Yussuf Poulsen: Auf der Suche nach einer Prise Dennis Rodman

Im Sport gibt es ja immer wieder mal großartige Geschichten. Eine meiner Lieblingsgeschichten stammt aus der NBA-Finalserie 1996 als der basketballerisch mäßig begabte Frank Brickowski für die Seattle Supersonics mit einer besonders physischen und provozierenden Spielweise versuchen sollte, Dennis Rodman zu stoppen. Rodman konnte im Trikot der Chicaco Bulls basketballerisch auch nicht sonderlich viel. Aber er konnte rebounden ohne Ende, was ihn für eine Sonderbehandlung empfahl, die ihm den Zahn ziehen und im besten Fall foulbelastet, weil auf die Provokationen reagierend, aus dem Spiel nehmen sollte.

Doch Dennis Rodman war viel zu cool für dieses Spielchen. Nicht nur, dass er eine besonders gute Finalserie spielte, die gegen ihn gerichtete, physische Spielweise schlug direkt auf den Verursacher Brickowski zurück, der schnell die Nerven verlor und zu einer tragischen Figur und zum Symbol des Scheiterns der Supersonics in dieser Serie werden sollte. Unvergessen die Szene als sich Rodman bei einem Freiwurf direkt neben Brickowski aufbaut und ihn von der Seite einfach grinsend anschaut und ihm zeigt, dass er dieses Spielchen nicht nur besser beherrscht, sondern auch noch eine besondere Motivation daraus zieht.

Yussuf Poulsen hat bei RB Leipzig eineinhalb sehr bewegte Jahre hinter sich. Aus der zweiten dänischen Liga gekommen, im RB-Drittligajahr vom Geradeaussprinter zum sehr guten Flügelstürmer gereift, zu Beginn der aktuellen Saison die zweite Liga Deutschlands im Sturm genommen und immer noch mit Abstand bester RB-Torschütze, zum dänischen Nationalspieler geworden und vor der Winterpause auch aus körperlichen Gründen in ein kleines Loch gefallen. Man muss kein ausgewachsener Psychologe sein, um festzustellen, dass ganz schön viel auf den derzeit 20jährigen Dänen eingeprasselt ist.

Einhergehend mit dem sportlichen Aufstieg und sicherlich auch damit mehr oder minder direkt zusammenhängend hat sich Yussuf Poulsen in den letzten Monaten immer mehr zu einem Spieler entwickelt, der in vielen Situationen über Schiedsrichterentscheidungen lamentiert und auch mit seiner Körpersprache signalisiert, dass er sich von entsprechenden Situationen beeinflussen und herunterziehen lässt. Achim Beierlorzer meint dazu, dass Yussuf Poulsen um das Problem wisse und man zusammen mit ihm daran arbeite. Um dann zu relativieren, dass Yussuf Poulsen eben auch viel von den Gegenspielern provoziert werde (inklusive der unterstellenden Frage, ob die Gegenspieler dazu von ihren Trainern angehalten werden) und oft Schiedsrichterpfiffe tatsächlich gegen ihn laufen.

Fakt ist, dass Yussuf Poulsen ein Stürmer mit einer sehr physischen Spielweise ist. Was dazu führt, dass er der von den regelmäßig eingesetzten Zweitligaspielern nach Manuel Stiefler der meistfoulende Spieler der Liga ist. 3,11 Fouls pro Partie stehen zu Buche, dazu vier gelbe Karten und eine gelb-rote Karte. Foultechnisch folgt bei den Stürmern Rubin Okotie mit 2,67 Fouls pro Spiel schon mit einigem Abstand.

Wobei das Lamento über eher überflüssige Pfiffe, in das auch Beierlorzer einstimmt, eher schwierig ist. Wenn Yussuf Poulsen schiedsrichterübergreifend viele Pfiffe gegen sich kriegt, dann ist es kein Zufall und dann muss da mehr dahinterstecken. Da fallen einem zuerst die Arme von Poulsen ein, die in vielen Zweikämpfen am Gegner sind. So wie bei der ersten gelben Karte in Braunschweig, als sich der Ellenbogen im Gesicht des Gegenspielers befindet (auch wenn er nicht angewinkelt ist und gelb nach Ansicht der Zeitlupe zu hart sein mag, hat der Arm da im Gesicht im Luftduell nichts zu suchen). Oder in den vielen Situationen, wenn Poulsen einen Ball am Gegner vorbeilegt und beim Versuch den Gegner zu überlaufen mit dem Arm über ihn drübergreift und ihn vor den Gegner schiebt. Sodass immer der (physisch vermutlich gar nicht unbedingt zutreffende) Eindruck entsteht, Poulsen würde mit dem Arm den Gegner wegdrücken und sich so einen Vorteil im Laufduell verschaffen. Duelle mithin, die natürlich wegen ihrer Optik abgepfiffen werden.

