Kaderrückblick RB Leipzig: 2.Liga 2014/2015 – Teil II

Weiter geht es mit der Saisonaufarbeitung. Diesmal mit Teil II der Betrachtungen zu den einzelnen Spielern des RB-Kaders. Nach den Torhütern und Verteidigern sind heute die Mittelfeldspieler und die Stürmer dran. Geordnet ist die Übersicht nach Positionen (Mittelfeld, Sturm) und innerhalb der Positionen nach Einsatzzeit.

Mittelfeld

Dominik Kaiser (26 Jahre, 33 Spiele, 2857 Minuten): Im dritten RB-Jahr in Folge die auffälligste Mittelfeldfigur. Nach allerlei Abgängen in den letzten zwei Jahren und der Degradierung von Hohender, Heidinger und Frahn auch praktisch die Ersatzkapitänsfigur. Spielerisch vielleicht nicht die größte Saison seit Kaiser bei RB Leipzig ist, aber nach der Winterpause oft mit positiver Ärmel-hoch-Mentalität. Der Zorniger-Abgang schien ihn in die Magengrube zu treffen. Nach kurzem Schütteln wollte er dann seine Fähigkeiten noch mal besonders stark zeigen. Sein Ausgleichstor in Braunschweig am 22. Spieltag, als eigentlich niemand mehr damit rechnete, war ein einziger Ausbruch verschiedenster Emotionen und wohl eines der Bilder der Saison. Kaiser war mit vier direkt verwandelten Freistößen der Toptorschütze der Liga, wenn es um ruhende Bälle ging. Insgesamt acht Treffer waren ziemlich famos. Mit fünf Torvorlagen ist Kaiser Spitzenreiter im Team. Allerdings blieb davon nur eine Vorbereitung für die Zeit seit dem Winter übrig, was das Kernproblem des Teams recht gut auf den Punkt bringt. Dominik Kaiser hat insgesamt eine ordentliche Spielzeit absolviert und ist vor allem seit der Winterpause stärker in eine Rolle gewachsen, in der er Kopf des Teams ist. Nach zwei Aufstiegen in Folge kann sich Kaiser in der kommenden Saison mal wieder ohne Ligensprung entwickeln. Wird spannend, ob der 26jährige noch einmal einen weiteren Schritt machen und das Team zum nächsten Leistungssprung mittragen kann.

Die Emotionen müssen raus - Dominik Kaiser, der letzte Woche noch auf der Tribüne saß, diese Woche mit starker Vorstellung und Ausgleichstor | GEPA Pictures/ Citypress24

Diego Demme (23 Jahre, 33 Spiele, 2399 Minuten): Vor der Winterpause noch meist gesetzte Fleißbiene im Mittelfeld, die viele, viele Kilometer schruppt. Nach der Winterpause oft Einwechsel- und Rollenspieler, der im Fall der Fälle auch mal rechts hinten aushelfen musste. Angesichts dessen, dass mit Khedira sogar noch ein direkter Konkurrent im zentralen Mittelfeld lange ausfiel, sicherlich keine ganz befriedigende Situation für den 23jährigen, der sich viel mühte und dabei viele Lücken schloss, aber offensiv auch unauffällig blieb. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz sind seine Perspektiven Richtung kommender Saison nicht mehr ganz so gut.

Joshua Kimmich (20 Jahre, 29 Spiele, 2293 Minuten): Vor der Winterpause mit ein paar körperlichen Problemen unterwegs, zeigte er nach der Winterpause in vielen Spielen wieder mal, warum ihn die Bayern geholt haben. Enorm präsenter Spieler, der immer den Ball und die Verantwortung will, sehr passsicher ist und enorm sauber im Zweikampf agiert. Bei allem Wollen konnte er eine strauchelnde Mannschaft in den entscheidenden Phasen aber auch nicht allein aus dem Sumpf ziehen. War nach einigen Auswärtsniederlagen sichtbar gefrustet und stapfte fluchend und wütend vom Platz. Im Offensivspiel hat der 20jährige weiter noch Luft nach oben, aber insgesamt überstrahlte er mit seiner Art Fußball zu spielen viele seiner Konkurrenten im eigenen und im gegnerischen Team.

