Blogs sind tot, es lebe der Blog. Oder irgendwas anderes.

Im Rahmen der Republica fand in diesem Jahr eine interessante Diskussionsrunde zu Sport- bzw. im speziellen Fußballblogs statt, die von Klaas Reese (Reeses Sportkultur und Fokus Fussball) moderiert wurde und an der Jens Peters (Catenccio), Stefanie Fiebrig und Sebastian Fiebrig (beide Textilvergehen) teilnahmen. Das Gespräch wurde dankenswerterweise von Fokus Fussball für die Nachwelt in einem Blogbeitrag festgehalten, wo man es sich auch für Handy und andere Abspielgeräte aller Art herunterladen kann. Für Freunde der Audiovisualisierung ist auch ein Youtube-Video hinterlegt.

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=sg-RiTrtAC0[/youtube]

Insgesamt dreht sich das Gespräch thesenformulierend und immer wieder mit Beispielen untermalt um allerlei Aspekte und Themenfelder des Bloggens. Wenn man so will, sind die 70 Minuten Talk also ein Rundflug über die Fußballbloggerei mit einigen Menschen als Flugbegleiter, die die Blogszene auf die eine oder andere Art und Weise enorm geprägt haben und/oder immer noch prägen.

Letztlich lässt die Veranstaltung viel Raum für Diskussionen, die schon aufgrund zeitlicher Problematiken wohl nie geführt werden. Und sie bietet einige Thesen, über die sich trefflich streiten lässt. Fakt ist letztlich, dass man schon bei der grundliegenden Frage, was Blogs eigentlich sind, vermutlich scheitert. Also sich die Antwort auf die gern gestellte Frage, warum sich aus den Blogs nicht so etwas wie feste Netzwerke entwickeln, wohl ein Stückweit schon darin begründet, dass viele, die sich Blogs nennen, miteinander letztlich herzlich wenig zu tun haben, außer im selben Themenfeld unterwegs zu sein.

Wie man am Streit um 15.30 sieht, gibt es schon keine blogübergreifende Basis für grundsätzlich ideelle Fragen der Bloggermotivation. Während es eine Fraktion gibt, die in bedingungsloser Unabhängigkeit, die im Idealfall auch finanzieller Natur sein soll, das kritische Einspruchswesen des Bloggens sieht (bis hin zur Meinung, dass ein Blog mit dem man Geld verdienen wolle, kein richtiger Blog sein könne), gibt es auf der anderen Seite auch eine undogmatische Herangehensweise, die Monetarisierung und Professionalisierung nicht als Ausschlusskriterium sieht und Kritik eher als am Rande begleitende Komponente denn als zentrales Anliegen begreifen würde.

Vielleicht kann man als kleinsten gemeinsamen Nenner die Lust am Ausprobieren seiner selbst oder einer Idee als Ursprungsmotivation des Bloggens formulieren. Technisch, inhaltlich, rhetorisch, in welcher Form auch immer. Irgendwas mit Fußball, irgendwas mit Schrift (oder bei Podcasts auch mit Ton). Und von da ab teilt es sich dann auch schon. Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal, wenn man bedenkt, dass viele Blogs in ursprünglicher Tradition One-Man-Shows sind, aber manche Onlinegeschichten auch echte Kollektivwerke geworden sind, die teilweise (wie bei worum.org, wo der Blog den Rest der Website quasi begleitet) schon weit über die ursprüngliche Blogidee einer chronologischen Berichterstattung zu einem Themenfeld hinausgehen.

Gemeinsamer Nenner der meisten Bloggeschichten ist wohl auch, dass man sich um Nischen kümmert, die so von auf Masse zielenden Medienhäusern nicht bedient werden können. Das gilt für Vereinsblogs, die per se überwiegend nur Anhänger des jeweiligen Vereins und auch da nur eine bestimmte, enorm informationsaffine Minderheit anspricht, genauso wie für clubübergreifende Geschichten wie die Kollektivarbeit bei den Taktikmastern von spielverlagerung.de.

Letztlich könnte man als These formulieren, dass Blogs rund um den Fußball dann besonders erfolgreich sind, wenn sie als Kollektiv betrieben werden und eine vereinsübergreifende Nische bearbeiten. Die Schwergewichte und Zugpferde der deutschen Fußballblogszene wie die schon genannten Spielverlagerungs-Taktiker und die Link-Sammler und Schiedsrichterpodcaster von Fokus Fussball zeugen davon.

Wenn man allein bloggt, ist es wohl letztlich wichtig, ob man eine passende, unbesetzte Nische findet und diese mit seinem Namen besetzen kann. Kai Pahls nicht nur fußballbezogenes allesaussersport, aber auch des Trainer Baades Sammlung von allerlei Fundstücken und Statistiken aus der Welt des Fußballs würden dafür stehen.

