Die Ruhe während des Sturms

Irgendwas mit Fußball heute. Meistverbreitetes Wort aktuell offenbar „Fieber“. Hoffentlich folgt dem Fieber nicht der Fieberwahn. Ich für meinen Teil fühle mich jedenfalls weitestgehend entspannt und vermute, dass ich im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten auch den Mut und die Kraft finden werden, einiges von der Europameisterschaft an mir vorbei laufen zu lassen. Wobei ich glaube, dass ein Großteil meiner Gelassenheit daraus resultiert, dass ich inzwischen wieder vergleichsweise intensiv mit einer Clubmannschaft mitfiebere.

Früher hatten kontinentale oder globale Turniere immer noch ein wenig den Reiz des Besonderen, weil Fußball im Rest des Jahres als emotionales Erlebnis keine wirkliche Rolle spielte und es demzufolge viel Spaß versprach, irgendeinem Team die Daumen zu drücken oder alternativ einem Team möglichst viel Misserfolg zu wünschen. In diesem Jahr fehlt mir diese Motivation, da meine Präferenzen im Alltag des regionalen Viertliga-Fußballs klar verteilt sind. Und Fußball ganz ohne Präferenzen für eines der beteiligten Teams funktioniert nicht wirklich gut.

Sicherlich wird es im Laufe der Europameisterschaft Geschichten geben, die dieser emotionalen Nichtbeteiligung entgegenwirken. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass das permanente Ronaldo-Gedisse schon morgen Abend dazu führt, dass ich mich ein wenig auf die Seite Portugals schlage, die ich bereits unter Luis Figo ziemlich gern mochte. Vielleicht schlägt mein Herz nach ein paar Tagen auch wie fast schon traditionell für Tschechien. Vielleicht schafft es Dänemark, irgendetwas in mir auszulösen. Oder die Iren, bei deren Nennung ich immer aufhorche, weil ich sie einfach nicht mehr bei großen Turnieren vermute. Vielleicht sind es aber auch die Löwschen Jünger, die mir meine irgendwo verlustig gegangene Lust auf das Team, mit irgendeiner nach außen wirkenden Tat wiederbringen.

Bis dahin aber genieße ich erstmal die Tatsache, dass in mir nichts auf dieses Turnier hinfiebert. Bezeichnenderweise wurde mir von der SZ bei einem Quiz, das eigentlich ermitteln soll, mit welchem Team man es bei dieser Europameisterschaft halten sollte, die Rolle des Funktionärs zugewiesen. Das passt zu meinem aktuellen Gefühl ziemlich exzellent.

Denn mein aktuelles Gefühl findet es eher paradox, dass die einzige fußballfreie Zeit des Jahres mit einem auf vier Wochen aufgeblähten Turnier zugepflastert wird, an dem Mannschaften teilnehmen, die im Gegensatz zu Vereinen nicht gut eingespielt sind/ sein können und dazu noch nach – in der globalen Welt – ziemlich beliebigen Kriterien (die Staatsbürgerschaft als Zeugnis über die Zugehörigkeit) zusammengestellt werden.

Aber ja, trotzdem irgendwas mit Fußball heute. Mögen die Spiele beginnen. Und mögen sie vor allem auch irgendwann wieder enden und nicht fußballmüde machen. Im besten Fall packt mich auch noch irgendwann das Fieber, im gleichbesten Fall genieße ich einfach die vereinsspielfreie Zeit.

PS: Ach ja, wo ich schon mal dabei bin. Mein Tipp: Im Endspiel gewinnt die Niederlande gegen Frankreich mit 3:1 nach Verlängerung. Oder vielleicht trennen sich England und Tschechien auch nach 100 Elfmetern Unentschieden und teilen sich den Pott.

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