Eine Frage des Preises

Die moderne Welt ist an vielen Stellen eine ziemlich anmaßende und wenig perfekte. Teil dessen ist die Beurteilung von Gegenständen über ihren Preis. Was zugegebenermaßen eine zwangsläufige Folge des Kapitalismus als zugrundeliegendem Wirtschaftssystem ist, aber zum Beispiel dazu führt, dass man einen Gegenstand wie beispielsweise den Leipziger City-Tunnel (komisch, dass der noch keinen Namenssponsor hat..) vor allem darüber bewertet, dass er Unmengen an Geld gekostet hat, dass an anderen Stellen eventuell besser angelegt gewesen wäre. Und nicht mehr darüber, ob so ein City-Tunnel denn eine eher fetzige, weil praktische oder völlig unnötige Idee ist.

Letztlich ist der Preis eigentlich eine völlig idiotische, weil vollkommen beliebige Kategorie zur Bewertung eines Gegenstandes, die aber natürlich Sinn macht, wenn auch die eigene Arbeitskraft letztlich über Geld und Portemonnaie bewertet wird und daraus resultiert, was man sich in der weiten Welt der bunten Waren so leisten kann. Wie beliebig das alles ist, sieht man schon daran, dass man beim Discounter um Cents für einen Liter Milch kämpft, während viele anderswo dafür, Helene Fischer aus 100 oder mehr Metern Entfernung beim Singen zuzugucken, gerne 60 Euro aufwärts bezahlt.

Ich persönlich, der ich mich von dieser albernen Entscheidungsgrundlage Preis natürlich nicht freimachen kann, bin in Sachen Ticketpreise beim Fußball in Cottbus in den 80ern mit 0,55 Pfennig pro Spiel sozialisiert worden. Sicherlich wegen eines komplett unterschiedlichen Staatssystems mit entsprechend völlig unterschiedlicher Lohn- und Preiskultur nicht mit den heutigen Tagen vergleichbar (zumal das Geld damals noch aus der elterlichen Hand kam), aber trotzdem war Fußball für mich sehr lange ein Gegenstand, bei dem es nicht darum ging, ob man ihn sich leisten kann, sondern ob man Bock drauf hat oder nicht.

Zumal es in Cottbus in den 80ern und auch noch in Teilen der 90er möglich war, den Spielen von der anliegenden Bundesstraße aus (die etwas erhöht war, deswegen Hochstraße hieß und eine perfekte Hintertorperspektive lieferte) kostenlos beizuwohnen und dann zur Halbzeit bei dann freiem Eintritt ins Stadion zu schlüpfen und sich nach Belieben einen Platz auszusuchen. Dass sich die Zeiten ändern, erkannte man spätestens als der Verein diese freie Sicht in den 90ern, vermutlich irgendwann rund um den Zweitligaaufstieg, zuhängen ließ und damit die paar Dutzend Kiebitze dazu zwang, sich nun zu überlegen, ob ihnen der Fußball in der neuen Warenwelt das entsprechende Geld für das Ticket wert ist.

Eine solche Entscheidung muss natürlich auch der durchschnittliche Fan oder potenzielle Besucher von RB Leipzig jedes Jahr aufs neue treffen. Und darf sich diese Frage nach dem Bekanntwerden der neuen Ticketpreise am vergangenen Freitag noch mal intensiver stellen. Denn die Frage, warum man bei Milch um Cents feilscht, während man 30 Euro dafür ausgeben soll, hoch- oder überbezahlten Profikickern für 30 Euro beim Ausüben des Berufs zuzugucken, darf man sich natürlich immer stellen. Zumal, wenn es sowieso Teil der Alltagskultur ist, dass Fußball ein Gegenstand ist, den man sich leisten können muss.

