Zwischenbilanz: RB Leipzig in der Saison 2016/2017

Das erste Jahr in der Bundesliga wird ein hochgradig spannendes. Weil die Gegner plötzlich die Schwergewichte des deutschen Fubßalls sind, weil die Dimenson öffentlicher Aufmerksamkeit noch mal eine komplett andere ist und weil nach einem Aufstieg sowieso immer ein wenig die Unsicherheit mitschwingt, wo man mit seinem Leistungsvermögen eigentlich steht. Wenn die avisierten zwei Transfers noch gelingen und der Kader dann bis zur Nummer 17, 18 gut besetzt ist, sollte es drinliegen, das Saisonziel, nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben zu wollen, zu erreichen. Also irgendwas zwischen Platz 9 und Platz 14 als realistische Zielvorgabe, die einen halbwegs gelungenen Anpassungsprozess der jungen Hüpfer voraussetzt. Wenn das Team explodiert und ein bisschen Euphorie und Laune mitnimmt, dann ist auch noch mehr zumindest denkbar. Wenn wenig gelingt oder unvorhergesehene Ausfälle dazukommen, dann kann es auch schlechter und doch Abstiegskampf werden. Wobei diesbezüglich RB Leipzig den Vorteil hat, dass man im Winter eher keinen Schmerz hätte, noch mal tief in die Ablösekiste zu greifen und Lücken auszufüllen, wenn bis dahin Lücken erkannt wurden. (RB Leipzig vor der Hinrunde in der Bundesliga 2016/2017)

Ja, nun. Echter Fußballfachverstand eben. Aber bei allem guten Willen konnte man im Sommer eben nicht ahnen, dass RB Leipzig nach 16 Spielen (in der Folge der Einfachheit halber nach der Hinrunde genannt, auch wenn die eigentlich erst nach dem 17.Spieltag endet) von Platz 2 der Bundesliga grüßen wird. Völlig verdient von Platz 2 grüßen wird und nicht, weil drei-, viermal in der 92. Minuten noch der Siegtreffer eines glücklichen Aufsteigers gelang.

Die Erwartungshaltung an diese Bundesligasaison war eigentlich gering bis entspannt. Man wusste, dass RB Leipzig im Normalfall nicht absteigen kann (was weiterhin der besondere Luxus eines RB-Anhängers ist). Und nach oben hin schienen die Wege verbaut. Sodass eine Saison des Ankommens avisiert war. Ankommen wäre sowieso der passende Begriff gewesen, da die RasenBallsportler ja erstmals in einer Liga spielen, aus der sie nicht schnellstmöglich wieder rauswollen.

Und nun ist man schon wieder irgendwie auf der Jagd und (positiv) getrieben. Was aber auch an den etablierten Teams liegt, die unter den Erwartungen spielen und deswegen den Platz frei für Überraschungsteams wie eben Leipzig, aber auch Hertha, Frankfurt, mit Abstrichen Hoffenheim (weil man die Richtung Europa auf dem Zettel hatte), Köln oder Freiburg machten.

Bayern, Dortmund, Schalke, Mönchengladbach, Wolfsburg und Leverkusen hatte man vor der Saison als zentrale Kandidaten für einen Champions-League-Platz im Blick. Bayern sind die einzigen, die den Ansprüchen mit 39 Punkten gerecht werden. Dortmund steht mit 12 Punkten Rückstand auf den Spitzenreiter gerade mal auf Platz 6, aber immerhin auf Augenhöhe mit Platz 3 und 4. Leverkusen, als einer der heißeren Titelkandidaten gehandelt, liegt schon 18 Punkte hinter Bayern und acht Punkte hinter Platz 4. Bei Schalke sind es 21 und 11 Punkte Rückstand. Und bei Mönchengladbach und Wolfsburg kommen noch mal je fünf Punkte drauf.

Entsprechend seltsam ist diese Saison, die RB Leipzig da als Aufsteiger erwischt hat. Aber es ist auch extrem konsequent, wie sie durch die Liga pflügen und die Schwäche der großen Teams ausnnutzen und gegen Teams, die man vor der Saison auf Augenhöhe gesehen hätte, zuverlässig punkten.

Die Spiele

Die frühe Phase der Saison hatte so einige, für RB Leipzig positiv ausgehende Knackpunkte. Das Spiel bei Dynamo Dresden im DFB-Pokal gehört sportlich eigentlich nicht zu den positiven Erlebnissen. Nach 2:0-Führung zur Pause verlor man am Ende noch im Elfmeterschießen. Völlig unnötig, weil man die Gastgeber noch mal ins Spiel zurückholte. Doch die Niederlage hatte dahingehend ihr Gutes, dass man danach das Gefühl hatte, dass Ralph Hasenhüttl seiner Mannschaft noch mal stärker seine sportlichen Konzepte aufdrückte, nachdem er zuvor eher als Verwalter des Vorjahreszustands erschienen war.

