Regionalliga: RB Leipzig vs. FC St. Pauli II 1:1

Früher, also zu den glückseligen Zeiten als der Fußball noch wirklich Fußball und so (ihr wisst schon), da hielt man das mit der Gastfreundschaft so, dass man dem Gegner am Anfang des Spiels freundlich und bestimmt einen Wimpel in die Hand drückte und anschließend so viele Tore schoss, dass die Gäste bewimpelt, aber punktlos wieder nach Hause fuhren. Bei RB Leipzig gibt es keine Wimpel, dafür eine Art Punkte-Flatrate für Gastmannschaften, eine Form der Gastfreundschaft, die einem als Besucher der Heimspiele ziemlich auf die Nuss gehen kann. Geht es den Spielern offenbar auch, wenn ich die Grimmigkeit von Kapitän Daniel Frahn beim Interview Interview-Versuch direkt nach dem Spiel über die Stadionmikros richtig interpretiert habe. Vielleicht denkt man bei RB ja mal über die althergebrachte Wimpelvariante nach.

Wenn man so will, war das Spiel gegen St. Pauli die perfekte Zusammenfassung der derzeitigen Problemlagen bei RB Leipzig. Man kreiert zu wenige Chancen und wenn man dann doch mal welche hat, dann vergibt man sie leichtfertig. Im Grunde konnte man sich gestern über nichts beschweren. Kein destruktiv-mauernder Gegner, keine nicht gegebenen Tore, die genaugenommen welche waren, kein Pech. Man hat gegen ein gut mitspielendes Regionalliga-Team einfach keine (spielerischen) Mittel gefunden, die entscheidenden Tore zu machen. Punkt.

Dabei lief eigentlich spielfaktisch vieles perfekt. Das Spiel war zwar 30 Minuten lang höchst ereignisarm. Mit viel RB-Ballbesitz, wenig Gefahr, die als erstes St. Pauli produzierte, als sie eine Großchance neben den Pfosten setzten. Aber quasi im direkten Gegenzug das 1:0 durch Daniel Frahn mit einem Tor, das an das 3:2 von RB gegen Wolfsburg erinnerte. Gegen die Laufrichtung des Torwarts in die lange Ecke. Schön und überlegt. Und zum ersten Mal (!) in diesem Regionalliga-Jahr eine Führung in einem Heimspiel.

Zur Führung kam ein 90 Minuten lang gut gelauntes Publikum hinzu, das ein wenig in Pokal-Vorfreude zu sein schien und bis zum Schluss die eigene Mannschaft trotz mäßigem Spiel lautstark unterstützte. Selbst der Wechselgesang klang, initiiert und getragen vom Fanblock für 4.500 Zuschauer ziemlich ordentlich. Schön das, auch in der Vorausschau auf das dienstägliche Augsburg-Spiel und das Schnuppern an möglicher Pokal-Atmosphäre.

Alles gut also nach reichlich 30 Minuten. Auch wenn das Tor ziemlich aus dem Nichts fiel, eine Führung ist eine Führung und gute Stimmung ist eine gute Stimmung. Vielleicht die Schlüsselszene des Spiels lieferte nur wenige Minuten nach der Führung Bastian Schulz, der es wie schon beim Auftritt von RB in Cottbus letzte Woche schaffte, eine im Strafraum quergelegte Vorlage aus 11 Metern frei stehend nicht im Tor unterzubringen. Trifft er (oder geht eine der anderen guten Chancen der Schlussviertelstunde der ersten Hälfte ins Tor), ist das Spiel vermutlich gelaufen. Da er nicht trifft, nimmt das Unheil seinen Lauf.

Denn in Halbzeit 2 knüpfen die RasenBallsportler nahtlos an die Darbietungen der ersten 30 Minuten an und schaffen es einfach nicht, Chancen zu kreieren. Die Mannschaftsteile mit merkwürdig wenig Bindung zueinander. Spieler im Ballbesitz sind arm dran, weil ihnen meist keiner entgegen geht, um per Passspiel spielerische Lösungen zu suchen. Wenn ein Spieler dann doch mal aussichtsreich an den Ball kommt, hapert es an der Ballan- oder mitnahme oder ist ein Pauli-Bein dazwischen. Und wenn all diese Sachen dann doch mal ausgeschaltet wurden, dann trifft man die falsche Entscheidung und passt noch mal quer und in des Gegners Füße oder scheitert am Keeper.

Offensiv war das ganze Spiel von RB Leipzig zwar bemüht, aber ohne zwingend zu sein. Defensiv musste man gegen technisch versierte und schnelle Kiez-Hamburger immer auf der Hut sein. Zwei Riesenchancen hintereinander hatte Pauli in der zweiten Halbzeit, eine davon nutzte man zum letztlich verdienten 1:1. An eine Großchance auf Seiten von RB Leipzig kann ich mich nach der Pause nicht erinnern.

Auch die Einwechslung von Stefan Kutschke und die damit verbundene Umstelllung auf eine 4-4-2-Raute verbesserte die Situation nicht wirklich. Vielmehr wurde ab der 65. Minute das Spielen viel zu häufig aufgegeben und zum letztjährigen Mittel hoch und weit und dann hoffen gegriffen. Das kann mal gut gehen, muss man aber nicht über weite Strecken einer Halbzeit als wichtigstes spielerisches Mittel kultivieren. Ansatzweise gefährlich wurde es vielmehr immer dann, wenn man zu kombinieren versuchte und man Thiago Rockenbach auf der 10 ins Spiel bekam, was aber viel zu selten der Fall war.

