Erntezeit

Eine Stadt bereitet sich auf den Aufstieg in den Profifußball vor. So könnte man die aktuelle Stimmungslage hierzulande beschreiben. Binnen der letzten zwei Tage wurden noch einmal 15.000 Tickets für das Spiel gegen Saarbrücken verkauft, sodass bis gestern (Dienstag) Abend schon 29.000 Plätze vergeben waren. Tatsächlich könnte die Schüssel nach ihrem Umbau vom alten zum neuen Zentralstadion mit ihrem neuen Namen zum ersten Mal bei einem Spiel einer Leipziger Vereinsmannschaft ausverkauft sein. Nie war es mehr en vogue, sich als RB-Anhänger zu outen.

Tatsächlich ist wohl das aktuelle Ligaszenario das beste, das man sich vorstellen kann. Am vorletzten Spieltag vor eigenem Publikum in einem vollen Stadion den Aufstieg mit einem Sieg perfekt machen zu können, besser hätte man sich das Ende der Spielzeit vorher nicht erträumen können. Wenn man denn am Anfang der Saison überhaupt schon an ein solches Szenario gedacht hat. Denn der Durchmarsch mag bei manchem schon lange im Hinterkopf stecken, rechnen konnte man damit am Anfang der Saison nach dem Aufstieg und vor allem mit all den jungen Neuzugängen nicht.

Hier im Blog wurde der Durchmarsch erstmals nach dem 1:0 in Darmstadt am 16.Spieltag zu einem realistischen Gedankengang, weil sich damals abzeichnete, dass vor allem die Konkurrenz nicht so breit und so stark sein würde, wie man das vor der Saison erwarten konnte (dass in der Blog-Prognose nach dem 16.Spieltag Darmstadt weiterhin praktisch keine Rolle spielte, stellte sich in der Zwischenzeit allerdings als kapitaler Irrtum heraus). In den folgenden 20 Spielen ergriffen die RasenBallsportler ihre Chance und stehen nun auf Platz 2 mit nur drei Punkten Rückstand auf Heidenheim und vier Punkten Vorsprung auf Darmstadt.

Stehen völlig verdient auf Platz 2 möchte man hinzufügen. Denn seit dem 15.Spieltag konnte RB Leipzig nicht mehr von diesem direkten Aufstiegsplatz verdrängt werden. Man ist zudem das zweitbeste Heimteam (hinter Darmstadt) und das zweitbeste Auswärtsteam (hinter Heidenheim). Man hat zusammen mit Heidenheim die die beste Torbilanz und hinter Heidenheim und Darmstadt die drittbeste Gegentorbilanz. Man hat in Hin- und Rückrunde und auch rundenübergreifend in 2013 und in 2014 die zweitbeste Bilanz aller Teams. Und dazu noch mit Daniel Frahn den zweitbesten Torjäger der Liga. Mehr Zweiter geht fast nicht. Was in der Regionalliga ein Grund zum Verzweifeln wäre, weil nur einer aufsteigt (bzw. in die Relegation darf), ist in der dritten Liga ein Grund zur Freude, weil jetzt zwei Teams direkt aufsteigen.

RB Leipzig ist zudem in den direkten Duellen der drei besten Mannschaften der Liga das unumschränkte Topteam. Denn aus vier Spielen gegen Heidenheim und Darmstadt holte man 10 Punkte und kassierte bei fünf Treffern gerade mal ein Gegentor. Darmstadt mit vier Punkten (alle gegen Heidenheim) und Heidenheim mit zwei Punkten folgen mit großem Abstand. Ein klares Zeichen, welches Leistungspotenzial die RasenBallsportler gerade unter Druck haben.

Ein Beispiel dafür die Situation vor dem 12.Spieltag. ‘Nur’ Fünfter und schon acht Punkte Rückstand auf Heidenheim auf Platz 1, der Verlauf der Saison stand ein wenig auf der Kippe bzw. stand die Frage, in welche Richtung es vorerst geht, Richtung Tabellenmitte oder -spitze. Und dann fährt man zum überlegenen Tabellenführer und packt beim 2:0 eine beeindruckende Leistung aus, die vielleicht das entscheidende Selbstvertrauen brachte, dass man in dieser Saison viel erreichen kann. Auch drei Siege ohne Gegentor in vier Auswärtsspielen bei den NOFV-Clubs Halle, Erfurt und Rostock zeigten, dass man vor allem auch bei Gegenwind zu bestehen weiß.

Die Saison von RB Leipzig war bis zum jetzigen Zeitpunkt eine ziemlich lange Reise, der die Konstanz fehlte, wie sie Heidenheim praktisch über die gesamte Zeit hatte, die aber immer zu den richtigen Zeitpunkten die perfekten und beeindruckenden Antworten fand. Auch als Darmstadt völlig überraschend in Schwung kam und zwischen 18. und 34.Spieltag komplett ohne Niederlage blieb. Lediglich vier Punkte verlor Leipzig trotz dieser beeindruckenden Serie in dieser Zeit auf die Hessen (bei vorher fünf Punkten Vorsprung) und sorgte so auch dafür, dass der Verfolger bisher nie das finale Gefühl genießen konnte, den Gejagten auch zu erlegen.