Der nächste Knackpunkt war das erste Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim. In den ersten 10 bis 15 Minuten drohte RB Leipzig dort überrannt zu werden, weil defensiv die Kompaktheit fehlte. Doch man schüttelte sich kurz und zeigte dann eine dominante und überzeugende Vorstellung. Ein bisschen Glück hatte man mit dem späten Ausgleich zum 2:2, aber insgesamt war der Punkt mehr als verdient in einem Spiel, in dem man abgesehen von der Anfangsphase das bessere Team war und eigentlich auch hätte drei Punkte mit auf die Heimreise nehmen können. Nach dem Spiel in Hoffenheim wussten die RasenBallsportler, dass sie in der Bundesliga mithalten können.

Was folgte war der Knackpunkthöhepunkt des Spiels gegen den BVB. Vom Feeling her ein klassisches Pokalduell. Underdog gegen den zweitbesten Verein Deutschlands. Ein Spiel, in dem sich RB anfangs schwer tat, weil man gerade in Zweikämpfen immer mal auch ein bisschen grün wirkte. Aber man biss sich in die Partie, stellte den BVB-Spielaufbau komplett zu und hielt sich so im Spiel. Und je länger das Spiel dauerte, desto mehr wuchs die Überzeugung, dass man was holen kann. Eigentlich war es ein klassisches 0:0-Duell. Ein Ergebnis, mit dem RB auch gut hätte leben können. Erst recht nachdem Schürrle in der zweiten Halbzeit die Latte getroffen hatte. Doch es folgte der Siegtreffer von Naby Keita kurz vor Schluss und eine Jubelexplosion in der Red Bull Arena, die an Fabio Coltortis Siegtreffer eineinhalb Jahre zuvor gegen Darmstadt erinnerte. Nun wusste im Leipziger Team endgültig jeder, dass man in dieser Bundesliga mit Hasenhüttls Konzepten würde gut landen können.

So schön kann Fußball sein. Kollektiver Jubel nach dem 1:0 von RB Leipzig gegen Borussia Dortmund. | GEPA Pictures - Sven Sonntag

Als nächstes ging es nach Hamburg. Vor der Saison wegen der dortigen Kaderinvestitionen als schweres Auswärtsspiel ausgemacht, hatte RB nur eine knifflige Szene kurz vor der Pause zu überstehen, um den taumelnden HSV dann nach der Pause dank Umkehrspiel mit 4:0 zu demütigen und endgültig in die erste Saisonkrise zu schießen.

Was folgte war ein Heimspiel gegen einen weiteren Champions-League-Klub. Borussia Mönchengladbach war zu Besuch in Leipzig. Defensiv hatte man die Borussia lange gut im Griff und steuerte auf den nächsten Sieg zu, bevor der Gast mit dem ersten Schuss aufs Tor nach Abwehrfehler den Ausgleich kurz vor Schluss erzielte. Eher zwei vergebene Punkte, auch wenn Mönchengladbach in der zweiten Halbzeit dominant (aber eben auch bis auf eine Situation ungefährlich) agierte.

Dann ging es zum 1.FC Köln, der auch gut in die Saison gekommen war. Ein Spiel, das mit Verspätung begann, weil Köln-Fans die Anreise des RB-Busses blockierten. Im Spiel ließen sich die RasenBallsportler das nicht anmerken und machten früh das 1:0, kassierten allerdings anschließend noch das 1:1. Ein insgesamt gerechtes Resultat, auch wenn die Rasenballsportler in den letzten 15 bis 20 Minuten deutlich mehr im Tank zu haben schienen und noch mal Druck machten. Ohne die ganz große Gefahr auszustrahlen.

Und dann ging er so richtig los, der Ritt durch die Bundesliga. Acht Siege in Folge sollte man einfahren. Los ging es mit dem 2:1 gegen Augsburg, dem ersten Spiel, in dem man zeigte, auch gegen defensive, aber zu passive Gäste spielerische Lösungen zu haben. Nächstes Opfer war auswärts Wolfsburg, die sich mit vielen Problemen herumschlugen. Am Ende stand ein verdienter 1:0-Erfolg für RB.