Bloggt man wiederum als Kollekiv kann man auch recht gut vereinsbezogen arbeiten. Allerdings ist das Bloggen hier oft eingebunden in eine recht ausgefeilte Webpräsenz wie bei den Clubfans United, die sich deswegen auch zurecht als “Fanmagazin” bezeichnen. Womit man auch gleichzeitig beim nächsten Punkt ist. Ob man reines Fanmedium sein will oder tatsächlich eher journalistisch arbeitendes Medium. Bei ersterem landet man relativ schnell auch bei eher privaten Blogs mit Berichten von der letzten Auswärtsfahrt zum Erzrivalen, bei letzterem, den Blogs, um die es hier und im obigen Gespräch wohl eher geht, landet man relativ schnell bei einem bestimmten Exklusivitätsdruck.

Denn wenn man Angebote jenseits der Möglichkeiten klassischen Massenjournalismus schaffen will, braucht man auch die Kreativität, Inhalte beizusteuern, die es woanders in der Form (noch) nicht gibt. Was letztlich nicht bedeuten muss, dass die im obigen Gespräch geäußerte These, der Vereinsblog mit seinen wöchentlichen Spielberichten sei überholt, stimmen muss. Denn man kann natürlich auch in der Alltagsbegleitung eines Vereins genügend Dinge ausgraben und diskutieren, die sich jenseits des Exklusivitäts- und Neuigkeitsanspruch der Tagespresse inhaltliche Exklusivität bewahren. Das gilt genauso für die Vor- und Nachbereitung von Spielen, die natürlich auf verschiedensten TV- und Print-Kanälen ausführlich betrieben wird, aber erstens letztlich Zugpferd Nummer 1 bei Fußballanhängern sind und zweitens auch Einordnungen, taktische Analysen und Querverweise liefern können, die es an anderem Orte nicht gibt.

Das kreative Besetzen einer Nische (wobei man den Nischenbegriff enger oder weiter fassen kann) und Manpower sind demnach Faktoren für erfolgreiches Bloggen (ganz egal, ob man Erfolg nun in Reichweite oder in Qualität misst). Wobei gerade der Trend zum Kollektiv letztlich vielleicht sogar schade ist, denn die ursprünglich mit dem Bloggen verbundene Idee der Personalisierung und die Lust an der Meinungsstärke und den rhetorischen, analytischen oder einfach auch erzählerischen Fähigkeiten einer Einzelperson (wie man es bei z.B. Heinz Kamke, dem Trainer Baade oder Torsten Wieland vom Königsblog [broken Link] findet, die damit stellvertretend für viele andere stehen), deren Entwicklung im Zeitverlauf man verfolgen und an der man sich reiben kann, verschwindet dann wiederum hinter einer Marke, die letztlich den klassischen Medienmarken ähnelt. Also den großen Medienhäusern nur viele kleine zur Seite gestellt werden.

Letztlich steckt dahinter auch immer die pragmatische Frage nach dem Zeitaufwand. Projekte mit mehreren Personen lassen sich, da haben die Gesprächsteilnehmer oben durchaus recht einfach länger durchhalten. Die individuellen Blogs von Klaas Reese und Jens Peters stehen exemplarisch dafür, dass es als Einzelperson unheimlich schwer ist, über einen längeren Zeitpunkt regelmäßige Inhalte zu veröffentlichen.

Was eben auch damit zu tun hat, dass es völlig unabhängig von der Qualität des Bloggens aufgrund der Reichweite des Nischenprodukts unheimlich schwierig bis unmöglich ist, den Aufwand den man betreibt, in angemessenem Maße refinanziert zu bekommen, sich also aufs Bloggen konzentrieren zu können. Was direkt dazu führt, dass permanentes, relevantes Bloggen im Normalfall ein Privileg bestimmter Lebensabschnitte und ansonsten eher schwierig in Einklang mit Lebensalltag zu bringen ist. Weswegen die Gesprächsrunde Fußballblogs wirtschaftlich auch praktisch ausschließlich als Sprungbrett in finanziell abgesicherte Geschichten im ‘normalen’ Fußballberichtsbusiness sieht und nicht als eigenständige Medienformen, die sich aus sich selbst heraus monetarisieren lassen. Ich würde gern dagegen widersprechen, mit Blick auf die Realitäten ist das allerdings natürlich schwierig.

Die anfangs im Gespräch geäußerte These, dass Blogs tot sind, weil sie letztlich an vielen Orten nie darüber hinaus gekommen sind, über etwas zu berichten, was eh alle gesehen haben und kennen, ist natürlich überspitzt gewesen, aber dürfte auch in weniger überspitzter Form nicht unbedingt haltbar sein. Dass in vergleichsweise jüngerer Vergangenheit mit Fokus Fussball und dort vor allem dem Schiedsrichterpodcast Collinas Erben, der Spielverlagerung und diversen Mehrpersonenvereinsblogs oder -podcasts einige überregionale oder regionale Leuchttürme entstanden sind, würde der These direkt widersprechen. Blogs sind nicht töter als bisher, weil hier weiterhin Kreativleistungen erschaffen werden, aber dies weiterhin meist für lau geschieht. Wenn auch sicherlich nicht mehr für ganz so lau wie noch vor ein paar Jahren.

