Sturmfragen

Veränderung im Kader ist seit spätestens einem Jahr verstärkt zentraler Begleiter bei RB Leipzig. Besonders deutlich wird dies im Sturm, wo in der kommenden Saison mit Yussuf Poulsen lediglich ein Spieler übrig bleiben wird, der auch schon in der dritten Liga Einsätze bei RB Leipzig gesammelt hat. Zusammen mit Terrence Boyd bleiben noch zwei übrig, die schon vor einem Jahr mit Leipzig die zweite Liga in Angriff nahmen.

Verbrannt hat man seitdem mit Ante Rebic, Yordy Reyna und wahrscheinlich auch Omer Damari drei Neuzugänge mit einem Marktwert von aktuell zusammen irgendwas jenseits der 7 Millionen, also ungefähr einem Viertel des Gesamtkadermarktwertes von RB Leipzig am Ende der Zweitligasaison. Verbrannt hat man auch Kapitän Daniel Frahn, dem man keine zweite Chance zum Ankommen in der zweiten Liga geben wollte bzw. konnte, sodass Frahn nach fünf Jahren voller beeindruckender Zahlen nun in Heidenheim sein Glück versucht.

Über die Jahre gesehen haben sich bei RB Leipzig im Sturm einige Spieler versucht, von denen viele nicht glücklich wurden. Carsten Kammlott, einst für viel Geld und mit viel Vorschusslorbeeren geholt, ist auch an der Erwartungshaltung gescheitert. Ein Nico Frommer an seinen Verletzungen. Ein Jochen Höfler an der Ungeduld der Verantwortlichen. Ein Christian Reimann an seinem unzureichenden Potenzial. Ein Roman Wallner an sich selbst und an fehlendem Integrationswillen seiner Kollegen. Ein Matthias Morys an seinen Leistungen. Ein Denis Thomalla an übergroßer Konkurrenz. Und ein Tom Nattermann und vorerst auch ein Federico Palacios Martinez an fehlenden Einsatzzeiten.

Die Liste an Stürmern, die es bei RB Leipzig nicht dauerhaft geschafft haben, war also schon vor Rebic, Reyna und Damari ellenlang. Genaugenommen gab es in den letzten sechs Jahren drei Stürmer, deren Weg man als auch längerfristig gelungen ansehen kann. Daniel Frahn ist klar. Ein Yussuf Poulsen gehört natürlich auch dazu. Und ein Stefan Kutschke, der vor allem immer mit Mentalität und Wucht glänzen konnte auch ganz sicher. (Emil Forsberg soll hier nach nur einem halben Jahr noch nicht abschließend beurteilt werden.)

Das ist nicht gerade eine lange Liste. Mit Yussuf Poulsen und wenn man will auch Emil Forsberg hat man für die kommende Saison zwei Stürmer im Kader, die sich länger oder kürzer schon bewiesen haben. Dazu kommt mit Terrence Boyd einer, der seit einem Jahr bis auf ein kurzes Zeitfenster zwischendurch verletzt ist und dies auch noch bis mindestens in den Herbst hinein sein wird. Mit Nils Quaschner und Davie Selke sind zwei Neuzugänge fix. Und bei Marcel Sabitzer und Omer Damari weiß man noch nicht so recht, ob sie nächste Saison auch zum RB-Kader gehören.

Wenn man so will, bleiben aktuell sieben Namen für die Sturmpositionen übrig (wenn man denn Forsberg überhaupt als Stürmer zählen will):

  • Yussuf Poulsen
  • Emil Forsberg
  • Davie Selke
  • Nils Quaschner
  • Terrence Boyd
  • (Marcel Sabitzer)
  • (Omer Damari)

Denkbar sind ein Zweistürmersystem und ein Dreistürmersystem. Wobei letzteres ein Einstürmersystem mit zwei offensiven Außenspielern oder ein Zweistürmersystem mit hängeder Spitze wäre. Ein Stürmer und zwei offensive Außenstürmer, das ist die wohl wahrscheinlichste Variante unter Ralf Rangnick.

Nimmt man die Dreistürmervariante, dann wären wohl von den aktuellen Stürmern Emil Forsberg und Yussuf Poulsen jene, die ganz vorne stünden bei der Wahl der Außenstürmer. Ein Marcel Sabitzer wäre eine weitere Alternative, falls er tatsächlich in Leipzig erscheinen sollte. Dann könnte Emil Forsberg etwas weiter nach hinten auf die Acht rücken, falls er sich mit der Rolle anfreunden kann oder eine Art Spielmacher geben.