Das folgende Heimspiel gegen Bremen wurde ein bisschen eine Kopie des Augsburg-Spiels. Tief stehender, auf Konter lauernder Gegner. Wieder gelang es RB aus dem Ballbesitz heraus das Spiel zu dominieren und mit 3:1 zu gewinnen. Auch Darmstadt konnte die Serie nicht stoppen und spielte gegen Leipzig ein seltsam unemotionales Spiel und verlor mehr als verdient mit 0:2. Und eine Woche später wusste Mainz bei der 1:3-Niederlage in Leipzig gerade in der ersten Hälfte mal gar nichts mit der Geschwindigkeit der RasenBallsportler anzufangen.

Vor der Tür standen nun die zwei schweren Auswärtsspiele in Leverkusen und Freiburg. Dabei hatte man in Leverkusen ein wenig Glück, dass man für Wackler in der neu gebildeten RB-Defensive nicht ärger bestraft wurde. Leverkusen hatte die große Chance per Elfmeter in der zweiten Halbzeit mit 3:1 in Führung zu gehen. Leno lässt auf der anderen Seite einen haltbaren Forsberg-Schuss ins Tor. Orban sorgt dann mit seinem Tor für große Emotionen und einen 3:2-Sieg, der nicht unverdient war, aber nur mit viel Matchglück zu Stande kam.

Dann ging es nach Freiburg. Mal ohne Schnee. Dort hatte man RB Leipzig vor dem Spiel zu einer der Übermannschaften der Liga hochgelobt. Und so schien man dann auch ein wenig aufzutreten. Völlig untypisch sehr passiv, fast schon mutlos ließ man RB Leipzig kombinieren und kassierte am Ende einer Forsberg-Zaubershow ein verdientes 1:4.

Das Spiel gegen Schalke 04 war dann völlig überlagert von der Werner-Schwalbe direkt nach Anpfiff. Elfmeter und 1:0 und viele Debatten im Anschluss. Und einige Wortmeldungen nach der Partie Richtung Werner, die deutlich drüber waren. Inklusive des klassischen ‘Jeder im Stadion hat das gesehen’-Quatsch. Am Ende gewann RB Leipzig 2:1, weil man vor allem in der zweiten Hälfte eine tolle Partie spielte und den Gästen mit Geschwindigkeit keine Chance ließ.

Das Saisonfinale wurde dann etwas holprig. In Ingolstadt hatte man eine Mischung aus Pech und zu wenigen Lösungen gegen eine aggressive und gleichzeitig zentrumskompakte Spielweise. Der FCI hatte derweil das Glück, dass ein Standard früh reinging. Denn in der Folge hatte man trotz zunehmender Konterchancen keine wirkliche Torgelegenheit mehr. 0:1 hieß es am Ende aus RB-Sicht. Erste Niederlage. Ausgerechnet beim Hasenhüttl-Ex-Klub. Ausgerechnet gegen Walpurgis, der auch mit dem dritten Verein im vierten Heimspiel gegen RB (wenn man Verlängerungen nicht mitrechnet) siegreich blieb (einmal wurde ihm der Sieg allerdings am grünen Tisch wieder aberkannt). Auch ne Leistung.

Eine besondere Leistung zeigte dann auch RB Leipzig wieder gegen Hertha. Domininat, überlegen, souverän. 2:0 am Ende. Mehr als verdient und nur hinsichtlich der Chancenverwertung unbefriedigend.

Ganz genauso ging es dann auch in München zu. Nur diesmal mit RB Leipzig in der Rolle des Opfers. Bayern spielte den Aufsteiger schwindlig und ließ den Ball und den Gegner permanent laufen. 3:0 zur Pause und am Ende gegen RB. In allen Belangen eine Klasse schlechter. Verkraftbar diese Niederlage nach der insgesamt überragenden Hinrunde. Allerdings war es schon erstaunlich, dass man ausgerechnet bei den Bayern, wo man eine Topleistung gebraucht hätte, am Ende die schlechteste Leistung der bisherigen Saison gezeigt hat. Auch über ein 5:0 oder ein 6:0 hätte man sich nicht beschweren dürfen.

Taktisches

Taktisch spielt man fast durchgängig ein 4-2-2-2. Je nachdem, welcher Spieler da wie positioniert wird, kann das auch mal etwas asynchroner aussehen. Wobei Spieler wie Forsberg und Sabitzer auch oft gar nicht als Außenspieler fungieren, sondern oft auch nach innen laufen und dort als Anspielpartner zur Verfügung stehen.

