Neustart ohne Lerneffekt

Am Wochenende beginnt für die Frauen von RB Leipzig mit dem Auswärtsspiel beim Bischofswerdaer FV ihre erste Saison. Geräuschlos geht der Start in eine neue Epoche allerdings nicht vonstatten, denn diverse Konkurrenten warfen in den letzten Tagen vor allem dem Sächsischen Fußballverband Täuschung im Vorfeld der Entscheidung über die Eingruppierung von RB Leipzig in die Landesliga vor und beklagen Vorgehen und Strategie des Verbandes. Aber vielleicht fangen wir besser weiter vorn an..

Denn wenn man den Frauenfußball in Leipzig in seiner aktuellen Form auch nur ansatzweise verstehen will, kommt man nicht umhin, in seine Entwicklung hineinzuschauen. Für diese ist das Jahr 2007 ein entscheidendes Datum. Denn vor neun Jahren suchte der Sächsische Fußballverband einen Verein, an den er sein sächsisches Nachwuchsleistungszentrum anschließen konnte. Ein Leuchtturmprojekt sollte entstehen und Erfolg in Sachsens Frauenfußball einziehen.

Zu diesem Zwecke wurde der Leipziger FC 07 gegründet und am Gontardweg beheimatet. Idee des Vereins war es, die Kräfte des Frauenfußballs in Leipzig zu bündeln und vor allem Lok und FC Sachsen ins Boot zu holen. Es sollte also gelingen, was im Männerfußball immer undenkbar war. Dass sich quasi jenseits der Konkurrenten ein übergeordneter Verein findet, der als starker Leipziger Verein Erfolge feiert.

Doch es wäre nicht der Leipziger Fußball, wenn es auf dieser Ebene gelungen wäre, Dinge zu einen, die sonst unvereinbar waren und noch sind. Und so wechselte zwar die Fußballabteilung des FC Sachsen Leipzig komplett in den neuen Verein, aber die Frauen von Lok Leipzig verweigerten sich dem Schritt. Animositäten mit dem Verband, keine Identifikation mit dem LFC und vielleicht ja auch ein bisschen Abneigung gegen die chemischen Rivalen. Es kam einiges zusammen und im Endeffekt hatte man das, was man im Leipziger Fußball schon kannte, nämlich zwei Clubs, die die sportliche Vormachtstellung in der Stadt für sich beanspruchten. Auf der einen Seite der verbandsprotegierte LFC, auf der anderen Seite die sportlich höherklassigen Lok-Frauen.

Wenn man es nüchtern betrachtet, dann war das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt. Zwei Frauenteams in einer Stadt wie Leipzig mit dem Anspruch auf zweite Bundesliga oder höher, das lässt sich schlicht schon finanziell nicht wirklich stemmen (wer mal bei einem Frauenfußballspiel in Leipzig die Zuschauer gezählt hat, wird eine Ahnung haben), selbst wenn auf der einen Seite der Fußballverband dahinter steht und auf der anderen Seite mit Bernd Wickfelder ein jahrelanger Förderer und Enthusiast die Dinge begleitet.

Schon 2010 war es dann soweit, dass der Sächsische Fußballverband das Projekt Leipziger FC 07 mit dem Aufstieg in die zweite Bundesliga nach einigen Streitigkeiten aufgab (was den LFC in immense Schwierigkeiten brachte) und auf ein neues Pferd setzte. Das nun auf den Namen Lok hörte und 2010 ein Zweitligist war. Nachwuchsleistungszentrum und manch Nachwuchsteam wechselten mal eben den Verein, genauso wie einige Spielerinnen des LFC.

Vielleicht war das ja noch mal die goldene Chance. Die Frauen des FC Sachsen nicht mehr existent, das LFC-Kunstprodukt als immerhin reiner Frauenfußballverein abgewickelt, Lok Leipzig in diesem Fall als Sieger der Fuballgeschichte. Doch es wäre nicht Lok, wäre man dauerhaft als strahlender Sieger durch die Welt gezogen. Auch wenn 2011 noch alles danach aussah, als der Club in die Bundesliga aufstieg. Doch viel Unruhe im Kader und in der sportlichen Führung führten zum direkten Wiederabstieg nach einer Saison.

Was aber nicht das Hauptproblem war. Das bestand eher darin, dass Lok Anfang 2013 finanziell komplett auf Abwege geriet (bzw. die finanziellen Abwege prekär wurden) und sich somit seine Frauen auch nicht mehr leisten konnte. Schon gar nicht als defizitäre, leistungsorientierte Fußballabteilung. Weswegen das Leistungszentrum und die gesamte Lok-Frauenabteilung nach längerem Hin und Her an den nächsten Verein angepappt wurden, den unter der Mithilfe vom bei Lok nicht mehr allzu gern gesehenen Bernd Wickfelder neu gegründeten FFV Leipzig. Das nächste Torpedo-Projekt, mit dem der Sächsische Fußballverband seine Vision eines prosperierenden Leuchtturms im Frauenfußball des Landes verwirklichen wollte.