Auch ein Nils Quaschner könnte auf die Außenbahn ausweichen, ist aber eigentlich ein zentraler Stürmer. Vermutlich ist er entsprechend auch vor allem als Backup für Davie Selke oder alternativ Marcel Sabitzer eingeplant, die in der Mitte die besten Karten haben.

Nicht zu vergessen dabei Terrence Boyd, der im Unterschied zu allen anderen Spielern weder Ambitionen noch herausragende Fähigkeiten haben dürfte, über die Außenbahnen zu Spielen. Boyd ist ein zentraler Strafraumstürmer, der aufgrund seiner Physis über ordentliche Qualitäten verfügt. Falls er Richtung Ende des Jahres wieder gesund wird, dann wird es für ihn aber trotzdem enorm schwer, im Kampf gegen Selke, Sabitzer und Quaschner Einsatzminuten zu ergattern.

Das wäre schon ein ordentlicher Kanten an Konkurrenzkampf und da hat man noch nicht mal Omer Damari mitgerechnet, der in einem Dreistürmersystem sinnvoll wohl auch nur in der Mitte spielen könnte. Für eine Position im Mittelfeld fehlt ihm letztlich die Dynamik, sodass ein Umschulen Richtung Zehn eher schwierig wäre. Als hängende Spitze könnte man ihn sich dagegen sehr gut vorstellen. Fragt sich nur, wie oft eine solchen Position im Spielsystem von RB Leipzig in der kommenden Saison vorgesehen ist. Eher selten möchte man meinen.

Neben der Variante des hängenden Stürmers neben zwei anderen Angreifern wäre eine solche Position noch im Zweistürmersystem denkbar. Neben einem Stürmer wie Selke, Poulsen oder auch Sabitzer jener Spieler zu sein, der sich auch mal etwas fallen lässt und durch Ballsicherung nachrückende Mitspieler mitnimmt, das würde gut zu Omer Damari passen. In einem solchen System mit zwei Stürmern könnte man sich auch vergleichsweise gut Poulsen oder Forsberg oder Sabitzer auf den auch Richtung Mittelfeld schiebenden Außen vorstellen.

Fakt ist allerdings, dass es für Omer Damari in der kommenden Saison wohl nicht allzuviele Einsatzmöglichkeiten geben wird. Angesichts der Tatsache, dass Damari viel zu gut ist, um auf einer Zweitligabank zu verschimmeln und angesichts der Tatsache, dass man darauf achten muss, dass die Stürmer auch zu großen Teilen Spielzeit bekommen, wäre ein Abgang von Damari wohl das sinnvollste für alle Beteiligten. Zumindest zum aktuellen Zeitpunkt der Kaderplanung und zumindest, wenn man davon ausgeht, dass Sabitzer am Ende in Leipzig landet.

Rechnet man Damari als wahrscheinlichen Abgang mal raus und lässt auch Terrence Boyd als noch lange verletzt mal außen vor (was man bei der Kaderplanung vereinsseits ziemlich sicher ähnlich handhaben wird), dann bleiben mit Forsberg, Poulsen, Selke, Sabitzer und Quaschner im Kern fünf Stürmer übrig. Fünf Stürmer, die allerlei Einsatzmöglichkeiten bieten, wenn man mal davon absieht, dass Forsberg im Sturmbereich wohl nur den offensiven Linksaußen spielen kann. Alle anderen Spieler sind dagegen relativ flexibel zwischen äußeren und zentralen Sturmpositionen hin- und herschiebbar. Auch wenn jeder Einzelne auch Qualitäten hat, die eine Bevorzugung von innen oder außen nachvollziehbar machen.

Will RB Leipzig ein Zweistürmersystem spielen, sind unter Einsatz von Poulsen, Selke, Sabitzer und Quaschner alle Kombinationen denkbar. Wobei Selke und Sabitzer von jetzigem Stand aus sicherlich jene Spieler sind, die man am ehesten für eine Doppelspitze auf dem Zettel haben sollte.