Ralph Hasenhüttl hat der Formation in dieser Saison klare Strukturen gegeben. Viele Positionen, die klare Rollen haben. Wie ein Timo Werner, der als Zielstürmer in der Tiefe aufblüht und vor dem Tor glänzen kann. Weil seine Stärken optimal eingebunden werden. Immer wieder wird betont, den Spielern klare Hinweise an die Hand zu geben, was sie auf ihren Positionen zu leisten haben. Entsprechend tun die Ausfälle im Defensivbereich zwar auf individueller Ebene weh, gelang es aber auch immer wieder, neue Lösungen zu implementieren. Rechts hinten spielten inzwischen mit Klostermann, Bernardo, Ilsanker, Schmitz und kurzfristig auch Kaiser gleich fünf verschiedene Spieler, die ihre Sache ordentlich machten.

Grundidee ist eine kompakte Formation, die kurz vor der Mittellinie beginnt aggressiv zu stören und Pressingsituationen auszulösen, aus denen heraus man dann das Umkehrspiel und den schnellen Weg zum Tor sucht. Das ganz wilde Pressing mit permanentem Anlaufen egal wo auf dem Feld aus dem Vorjahr ist dagegen verschwunden.

Was sich auch darin niederschlägt, dass RB Leipzig im Vergleich zur Vorsaison zwei Kilometer weniger läuft. Lediglich im Sprintbereich liegt man ganz leicht über den Werten des Vorjahrs. Generell liegt man im Bundesligavergleich bei den höheren Laufgeschwindigkeiten nur im Mittelfeld der Liga. Was aber auch dabei hilft, im Umschaltspiel ausgeruhter und effektiver zu agieren. Die Chancenverwertung, die letzte Saison noch ein Problem war, ist diese Saison jedenfalls keins mehr.
Der glücklichste Trainer der Bundesliga: Ralph Hasenhüttl. | GEPA Pictures - Roger Petzsche
Gefunden hat RB Leipzig im Saisonverlauf auch gute Lösungen im Spiel mit dem Ball. Gerade wenn der Gegner eher kompakt-passiv am eigenen Strafraum verteidigen will statt aggressiv nach vorn, hat man vielerlei Möglichkeiten, sich im vorderen Drittel festzuspielen und dort Lösungen zu finden. Oder den Ball geordnet ins vordere Drittel zu bringen und ihn dort nach Ballverlusten zurückzuerobern und kurzzeitige Unordnungen auszunutzen.

Dass man den Ball einfach nur rausschlägt, ist in der Bundesliga nicht verbreitet, was RB Leipzig für Balleroberungen entgegen kommt. Generell wird in der Bundesliga nicht ganz so intensiv gespielt wie noch in der zweiten Liga. Einige RB-Offensivspieler, die in der ersten Saisonphase zu Protokoll gaben, dass sie nun mehr Zeit bei der Ballannahme und Ballverarbeitung haben. Erstaunlicher Befund.

Ingolstadt und auch ein Stückweit die Bayern oder Schalke in der ersten Halbzeit haben angezeigt, wie man gegen RB Leipzig mit einem aggressiven Spiel gegen den Ball ganz gut bestehen kann. Vermutlich werden sich das andere Teams als Schablone merken und wird man in der Rückrunde das eine oder andere Team vielleicht mit einer veränderten Herangehensweise sehen. Auch da sind dann wieder Lösungen gefragt, die finden zu müssen Ralph Hasenhüttl immer wieder betont.

Was vielleicht im Laufe der Hinrunde ein wenig verschwunden ist, ist die Qualität im Spiel auf zweite Bälle. Lange Zeit waren lange Bälle auf Poulsen ein probates Mittel, weil der die Bälle gut kontrollieren und seine Kollegen mitnehmen konnte bzw. seine Gegenspieler so bearbeitete, dass seine Kollegen den Ball übernehmen konnten. Richtung Ende der Hinrunde wurde dieses Stilmittel etwas weniger effektiv eingesetzt. Was auch ein Stückweit wie in Ingolstadt an Poulsen lag, der da nicht so richtig fit war. Auch in München funktionierte dieser Teil der Spielidee nicht so richtig gut. Man wird dies als einen von vielen Plänen aber auch künftig brauchen. Gerade, wenn die Gegner aggressiv auftreten, so wie es Ingolstadt vorlebte und man die erste Kette des Gegners vielleicht mal einfach überspielen will.

