Nervöse Vereinsfinger

Etwas überraschend wurde gestern beim SV Wehen Wiesbaden Cheftrainer Peter Vollmann beurlaubt. Überraschend weil der Verein aktuell mit nur einem Punkt Rückstand auf Platz 7 gar nicht allzu schlecht da steht und immer noch gute Perspektiven hat, um den Aufstieg mitzuspielen.

Andererseits kam die Beurlaubung nicht ganz so überraschend, denn schon seit ein paar Wochen schien zwischen Coach und Verein ein Streit über den mangelnden Einbau des Nachwuchses zu schwelen. Prototypisch für den Streit könnte Julian Wießmeier stehen, ein 20jähriges Mittelfeldtalent, das mit viel Hoffnung für zwei Jahre vom 1.FC Nürnberg ausgeliehen wurde, bisher aber (verletzungsfrei wohlgemerkt) von 1170 möglichen Minuten nur 155 bestritt.

Zu Saisonbeginn hatte Vollmann durch gute Resultate (bei damals schon überschaubaren Leistungen) die Argumente auf seiner Seite. Durch nur zwei Punkte aus den letzten fünf Spielen verlor der aus der Ferne sympathisch wirkende Trainer aber die guten Argumente und ergo auch seinen Job.

Insgesamt haben damit bereits sieben Vereine der dritten Liga einen anderen Coach als den, mit dem sie in die Saison gegangen sind. Wobei zwei davon – Jens Kiefer in Elversberg und Gerd Schädlich in Chemnitz – aus freien Stücken den Verein verließ. Auf Pavel Dotchev, Jürgen Luginger, Georgi Donkov und Massimo Morales trifft dies, wie auf Peter Vollmann, nicht zu.

Interessanterweise ist die dritte Liga fast schon Deutschlands Durchlauferhitzerliga schlechthin. Denn nur sechs der aktuell tätigen Trainer sind schon länger als ein Jahr bei ihren Vereinen. Sven Köhler und Frank Schmidt agieren jeweils schon mehr als sechs Jahre in Halle und Heidenheim. Jürgen Kramny und David Wagner betreuen seit 2011 die Nachwuchsteams des VfB bzw. BVB. Und Claus Schromm und Alexander Zorniger sind seit 2012 dabei. Alle anderen 14 Trainer kamen später dazu.

  • 1.Liga: 9 von 18 Trainern arbeiten schon länger als ein Jahr bei ihrem Verein – 50%
  • 2.Liga: 6 von 18 – 33,3%
  • 3.Liga: 6 von 20 – 30%
  • Regionalliga Nord: 8 von 18 – 44,4%
  • Regionalliga Nordost: 6 von 16 – 37,5%
  • Regionalliga West: 11 von 19 – 57,9%
  • Regionalliga Südwest: 9 von 18 – 50%
  • Bayern: 8 von 19 – 42%

Schlechter als die dritte Liga schneidet im Vergleich der vier höchsten Spielklassen die zweite Liga bei der Frage ab, wieviele Trainer schon länger als zwei Jahre bei ihrem Verein arbeiten. In der ganzen 2.Liga gibt es gerade mal einen Trainer, Union-Coach Uwe Neuhaus, der mit über sechs Jahren deutlich länger als zwei Jahre da arbeitet.

  • 1.Liga: 6 von 18 Trainern arbeiten schon länger als zwei Jahre bei ihrem Verein – 33,3%
  • 2.Liga: 1 von 18 – 5,6%
  • 3.Liga: 4 von 20 – 20%
  • Regionalliga Nord: 8 von 18 – 44,4%
  • Regionalliga Nordost: 3 von 16 – 18,8%
  • Regionalliga West: 7 von 19 – 36,8%
  • Regionalliga Südwest: 7 von 18 – 38,9%
  • Bayern: 3 von 19 – 15,8%

Insgesamt fällt auf, dass die beiden Zwischenligen zwischen der Bundesliga und dem Amateurfußball für Trainer offenar die unruhigsten sind. Was sich dadurch erklären ließe, dass hier beständig nach oben oder nach unten geschielt wird. Entweder der Aufstieg in die Bundesliga in Gefahr gerät oder der Absturz in die Drittklassigkeit oder gar in den Amateurfußball droht. Alles Szenarien, bei denen der Trainer relativ schnell  gehen muss.

