Fragen für die nächsten Wochen

Neun Spieltage sind in der zweiten Liga gespielt. Klar, dass noch keine Vorentscheidungen gefallen sind. Aber man hat nun doch ein klareres Bild. Einerseits davon, was die zweite Liga so sportlich hergibt. Andererseits davon, wo RB Leipzig insgesamt steht und welche Baustellen man eventuell noch hat.

21 Spieler hat RB Leipzig bisher in neun Partien eingesetzt. Von denen mit Denis Thomalla und Smail Prevljak zwei inzwischen gar nicht mehr im Verein spielen, weil sie nach Österreich (Ried und Liefering) verliehen wurden. Auf der anderen Seite dürften mit Fabio Coltorti und Terrence Boyd schon recht bald zwei neue Namen auf die Liste kommen.

Neben den beiden Langzeitverletzten kamen mit Henrik Ernst und Fabian Franke auch zwei andere Verletzungssorgenkinder in dieser Saison noch nicht mal zu einem Kadereinsatz. Angesichts der Tatsache, dass mehr als leichte Läufe am Trainingsplatz für die beiden in der Nähe des Mannschaftstrainings weiterhin noch nicht drin liegt, lässt alles weitere Richtung Pflichtspiele auch auf sich warten.

Ohne Spielminuten blieben bisher aus dem Profikader auch Torwart Nummer 3 Thomas Dähne, der weiterhin nicht den Durchbruch schaffende Mikko Sumusalo, der von Verletzungen und Krankheiten geplagte Neuzugang Lukas Klostermann und der bei der U19 zum Einsatz kommende Patrick Strauß. Bis auf Sumusalo, der bei RB Leipzig auch nach neun Monaten nicht auf die Beine zu kommen scheint, alles nicht ungewöhnlich.

Überraschend, dass mit Anthony Jung, Tim Sebastian und Benjamin Bellot bisher drei Spieler noch keine Spielminute verpasst haben, die man dafür vor der Saison vielleicht nicht unbedingt auf der Rechnung hatte. Bei Keeper Benjamin Bellot wird die Strähne reißen, wenn Coltorti wieder zurück ist. Bei Tim Sebastian und Anthony Jung ist die Konkurrenzssituation im Kader aktuell nicht so hoch, als dass sie akut davon bedroht wären, ersetzt zu werden. Zumal sie ihre Sache in der Viererabwehrkette recht gut machen.

  • Tim Sebastian: 9 Spiele – 810 Minuten
  • Anthony Jung: 9 Spiele – 810 Minuten
  • Benjamin Bellot: : 9 Spiele – 810 Minuten
  • Diego Demme: 9 Spiele – 785 Minuten
  • Rani Khedira: 9 Spiele – 745 Minuten
  • Georg Teigl: 9 Spiele – 705 Minuten
  • Joshua Kimmich: 8 Spiele – 684 Minuten
  • Yussuf Poulsen: 7 Spiele – 617 Minuten
  • Marvin Compper: 7 Spiele – 542 Minuten
  • Daniel Frahn: 8 Spiele – 525 Minuten
  • Dominik Kaiser: 7 Spiele – 489 Minuten
  • Matthias Morys: 7 Spiele – 407 Minuten
  • Sebastian Heidinger: 5 Spiele – 238 Minuten
  • Niklas Hoheneder: 3 Spiele – 223 Minuten
  • Clemens Fandrich: 4 Spiele – 147 Minuten
  • Stefan Hierländer: 4 Spiele – 110 Minuten
  • Ante Rebic: 2 Spiele – 42 Minuten
  • Zsolt Kalmár: 4 Spiele – 29 Minuten
  • Federico Palacios Martinez: 2 Spiele – 25 Minuten

Interessant auch, dass gerade mal 12 Spieler den Kern des Teams bilden. Also jene Spieler sind, die in allen oder fast allen Spielen irgendwie zum Einsatz kamen und somit zu den ersten Optionen gehören, wenn es um Spielanteile geht. Unter diesen 12 Spielern sind nur zwei Neuzugänge. Wohl auch ein ‘Geheimnis’ des erfolgreichen Saisonstarts von RB Leipzig, dass dort Spieler miteinander spielen, die schon längere Zeit mit dem System vertraut sind und außerdem das durch Erfahrung gewonnene Zutrauen haben, sich auf den Nebenmann verlassen zu können.

Auf der anderen Seite bedeutet das auch, dass neben den verletzungsbedingt zuschauenden Klostermann und Boyd auch die Neuzugänge Hierländer, Rebic und Kalmár bisher nur im überschaubaren Rahmen ein paar Minütchen sammelten. Beim erst 19jährigen Ungarn Zsolt Kalmár ist dies mehr als verständlich. Sprache neu, Spielsystem komplett neu und anfangs überfordernd, dazu starke Mittelfeldkonkurrenz. Das braucht sicherlich noch seine Zeit.