Doch auch dieses in der Zweitklassigkeit (das Spielrecht wurde von Lok übernommen) beheimatete Projekt hatte aus wirtschaftlichen Gründen nur eine geringe Halbwertzeit, denn im Frühjahr dieses Jahres wurde langsam klar, dass man den FFV-Fußball in der Nachwuchsleistungszentrums-Form nicht würde erhalten können.

Womit nun nach drei gescheiterten Vereinsanläufen RB Leipzig auf den Plan kam. Die hatten bisher in Ruhe im Nachwuchs Mädchenteams aufgebaut, die alterstechnisch langsam in den Frauenbereich hineinwuchsen. Für den sächsischen Fußballverband mal wieder ein willkommener Partner, um das eigene Nachwuchsleistungszentrum irgendwo unterzubringen. Zwar ist RB Leipzig wie all seine Vorgänger nicht unbedingt ein Verein, der von allen Seiten unvoreingenommen behandelt wird, im Gegensatz zu LFC, Lok und FFV mit all ihren Konstruktionsfehlern hat man allerdings den Vorteil, dass es am Geld dann wohl eher doch nicht scheitern wird. Dass man also nicht unbedingt darauf angewiesen ist, dass alle Beteiligten den Club lieben und als Leuchtturm des sächsischen akzeptieren und unterstützen.

Eigentlich eine Win-Win-Situation für Verband und Verein, den leistungsorientierten Fußball an einer nachhaltig finanzierten Stelle zusammenzuführen. Und für RB Leipzig noch mit dem Vorteil verbunden, dass man Zugriff auf die Fußballplätze am Gontardweg bekommt.

Nur dass die Dinge dann eben doch nicht so geräuschlos abliefen wie gedacht. Irgendwo musste man das neu RB-Frauenteam in der Ligenpyramide ja einordnen. Das Spielrecht der FFV-Frauen hatte man nicht übernehmen wollen, auch wenn inzwischen ein Großteil der dortigen Spielerinnen bei RB gelandet sind. Man hatte sich darauf eingeschossen, in einer Spielgemeinschaft mit dem weiterhin existierenden Leipziger FC 07 anzutreten. In einer gemeinsamen Staffeltagung von Landesklasse und Landesliga wurde dann Anfang Juli beschlossen, dass diese Spielgemeinschaft in der Landesliga solle antreten dürfen.

Ende Juli war auch das schon wieder Geschichte, denn inzwischen war aus der Spielgemeinschaft mit dem LFC eine reine RB-Frauenmannschaft geworden. Eine Vorgehensweise, über die sich mit dem 1.FFC Chemnitz, dem Bischofswerdaer FV, dem SV Johannstadt und der SG LVB gleich vier Vereine bitterlich beklagten und dem Verband vorwarfen, dieser habe sie bei der Entscheidung zur Staffeleinteilung getäuscht und überhaupt bringt die Fokussierung auf ein Leistungszentrum überhaupt nichts, wenn man die Breite in der Basis nicht mitfördere und damit erst eine Grundlage für ein Nachwuchsleistungszentrum schaffe.

In den Klagen der Vereine sind manche Animositäten drin, die es vermutlich nicht geben würde, wenn der neue Club nicht RB Leipzig heißen würde. Trotzdem steckt in dem öffentlich geäußerten Unmut  der Clubs auch deutlich wahrnehmbar eine komplett gescheiterte Verbandskommunikation beim vierten Versuch, das Nachwuchsleistungszentrum irgendwo unterzukriegen, drin. Und nebenbei erklärte sogar das Sportgericht des Sächsichen Fußballverbands, dass es aus seiner Sicht offenbar eher keine Grundlage in den Verbandstatuten dafür gab, RB Leipzig in der Landesliga einzugliedern. Eine Entscheidung in der Sache traf das Gericht aber nicht. Aus Form- und Fristgründen.

Eigentlich passt der aktuelle Rummel rund um den Einstieg von RB Leipzig im Frauenfußball pefekt in die neunjährige Reihe der Verbandsversuche, sich im Frauenfußball ein Standbein zu verschaffen. Hier mal was durchdrücken, dort mal was von A nach B schieben und bei all dem nicht unbedingt als Verband auftreten, der für all seine Mitglieder da ist, sondern als Verband, der ein gewisses Eigeninteresse in Form von Erfolg im Frauenfußball hat und diesem Eigeninteresse auch die entsprechenden Entscheidungen unterordnet.

