unten gehen mit den Zahlen. Im Moment scheint ihnen die Stabilität in den Aufstellungen aber ganz gut zu tun, wenn man bedenkt, dass sie sich auf Platz 4 eingeordnet haben.

Nach unten heraus fallen neben den Teams, die in Europa spielen, vor allem der HSV und Stuttgart. Der VfB wirkt dabei in seiner Mischung aus Stabilität und breitem Kadereinsatz fast wie ein Europapokalteilnehmer. Bei beiden Teams dürften die Werte aber auch nicht unwesentlich mit Verletzungen zu tun haben.

Insgesamt kann man festhalten, dass RB Leipzig im Vergleich zur Vorsaison sehr viel stärker rotiert, aber weiterhin eine deutlicher beanspruchte Kernrotation hat als andere Teams, die in Europa starten. Zudem bleibt der Unterschied zwischen Europapokal als Wettbewerb, in dem man eher auf eine Kernelf setzt und der Bundesliga als Wettbwerb, in dem man eher breiter rotiert, auffällig. Auffällig auch, dass trotz Roation Spieler wie Kaiser, Compper oder Schmitz gar nicht zum Zuge kommen. Das hätte man vor der Saison so sicherlich dann doch nicht vermutet.

[SpZ = Anzahl der Feldspieler, die jedes Team diese Saison bisher eingesetzt hat; SpZ > 20% = Anzahl der Feldspieler je Team, die mindestens 20% der Einsatzzeit ihrer Mannschaft hatten; Sp = Anzahl der Pflichtspiele, die das jeweilige Team bisher absolvierte]

 SpZSpZ>20%Sp
Bayern211721
Leipzig211720
Dortmund271721
Hoffenheim251622
Köln261820
Hertha221720
Freiburg261417
Bremen201415
Gladbach211315
Schalke181415
Frankfurt231515
Leverkusen211615
Augsburg211414
Hamburg231714
Mainz221615
Wolfsburg211515
Stuttgart221815
Hannover211515

[Top10 = Anzahl der Minuten von 90, die die zehn meisteingesetzten Spieler je Team für ihre Mannschaft in allen Pflichtspielen absolvierten (73 heißt, dass jeder der zehn Spieler pro Spiel 73 von 90 Minuten auf dem Platz stand); Top10 BL = Anzahl der Minuten von 90, die die zehn meisteingesetzten Spieler je Team für ihre Mannschaft nur in der Bundesliga absolvierten (73 heißt, dass jeder der zehn Spieler pro Spiel 73 von 90 Minuten auf dem Platz stand)]

 Top10Top10 BL
Bayern6161
Leipzig6664
Dortmund5961
Hoffenheim6062
Köln6163
Hertha6269
Freiburg6969
Bremen6969
Gladbach7879
Schalke7071
Frankfurt6670
Leverkusen6666
Augsburg7373
Hamburg6463
Mainz7372
Wolfsburg6465
Stuttgart6162
Hannover7072

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Ralph Hasenhüttl rotiert in einer engen Kernrotation ordentlich durch. | GEPA Pictures - Sven Sonntag
GEPA Pictures – Sven Sonntag

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