Vertragsverlängerung: Diego Demme

Ein bisschen ist es ja auch so, dass in diesem endlosen Strom an medialen Auseinandersetzungen um das Spiel von RB Leipzig beim Bayern München die wirklich wichtigen Dinge des Lebens ein wenig untergehen. So wie die Vertragsverlängerung von Diego Demme zum Beispiel. Den Fans vor dem Heimspiel von RB Leipzig gegen Hertha BSC als Häppchen während dem Verlesen und Beschreien der Startformation präsentiert und anschließend war es schon fast wieder vergessen, angesichts von Hertha-Sieg und Spitzenspielhype.

Dabei wurde da einem die maximal mögliche Wertschätzung in Form gesicherter Einkommensverhältnisse bis 2021 zuteil, dem man eine solche Karriere noch vor zwei Jahren vielleicht nie und nimmer zugetraut hätte. Einer der sich in seinen fast drei Jahren Leipzig inzwischen auch in der öffentlichen Wahrnehmung einen hohen Stellenwert erkämpft hat (hier im Blog hat sich das im Sommer darin manifestiert, dass er Spieler der Rückrunde wurde).

Im Januar 2014 wechselte er vom SC Paderborn aus der zweiten Liga zu RB Leipzig in die dritte Liga. Schon das wirkte gewagt. Beim SC Paderborn war er häufig in der Startelf gesetzt, auch wenn es irgendeinen Vorfall mit Breitenreiter gab, der nie final aufgeklärt wurde und ihn zwischenzeitlich mal komplett aus dem Kader schmiss. Bei RB Leipzig war die Konkurrenz im Mittelfeld schon damals durchaus ordentlich, wenn man beispielsweise an einen Kimmich denkt. Und schließlich stieg Paderborn im Sommer 2014 sogar in die Bundesliga auf. Und Demme saß im Gegensatz zum Ex-Team wieder für zwei weitere Jahre in der zweiten Liga fest. Aber auf lange Sicht hat er dann damit doch alles richtig gemacht.

Irgendwas zwischen 200.000 und 350.000 Euro legte RB Leipzig damals für den Mittelfeldmann auf den Tisch. Viel Geld für einen normalen Drittligisten. Nicht ganz so viel für RB Leipzig. Aber gut angelegtes Geld, denn inzwischen ist Demme das zehnfache wert. Also in Marktwerten gerechnet. Als Spieler ist das in Ziffern natürlich nicht zu bewerten. Rangnick und Demme versuchen diesen nicht bezifferbaren Wert jedenfalls schon mal zu stärken und lassen medial durchsickern, dass der inzwischen 25-Jährige doch prima in die italienische Nationalmannschaft passen würde.

Wer hätte das vermutet, dass sich Diego Demme so entwickeln würde. Als durchaus vielversprechend für die dritte Liga wahrgenommen, wurde er in der Folgezeit bei RB Leipzig in der Öffentlichkeit jedes Jahr aufs Neue mal leiser, mal lauter in Frage gestellt.

Im Sommer 2014 kam Rani Khedira vom VfB Stuttgart. Könnte schwer werden für Diego Demme, vermutete man. Am Ende standen 30 Spiele in der zweiten Liga, davon 25 von Beginn an.

Im Sommer 2015 kam Stefan Ilsanker von Red Bull Salzburg. Dazu Offensivkräfte wie Sabitzer und Bruno. Keine Chance für Demme, sich da dauerhaft einen Kaderplatz zu erkämpfen. Dachte man. Vier Spiele dauerte es, in denen sich der Rest austoben durfte. Dann war Demme wieder Stammspieler. 28 Spiele, davon 26 von Beginn an standen am Ende auf der Einsatzliste.

Diesen Sommer dann kam Naby Keita im zentralen Mittelfeld zur schon vorhandenen Qualität dazu. Jetzt müsste es aber langsam mal endgültig vorbei sein mit Diego Demme in der Startformation. So die Erwartung. Denkste. 14 Spiele in der Bundesliga, alle 14 von Begjnn an. Nur am Ende der englischen Woche in Köln durfte er mal auf der Bank durchschnaufen. Und das hatte keine Leistungsgründe.

Selbst für Demme-Verhältnisse ist der Sprung, den er in dieser Saison noch mal gemacht hat, erstaunlich. Aus einem schon immer wertvollen Spieler für die Balance  zwischen Offensive und Defensive ist das zentrale Puzzlestück im Mittelfeld geworden. Einer, der wie so viele andere im Team davon profitiert, dass die Strukturen und Rollen klar sind.