Letztlich hat sich bei allen Animositäten und Differenzen online ein Netzwerk an Bloggern, Podcastern und Fanautoren gefunden, die (manchmal auch auf eher unangenehme Art und Weise) Meinungsbildung betreiben und über die Interaktion und Verlinkungen den eigenen und den Stand der anderen festigen. Der Mangel an Austausch zwischen den vielen Blogs und Webseiten innerhalb der Blogs selbst, also das Fehlen einer aufeinander Bezug nehmenden Diskussionskultur beklagt Klaas Reese im Gespräch wohl zurecht. Andererseits ist dies vermutlich schlicht Ausdruck unterschiedlicher Interessenslagen im eigenen (Blog)Tun und eines permanent geringen Zeitbudgets bei vielen.

Interessant ist auch das angemerkte, derzeitige weitgehende Fehlen gemeinsamer Projekte zwischen den Fußballblogs. In der Tat könnte dies eine besondere Stärke von Bloggern und Podcastern aller Art sein, Projekte zu forcieren, die letztlich allen zugute kommen (Fokus Fussball ist ja mit seiner Linksammlung in letzter Konsequenz bereits ein solches Projekt) oder inhaltliche Synergien nutzen (Podcasts mit Bloggern der beteiligten Vereine vor oder nach Spielen, die es ja schon gibt, könnte man hier nennen). Inhaltlich gab es dies in größerem Rahmen beim von der Idee her großartigen, in der Umsetzung nicht durchgehaltenen 18mal18-Projekt. Letztlich dürfte da aber bei den meisten (nachvollziehbarerweise) der eigene Alltag und der Broterwerb über das gewinnbringende Spinnen einer Idee gehen.

Letztlich sind Blogs mit ihrer – im bundesdeutschen Gesamtmaßstab gesehen – Suche nach Ideen und Neukreationen wohl so etwas wie die Subkultur des Medienbusiness und nicht deren Antipode. Handelt es sich doch hier um ein Netzerk von Menschen, die in der dauerhaften Online-Interaktion untereinander und mit den LeserInnen und HörerInnen immer wieder allerlei Neues probieren. Wenn es funktioniert, dann kann man die Grenzen hin zur Massenkultur zumindest ansatzweise überschreiten wie bei der Spielverlagerung, die inzwischen für diverse Medien Analysen liefern oder Collinas Erben, die während der WM auch beim Deutschlandradio am Start sind. Das meiste, was darunter liegt, bleibt wohl aber auch zukünftig ‘nur’ subkulturelles Rauschen und Brutstätte für mögliche neue Ideen.

Wenn ich an Blogs denke, dann sind dies im Idealfall vor allem Blogs mit nachvollziehbaren und ‘haftbar’ zu machenden Einzelpersonen, die mit ihrem Stil und ihren Ansichten ihren Bloggegenstand gestalten und so einen subjektiven Zugang entweder zu sich selbst und zum Verein, dem sie anhängen herstellen. Einzelpersonen, die etwas zu erzählen oder zu analysieren haben. Einzelpersonen, die mithin irgendwie besonders sind und sich darüber aus dem weiten Blogfeld abheben. Ohne diese Einzelpersonen würde mir vermutlich mehr fehlen, als ohne das eine oder andere von Kollektiven betriebene Fanportal mit Bloganschluss. Aber das ist natürlich eine hochgradig subjektive Empfindung.

Insgesamt würde ich behaupten, dass man nicht weiterkommt, wenn man darüber spekuliert, ob Blogs eine Zukunft haben oder nicht. Weil man das Feld der Blogs nur schwerlich fassen kann und entsprechend nie so richtig weiß, ob man nun über eine Webtechnik oder einen bestimmten Stil bzw. eine bestimmte Nischen-Herangehensweise an Dinge meint. Fakt ist, dass solange Menschen sich zum Fußball ausdrücken wollen, sie dies auch jenseits der massenmedialen Kanäle tun werden. Und ein paar werden aufgrund besonders prägnanter Meinungen oder besonderer Witzigkeit oder was auch immer und auf welchem Kanal auch immer an Bekanntheit gewinnen, während andere niemals die Wahrnehmungsschwelle des direkten Umfelds überschreiten. Sieht man es von der Seite, werden Blogs als chronologische Sammlung von fußballbezogenen Ausdrucksformen oder entsprechende technische Äquivalente, die in Online-Netzwerke eingebunden sind, nie tot sein, sondern sich immer nur graduell ändern.

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PS: Mit diesem Beitrag wird hier im Blog quasi pünktlich zum Trainingsstart bei RB Leipzig die Bloggersommerpause eingeleitet. Was bedeutet, dass es hier bis zum 30.06. keine tagesaktuellen Berichte, sondern nur einige vergleichsweise zeitlose Beiträge geben wird.

2 Gedanken zu „Blogs sind tot, es lebe der Blog. Oder irgendwas anderes.“

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