Verwunderlicher ist da die Sache schon bei Stefan Hierländer, der das Prinzip der aggressiven Balleroberung schon aus Salzburg kennen müsste, aber trotzdem noch nicht recht im Leipziger System angekommen scheint. Vielleicht weil es die Position der seitlichen Sechs bzw. Acht in Salzburg so nicht gab. Man weiß es nicht so recht, für abschließende Urteile ist es aber auch noch zu früh.

Bliebe noch Ante Rebic, der im Leipziger System auch komplett noch nicht angekommen ist und dazu über sein (aktuell berechtigtes) Bankdasein erheblichen Frust schiebt. Was seine Integration nicht erleichtert. Rebic scheint ein klassischer Ballbesitzstürmer zu sein, der gern Eins-gegen-Eins-Situationen sucht und in solchen auch zu glänzen versucht. Wenn er von der Idee nicht ein kleines Stück ablässt und sich dazu überwindet, im Sinne der Mannschaft auch mal gegen den Ball zu arbeiten, dann wird er es schwer haben.

Letztlich bleibt schon der analytische Fakt von vor der Saison, dass RB Leipzig mit der Eingespieltheit sicherlich eine gute Rolle spielen kann, dass man aber für den Sprung von einem durchschnittlichen bis guten Zweitligateam hin zu einem konstanten Zweitligaspitzenteam neben einer Entwicklung des vorhandenen Kaders auch eine Qualitätssteigerung durch Neuzugänge braucht. Wenn man von Rani Khedira absieht (Marvin Compper ersetzt bisher nur einen Innenverteidiger wie Niklas Hoheneder eins zu eins), der Größe und Stabilität ins defensive Mittelfeld bring, dann sieht es diesbezüglich aktuell noch enorm überschaubar aus. Mal sehen, was sich in ein paar Monaten dazu sagen lässt.

Wenn man die bisherige Saison Revue passieren lässt, dann fällt auf, dass RB Leipzig immer dann sehr gut aussieht, wenn man es schafft, in Pressing- und Umschaltsituationen zu kommen. Diesbezüglich hat man in den letzten zwei Jahren tatsächlich Automatismen gewonnen, die im Fall der Fälle vollkommen automatisiert ablaufen und mit Kimmich und Poulsen ein kongeniales Duo als Sahnehäubchen bekommen haben.

Problematisch wird es weiterhin, wenn man in die Situation kommt, den Gegner vornehmlich im Spiel mit dem Ball überwinden zu müssen. Aalen, Frankfurt, Union oder Heidenheim. Fast alle Spiele, in denen man ohne Sieg vom Platz ging, waren solche Spiele. Wobei man insbesondere gegen Aalen und Heidenheim eigentlich trotzdem als Sieger vom Platz hätte gehen müssen, weil man sich die entsprechenden Chancen herausgespielt hat.

Weswegen man auch nicht ganz grundsätzlich sagen, dass RB Leipzig das Spiel mit dem Ball gar nicht kann. Gerade auch gegen Heidenheim hat man sich vor dem Strafraum auch spielerisch immer wieder Luft verschafft und Druck auf die gegnerische Abwehrreihe gemacht. Man bekommt gegen einen tief verteidigenden Gegner, der oft mit langen Bällen operiert, um das Pressing zu umgehen, aber eben auch nicht unbedingt die hochkarätige Chancen wie bei schnellem Umschaltspiel.

Interessant in diesem Zusammenhang, dass bis auf die zwei von Dominik Kaiser direkt verwandelten Freistöße bisher alle Tore von RB Leipzig Stürmertore waren bzw. Tore von Spielern, die in den entsprechenden Spielen als Stürmer aufgestellt waren, wenn man an Georg Teigl denkt. Das resultiert natürlich direkt auf der auf schnellem Umschaltspiel basierenden Spielweise. Heißt aber auch, dass aus dem Spiel mit dem Ball und bei engmaschig verteidigten Strafräumen, aus den Mittelfeldpositionen oder aus Standards (zumindest bei Ecken und Freistoßflanken) zu wenig direkte Torgefahr entsteht.

Wenig überraschend ist Yussuf Poulsen aktuell der überragende Torschütze bei RB Leipzig. Etwa alle 100 Minuten, also fast in jedem Spiel trifft der Däne. Damit kann keiner der Spieler mithalten, die bisher mindestens zweimal trafen.

  • Yussuf Poulsen: 6 Tore – alle 103 Minuten ein Tor
  • Dominik Kaiser: 2 Tore – 245 Minuten
  • Daniel Frahn: 2 Tore – 263 Minuten
  • Georg Teigl: 2 Tore – 353 Minuten

Wichtigste Vorlagengeber sind Dominik Kaiser (trotzdem er bisher einige Spiele verletzt verpasste) und Matthias Morys, der schon jetzt so viele Tore und Vorlagen auf dem Konto hat wie in der kompletten vergangenen Drittligasaison in damals insgesamt mehr als doppelter Einsatzzeit wie bisher in neun Zweitligaspielen.