Diego Demme ist in dieser Saison der absolut zentrale Ballverteiler im Team geworden. In der letzten Spielzeit war er diesbezüglich schon wichtig, aber lag die Last meist noch viel mit auf den Innenverteidigern. Diese Saison gibt es noch mal viel mehr Demme als letzte Saison schon.

Demme ist quasi im Positionsspiel von RB Leipzig die absolute Lebensversicherung. Er ist immer dort wo der Ball ist, weil er für so ziemlich alle Spieler auf dem Feld der Passausweg sein soll. Derjenige, der den Ball vom einen holt, wenn dort die Räume zu eng oder der Gegnerdruck zu hoch ist und dann schaut, ob er irgendwo einen anderen findet, der mehr damit anfangen könnte. Und Demme ist derjenige, der den Ball aus der Innenverteidigung kriegt, um ihn irgendwo weiter nach vorn zu bringen.

In dieser neuen, noch stärker ballorientierten Rolle geht Diego Demme absolut auf. 76% Passquote sind in einem System wie dem von RB Leipzig, in dem man auch immer wieder schnelle, tiefe Risikopässe einstreuen soll, völlig in Ordnung. Zumal Demme in den relevanten Zonen praktisch fehlerfrei agiert.

Es ist nicht so, dass aus Demme inzwischen der dynamische Mittelfeldspieler mit Zug zum Tor geworden ist. Weiterhin ist er in seiner gesamten Karriere im Männerbereich noch ohne Torerfolg. Und letzte Pässe und direkte Torvorlagen sind seine Sache nicht jede Woche. Was viel mit seiner Positionierung auf dem Feld zu tun hat. Wobei das auch so eine Henne-Ei-Frage ist. Spielt Demme die Position, die er spielt, weil er in Tornähe zu ungefährlich ist oder ist er so torungefährlich, weil er die Position spielt die er spielt?

Letztlich ist die Frage auch irrelevant, weil Demme die Position, die er spielt, sehr gut spielt. Und mit seiner Ballsicherheit und Anwesenheit überall auf dem Spielfeld für die Entwicklung von Angriffen unheimlich wichtig ist. Immerhin drei direkte Torvorlagen hat Demme trotz allem schon gegeben diese Saison. Dazu kommen noch 5 von 24 vorletzten Pässen bei Toren. Wie zuletzt gegen Hertha. Als er mit einer schnellen Weiterleitung Keita in die Position bringt, den entscheidenden Pass auf Werner spielen zu können. Und in fünf weiteren Toren hatte Demme seine Finger per Balleroberung, Passspiel oder was auch immer im Vorlauf der Aktion zu tun.

An 13 von 31 Toren von RB Leipzig war Diego Demme also bisher auf dem einen oder anderen Wege in der Entstehung beteiligt. Nur die drei Offensivgötter Marcel Sabitzer, Emil Forsberg und Timo Werner können bessere Zahlen aufweisen. Auch ein Naby Keita kann da nicht heranreichen. In der Vorsaison war Demme über die gesamte Spielzeit an gerade mal zehn Treffern beteiligt. Allein diese Differenz sagt alles darüber, wie zentral die Rolle von Diego Demme geworden ist.

Durch seine Positionierung immer in Nähe des Balls ist Diego Demme auch derjenige, der im Fall der Fälle die ersten Zweikämpfe nach Ballverlusten abbekommt. 24 Zweikämpfe führt er pro 90 Minuten. Was  immerhin fünf weniger als jene von Naby Keita sind. Imposant vor allem, dass Demme 32 Fouls begangen hat und 28mal gefoult wurde. Alle nicht mal 20 Minuten ist Demme im guten wie im schlechten an einem Foulspiel beteiligt. Auf ähnliche Werte kommt sonst nur Zweikampfmaschine Yussuf Poulsen. Erstaunlich in dem Zusammenhang nur, dass Demme bisher mit zwei gelben Karten davongekommen ist.

Wo Action ist, ist Diego Demme also mittendrin. Was auch daran liegt, dass er die Luft dafür hat. 12,2 Kilometer läuft er diese Saison bisher auf 90 Minuten. Von den Spielern mit regelmäßigen Einsatzzeiten kommen dem am ehesten Timo Werner und Marcel Sabitzer mit 11,6 und 11,5 Kilometern nahe (ohne ins statistische Detail gehen zu wollen, sind deren Werte im Vergleich zu Demme aber aufgrund von jeweils nur 73 Minuten Einsatzzeit pro Spiel nach oben verzerrt).