Sechs Mal durfte Darmstadt bei dieser Verfolgunsjagd an bisher 15 Spieltagen in 2014 einen Tag vor RB Leipzig antreten. Fünfmal legte man einen Sieg vor. Viermal konterte RB Leipzig nüchtern mit einem Sieg, nur einmal legte man lediglich ein Unentschieden nach. (Beim sechsten Mal legte Darmstadt bei den Kickers ein Unentschieden vor, RB konterte mit einem Unentschieden gegen Heidenheim.) Auch dies ein Zeichen für die unheimliche Nervenstärke der RasenBallsportler, die sich jüngst auch beim 1:0 in Rostock zeigte, wo man einen Tag nachdem Darmstadt mit einem Sieg vorlegte, nicht überragend, aber konzentriert und abgebrüht spielte.

13 Spiele in Folge hat RB Leipzig nun nicht mehr verloren. Lediglich drei Unentschieden kassierte man in dieser Zeit. Und nun fehlt nur noch ein Sieg zum Aufstieg. Wenn man die ganze Saison nimmt, wenn man sich die jüngere Vergangenheit und die letzten zwei Siege anschaut, dann ist es jetzt an der Zeit, den verdienten Lohn einzufahren. Den verdienten Lohn für 10 Monate harte Arbeit, die sich auch in der Entwicklung des Teams von einer Mannschaft, die anfangs noch Lehrgeld in der neuen Liga zahlte, hin zu einer Mannschaft, die immer souveräner und routinierter, eben oft im Stile einer Drittliga-Spitzenmannschaft auftrat, ausdrückt.

Es wird Zeit zu ernten, weil man sich in 10 Monaten etwas aufgebaut hat, was beileibe nicht selbstverständlich ist. (Und jeder, der die 10 Monate intensiv und aufmerksam verfolgt hat, wird dies ähnlich sehen.) Es wird Zeit, den Aufstieg zu ernten, weil man sich diesen in den letzten Monaten in allen Belangen des Auftretens einfach verdient hat. Weil man die Spitzenmannschaft geworden ist, die man am Anfang der Saison eben noch nicht war.

Es wird Zeit, die verdiente Ernte für das lange Arbeiten, das weder im letzten Sommer (wegen der Relegation), noch in diesem Winter (wegen der kurzen Winterpause) eine längere Auszeit sah, einzufahren und sich das Bad in der Menge einer fast vollen Red Bull Arena abzuholen, von dem Spieler und Anhänger gleichermaßen träumen. Einmal noch durchbeißen und alles aufs grüne Eckige werfen, sich einmal noch zum Sieg treiben lassen und das Tüpfelchen auf das I setzen. Das Spiel gegen Saarbrücken am Samstag ist der perfekte Erntetag für die umhegte und umpflegte und letztlich aufgegangene, bunt und ansehnlich vor sich hin blühende Saat.

9 Gedanken zu „Erntezeit“

  1. 100% Zustimmung – verdient haben Sie es – haben wir es – und alle haben gehofft wenige haben daran geglaubt nun ist es hoffentlich am samstag soweit – besser kann man das eigenltich nicht “planen” :)

  2. Mein lieber Rotebrauseblogger,
    hörst du jetzt etwa auf mit schreiben? ;-)
    Wie willst du denn diesen Beitrag noch toppen?
    Richtig Klasse. Danke.

  3. Danke für diesen tollen Beitrag, er hat die Saison und das Gefühl dass momentan herrscht gut auf den Punkt gebracht. Eigentlich müssten wir deine Leser auch mal einen Beitrag in deinem Blog schreiben, denn auch du verdienst eigentlich für deine tollen gut recherchierten Beiträge das ganze Jahr über mal ein großes fettes Lob. Ganz großes journalistisches Kino, deutlich besser als LVZ und Konsorten.

  4. So ist es wohl, danke für den empathischen Beitrag, wir sind doch wohl richtige Fans, auch ich liebe Schachtelsätze.
    Jetzt müssen wir dem E. Geyer nur noch Geographie beibringen, L.E. liegt nun mal im Osten der Republik (etwas “off topic”, aber der Geyer ist vom Neid zerfressen und schon beim FC Sachsen mehr als gescheitert, wohlwollend formuliert, heute sagt man Loser dazu), mehr sage ich hier mal lieber nicht vor dem “Endspiel des Jahres”…

  5. Ein Beitrag, der beim Lesen vom ersten bis zum letzten Wort Freude bereitete! Lieber rotebrauseblogger, ich glaube Du hast Dich nun so langsam zur journalistischen INSTANZ in Sachen RBL empor gearbeitet. Wenn es so weiter geht, löst Du bald Guido Schäfer (LVZ) ab :-). Wobei – hier in Deinem Blog unterliegst Du keinen Zwängen, in einer Zeitungsredaktion sähe das ein wenig anders aus.

    Mach weiter so. Mit dem Aufstieg in die Bundesliga wird auch Dein Blog bekannter und bei Google weiter steigen, wer weiß in welchem Job das mal endet…

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