Rani Khedira (21 Jahre, 24 Spiele, 2047 Minuten): Spielte vor der Winterpause eine starke Saison und war von Beginn an Stammspieler. Nach der Winterpause Pech, dass er sich schon im zweiten Spiel verletzte und drei Monate ausfiel. Für die letzten beiden, bedeutungslosen Spiele wieder zurück und darum bemüht, sich noch mal zu präsentieren. Hängen bleibt letztlich eine gute Vorrunde und dass mit Stefan Ilsanker starke Konkurrenz für seine Position kommen wird. Muss mit seinen 21 Jahren den nächsten Schritt in Sachen Robustheit und schnellem, auch mal torgefährlichen Spiel in die Tiefe machen, wenn er kommende Saison auch Stammspieler sein will.

Emil Forsberg (23 Jahre, 15 Spiele, 1317 Minuten): Winterpausenneuzugang, der sich sofort in die Stammelf spielte. Feiner Offensivspieler mit sehr guter Technik, der die gegnerischen Defensiven immer wieder vor Probleme stellte. Neben einer guten Passquote blieben vor allem seine 4 Torvorbereitungen hängen, mit denen er sich sofort auf Platz 3 im Mannschaftsvergleich positionierte und zusammen mit Damari nach der Winterpause die meisten Tore vorbereitete. Zweimal war dabei Yussuf Poulsen, mit dem sich Forsberg auch abseits des Platzes von Beginn an verstand, der Abnehmer. Problem des Schweden ist der Torschuss. Satte 32 Torschüsse verbuchte er in 14 Zweitligaeinsätzen, immerhin 13 davon gingen aufs Tor, ein weiterer an den Pfosten, ein Torerfolg war allerdings nicht dabei. Das ist für viel, gut anzusehenden Aufwand leider auch viel zu wenig Ertrag und im Spiel des Neuzugangs die einzige, dafür aber große Baustelle.

Stefan Hierländer (24 Jahre, 22 Spiele, 709 Minuten): Der österreichische Neuzugang vom letzten Sommer stand zwar bis auf den ersten Spieltag immer im Kader und lief 22mal auf, aber nur selten von Beginn an. Zeigte vor der Winterpause in Ansätzen seine Leistungspotenzial und seine Fähigkeiten mit Geschwindigkeit den Gegner vor Probleme zu stellen. Insgesamt blieb die Saison des Stefan Hierländer aber eine kleine Enttäuschung, vor allem weil er die Erfordernisse des Pressingsspiels aus seiner Salzburger Zeit schon kannte. Keine Torbeteiligung, dafür aber vergleichsweise viele Zweikämpfe und gelbe Karten, das ist die Arbeitsbilanz des Mittelfeldspielers, der in seiner Einsatzzeit deutlich mehr Gegentore als Tore miterleben musste. Ein Jahr hat Hierländer in Leipzig noch Vertrag. Mehr Chancen, sich hier durchzusetzen, wird er nicht bekommen.

Zsolt Kalmár (19 Jahre, 17 Spiele, 429 Minuten): Wie schon vor der Winterpause auch danach vor allem mit Kurzeinsätzen. Nach dem Wechsel von Zorniger zu Beierlorzer bekam er zwei Startelfeinsätze, in denen er nicht überzeugen konnte. Anschließend kam er nur noch von der Bank oder blieb dort 90 Minuten lang sitzen. Für Zweitligatopniveau reicht es noch zu selten. Technisch vernünftig, guter Schuss, aber Kalmár ist oft nicht handlungsschnell genug und in Sachen Positionsspiel und taktischer Disziplin fehlen manchmal auch noch ein paar Prozent. Mit seinen seit heute 20 Jahren hat der Ungar, der gerade an der U20-WM teilnimmt, aber auch noch Zeit zur Entwicklung. Ob er die dafür nötige Spielzeit angesichts der Konkurrenz auf seiner Position auch in der kommenden Saison bei RB Leipzig kriegen kann, muss man abwarten.

Henrik Ernst (28 Jahre, 1 Spiel, 4 Minuten): Nach Kreuzbandriss Anfang Februar 2014 lange, lange verletzt. Sein Kurzeinsatz gegen Nürnberg  Anfang April 2015 als Pflichtspielcomeback war aus emotionalen Gründen wichtig. Sportlich reichte es aber nicht mehr, um im Saisonendspurt noch mal nah an die Profielf zu rücken. Folgerichtig, dass der Vertrag von Ernst primär für die U23 verlängert wurde, wo der 28jährige in der Regionalliga eine Stütze sein und sicher Notnagel für die Profis sein soll. Macht Sinn, der Weg in den Profikader wird im Normalfall für den mannschaftsdienlichen Ernst sehr weit sein.