30 Euro, das ist, mal abgesehen von den VIP-Tickets, die ab der kommenden Saison teuerste Tageskarten-Variante bei RB Leipzig. In den Mittelbereichen von Sektor A und C. Eine 50%ige Preissteigerung im Vergleich zur letzten Saison. Eine Verdreifachung des Preises im Vergleich zur Saison davor. Sprich, da wo vor etwas mehr als einem Jahr noch 10 Euro zu berappen waren, sind es künftig 30. Stichwort Entscheidungsgrundlage Preis..

Auch der Rest des Stadions darf künftig tiefer in die Tasche greifen. Die an die teuersten Plätze angrenzenden Blöcke erwischt es mit einer Preissteigerung von 66% und künftig 25 statt 15 Euro mit am heftigsten. Die Mittelblöcke im Oberrang der Gegengerade verteuern sich sogar um 100% (von 15 auf 30). Und selbst die Mitglieder offizieller Fanclubs, die im vergangenen Jahr im Fanblock noch ohne Verteuerung auskamen, sind diesmal mit ordentlichen 60% dran (von 5 auf 8).

Im Ligavergleich ist RB Leipzig damit aber trotzdem ein absolut normaler Verein, wenn man es mit der Liste vergleicht, die der Übersteiger für das vergangene Jahr erstellte. Ohne Treuebonus bei Dauerkartenverlängerungen oder Ermäßigungen (Fanclub, arbeitslos, Student etc.) kostet die billigste Dauerkarte, von denen es in den beiden Blöcken hinter den Toren ungefähr 9.000 gibt gerade mal 150 Euro (mit Ermäßigungen kommt man auf 104), also so viel wie bei Union letzte Saison. Über die verschiedenen Kategorien nach oben gekämpft, kann man für den teuersten normalen Sitzplatz 450 Euro hinlegen. Auch das im Zweitligavergleich nichts überspanntes. Zwar vordere Tabellenhälfte, aber auch bei weitem noch noch nicht Spitze.

Ob man diese Preiserhöhungen nun als maßvoll, wie mancherorts zu lesen war, empfinden möchte oder angesichts der teils ordentlichen Erhöhungen eher ein wenig sauer ist oder gar von einer Dauerkarte abrückt, ist wohl völlig subjektive Ansichtssache, die sich nach Geldbeutel und Relevanz des Preises für die eigene Entscheidungsfindung richtet. Trotzdem geht es wohl leider in viel zu vielen Fällen nicht nach purer Lust bei der Platzwahl. Die 0,55-Pfennig-Tage sind dann eben doch in den oberen Spielklassen schon lange dahin.

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Randbemerkung: Letztes Jahr gab es ja den richtigen Ticketpreisshitstorm, vor allem weil der Verein in der ersten Version der Ticketpreise für die dritte Liga komplett auf Ermäßigungen verzichtet hatte. In diesem Jahr kam man um größere Online-Stürme herum, ein klein bisschen Aufregung gibt es aber doch. Genau genommen gibt es zwei Punkte, die ein wenig Unfrieden oder Diskussionsbedarf herbeiriefen. Einerseits betraf es Besitzer von Dauerkarten in den Mittelblöcken der Haupttribüne, denen mitgeteilt wurde, dass sie letztmalig ihre Plätze verlängern können, da diese ab der kommenden Saison nicht mehr verfügbar sein werden. Vermutlich, weil die Blöcke dann fester Teil des VIP-Bereichs werden. Klar, die Rosinen vergibt man immer an Menschen, die besonders viel für Rosinen ausgeben möchten. Wenn man aber an doch einige treue Fans inklusive Schalparade an der Brüstung in jenem Bereich denkt, dann weiß man jedoch auch, dass diese Entscheidung ein paar nicht ganz so gut gelaunte Menschen zurücklassen wird.