Problematisches und Unproblematisches

Dass RB Leipzig nicht zu Unrecht ganz oben dabei ist, zeigt sich auch darin, dass man eine sehr gute Balance zwischen Defensive und Offensive hat. Wenn das Aureißerspiel in München nicht gewesen wäre, dann hätte man die wenigsten Chancen aller Bundesligisten zugelassen. Im Herausspielen von Chancen gibt es mit Hoffenheim, Dortmund und Bayern nur drei (deutlich) bessere Teams. Wenn man eigene und zugelassene Chancen gegeneinanderrechnet, dann ist man zusammen mit Dortmund das Verfolgerduo von Bayern München. Mit großem Rückstand auf die Bayern. Aber auch mit großem Vorsprung auf den Rest der Bundesliga.

Interessant auch, dass RB Leipzig im Schnitt die meisten Punkte aller Bundesligisten aus engen Spielen holt. Sprich, wenn eine Partie mit maximal einem Tor Differenz oder mit Gleichstand endet, dann stehen bei RB 2,0 Punkte pro Spiel zu Buche. Heißt, dass man es offenbar gut versteht, auch dann den Kopf oben zu behalten und Spiele zu gewinnen, wenn es eng zugeht.

Das würde man vielleicht nicht unbedingt vermuten, wenn man das Alter des Teams bedenkt. Die Stammformation ist eine der jüngsten Stammformationen der Liga. Von ihr hätte man durchaus denken können, dass sie mehr Anpassungsprobleme in der Bundesliga bekommt. Dass man so problemlos durchstartet und erst im letzten Spiel vor der Winterpause ganz viel Lehrgeld bezahlt, war so nicht zu erwarten.

Trotzdem bleibt natürlich die Frage, wohin einen so ein Jugendkonzept führen kann. Als Aufsteiger funktioniert es erstaunlich gut über Unbekümmertheit und Heißhunger auf Erfolg. Was kommt, wenn Spieler Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen wecken oder Alltag einkehrt oder sich Gegner besser auf die RB-Spielweise einstellen, ist noch nicht seriös zu beurteilen. Die Idee ist ja ein bisschen, dass Spieler mit RB mitwachsen und älter werden. Wie aktuell ein Dominik Kaiser als Paradebeispiel. Künftig werden Spieler eines bestimmten Entwicklungsstandes sicherlich auch zu größeren Vereinen wechseln.

Vereint nicht nur im Sieg, sondern auch in der Niederlage. Zwischen Mannscahft und Fans passt nach dem 0:1 in Ingolstadt kein Blatt. | GEPA Pictures - Roger Petzsche

Für die Zukunft stellt sich halt auch die Frage, inwiefern das Integrieren junger Spieler noch so gut funktioniert wie einst bei Poulsen. Seine Erfolgsgeschichte war nur möglich, weil er zu einem Drittligisten RB Leipzig wechelte. Bei einem Bundesligisten wäre er nie auf diese Einsatzzeiten gekommen. Sprich, Spieler eines Kalibers Poulsen, die man aus der zweiten dänischen Liga holt, wird man künftig wohl eher weniger sich in Leipzig entwickeln sehen. Schon ein Oliver Burke zeigt, wie schwer es ist in Leipzig nachhaltig Einsatzzeiten zu bekommen.

Insgesamt bleibt der Kader zu dünn. Was nur zum Teil an Verletzungen liegt. Sondern auch daran, dass Spieler wie Khedira, Boyd oder Kalmár schlicht kaum bis keine Einsatzchancen bekommen. Die Kernrotation besteht bisher aus zwölf Feldspielern. Wenn man mal die zählt, die mindestens die Hälfte der Einsatzzeit bestritten haben. Dazu kommen Schmitz, Burke und Selke. Das war es. Zwölf Kernfeldspieler plus drei Ergänzungen. Das mag gut für Abläufe sein. Hinsichtlich der Variabilität ist das nicht ganz so gut.

Und bei diesem Kader muss man noch bedenken, dass er bereits nach dem verlorenen DFB-Pokalspiel in Dresden noch mal mit Burke, Bernardo und Papadopoulos aufgehübscht wurde. Allerdings hatte man gleichzeitig Bruno und Nukan leihweise abgegeben. Fakt ist jedenfalls, dass der Kader eher zu dünn, denn zu dick ist. Das merkt man dann vor allem in englischen Wochen besonders deutlich.

Vorteil der bisherigen Runde war auch ein wenig der Spielplan. Was deswegen ein wenig erstaunlich ist, weil man vor der Saison eigentlich gegenteiliges vermutet hatte. Gerade zu Beginn schien die Kombi aus Champions-League-Gegnern zu Hause und Kann-man-auch-mal-gut-verlieren-Gegnern auswärts wenig vielversprechend. Am Ende erwies genau das sich als goldrichtig. Zu Hause war man in der Lage, jeden zu schlagen und ließ nur zwei Punkte liegen (und die unglücklich). Und auswärts erwischte man mit Hamburg, Wolfsburg und Darmstadt drei Gegner, die völlig von der Rolle waren, hatte in Leverkusen Glück, spielte gegen taktisch danebenliegende Freiburger und holte in den restlichen vier Spielen zwei Punkte.