John-Patrick Strauß (19 Jahre, 0 Spiele, 0 Minuten): Vor Beginn der Saison noch ziemlich nah an der Startelf verbrachte Strauß die Saison dann doch bei der U19, mit der er bis ins Halbfinale der deutschen Meisterschaft vordrang und zur zentralen Stütze wurde. Bei den Profis saß er in der Rückrunde immerhin zweimal auf der Bank. In der kommenden Saison wird der flexibel einsetzbare Strauß nicht mehr für die U19 auflaufen können. Für den Männerbereich wird er an seiner Robustheit arbeiten müssen. Wird vermutlich viele Regionalliga-Einsätze bei der U23 bekommen. Wird spannend, wo der 19jährige in einem Jahr steht.

Sturm

Yussuf Poulsen (20 Jahre, 32 Spiele, 2816 Minuten): Mit Abstand die prägende Figur im Sturm von RB Leipzig. Sowohl was Einsatzzeiten, als auch was Torbeteiligungen angeht. Vor der Winterpause schoss der Däne noch acht Tore, kämpfte nach einer langen Saison allerdings auch mit körperlichen und geistigen Müdigkeitserscheinungen. Nach der Winterpause bearbeiteten ihn die Zweitligadefensiven noch stärker, auch weil Poulsen weiter oft Alleinunterhalter blieb und wurden dabei erffektiver. Nur noch drei Tore waren die Folge. Dafür legte Poulsen nun auch drei Treffer auf, zeigte also dass er durchaus auch mit Übersicht und nicht nur mit Power spielen kann. Problematisch für Poulsen weiterhin das Aufreiben an Schiedsrichterentscheidungen, was ihm oft, aber auch nicht immer den Fokus raubte. An guten Tagen ist Poulsen mit seiner physischen Art zu spielen, eine Waffe, die für die zweite Liga fast schon zu groß ist. An schlechten Tagen sieht man aber auch noch, warum es vielleicht ganz gut ist, sich noch mindestens ein weiteres Jahr in diesem Umfeld zu entwickeln. Trotzdem: toller Stürmer, sehr gute Saison. In einem Jahr will Poulsen Bundesliga spielen. Will er mit RB dahin, wird man ihn in den nächsten Monaten in Topform brauchen. Dass er seinen Sommer aktuell schon wieder Nationalmannschaft und Nachwuchsnationalmannschaft opfert, ist da vielleicht nicht die beste Nachricht.

Trotz aller Probleme weiter der überragende Stürmer bei RB Leipzig - Yussuf Poulsen ist auch n der zweiten Liga überragend | GEPA Pictures - Roger Petzsche

Daniel Frahn (27 Jahre, 25 Spiele, 1336 Minuten): In der Hinrunde noch oft in der Mannschaft, saß der Kapitän 2015 meist nur noch auf der Bank. Sechs Einsätze mit im Schnitt nicht mal mehr 30 Minuten sprangen noch heraus. Nicht ganz unverständlich, dass sich Frahn öffentlich darüber ärgerte, dass man ihm keine Chance mehr gebe. Immerhin gönnte man ihm das emotionale Abschiedsspiel gegen Fürth, in dem ihm Yussuf Poulsen das 1:0 schenkte. Über die Saison gesehen konnte man die sportlichen Grenzen von Daniel Frahn in Sachen Durchsetzungsfähigkeit gegen Zweitligainnenverteidiger erkennen. Trotzdem blieb er hinter Poulsen der zweiteffektivste Stürmer im Team und hatte bei seinen wenigen Auftritten einen sehr positiven Einfluss auf das Mannschaftsergebnis, auch weil er immer fleißig und taktisch genau arbeitete. Daniel Frahn spielte jetzt 5 Jahre bei RB Leipzig und wuchs in dieser Zeit zum Kapitän und auch jenseits des Sports zum zentralen Element im Team. Sein Abgang wird eine Lücke hinterlassen, die man sportlich sicherlich füllen kann. Darüber hinaus muss eine Struktur, die Frahn ersetzt, allerdings erst wachsen.

Yordy Reyna (21 Jahre, 14 Spiele, 708 Minuten): Kam zusammen mit Damari und Forsberg in der Winterpause und zeigte, dass er ein quirliger, unangenehmer Stürmer ist. Schoss als einziger der Offensivneuzugänge ein Tor, blieb aber trotzdem meist ineffektiv, weil er zu oft kopflos auf Gegenspieler zulief, anstatt Mitspieler mitzunehmen. Reyna ist sicherlich ein guter Stürmer mit viel Spaß am Fußall, aber genaugenommen braucht er ein Konterteam, in dem er den quirligen Alleinunterhalter im Sturm gibt und die Gegner in Grund und Boden laufen kann. Bei RB Leipzig sind diese Fähigkeiten nicht ganz so zentral. Reynas Abgang im Sommer nach der Copa Ameria ist entsprechend nachvollziehbar.