Dauerläufer. Das ist die Grundeigenschaft von Demme, auf der alles aufbaut, auf die man aber auch nicht alles reduzieren darf. Vor allem ist er nämlich zu einem unheimlichen Komplettpaket geworden. Einer der es als Ballbesitz- und Passmaschine mit Beteiligung an den Offensivaktionen genausogut kann wie als Lückenschließer, Zweikämpfer und Balleroberer. Vier Tore hat er bereits durch eine Balleroberung eingeleitet. Darunter drei der letzten fünf RB-Tore aus dem Spiel heraus.

Diego Demme ist aktuell einfach so gut wie noch nie und ihm deswegen einen langfristigen Vertrag vorzulegen und den sicherlich nicht wirklich hoch dotierten alten Vertrag, der bis 2018 gelaufen wäre, durch ein angemessenes Arbeitspapier zu ersetzen, macht mehr als Sinn. Die Rolle, die er als Lebensversicherung im Positions- und Passspiel einnimmt, passt perfekt zu ihm.

Was natürlich auch ein wenig die Frage aufwirft, wie das wohl aussieht, wenn Diego Demme mal wieder einen neuen Trainer haben wird, der eine andere Rolle für ihn vorsieht. Hasenhüttls System stattet jeden Spieler mit sehr gut zu ihnen passenden Rollen aus. Das lässt sie glänzen, aber daraus lässt sich noch lange nicht schließen, dass dieselben Spieler in anderen Systemen von anderen Trainern ebenso gut passen würden.

Insofern ist es halt auch immer eine gute Frage, wen man wann warum längerfristig an sich bindet. Aber im Fall der Fälle ist es eben auch eine nachträgliche Anerkennung für bisher gezeigte Leistungen und dann passt es schon wieder. Fakt ist, dass Diego Demme bei Ende seines aktuellen Vertrags fast 30 Jahre alt wäre. Zuletzt schickte er via Kicker nach Italien schon mal den Gruß, dass er irgendwann in seiner Karriere gern noch mal die Serie A ausprobieren will.  Vielleicht ist ja 28, 29 dann das perfekte Alter, um diesen Schritt noch mal zu gehen.

Bis dahin kann man wieder Jahr für Jahr die These aufstellen, dass es nun eng wird für Diego Demme mit einem Platz in der Stammelf. Weil man sich sicher sein kann, dass auch künftig immer wieder sehr gute Akteure für das zentrale Mittelfeld geholt werden. Und jedes Jahr kann Demme sich daran machen, die Stimmen zu widerlegen und sich königlich darüber zu amüsieren, dass die Welt sowieso keine Ahnung vom Fußball und seinen Rollen hat. Ein herrlicher Spaß dieses Fußballerleben..

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Leistungsdaten Diego Demme bei RB Leipzig

  • 58 Zweitligaspiele, 13 gelbe Karten, rund 4.300 Spielminuten
  • 16 Drittligaspiele, 3 gelbe Karten, rund 1.400 Spielminuten
  • 14 Bundesligaspiele, 2 gelbe Karten, rund 1.200 Spielminuten
  • 4 DFB-Pokalspiele, 1 gelbe Karte, rund 400 Spielminuten
  • 1 Sachsenpokalspiel, 0 gelbe Karten, 20 Spielminuten

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Diego Demme. | GEPA Pictures - Andreas Pranter
GEPA Pictures – Andreas Pranter

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3 Gedanken zu „Vertragsverlängerung: Diego Demme“

  1. Musterprofi , immer im Dienst der Mannschaft , Fighter , wie du schon Schreibst , für mich nicht mehr wegzudenken ???

  2. Normalerweise lese ich Dein Blog immer so gegen 10:00.
    Und heute?
    Total vergessen, weil ja so ein Bonusspiel im Süden der Republik ansteht.
    Deshalb trifft der 1. Absatz es auch voll auf den Punkt ;-)

    Nichtdestotrotz hast Du mit Deinen Ausführungen vollkommen Recht! (Wie auch @Buba schreibt)
    Im ganzen Medienhype um #FCBRBL werden alle Spieler genannt, die wichtig sind, nur Demme fehlt da immer.
    Verstehe wer will.
    Seine Entwicklung ist wirklich beeindruckend!
    Vielleicht schliesst sich gerade heute der Kreis und er schiesst sein 1. Profitor zum Sieg ;-)

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