In der Rückrunde wird man nach der Logik des Spielplans noch einige große Auswärtsspiele erwischen. Dortmund, Schalke, Frankfurt, Mönchengladbach und auch Bremen oder Hertha. Da wird es atmosphärisch und oder qualitativ ordentlich zur Sache gehen. Also eher wie in Köln werden. Auch damit wird man umgehen müssen. Zumal man bisher in drei Auswärtsspielen gegen Top7-Teams lediglich zwei Punkte holte.

Sonstso

Die Frage beim Aufstieg in die Bundesliga war, inwiefern sich das auf das Zuschauerinteresse auswirken würde. Da man als Austeiger auf Platz 2 in der Bundesliga steht, lässt sich die Frage nicht seriös beantworten. Fakt ist, dass von bisher sieben Heimspielen sechs ausverkauft waren. Allerdings verwiesen knapp 37.000 Zuschauer beim Spiel gegen Augsburg auch darauf, dass eine ausverkaufte Arena kein Selbstläufer ist. Von den nächsten drei Heimspielen sind zwei schon ausverkauft. Das dritte (Hoffenheim) dürfte spätestens im Januar auch noch folgen.

Interessant dürfte es dann gegen Darmstadt oder Ingolstadt werden. Wobei sie in der Red Bull Arena beim aktuellen Tabellenstand auch Fliegenfischen austragen könnten (wenn denn ein RB-Spieler dabei ist) und die Plätze würden weggehen.

Generell ist diese neue Liga auch wieder mal ein Umbruch in der Zuschauerkultur. Bzw. eine Entwicklung. Sich zu RB Leipzig zu bekennen, wird zu einem immer breiteren Phänomen. Dabei kam es im Hinrundenverlauf auch zu Ausdifferenzierungen in der Fanszene, die vielleicht schon länger dran waren. Der in der Vergangenheit etwas behäbige Fanverband als Gremium, das alle Fangruppen an einen Tisch bringen sollte, verlor die Gruppen aus der aktiveren Fanszene, weil man sich dort nicht mehr augeghoben fühlte. Nun gehen die ihren Weg über das Fanprojekt und deren Kommunikationskanäle zum Verein.

Im Fanverband verbleiben derweil Gruppen, die vielleicht stäker die Breite des Fanspektrums repräsentieren, dafür aber einen etwas gemächlicheren Stil bevorzugen. Muss am Ende gar nicht schlecht sein für die Gesamtsituation, wenn man denn im Gespräch miteinander bleibt. Fakt ist, dass die Anzahl der Gruppen, die mitsprechen wollen, in den letzten Jahren und gerade nach dem Aufstieg in die Bundesliga noch mal größer geworden ist. Was ganz natürlich dazu führt, dass sich das Gesamtgebilde wieder neu finden muss.

Initiative 60plus

Interessant dann dabei auch das Verhältnis zum Verein bzw. der Austausch mit dem Verein. Vielen Gruppen reicht das, was der Verein als Kommunikationskanäle anbietet, völlig aus. Sprich, relativ regelmäßige Veranstaltungen, die eher als Informationsveranstaltungen gehalten sind und in denen man den Kontakt zu Entscheidern wie Rangnick oder Mintzlaff oder auch Spielern pflegen kann, sind für viele völlig genügend, was Nähe zum Verein angeht. Für andere Gruppen ist ein höheres Maß an Einflussnahme erstrebenswert. Auch da gibt es durchaus Konfliktpotenzial, was aktuell durch die sportliche Situation etwas zugedeckt wird.

Ein kleines Bonbon gab es dann vor der Winterpause auch noch. Der Verein verkündete einen Verbleib in der Red Bull Arena (und deren Kauf), für den sich auch eine Initiative verschiedener Fangruppen und Einzelpersonen unter dem Namen Initiative 60plus (weil 60 Jahre Zentralstadion aka Red Bull Arena, denen noch mehr folgen sollen) stark gemacht hatte. Das war vermutlich nicht der entscheidende Punkt. Der wird vielmehr in grundsätzlichen Erwägungen gelegen haben.

Denn ein Ausbau am aktuellen Standort kann offensichtlich auch die wirtschaftlichen Interessen des Klubs im Sinne eines nachhaltigen Einnahmewachstums befriedigen. Und zudem bleibt es bei der gewollten Nachbarschaft von Vereinsgelände inklusive Nachwuchsleistungszentrum auf der einen Seite des Elsterflutbeckens und der Red Bull Arena auf der anderen Seite.