Fakt ist auch, dass die Gegenspieler in ihrem Versuch Yussuf Poulsen, der bis zur Winterpause der Spieler bei RB Leipzig war, der den Unterschied gemacht hat, zu stoppen, zu allen erlaubten und grenzwertigen Maßnahmen greifen. Das beginnt bei einer robusten Spielweise (natürlich wenn man gegen einen physischen Stürmer spielt) und geht dann weiter bis hin zu kleineren, gezielten Provokationen, von denen man weiß, dass sie Einfluss auf Poulsens Leistungen nehmen.

Wir haben also eine Situation mit einem physisch agierenden, schnellen Außenstürmer, der den Körperkontakt sucht und auch wegen einer nicht immer cleveren Zweikampfführung (und vielleicht auch, weil Stürmern tendenziell weniger durchgehen gelassen wird als Verteidigern) oft abgepfiffen bekommt und Gegenspielern, die diesen Stürmer mit dem Ziel permanent und auf verschiedenen Wegen so bearbeiten, dass er keine Gefahr für ihr Tor werden möge.

Eine Situation, in der es zwei Parteien gibt, die in ihrem Verhalten nicht direkt zu beeinflussen sind. Auf der einen Seite die Schiedsrichter, die auch weiterhin nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden werden und dabei natürlich auch immer wieder über Poulsens Zweikampfführung stolpern. Und auf der anderen Seite gegnerische Verteidiger, die im Sinne des Ziels der Torverhinderung (also iher Jobbeschreibung) auch weiterhin versuchen werden, an der Grenze des Erlaubten und wenn nötig auch mal darüber hinaus, Yussuf Poulsen aus der sportlichen Fassung zu bringen.

Es gibt diese schöne Situation mit Arjen Robben bei der WM 2010 im Viertelfinale gegen Brasilien, als er ein ums andere Mal die rechte Linie runtermarschiert und dabei immer wieder von seinen Gegenspielern unfair gestoppt wird. Robben (früher auch nicht wirklich dafür bekannt, ohne Lamentieren auszukommen) ließ sich (so zumindest die Erinnerung) davon überhaupt nicht von seiner Fokussierung abbringen und lief einfach immer weiter. Bis Felipe Melo komplett die Nerven verlor, ihn foulte und dann auch noch als Tätlichkeit aufs Bein stieg. Rot und letztlich ein entscheidendes Puzzlestück für den Halbfinaleinzug, weil Robbens Unwillen, sich von Foulspielen brechen zu lassen in Melos Kopf sickerte und somit auf den Abwehrspieler selbst zurückfiel.

Für Yussuf Poulsen kann es letztlich um gar nichts anderes gehen als darum, bei seinen Stärken zu bleiben und das zu beeinflussen, was er beeinflussen kann. Nämlich sein sportliches Auftreten. Nur dadurch wird er letztlich seine Gegenspieler beeindrucken können. Mit seinem in der jüngeren Vergangenheit gepflegten Lamento und seinem Hang, auch mal einen Körperkontakt zum fallen zu nutzen, um Pfiffe für sich zu erarbeiten, wird er nicht weiterkommen, sondern nur sein divenhaftes Image ausbauen, das ihm zuletzt angepappt wurde.

Yussuf Poulsen ist ein großartiger Stürmer und Typ. Gerade mit seiner physischen Spielweise hat er einen Vorteil, der ihn von vielen anderen Kollegen deutlich abhebt und wegen der er auch eine große Karriere haben könnte. Für diese Karriere wird es aber nötig sein, den nächsten Entwicklungsschritt zu machen, mit Widerständen umzugehen und seine Stärken an die Gegebenheiten anzupassen. Nicht die Schiedsrichter werden sich an Poulsen anpassen, sondern Poulsen muss Wege der Zweikampfgestaltung finden, mit denen er bei den Schiedsrichtern auf mehr Gnade hoffen kann. ‘Arm weg’ ist dabei schon mal ein sehr guter Merksatz für allerlei direkte Duelle.

Was die Gegenspieler angeht, braucht Yussuf Poulsen definitiv eine Spur Dennis Rodman (ohne sich gleich über sie lustig machen zu müssen) und ein dickeres Fell (und meinetwegen auch an manchen Stellen wie von Beierlorzer gefordert ein wenig Schutz durch seine Mitspieler). Er wird in seiner Karriere noch auf alle erdenkliche Arten beackert werden. Damit muss er umgehen können und das ist letztlich das Kompliment, das ihm die Gegenspieler machen, weil sie damit ausdrücken, dass sie alle erdenklichen Mittel brauchen, um gegen Poulsen überhaupt eine Chance zu haben.

Genau da muss ein Poulsen ansetzen. Ohne Lamentieren, das ihn nur selbst immer wieder aus dem Tritt und er Konzentration bringt, den Gegner wieder und wieder bearbeiten und bespielen, bis der Gegner den Fehler macht oder das Foul begeht oder auch mal vom Platz fliegt. Dass die Gegner physisch-provokativ verteidigen, muss im Endeffekt wie bei Frank Brickowski oder Melo auf sie selbst zurückfallen. Das wird allerdings nicht passieren, wenn sie merken, dass sie mit ihrer Spielweise Erfolg haben, weil sie mit dieser in den Kopf von Yussuf Poulsen eindringen können. Das wird nur passieren, wenn Poulsen sie (im übertragenen Sinne) auflaufen lässt und der Misserfolg der physisch-provokativen Spielweise in die Köpfe der Gegenspieler selbst sickert. Da hilft kein Lamentieren, da hilft nur an sich arbeiten, weitermachen und zeigen dass man besser ist als der Kontrahent. Solange bis es für die Kontrahenten selbst zum Wirkungstreffer wird.