Wenn man vom Anspruch bei RB Leipzig ausgeht, jede Position im Kader doppelt zu besetzen, dann ist man im zentralen Sturmbereich quasi schon überbelegt. Auf den Außen hat man mit Forsberg und Poulsen ‘nur’ zwei Spieler, die dort ihre Präferenzen oder größeren Qualitäten haben. Weswegen das Gerücht um den Außenstürmer Marius Wolf von 1860 München zumindest von der Position her Sinn macht. Das heißt natürlich nicht, dass es letztlich ein Wolf sein muss, aber irgendjemanden, der lieber außen als innen spielt und Geschwindigkeit mitbringt, kann man schon noch gebrauchen. Falls sich Damari über den Sommer zum dynamischen Flügelstürmer entwickelt hat, soll es auch gern Damari sein. Ist aber eher unwahrscheinlich.

Es ist insgesamt durchaus erstaunlich, dass der Sturm weiterhin ein wenig eine Baustelle ist. Vor einem Jahr hatte man bei der Besetzung Rebic, Poulsen, Frahn, Boyd und Morys vor der Saison eigentlich gar keine Idee davon, dass es hier Probleme geben könnte. Der ewig treffende Frahn, der Flügelwirbler Poulsen, der trickreiche Rebic, der robuste Boyd und die schnelle Ergänzung Morys. Dass man mit diesem Quintett nich mal zufrieden bis zur Winterpause kommt, hatte sich überhaupt nicht angedeutet. Doch Frahn fehlten die Vorlagen, Rebic Fitness und Wille, Boyd ein gesunder Körper und Morys die Klasse. Und ein Yussuf Poulsen war nach gutem Zweitligastart Richtung Winter zu allem Überfluss komplett überspielt.

Mit den Winterkorrekturen Forsberg, Reyna und Damari hatte man gedacht, dass die nicht vorhersehbaren Probleme mehr als beseitigt worden wären. Doch denkste. Damari war nach Verletzungen nicht wirklicht fit und so richtig einen Platz im Team hatte man gegen tief verteidigende Gegner auch nicht für ihn. Forsberg spielte eine vernünftige Rolle, traf aber das Tor nicht. Und Reyna kam über die Rolle des ineffizienten Ego-Stürmers nur in Ansätzen hinaus.

Wenn man davon ausgeht, dass ein Sabitzer zu seinem Vertrag steht und zu RB Leipzig kommt, könnte man auch diese Saison denken, dass man sämtliche Probleme im Sturm beseitigt hat. Käme noch ein offensiver Außenspieler dazu, wäre es in der Theorie perfekt. Zumal wenn man bedenkt, dass man in der Jugend mit Endres, Dzalto, Mauer oder auch Palacios Martinez Backup-Spieler hat, die eventuelle Engpässe in Kaderfragen jederzeit auffangen können.

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sollte man allerdings in Betracht ziehen, dass auch in diesem Jahr gerade im Sturm Spieler plötzlich mit Problemen befallen werden, die man vorher nicht so recht ahnen konnte. Schon allein die Tatsache, dass irgendjemand von den Hochkarätern auch immer mal auf der Bank sitzen muss, dürfte für einiges Unruhepotenzial sorgen. Zumal auf einer Position wie dem Sturm, wo Vertrauen in die Spieler und Spielzeit noch mal wesentliche Faktoren für die letztliche Leistung auf dem Spielfeld sind.

Von den hier besprochenen Spielern würde sich wohl nur ein Nils Quaschner ohne größeres Murren auch auf die Bank setzen, solange er immer mal wieder eine halbe Stunde Einsatzzeit kriegt. Dasselbe würde für einen weiteren Neuzugang auf Quaschner-Niveau und in dessen Alter (21) gelten. Von einem Poulsen, Forsberg, Selke oder Sabitzer muss man annehmen, dass sie von sich und für sich einen Startelfplatz erwarten.

Letztlich wird wohl die entscheidende Frage, inwiefern im Sturm eine interne Hierarchie entsteht, bei der die Spieler mit ihren Rollen zufrieden sind und sie gleichzeitig auch Leistungen abrufen, die zu ihrem Potenzial passen und sie nicht wie schon fast üblich bei RB Leipzig einen Rückschritt in ihrer Entwicklung machen. Spannend, wie sich das am Ende auf drei oder vielleicht auch nur zwei Sturmpositionen zusammenpuzzelt.