  • Matthias Morys: 3 Vorlagen – alle 136 Minuten eine Vorlage
  • Dominik Kaiser: 3 Vorlagen – 163 Minuten
  • Joshua Kimmich: 2 Vorlagen – 342 Minuten

Wenn man die Scorerpunkte (also Tore und Vorlagen zusammen) nimmt, dann bildet sich interessanterweise an der Spitze das Trio Poulsen, Kaiser und Morys. Einer (Kaiser) wegen Verletzungssorgen lange nicht wirklich auf dem Damm und ein weiterer (Morys) oft kritisch beäugt.

  • Yussuf Poulsen: 7 Punkte – alle 88 Minuten ein Scorerpunkt
  • Dominik Kaiser: 5 Punkte – 98 Minuten
  • Matthias Morys: 4 Punkte – 102 Minuten
  • Daniel Frahn: 2 Punkte – 263 Minuten
  • Joshua Kimmich: 2 Punkte – 342 Minuten
  • Georg Teigl: 2 Punkte – 353 Minuten

Foultechnisch marschieren aktuell Tim Sebastian und Anthony Jung mit je drei gelben Karten vorneweg. Eine Karte in jedem dritten Spiel, damit können nur Marvin Compper und Daniel Frahn mithalten, die in weniger Einsatzzeit auch schon zwei gelbe Karten mitgenommen haben. Interessant, dass drei Spieler aus der Abwehrkette die meisten Karten gesammelt haben, aber Georg Teigl, der viel mit Geschwindigkeit wettmachen kann, sich erst einmal eine gelbe Karte abholte. Falls Tim Sebastian so weitermacht, wird er nach dem 15.Spieltag das erste Mal ausfallen. Bleibt zu hoffen, dass bis dahin wieder einer der beiden verletzten Innenverteidiger als Ersatz zur Verfügung steht.

Erwähnenswert vielleicht noch der Dauerläufer der Liga Diego Demme, der bisher knapp 108 km und damit trotz geringerer Einsatzzeit mehr Strecke abspulte als die Nummer 2 in dieser Statistik (Anthony Losilla vom VfL Bochum). Hochgerechnet auf 90 Minuten läuft Demme pro Spiel 12,37 km, was auch in der Bundesliga ein Topwert wäre.

Demme ist damit prototypisch für sein Team, denn RB Leipzig ist das laufstärkste Team der zweiten Liga. 120,3 km läuft man im Schritt pro Spiel, ein Wert der in den ersten beiden Spielklassen nur von Borussia Dortmund übertroffen wird. Bleibt weiterhin die interessante Frage, wie man diese laufintensive Spielweise über die gesamte Saison durchhält.

Ein Aspekt, der dafür spricht, dass man den physischen Aufwand auch dauerhaft durchhalten kann, ist das geringe Durchschnittsalter der Mannschaft von RB Leipzig. Die bisher 11 meisteingesetzten Spieler sind im Schnitt gerade mal 23,8 Jahre alt. Womit man die jüngste Stammelf der Liga hat. Wobei diese Statistik sich etwas relativieren wird, wenn denn Fabio Coltorti statt Benjamin Bellot im Kasten steht und man dann einen Durchschnittswert auf Augenhöhe mit Kaiserslautern und Ingolstadt hätte.

Ändert nichts daran, dass die Feldspieler (bis auf die Innenverteidigung) allesamt sehr jung und damit auch physisch überdurchschnittlich leistungsfähig sind. Zudem ist die Jugend auch ein Zeichen dafür, dass sich die Mannschaft noch entwickeln kann, dass im Kader also noch unentwickeltes Potenzial steckt. Bei einem Team wie Düsseldorf beispielsweise, das im Schnitt mal eben dreieinhalb Jahre älter ist, kann man  das in der Form vermutlich nicht behaupten.

  • Leipzig: 23,8 Jahre (11 meisteingesetzte Spieler)
  • München: 24,3
  • St. Pauli: 24,4
  • Kaiserslautern: 24,5
  • Ingolstadt: 24,8
  • Fürth: 24,9
  • Nürnberg: 25,2
  • Heidenheim: 25,6
  • Braunschweig: 25,7
  • Bochum: 26,1
  • Darmstadt: 26,5
  • Sandhausen: 26,5
  • Berlin: 26,6
  • Karlsruhe: 26,7
  • Düsseldorf: 27,3
  • Frankfurt: 27,3
  • Aalen: 27,5
  • Aue: 27,9

Nach einem guten Saisonstart (optimalerweise hätte man eines der Spiele gegen Aalen, Union oder Heidenheim noch gewonnen) werden die (neben einigen anderen) spannenden Fragen für die nächsten Wochen und Monate aus RB-Sicht sein, wie man mit dieser jungen Mannschaft dauerhaft Konstanz auf hohem Niveau entwickeln kann, wie man Gegner mit dem Ball bespielt, die sich Mittel einfallen lassen, Gegenpressing und Umschaltsituationen aus dem Weg zu gehen und wie man die Neuzugänge so in das Team integriert kriegt, dass sie tatsächlich einen Qualitätssprung für die Mannschaft bringen und nicht in Form von Unruhe sogar das Gegenteil bewirken. Mal sehen, wie die Antworten aussehen werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert