3.Liga: RB Leipzig vs. Holstein Kiel 3:1

Knapp zwei Jahre war das letzte Aufeinandertreffen zwischen RB Leipzig und Holstein Kiel in der Red Bull Arena her und irgendwie schien man am gestrigen Dienstagabend einer Kopie zu folgen. Kiel ging gestern wie damals 1:o in Führung und schlug zumindest eine Halbzeit lang die etwas feinere Klinge. Aber dann drehte RB Leipzig das Spiel noch (damals wie gestern u.a. durch einen Frahn-Elfmeter) und schlussendlich gewann das vom Sieg etwas überzeugtere und glücklichere Team. Insgesamt auch wieder völlig verdient.

Das Spiel begann aus RB-Perspektive denkbar unglücklich. Nachdem zuerst Coltorti nach Willers-Fehler Rafael Kazior an der Strafraumgrenze abschoss und der Abpraller nur knapp über das Leipziger Tor strich, war es keine zwei Minuten später wieder mal ein Standard, der RB Leipzig ein Gegentor einbrachte (das vierte im achten Pflichtspiel). Nach einer Ecke entstand im Strafraum kurz Konfusion, sodass Fiete Sykora wenig Mühe hatte, den Ball in den Maschen zu versenken.

0:1 nach nur neun Minuten, das ist gegen eine technisch versierte, schnelle und konterstarke Mannschaft ein ziemlich undankbarer Beginn. Aber die RasenBallsportler und das Publikum zeigten sich nicht einmal kurz verunsichert, sondern versuchten sofort zurückzuschlagen. Dominik Kaiser zirkelte quasi im Gegenstoß einen Freistoß an den Pfosten und einige Eingaben sorgten zumindest ansatzweise für Gefahr.

Die technisch feinere Klinge schlugen in dieser Phase die Gäste, die sich immer wieder vom Pressing der Gastgeber zu befreien wussten und ihrerseits versuchten, den möglicherweise schon entscheidenden Konter zu setzen. Aber bis  auf einen abgefälschten Schuss, der mit viel Glück am Coltorti-Kasten vorbeisegelte, kam keine direkte Torgefahr auf. Frahn rüttelte kurz vor der Pause noch mal an den Ketten, die in diesem Spiel nicht ganz so fest saßen, wie noch in den letzten Partien, sein Abschluss kurz vor der Pause war aber zu schwach.

Insgesamt war die erste Halbzeit von RB Leipzig und der Umgang mit dem Rückstand ok. Man versuchte, immer wieder Bälle zu erkämpfen und sich Chancen zu erarbeiten. Was im Ansatz ganz gut aussah, aber Richtung Strafraum gegen teilweise sehr tief verteidigende Gäste nicht genau genug war. Wenn der obligatorische Standardgegentreffer nicht gewesen wäre, hätte man mit der 1.Hälfte sehr gut leben können. Durch das 0:1 entwickelte sich ein unangenehmes Spiel mit permanent spürbarer Angst vor einem weiteren Gegentor.

Dass das Spiel in der zweiten Halbzeit schnell kippen würde, konnte man in den ersten fünf Minuten nach Wiederanpfiff noch nicht ahnen. Denn zunächst war es Kiel, das das Spiel für kurze Zeit komplett in der Hand hatte und motivierte RasenBallsportler, die ein paar Minuten brauchten, um Genauigkeit und Biss in ihre Aktionen zu bekommen.

Friede, Freude, Eierkuchen - Fans und Mannschaft feiern das 3:1 von RB Leipzig gegen Holstein Kiel | GEPA Pictures - Roger Petzsche

Und so bedurfte es der Mithilfe der Gäste, um nach 50 Minuten fast aus dem Nichts den Ausgleich zu erzielen. Yussuf Poulsen stand plötzlich frei vor dem Tor, hatte sich eigentlich den Ball schon zu weit vorgelegt und war an Gästekeeper Riedmüller gescheitert, als der Abpraller mit nochmaliger Berührung durch Poulsen zu Patrick Herrmann sprang, der den Ball unfreiwillig aber präzise in den eigenen Maschen versenkte.

Es waren die nun folgenden 10 Minuten, in denen Holstein Kiel die Ordnung und die Partie verlor. Zunächst einmal sprang im Strafraum Fabian Wetter der Ball an die Hand und als alle schon dachten, es würde weitergespielt, gab der Linienrichter seinem Chef auf dem Platz ein Zeichen, dass der Ball elfmeterreif an Wetters Hand gelangt sei. Kann man sicherlich geben, aber RB in dieser Situation auch mit dem Glück, dass der Assistent genau hinguckt und sich durchsetzt. Daniel Frahn versenkte den fälligen Strafstoß souverän und machte aus einer gut gelaunten eine sehr gut gelaunte Red Bull Arena.

RB blieb weiter am Drücker und der Handunglücksrabe Fabian Wetter blieb im Blickpunkt und leistete sich nur ein paar Minuten später ein ebenso folgenschweres wie überflüssigs Drüberhalten an der Mittellinie und wanderte daraufhin völlig zurecht mit der Ampelkarte in die Kabine. Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Frahn, der beim SV Wehen Wiesbaden nach Drüberhalten noch um die mögliche rote Karte herumkam, in dieses Situation gefoult wurde.

Mit der Überzahl im Rücken war RB Leipzig für die nächsten 15 bis 20 Minuten das bestimmende Team und lag mittlerweile völlig verdient vorne, verpasste es aber, den Sack endgültig zuzumachen, weil man die vorhandenen Chancen nicht verwandelte. Gut zu sehen aber, dass die Gastgeber in dieser Phase nicht mehr jede Möglichkeit zum Pass in die Tiefe nutzten, sondern auch mal den Ball laufen ließen, um Ruhe ins Spiel zu kriegen, Zeit runterlaufen zu lassen und die Überzahl besser auszuspielen.

Erst in der Endphase verlor RB Leipzig die Ruhe im Spiel mit dem Ball wieder etwas und wurde im Offensivspiel zu ungenau, sodass der Gast nochmal Morgenluft witterte und mehr oder weniger gefährlich auf den Ausgleich spielte. Die große Chance dazu bot sich in der 90. Minute als nach einem in der Mauer endenden Freistoß Unordnung in der Hintermannschaft herrschte und Coltorti im Eins-gegen-Eins Kopf und Kragen riskieren musste. Als sich anschließend die halbe Mannschaft von RB in Kieler Nachschüsse geworfen hatte und der Schiedsrichter einen Freistoß pfiff, stand weiter das 2:1 auf derAnzeigetafel und das ganze Stadion tobend vor den Sitzen.

Finaler und passender Schlusspunkt eines in Sachen Intensität, Emotionen und Stimmung hochklassigen Drittligafights war ein Empty-Net-Goal nachdem Gästekeeper Riedmüller bei einem Standard nach vorn geeilt war, aber Fabio Coltorti die Flanke wegfing und Daniel Frahn auf die Reise schickte, der aus 35 Metern ins leere Tor einschob. Der Rest und der Schlusspfiff ging im Jubel unter.

Fazit: Man mag sich schon fast nicht mehr wundern, dass ausgerechnet ein Spiel gegen Kiel mit so vielen Emotionen und so hoher Intensität ausgetragen wird und mit gedrehtem Spiel, Elfmeter, Platzverweis und turbulenter Schlussphase so viele besondere Geschichten bereithielt. Letztlich setzte sich das etwas bessere, etwas vom Sieg überzeugtere und nicht zuletzt auch etwas glücklichere Team vor allem dank der 15 Minuten nach der Pause durch. Sprich, die Kleinigkeiten, die einen Punktgewinn beim SV Wehen Wiesbaden verhinderten, sorgten nun für drei Heimpunkte und einen unglücklichen, aber mit sich selbst nicht unzufriedenen Gast. Dass sich Wohl und Wehe in dieser dritten Liga wohl anhand von Nuancen entscheiden, daran muss man sich offenbar gewöhnen.

Randbemerkung 1: RB Leipzig in diesem Spiel wieder mit einem 4-3-3. Spielte man dieses System in Wiesbaden noch eher als 4-3-1-2, stellte man diesmal eher auf ein 4-3-2-1 um. Zwischendurch sah es nach der Ernst-Einwechslung und spätestens nach der Heidinger-Einwechslung nach einem 4-2-2-2 aus. Insgesamt zeigte vor allem die 4-3-2-1-Variante wieder einmal, dass drei Stürmer zwar offensive Qualitäten bedeuten, aber nicht gleichbedeutend sind mit defensiver Offenheit. Also letztlich jenseits der Kaderbesetzung letztlich die Frage ist, wie die einzelnen Spieler in ihren Rollen agieren.

Randbemerkung 2: Überraschende Kaderentscheidungen hatte das Spiel von RB Leipzig gegen Holstein Kiel mit sich gebracht. Dass Matthias Morys für Carsten Kammlott auflaufen könnte, war noch zu vermuten. Dass Timo Röttger ins Mittelfeld und damit erstmals in dieser Saison in die Startelf rutscht, war schon weniger erwartbar. Dass Christian Müller nicht einmal im Kader stand, obwohl er nach Verletzung zuletzt schon wieder für die U23 auflief, war eine weitere, größere Überraschung. Auch André Luges erstes Rutschen in den Kader darf man vermerken. Und nicht zuletzt die Einwechslung von Sebastian Heidinger im rechten Mittelfeld. Heidinger, der in den ersten Wochen ziemlich abgehängt schien von Kaderplätzen und nun doch so schnell wieder mal ins Team rutschte. Auch er ein Beweis, dass alle 25 Spieler im Kader in dieser Saison ihre Chance kriegen, wenn sie denn im Training dran bleiben. Und schon am Wochenende in Elversberg dürfen sich angesichts des Poulsen-Ausfalls (fährt zur dänischen U21) andere beweisen. Bei Matthias Morys, der verletzt ausgewechselt wurde, muss man erst mal abwarten. Die letzten Informationen deuten darauf hin, dass die Verletzung nicht schlimm sei.

Randbemerkung 3: Publikumstechnisch ist man in Leipzig spätestens mit diesem Spiel in der dritten Liga angekommen. Die Besucherzahlen pendeln sich irgendwo oberhalb der 10.000 ein und die die sich da langsam zusammenfinden, waren gegen Kiel auch von Anbeginn hellwach. Auch nach dem Rückstand war die Unterstützung immer da, wenn man mal vom kurzen, leisen Versuch, ein unpassendes “Wir wollen euch kämpfen sehen” anzustimmen, absieht. Was glücklicherweise vom Halbzeitpfiff beendet wurde. In der zweiten Halbzeit wurde das Publikum, das mit dem Spiel mitwogte und in der letzten Spielminute den Ball mit aus dem eigenen Tor herauszuschreien schien, in einer hitzigen Partie dann zu einem mitentscheidenden Faktor. Das hat Spaß gemacht und sich vollkommen drittligareif angefühlt.

Randbemerkung 4: Beachtlich auch, dass sich vielleicht 150, maximal 200 Gästefans an einem Dienstagabend auf den nicht eben nahen Weg nach Leipzig machten. Dass der nach dem Ausgleich ausgerechnet vor dem Gästeblock jubeln wollende Poulsen (während man auf der anderen Seite des Stadions auf ihn wartete..) dort nicht gerade willkommen war, ist geschenkt (von den dort versammelten Fans hatte hinterher wohl kaum noch einer sein Bier in der Hand). Dass man diesmal bei RB-Ecken vor dem Gästeblock ohne Schirme zum Schutz für den Schützen auskam, sollte zumindest positiv erwähnt werden. Nicht so richtig positiv ist, dass man Kiel mitten in der Woche nach Leipzig schickt. Da gäbe es fanfreundlichere und näher an Kiel liegende Alternativen. Aber solange man in Deutschland Montagsspiele zwischen Kaiserslautern und Cottbus plant (lockere 700 km), geht Leipzig gegen Kiel fast schon als Lokalderby durch.. Wäre spannend gewesen, wie viele Leipziger sich am selben Wochentag in die entgegengesetzte Richtung aufgemacht hätten..

Lichtblicke:

  • Matthias Morys: Rutschte für Carsten Kammlott ins Spiel und war bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung (als er auch schon ziemlich müde wirkte) der vielleicht auffälligste Spieler auf dem Feld. Warf sich mit voller Überzeugung in jeden der vielen hoch und weit gespielten Bälle, die dann vom nachrückenden Mittelfeld aufgenommen werden konnten, erkämpfte sich defensiv auf dem Flügel einige Bälle, grätschte bis zum wortwörtlichen Umfallen und hatte auch offensiv einige gute Aktionen mit dem Ball am Fuß und im Zusammenspiel mit den anderen Stürmern. Mit der Leistung aus dem Spiel gegen Kiel ist an Morys eigentlich kein Vorbeikommen. Sehr gerne noch viel mehr davon. Im besten Falle schon beim Spiel gegen Elversberg in Saarbrücken am Samstag.
  • Yussuf Poulsen: Sicher ist weiter noch Luft nach oben, aber gegen Kiel zeigte sich Poulsen im mannschaftlichen Integrationsprozess weiter verbessert und so noch wertvoller für das Team. Ständiger Unruheherd und wenn er mal mit Ball am Fuß Geschwindigkeit aufnehmen kann, ist er kaum zu stoppen. Und auch die Versuche, die Mitspieler mit Pässen einzusetzen, werden besser. Muss aber in der Zweikampfführung noch cleverer werden. Bisher wird da im Normalfall alles gegen ihn gepfiffen, ganz einfach weil manches übereifrig aussieht.
  • Fabio Coltorti: Mit Wackler zu Beginn der Partie war er später immer da, wenn er gebraucht wurde. Mit sicherem Timing beim Herauslaufen und bei Flanken. Und mit dem siegrettenden Einsatz in der letzten Minute der normalen Spielzeit, der ihm letzlich auch die Nennung hier in den Lichblicken einbringt. Hatte in den letzten Spielen das Pech, dass bis auf die Tore eigentlich nur wenig auf den Kasten kam. Was einen Torwart immer ein bisschen doof aussehen lässt (selbst wenn ihn keinerlei Schuld trifft). Gegen Kiel konnte er sich auch wieder mal auszeichnen.

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Tore: 0:1 Sykora (9.), 1:1 Herrmann (50./ Eigentor), 2:1 Frahn (56./ Handelfmeter), 3:1 Frahn (90.)

Gelb-Rot: Wetter (60./ Foulspiel/Kiel)

Aufstellung: Coltorti – Sebastian, Hoheneder, Willers, Jung – Röttger (67. Ernst), Kaiser, Schulz (46. Fandrich) – Poulsen, Frahn, Morys (80. Heidinger)

Zuschauer: 11.714 (davon 150 Gästefans)

Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Liveticker, MDR-Bericht [broken Link], KSV-Bericht [broken Link], Kicker-Bericht, Pressekonferenz-Liveticker

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Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche

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