Letztlich eine auch im stadtpolitischen Sinne gute Entscheidung gegen eine Investmentruine Zentralstadion in der Innenstadt. Gut vor allem, dass die Entscheidung vom Tisch ist und alle Beteiligten nun wissen, woran sie sind und man sich nun um die Ausgestaltung des Ausbaus auf 57.000 Zuschauer am alten Ort konzentrieren kann. Perfektion wird es mit dem alten Stadion baulich nicht geben. Aber man erhält sich einen architektonisch und emotional besonderen Ort, den man nun bestmöglich gestalten kann. Wenn denn alle Fallen der Bürokratie umschifft werden können.

Fazit

Wie eigentlich fast immer in den letzten reichlich sieben Jahren RasenBallsport ist unheimlich viel im Fluss. Was für einen Verein, der ständig wächst, auch völlig normal ist.

Dass es sportlich so gut laufen würde, konnte man vor der Saison nicht ahnen. Aber es vereinfacht auf vielen Ebenen die Arbeit des Vereins, weil interne Konfliktlinien, aber auch bundesweite Negativthemen hinter den Erfolgen und der Spielweise des Vereins verschwinden.

Für diesen Erfolg ist zuerst einmal Ralph Hasenhüttl verantwortlich. Auch wenn er dabei immer auf sein Funktionsteam als entscheidenden Faktor verweisen würde. Hasenhüttl hat seinem Team eine Struktur gegeben, die klar und gleichzeitig für die eigenen Spieler nicht überfordernd und für die gegnerischen Mannschaften anspruchsvoll ist.

So wie man Ralph Hasenhüttl schon in Ingolstadt kennenlernen durfte, wird er gar keine Lust haben, den sehr guten Platz in der Bundesliga herzuschenken. Sprich, für ihn gibt es eigentlich immer nur den Weg der Verbesserung und des Wegs nach vorn. Viel weiter vorn als Platz 2 geht ja nicht mehr. Von daher dürfte der Trainer Europa klar im Blick haben. Was dann im Laufe der Saison zu der Frage führt, ob der Verein die Bedingungen von Financial Fairplay der UEFA erfüllt. RB meinte dazu zuletzt, dass man die Hausaufgaben gemacht habe. So wie Mintzlaff, Wolter und Co in der Vergangenheit Vereinsangelegenheiten vertreten haben, hat man da relativ wenig Grund zu zweifeln.

Insgesamt hat man in dieser Hinrunde in der Bundesliga unheimlich viel richtig gemacht. Nun stellt sich halt perspektivisch die Frage, wie es weitergeht. Der ganze Klub muss in seinen sportlichen und administrativen Strukturen mitwachsen und an einen Punkt kommen, an dem man auch Europa meistern könnte. Nicht nur der dünne Kader sprechen da akutell noch dagegen.

Zudem wird man wohl eher kurz- denn mittelfristig mit sportlicher Stagnation rechnen müssen. Kann ja auch nicht anders sein, wenn man schon an der Spitze der Bundesliga liegt. Wie der Verein auf solche Situationen intern und auch im Umfeld reagieren wird, wenn es zur Abwechslung mal nicht nur nach oben geht, wird auch eine interessante Frage.

Aber das ist Zukunftsmusik. Aktuell geht es eher darum, die Welle auch über den Winter weiterzureiten. Die Diskussionen, dass Leipzig in einen europäischen Wettbewerb einziehen muss, werden weitergehen. Dietrich Mateschitz hatte kurz vor dem Bayern-Spiel solche Forderungen bereits formuliert (bzw. zitierte ihn eine Zeitung so). Von RB-Seite hält man sich diesbezüglich weiter bedeckt und stellt lieber die Entwicklung der Mannschaft in den Mittelpunkt. Fakt ist, dass man an den Europa-Debatten als Zweiter und bei elf Punkten Vorsprung auf Platz 7 nicht vorbeikommt. Fakt ist auch, dass Rangnick und Hasenhüttl irgendwas zwischen Platz 1 und 6 sicherlich sehr gern mitnehmen würden. Und die sportlichen Leistungen der Hinrunde haben entsprechende Ansprüche durchaus untermauert. Wird halt spannend, ob man nach der Winterpause den nächsten sportlichen Schritt in Sachen Konstanz gehen kann.