St. Paulis Nachwuchs erspielte sich den Punkt ohne größere Zittereinlagen und zeigte ein beherztes und gutes, aber beileibe auch kein überragendes Auswärtsspiel. Hätten sie das getan, wären sie wohl wie die Kollegen vom HSV vor ein paar Wochen als Sieger aus der Red Bull Arena geschritten. Schon allein dies ist eine eher depremierende Nachricht.

Fazit: RB Leipzig hat von fünf Heimspielen nur eins gewonnen. Mit so einer Bilanz wird man wohl schwerlich Meister werden. Dass diese Bilanz kein Zufallsprodukt ist, hat das 1:1 gegen Pauli, bei dem nur zwischen der 30. und 45. Minute guter bis sehr guter Fußball gespielt wurde, schmerzlich gezeigt, auch wenn man der Mannschaft in Bezug auf Einsatz und Willen keinen Vorwurf machen kann. Im spielerisch-kreativen Bereich aber hapert es (noch?) mächtig, weil das Zusammenspiel der Mannschaftsteile und der einzelnen Spieler nur selten und noch seltener mit entsprechendem Tempo funktioniert. Das sagt nichts für das Augsburg-Spiel, weil das eh ein ganz anderes Spiel wird, aber das könnte langsam für ein paar Sorgenfalten in Bezug auf die weitere Regionalliga-Saison sorgen.

Randbemerkung 1: Und wieder kein Tor auf der Fan-Seite. Und das, obwohl man sich heute bei der Seitenwahl entschied, mal zur Abwechslung zuerst auf das Tor vor dem Gästblock zu zielen, um dann in Hälfte 2 das bisher in dieser Saison vernagelte Tor vor dem eigenen Block mit einer Torflut zu bombardieren. War aber nichts und dürfte weitere ‘lustige’ Zeitungsartikel über das vernagelte Heimtor zur Folge haben. Freuen wir uns drauf! Nicht.

Randbemerkung 2: RB Leipzig und Lok zur gleichen Zeit beim Heimspiel? Hat es glaube ich auch noch nicht gegeben. 4.500 Zuschauer beim Regionalligisten. 2.500 beim Oberligisten. Letzterer dafür mit dem 2:1-Heimsieg. Im Tausch gegen den Siegtreffer hätte ich auch ein paar Hundert Zuschauer nach Probstheida abgegeben. Aber schon interessant (weitestgehend wertfrei gemeint) das Zuschauerverhältnis, auch wenn ich nicht glaube, dass RB im direkten Duell mehr Zuschauer mobilisieren könnte.

Randbemerkung 3: Zum angenehmen äußeren Zuschauerrahmen trug im Übrigen auch der Gästeblock bei, in dem sich Paulianer und Rote Sterne bunt zu einer 150-200 Leute starken Gruppe mischten und vor allem sich und später auch ihr Team feierten.

Randbemerkung 4: Nur für die Hamburger Fußball-Streitkultur: Während man es gegen den HSV II nicht für nötig hielt, den Gästeblock zu öffnen und die 50 Gäste am Rande der Haupttribüne hocken mussten, durften die Paulianer einen eigenen Block haben. Ausdruck der zahlentechnischen Fan-Kräfteverhältnisse in Hamburg?

Licht- und Schattenblicke:

  • Wie schon in Cottbus war die Mannschaftsleistung insgesamt eine geschlossene. Keiner, der wesentlich heraus- oder herabragte. Kammlott war als Stürmer viel und gelegentlich auch erfolgsversprechend unterwegs, ging aber später auf links unter. Das zentrale Mittelfeld (Geißler, Schulz) insgesamt mit zu wenig Spielkultur und -kontrolle. Pascal Borel wieder mal Ruhepol ohne besonders viel Arbeit. Christian Müller einige Male in Sprintduellen zu langsam. Die Innenverteidigung im entscheidenden Moment des Gegentors nicht wach. Timo Röttger agil, aber ohne Glück. Zu bemängeln gab es sicher viel, aber das alles einzelnen Spielern anzuhängen, ginge zu weit. Das Gesamtkunstwerk stimmte einfach nicht.

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Tore: 1:0 Frahn (34.), 1:1 Pini (58.)

Aufstellung: Borel – Müller, Ernst, Franke, Kocin – Röttger, Schulz (73. Rost), Geißler (60. Kutschke) – Kammlott (81. Heidinger), Frahn

Zuschauer: 4.548

Links: RBL-Bericht [broken Link], RBL-Liveticker [broken Link], RB-Fans-Bericht [broken Link], MDR-Bericht [broken Link], FCSP-Bericht (broken Link)

2 Gedanken zu „Regionalliga: RB Leipzig vs. FC St. Pauli II 1:1“

  1. Also für mich war Rockenbach der Schlechteste RBLer auf dem Platz, zumal er das Gegentor einleitete als er in der Vorwärtsbewegung der Mannschaft in ein Dribbling gegen 2 Gegenspieler ging. Gefährlich wurde es vor allem über Timo Röttger.

  2. @Gast,
    habe ich zumindest so ähnlich gesehen… Ich habe auch das Gefühl, das Rockenbach gewaltig seiner Bestform hinterherläuft… Wobei ich aber auch festgestellt habe, das einige Anspiele auf ihn unterirdisch waren und freie Anspielstationen für die Aussen bei RB auch eher zufällig entstehen… Alles in allem kann ich mich nur anschliessen:
    “Im spielerisch-kreativen Bereich aber hapert es (noch?) mächtig,” – was eigentlich unglaublich ist, bei dem Kader – was aber auch wiederum die Frage aufwirft, warum spielen Sie bei RB und nicht 1. / 2. oder 3. Liga….
    Als Randbemerkung: Ein in der Pause mit dem Maskottchen kickender Lagerblom in der 4. Liga…. :-(

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