Omer Damari (26 Jahre, 11 Spiele, 646 Minuten): Wenn man Omer Damari beim Kicken zuguckte, fühlte man sich manchmal für einen Moment nicht in der zweiten Liga. Sein Blick für die Räume und seine Fähigkeit, den Ball zu behaupten und Mitspieler einzusetzen, sind famos. Vier Torvorbereitungen bei sehr geringer Spielzeit (und einige Vorvorbereitungen) zeugen davon. Problem ist, dass man sich Damari eigentlich als Goalgetter fehlgescoutet geholt hatte. Der er aufgrund seiner eher geringen Robustheit gegen tief stehende Defensivreihen, aufgrund von Verletzungen in Vorbeitung und Saisonverlauf und entsprechend schlechten körperlichen Voraussetzungen und aufgrund mangelnder Vorlagen nie sein konnte. Damari hat gezeigt, dass er ein phantastischer Fußballer ist. Als Mittelstürmer bei RB Leipzig wird er trotzdem schwer haben, weil er im Gegensatz zu den Boyds, Selkes, Poulsens oder Quaschners dieses Teams gegen die Zweitligaverteidiger körperlich vermutlich nicht ausreichend gegenhalten kann. Will man Damaris Qualitäten im Team behalten und seine unausgeprägte Qualität in der Arbeit gegen den Ball aushalten, dann muss man sich überlegen, in welcher Rolle man ihn sehen will (etwas was man gut vor einem halben Jahr, als man ihn holte, hätte machen können). Findet man eine Rolle, dann kann man noch viel Freude an ihm haben. Findet man keine, sollte man vielleicht gucken, dass Damari seine Spielzeit woanders kriegt.

Terrence Boyd (24 Jahre, 8 Spiele, 413 Minuten): Pechvogel der Saison. Schwere Verletzung in der Saisonvorbereitung. Und nachdem er sich langsam rangekämpft hatte, reißt das Kreuzband. Seine Physis und sein positiver Typus haben dem Spiel von RB Leipzig oft gefehlt. Fehlt noch bis in den Herbst hinein. Wird für ihn schwer werden, in eine dann fast völlig neue Fußballmannschaft hineinzuwachsen und die Konkurrenz auszustechen.

Ante Rebic (21 Jahre, 11 Spiele, 455 Minuten): Vielleicht das Missverständnis der Saison. Kurz vor Ende der Transferperiode im vergangenen Sommer quasi im Doppelpack mit Compper vom AC Florenz geholt, nie so richtig angekommen. Unter Zorniger noch lange mit Fitnessrückstand, immer wieder Verletzungen und grundsätzlichen Problemen beim Umsetzen der Spielphilosophie. Als er dann seine Chance bekam und in Fürth auch halbwegs nutzte, verletzte er sich wieder. In der Rückrunde versuchte dann Beierlorzer auch auf Rebic zu setzen, scheiterte aber am Kroaten und dessen teilweise fehlender Einsatzbereitschaft und gab das Experiment entsprechend schnell wieder auf. Keine einzige Torbeteiligung für den letztjährigen WM-Spieler. Als Millionenstürmer und prognostizierter Star eine kleine Katastrophe, nach der das Nichtziehen der Kaufoption naheliegt.

Fazit

Wenn man über Mittelfeld und Angriff drüberguckt, dann erkennt man schon viel von den Problemen, die RB Leipzig über die gesamte Saison hin hatte. Mangelnde Konstanz, selbst bei Topspielern wie Poulsen und Kaiser. Dazu einige Spieler, die enttäuschten oder sich verletzten. Und Spieler, auf die aus strategischen Gründen nicht mehr gesetzt wurde. Zudem waren es fast ausschließlich die Drittligaspieler, die über die gesamte Saison gesehen die Hauptlast trugen. Kaiser, Demme, Kimmich, Poulsen, Frahn. Das war letztlich und trotz eines Forsbergs ab der Winterpause und trotz eines Khediras vor der Winterpause zu wenig für die Zweitligaspitze.

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Bisherige Kaderrückblicke:

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Bilder: © GEPA pictures/ Citypress24, Roger Petzsche

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