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Bisherige Bilanzen:

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Bilder: © GEPA pictures/ Sven Sonntag, 2 x Roger Petzsche

5 Gedanken zu „Zwischenbilanz: RB Leipzig in der Saison 2016/2017“

  1. Wie immer eine sehr schöne und wohl durchdachte Zusammenfassung, auch wenn sie mir ein wenig zu negativ-kritisch herüberkommt.

    Was für eine Hinserie! Vermutlich werden wir unseren Enkeln noch davon erzählen, denn von den Voraussetzungen her wird es so einen Sprung nach vorne wohl nie wieder geben. Ist es doch gerade mal 8 Monate her, dass RB zu Hause gegen Sandhausen verloren hat und das in einem Spiel, wo es noch um richtig viel ging. Also zurücklehnen und freuen, was die Jungs und insbesondere Coach Hasenhüttl da geleistet haben.

    Ich fand es übrigens sehr beeindruckend, und sicher auch mit entscheidend für die hohe Punktzahl, dass die Spiele gegen die “Mittelklasse” der Liga fast komplett gewonnen wurden und man sich eben nie (gerade auch auswärts) mit einem Unentschieden begnügt hat. Da hat der Trainer die 3-Punkte-Regel wirklich verstanden (das scheint nicht überall so zu sein).

    Klar ist der warnende Zeigefinger angebracht, was die Rückrunde angeht und vermutlich wird die Punktausbeute der Vorrunde nicht wieder erreicht. Doch ernsthaft bange ist mir nicht, schließlich haben wir noch 10 Heimspiele bei nur 8 Auswärtsspielen. Ich denke nur eine größere Verletzungswelle kann uns noch hinter Platz 3-6 landen lassen. Und wer das nicht als Riesenerfolg werten würde oder gar noch mehr erwartet hat meiner Meinung nach – mit Verlaub – wenig Ahnung von Fußball.

  2. Tatsache ist, es kann in der Rückrunde nur schlechter werden. Meiner Meinung nach ist die Punkteausbeute der Hinrunde zu hoch ausgefallen in Relation zur Leistung. Liegt aber halt auch an den Gegnern. Aber Glück muss man haben und das nimmt man gern mit! Ist doch gut mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Was ein Mateschitz nun sich anmaßt Saisonziele auszugeben, verstehe wer will…

  3. Außergewöhnliche Leistung in der Hinrunde von den “Roten Bullen”, das muss man klar würdigen. Alles wunderbar gelaufen.

    Auf der anderen Seite war das Spiel am Mittwoch eine derbe Enttäuschung, als Fan nicht gut anzusehen. Klar, das gehört freilich zu einer lernenden, jungen Mannschaft dazu und erst recht als Aufsteiger. Ich hoffe nur, dass Hasenhüttl nicht einst wie in Ingolstadt jetzt die Grenzen sieht und keine Lust mehr hat. Das wäre so eine logische Folge. Auf der anderen Seite gibt es viel worauf man aufbauen kann und viel, dass man erreichen kann.
    Ehrlich gesagt, ärgert mich als Fan die Art und Weise der Niederlage besonders. Da würde ich als Spieler oder Trainer so ein klares Ziel vor Augen haben, dass man so lange darauf hin arbeitet, dass man dir Bayern verdient schlägt. Aber das ist ja noch Zukunftsmusik…

  4. “Wie immer eine sehr schöne und wohl durchdachte Zusammenfassung, auch wenn sie mir ein wenig zu negativ-kritisch herüberkommt.”

    Huch, da ist mir der Ton vielleicht nicht ganz gelungen. Soll halt in der Aufarbeitung nüchtern daherkommen und möglichst viele Facetten behandeln. Negativ war ich dabei in der Intention gar nicht. Wenn du mich nach meinem emotionalen Befinden fragst, bin ich weiterhin irgendwo zwischen ‘Wow’, ‘unfassbar’ und sprachlos. ;-)

    1. Du sagst es ja an vielen Stellen selbst. Als Fan, bist Du Fan, als Blogger eben Blogger, der eben auch gleichzeitig den Finger in die Wunde legt.
      Und das ist gut so!

      Als Fan bin ich auch hin und weg von dieser unfassbaren Hinrunde, egal ob es in München eine Klatsche gab.

      Es kommt bestimmt noch der Blog Spieler der Hinrunde (ggf. nach FFM), aber ich für meinen Teil habe mich schon entschieden. Klar, Orban, Forsberg oder Demme kämen dafür in Frage, aber bei mir ist es Ilsanker.
      Alleine die Tatsache, daß er 3 verschiedene Positionen spielte und bis auf 2 verschuldete Tore (Lev+SCF) eben so ruhig, konstant und abgeklärt.

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