Selbst dem an Geschichten nicht armen Leipziger Männerfußball stehen die Vereins- und Verbandsversuche der letzten neun Jahr in Sachen Possenhaftigkeit in nichts nach. Neun Jahre und am Ende fängt man wieder in der Landesliga an mit seinen Ideen von der großen Frauenfußballförderungswelt.

Rein faktisch ist die Situation unheimlich verfahren und dass RB Leipzig schon in der Landesliga mit seinem FFV-Spielerinnenkern eher viel zu hoch eingestuft ist, ist schon in der ersten Runde des sächsischen Fußballpokals und in Testspielen deutlich geworden. Aber man stuft Vereine ja auch nicht anhand ihrer Leistungsstärke in bestimmte Ligen ein, sondern aufgrund von sportlicher Qualifikation und Verbandsregularien. Und da hat es der Sächsische Fußballverband im Sinne des eigenen Nachwuchsleistungszentrums und vermutlich auch, weil man den Partner RB Leipzig keine Steine in den Weg legen oder verprellen wollte, nach Lage der Dinge nicht allzu genau genommen.

Damit hat er sich weiter in dem Dilemma verfangen, in dem er sich schon seit neun Jahren befindet. In Leipzig so schnell wie möglich und durch Springen von Waggon zu Waggon mit der Frauenfußballförderung voranzukommen. Ist ja auch kein schlimmes Ziel, nur muss man eben dabei auch aufpassen, dass man die Vereine des Verbands mitnimmt, eine stabile Grundlage baut und eine gewisse Akzeptanz gegenüber dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum und dem damit verknüpften Verein schafft.

Ausbaden muss die aktuell vielerorts fehlende Akzeptanz am Ende nun RB Leipzig, die sich natürlich fragen müssen, inwieweit sie an dem Kommunikationsdesaster in dieser Sommerpause ihren Anteil hatten und was daran verhinderbar gewesen wäre. Dass die öffentliche Wahrnehmung auf ein ‘Klar, dass RB Leipzig den Verbänden auf der Nase rumtanzt und wie schon bei den Männern machen kann, was man will’ hinausläuft, ist zwar angesichts der Vorgeschichte zum Nachwuchsleistungszentrum und den Verbandsaktivitäten der letzten Jahre durchaus ungerecht, aber auch logisch und wäre vorhersehbar gewesen.

Man wird nun in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren damit beschäftigt sein, das zerdepperte Porzellan im Lande wieder aufzukehren und halbweg zu kitten, um die Idee eines sächsischen Leuchtturms im Frauenfußball und einer sehr guten Nachwuchsarbeit nicht schon wieder von Beginn an scheitern zu sehen. Das wird angesichts diverser Vorurteile (‘die mit ihrem Geld’) nicht ganz einfach werden.

Sowieso darf man sich fragen, ob dieses Anpappen von Frauenfußballabteilungen an einen Club, der auf den Männerfußball fokussiert ist, der sinnige Weg ist. Ein eigener Verein mit Leistungsorientierung und entsprechender Vereinsidentität wäre von der Verankerung her der nachhaltigere Weg. Kann halt keiner bezahlen, weswegen Frauenfußball wie in Wolfsburg oder bei den Bayern dann eben zu einem leicht zu finanzierenden Nebenprodukt der Profimänner wird. Auch keine ganz optimale Entwicklung, an der aber auch der Leipziger FC und der FFV Leipzig ein Stückweit gescheitert sind.

Von der ganzen Geschichte bleibt, dass das Frauenteam von RB Leipzig nicht viel unglücklicher in die erste Saison der Vereinsgeschichte hätte starten können. Das mag am Ende der Saison auch keinen mehr interessieren, falls das Team seiner Favoritenrolle in der Landesliga gerecht geworden ist, aber es bleibt bei diesem ganzen Verbandspalaver, der offenbar miserablen Kommunikation und dem Durchwingen von RB in die Landesliga eben auch eine deutliche Spur Geschmäckle. Nach neun Jahren Verbandsversuchen, das Nachwuchsleistungszentrum nachhaltig zu verankern und allerlei unglücklichen Versuchen, hätte man auf einen Lerneffekt hoffen können. Da es den offenbar nicht gab, reiht sich die Geschichte mit RB Leipzig vorerst und in ihrer Entstehung auch nur in die lange Reihe der Fehlversuche ein. Leider.

2 Gedanken zu „Neustart ohne Lerneffekt“

  1. “Und für RB Leipzig noch mit dem Vorteil verbunden, dass man Zugriff auf die Fußballplätze am Cottaweg bekommt.” Hat man den nicht schon? ;)

    1. Äh, ich meine den neuen, verlängerten Cottaweg Nummer 2124 bis 2156. ;-) Danke für den Hinweis.

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