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Annex: Achim Beierlorzer auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Union Berlin [broken Link] auf die Frage zu Poulsens Verhalten auf dem Platz, sein Lamentieren und sein Diskutieren mit dem Schiedsrichter:

Wir sprechen nicht nur drüber, wir bearbeiten das auch. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt für ihn. Wobei ich sage, dass er sich in den letzten beiden Spielen meiner Meinung nach nichts zuschulden kommen lassen hat in dem Sinne, dass er lamentiert und großartig diskutiert hat. Wir sehen aber jetzt die Konsequenzen. Denn, was machen denn jetzt die anderen Spieler? Ob das jetzt Frankfurt war mit Balitsch, Poulsen wird permanent provoziert.
Da gibt es in Braunschweig ein Kopfballduell in der vierten Minute. Dieses Kopfballduell gab es in diesem Spiel 30mal, vielleicht 40mal. Und er kriegt die gelbe Karte für diese Kopfballduell und wird dann von vielen Spielern des Gegners rumgeschubst. Das würden die höchstwahrscheinlich mit keinem anderen Spieler von RB Leipzig machen, aber sie wollen Poulsen da provozieren. Und da denke ich mir: Gibt es tatsächlich Trainer, die auf soetwas hinweisen? Ist das eine Art und Weise, wie ich mit einer Profimannschaft arbeite? ‘Und übrigens den Poulsen, den beleidigt ihr hoch und runter und schubst ihn durch die Gegend’? Dann ist es so, dass er trotzdem, obwohl er gar nichts von sich aus macht, auf einmal in die Szene des Schiedsrichters mit rein kommt.
Und dann wird ein klares Foulspiel, wo er von hinten einfach umgegrätscht wird, das wird dann einfach so hingenommen. Das wird vom Schiedsrichter hingenommen. Von uns natürlich auch, aber in der Phase hatten wir auch keine Zeit, großartig mit dem Schiedsrichter rumzulamentieren, weil wir das 1:1 erzielen wollten. Das sind Situationen, an denen Yussi arbeitet. Es ist ihm auch bewusst. Und trotzdem muss ich sagen, waren die letzten beiden Spiele von ihm in der Hinsicht absolut ok.

4 Gedanken zu „Yussuf Poulsen: Auf der Suche nach einer Prise Dennis Rodman“

  1. Die Szene als man Poulsen einfach mal von den Gegenspielern rumgeschubst wird, fand ich zugegeben aber auch etwas grenzwertig. Man stelle sich das mal in der 1. BL bei irgendeinem Top Stürmer vor, die Szene wäre wahrscheinlich am nächsten Tag in der Boulevard Presse als Top Sportthema.

    Allgemein kommt für Poulsen meiner Meinung nach aber erschwerend hinzu, das Leipzig bei den Schiedsrichtern sicher schon einen gewissen “Ruf” hat. Ich hatte das früher schon einmal angedeutet, man war sehr oft in den unteren Regionen der Fairplay Tabelle. Sicherlich auch dem Spielsystem geschuldet, aber wenn man bei den Schiedsrichtern erst einmal einen gewissen Ruf hat, wirkt sich das sicher nicht positiv aus.

  2. Guter Beitrag. Poulsen hat seine Form leider völlig verloren, aufgrund der bereits beschriebenen Umstände. Am Anfang der Saison war er selbst bei Spielen ohne eigenes Tor stets einer der besten. Das ist aktuell leider nicht mehr so. Wer weiß, ob da nicht auch ein paar Sachen im Hintergrund laufen, die ihn ablenken. Eins ist sicher, der Stammplatz wackelt. Mal schauen, ob und wann Beierlorzer es wagt, ihn auf die Bank zu setzen…

  3. Sehr guter Artikel. Fair beschrieben und konstruktiv … Danke dafür …

    Poulsen ist von Anfang an (auch gegen die Meinung meiner Fussballfreunde) einer meiner Lieblingsspieler …

    Ich glaube da kommt noch was großes bei rum … wenn er sich jetzt die Zeit nimmt und unter professioneller Anleitung genau an dem von Dir beschriebenen arbeitet …

    Er muss sich aus meiner Sicht privat um einen geschulten (Aggressionstrainer? Wie nennt man denn solche Berufe?) Mentaltrainer (?) kümmern .. unabhängig vom Verein …

    Ich hoffe auf seiner Einsicht und seine Lernmotivation … der Rest kommt dann fast von alleine … (Manchmal hatte ich schon den Eindruck, dass er meint die Welt hat sich gegen ihn verschworen … )

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