In der Bundesliga scheint dagegen doch eher die Möglichkeit zu bestehen, auch einmal über ein paar Jahre etwas zu entwickeln. Genauso wie in der Regionalliga, in der es für viele Teams um nicht viel geht und für manchen Verein wohl nicht einmal ein Absturz in die fünfte Liga ein großes Drama wäre. Die Regionalligen Nordost (mit Urgestein Ingo Kahlisch, der seit 24 Jahren Optik Rathenow trainiert) und Bayern weichen von dieser Regel leicht ab, ohne dass man dies erklären könnte (außer dass die Regel unter Umständen Quatsch ist).

Vor dem Hintergrund der Entlassung zweier Ü50-Trainer könnte man annehmen, dass mit den Entlassungen in der dritten Liga auch eine Verjüngung einhergehen würde. Was aber nicht der Fall ist. Die sieben bisher entlassenen oder gegangenen Trainer weisen mit reichlich 48 Jahren einen nahezu identischen Schnitt auf wie die bisher sechs eingestellten neuen Trainer (49 Jahre).

Bliebe noch die Erfolgsfrage. Vom Gefühl her haben bisher alle Trainerwechsel in der dritten Liga einen positiven Effekt gehabt. Ein Blick auf die Zahl bestätigt und differenziert das ein wenig:

  • SV Elversberg: 6 Spiele, 0,5 Punkte/Spiel (Jens Kiefer) – 7 Spiele, 2,14 Punkte/Spiel (Dietmar Hirsch)
  • Preußen Münster: 8 Spiele, 0,88 Punkte/Spiel (Pavel Dotchev, Carsten Gockel) – 5 Spiele, 1,6 Punkte/Spiel (Ralf Loose)
  • Wacker Burghausen: 8 Spiele, 0,13 Punkte/Spiel (Georgi Donkov) – 5 Spiele, 1,6 Punkte/Spiel (Uwe Wolf)
  • 1.FC Saarbrücken: 9 Spiele, 0,56 Punkte/Spiel (Jürgen Luginger) – 4 Spiele, 0,75 Punkte/Spiel (Milan Sasic)
  • Stuttgarter Kickers: 11 Spiele, 0,82 Punkte/Spiel (Massimo Morales) – 2 Spiele, 1,5 Punkte/ Spiel (Horst Steffen)
  • Chemnitzer FC: 12 Spiele, 1,17 Punkte/Spiel (Gerd Schädlich) – 1 Spiel, 0,0 Punkte/Spiel (Karsten Heine)
  • SV Wehen Wiesbaden: 13 Spiele, 1,62 Punkte/Spiel (Peter Vollmann) – 0 Spiele

Insgesamt darf man festhalten, dass die bisherigen Trainerwechsel durchaus verbesserte Resultate zur Folge hatten. Insbesondere in Münster, Elversberg und Burghausen ging es deutlich bergauf. In Saarbrücken geht zumindest die Tendenz nach oben. Die anderen 3 Vereine sind noch nicht zu beurteilen. Interessant auch, dass Peter Vollmann die deutlich beste Bilanz aller bisherigen Ex-Coaches hat.

Apropos Ex-Trainer. Dass die Zeit der Trainerentlassungen in der dritten Liga für die Saison vorbei sein könnte, ist nicht zu befürchten erwarten. Aktuell stehen vor allem Andreas Bergmann bei Hansa Rostock und mit Abstrichen Thomas Stratos bei Jahn Regensburg auf der Kippe. Beiden können wohl nur noch Punkte helfen. Für Bergmann könnte schon das Duell gegen Halle am kommenden Wochenende zum Schicksalsspiel werden.

Die Bilanzen der bisherigen Neu-Trainer in den Drittligavereinen geben den Verantwortlichen gewissermaßen auch Recht beim Wechseln der Coaches. Zumindest kurzfristig. Ein Effekt, auf den aber schon aus Gründen der Logik nicht jeder Trainer und jeder Verein und schon gar nicht langfristig hoffen darf.

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