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Liste der Stürmer bei RB Leipzig in den letzten sechs Jahren (mindestens zwei Einsätze in der ersten Mannschaft)

  • Daniel Frahn: 07/2010 – 06/2015, 154 Spiele, 88 Tore, 1.FC Heidenheim (2.Liga), 28 Jahre
  • Stefan Kutschke: 07/2010 – 06/2013, 86 Spiele, 27 Tore, 1.FC Nürnberg (2.Liga), 26 Jahre
  • Yussuf Poulsen: seit 07/2013, 69 Spiele, 22 Tore, RB Leipzig (2.Liga), 21 Jahre
  • Nico Frommer: 09/2009 – 06/2011, 42 Spiele, 19 Tore, Karriereende, 37 Jahre
  • Jochen Höfler: 07/2009 – 06/2010, 30 Spiele, 14 Tore, Hammer SpVg (5.Liga), 34 Jahre
  • Christian Reimann: 07/2009 – 06/2010, 30 Spiele, 11 Tore, Grün-Weiß Stadtroda (7.Liga), 35 Jahre
  • Carsten Kammlott: 06/2010 – 01/2014, 88 Spiele, 10 Tore, Rot-Weiß Erfurt (3.Liga), 25 Jahre
  • Roman Wallner: 01/2012 – 08/2012, 16 Spiele, 6 Tore, SV Grödig (1.Liga Österreich), 33 Jahre
  • Matthias Morys: 01/2013 – 01/2015, 49 Spiele, 5 Tore, SG Sonnenhof Großaspach (3.Liga), 28 Jahre
  • Denis Thomalla: 07/2013 – 08/2014, 21 Spiele, 3 Tore, Lech Poznan (1.Liga Polen), 22 Jahre
  • Sebastian Hauck: 07/2009 – 06/2010, 20 Spiele, 2 Tore, FC Amberg (4.Liga), 26 Jahre
  • Terrence Boyd: seit 07/2014, 7 Spiele, 2 Tore, RB Leipzig (2.Liga), 24 Jahre
  • Yordy Reyna: 01/2015 – 06/2015, 14 Spiele, 1 Tor, Red Bull Salzburg (1.Liga Österreich), 21 Jahre
  • Emil Forsberg: seit 01/2015, 15 Spiele, 0 Tore, RB Leipzig (2.Liga), 23 Jahre
  • Omer Damari: seit 01/2015, 11 Spiele, 0 Tore, RB Leipzig (2.Liga), 26 Jahre
  • Ante Rebic: 08/2014 – 06/2015, 11 Spiele, 0 Tore, AC Florenz (1.Liga Italien), 21 Jahre
  • Federico Palacios Martinez: 01/2014 – 01/2015 und seit 07/2015, 8 Spiele, 0 Tore, RB Leipzig/ U23 (2.Liga/ 4.Liga), 20 Jahre
  • Tom Nattermann: 07/2012 – 06/2013, 2 Spiele, 0 Tore, Erzgebirge Aue (3.Liga), 22 Jahre

2 Gedanken zu „Sturmfragen“

  1. Guter Beitrag. Aktuell würde ich aber erstmal weggehen von der konkreten Besetzung der Sturmpositionen und hinterfragen, wer die Spieler mit Vorlagen versorgen soll. Dem Überangebot im Sturm steht ein Unterangebot im offensiven Mittelfeld gegenüber. Ob Rangnick es in absehbarer Zeit noch schafft, die Lücke von Kimmich zu füllen? Alles andere wäre naiv. Möglicherweise spielt Kalmar in dieser Saison eine größere Rolle und Kaiser steigert sich auch noch mal – aber dahinter steckt doch arg viel Fantasie.

  2. @Sebastian: Mal sehen, wie das im Mittelfeld aussehen wird. Mit Kaiser und Forsberg hat man dort gute Kandidaten. Dazu muss man gucken, was mit Kalmár wird. Und wenn man Bruno oder ein Äquivalent holt, ist man da theoretisch auch sehr gut aufgestellt. Kommt halt letztlich drauf an, was man für ein System spielt. Wenn man auf zwei Sechser (Khedira und Ilsanker) setzt, dann bleibt sowieso nur Platz für maximal einen offensiven Mittelfeldspieler. Wenn man mit einem Sechser spielt, braucht man vor allem auch Spieler, die eher zwischen Acht und Zehn agieren können. Davon hat man auch einige. Letztlich sehe ich die Frage nach den Vorlagen eher als eine nach dem, was künftig das System zu leisten instande ist und gar nicht so sehr danach, welche Klasse man sich nominell noch ins Team holt.

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