Zweite diskutierte Entscheidung mit nicht nur guter Laune ist die Aufhebung der Platzbindung im Fanblock alias Sektor B. Eine Maßnahme, die auf den ersten Blick völlig sinnig erscheint und vom Verein als Entscheidung ja auch zusammen mit den Fanclubs ausgeheckt bzw. von letzteren sogar entschieden wurde und schon deshalb schwerlich anzugreifen ist. Denn so entsteht nun tatsächlich ein Fanblock in dem wohl durchgängig hauptsächlich gestanden und mit Fahnen geschwenkt wird. Für jene Menschen, die sich an ihre festen Plätze gewöhnt hatten und jene, die aus welchen Gründen auch immer erst spät zu Spielen erscheinen können, natürlich blöd, weil sie beim künftigen Hauen und Stechen um Plätze in einem Revier, in dem sich einige Fanclubs schnell eigene Bereiche markieren werden, hinten an stehen. (Bei den RB-Fans finden sich noch ein paar mehr Argumente pro und contra Platzbindung.)

Letztlich ist dies auch eine Form der gesteuerten sozialen Segregation, denn familiäre Personengruppen, denen ihre Plätze wichtig waren und dass sie ihre Nachbarn auch beim nächsten Spiel noch wiederfinden, könnten künftig einfach hinter den gegenüberliegenden Hintertorbereich wechseln. Sodass die Zusammensetzung des Fanblocks homogener werden dürfte. Das könnte kurzfristig zum Vorteil der Stimmung sein, könnte mittel- bis langfristig aber auch den Nachteil haben, dass durch den Wegfall fanclubexterner Korrektive die Fankultur von RB Leipzig ein paar Farbtupfer und Gegensteuerer verliert.

4 Gedanken zu „Eine Frage des Preises“

  1. Eine weitere Randbemerkung finde ich die Preise auf dem Oberrang wert. Nach meinen Verständnis müssten sich diese etwas unter denen des Unterrangs bewegen. Aber wahrscheinlich tun sie das nicht, das die mittleren Blöcke des Unterrangs als VIP-Bereich eh komplett dem normalen Fußvolk nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Deswegen bestimmt auch die identischen Preise auf der Gegengrade, die scheinbar zur “Haupttribüne der kleinen Leute” werden soll.

    Unabhängig von unserem Verein, finde ich es wirtschaftlich nachvollziehbar aber schade, das die VIP-Bereiche in den Stadien immer größer werden (ab welchem Fassungsvermögen ist das eigentlich ein Widerspruch in sich? ^^). Denn in der Praxis weisen diese doch immer recht große Lücken auf, auch wenn das Stadion offiziell (fast) ausverkauft ist. Von VIP-Bereichen als Stimmungs-Lücken will ich da gar nicht erst anfangen…

  2. Ich wundere mich auch dass das bisher so kommentarlos hingenommen wurde. Über die Hälfte des Stadions ist für hochpreisige Karten ab 25 Euro reserviert. Die Klubführung sollte bei der Preisgestaltung schon die wirtschaftliche Situation in der Region im Auge behalten. Ich finde es darum schade dass so eine Art Mittelklasse-Bereich fehlt – bzw. nicht fehlt, aber dieser mit Kategorie 3 und 4 lediglich ein paar hundert Sitze beinhaltet. Wer keine der sicher schnell vergriffenen Tageskarten für Kat. 3 bis 5 mehr ergattern kann, darf gleich mal 15 Euro mehr zahlen, und hat dann dafür schön viel Platz. Zumindest die Oberränge mit Ausnahme der drei mittleren Blöcke sowie im Unterrang die Blöcke 3, 11 und 34 könnte man für die Kategorien 3 und 4 freigeben.

    1. Definitiv ein großer Kritikpunkt, der leider ob der (Luft)Diskussion über den Wegfall der Platzbindung in B nicht einmal diskutiert wird. Die Oberrangkarten sind vor allem weiter oben zu teuer. Zu vielen Spielen werden die 9.000 (bzw. mit Puffer zum Gästeblock weniger ) günstigen Karten schnell weg sein. Dann geht es sehr schnell auf 25 € und damit 150% teurere Karten.

      Gerade für Gelegenheitsbesucher wird es schnell teuer. Man muss kein Prophet sein, um einen hohen Dauerkartenverkauf in B und D vorherzusagen.

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